Protocol of the Session on October 12, 2007

Wir nehmen gemeinsam die Herausforderungen des demografischen Wandels für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein an. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Antrag von CDU und SPD.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Bernd Schröder. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von CDU und SPD beantragen zunächst die Feststellung, dass die demografische Entwicklung unser Land vor große Herausforderungen stellt, die auch die Anforderungen an die Wirtschaftspolitik und die wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume beeinflussen werden. Ich denke,

auch ohne einen solchen Beschluss werden die hier angesprochenen Tatsachen ihre Wirkung und ihre Bedeutung in den kommenden Jahren entfalten.

Ebenfalls außer Frage steht, dass das Angebot an Arbeitskräften in einer Region ein wichtig Standortfaktor ist, der unternehmerische Investitionsentscheidungen beeinflusst. Auch hierzu ist deshalb ein Beschluss des Landtages nicht unbedingt nötig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was festgestellt würde, würde seine Wirksamkeit auch ohne einen solchen Beschluss für die vor uns liegende Zeit entfalten.

Fragen wir uns also, mit welchen Anregungen in der Sache die regierungstragenden Fraktionen uns bei dem Thema „Bewältigung des demografischen Wandels“ weiterbringen wollen, so kann man auf die Bitten an die Landesregierung verweisen, sie möge erstens im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch die Unternehmen im Land bei der Bewältigung der Folgen der Bevölkerungsentwicklung unterstützen - sehr gut! - und zweitens die Chancen der Bevölkerungsentwicklung für Schleswig-Holstein nutzen - ausgezeichnet! Insoweit können wir den Antrag aus unserer Sicht heute ohne Probleme in der Sache beschließen.

Allerdings hoffe ich, dass die Landesregierung all dies, was in dieser Vorlage angesprochen ist, schon längst tut oder wenigstens entsprechende Maßnahmen plant und vorbereitet.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Überweisung des Antrages an einen oder mehrere Ausschüsse erscheint uns nur dann als sinnvoll, wenn die Landesregierung dort über konkrete Maßnahmen und Pläne berichten könnte,

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

also - mit anderen Worten -: ein bisschen mehr Butter bei die Fische bringen könnte, wie man bei uns im Norden zu sagen pflegt.

(Beifall bei der FDP)

Dazu können wir Sie allerdings heute schon auffordern und den Antrag entsprechend umformulieren oder zumindest umdeuten.

Heute Morgen haben wir ausführlich - ich verweise auf die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden, Wolfgang Kubicki - über die Aussichten des Mittelstandes in Schleswig-Holstein debattiert. Die alternde und schrumpfende Bevölkerung zwingt den Mittelstand, sich auf vielerlei Art anzupassen. Dies wird

(Bernd Schröder)

den Unternehmen umso leichter fallen, je größer ihre Spielräume sind, neue Wege gehen zu dürfen. Deshalb gilt auch für die Bewältigung der Folgen der Bevölkerungsentwicklung, dass die Wirtschaftspolitik den Unternehmen bessere Rahmenbedingungen bieten muss, damit der Raum für unternehmerische Dynamik so groß wie möglich wird.

Ein bundespolitisches Beispiel: Zurzeit wird darüber diskutiert, ob die Auszahlungsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitslose wieder verlängert werden soll - sehen wir einmal von den damit verbundenen parteipolitischen Selbstfindungsprozessen ab.

Die lange Zahldauer des Arbeitslosengeldes I hat die Dynamik des Arbeitsmarktes verringert, weil viele ältere Arbeitslose weniger intensiv nach einer neuen Beschäftigung gesucht haben. Gleichzeitig führten die großzügigen Möglichkeiten, frühzeitig in den Ruhestand einzutreten, dazu, dass ältere Arbeitnehmer in der Vergangenheit systematisch aus dem Arbeitsmarkt verdrängt worden sind.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das sind wesentliche Ursachen dafür, dass die Beschäftigungsquote älterer Menschen in Deutschland im internationalen Vergleich sehr niedrig ist.

Je länger ein Mensch arbeitslos ist, desto schwieriger ist die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt. Für viele ältere Menschen ist es noch schwieriger. Die Verlängerung der Auszahlungsdauer des ALG I für ältere Arbeitslose würde die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit älterer Menschen wieder verlängern und so die Dynamik des Arbeitsmarktes verringern, und zwar in einem Segment des Arbeitsmarktes, das für die Bewältigung der Herausforderungen einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung ganz besonders wichtig ist.

Von daher weist der Vorschlag, älteren Arbeitslosen das Arbeitslosengeld wieder länger auszuzahlen, mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung in die falsche Richtung.

(Beifall bei FDP und der Abgeordneten Mo- nika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ob andere Gründe bei der Entscheidung über diesen Vorschlag letztlich mehr wiegen, ändert daran im Zweifelsfall nichts.

Ich komme zum Schluss. Die Bevölkerungsentwicklung wird uns schon in wenigen Jahren vor sehr große Herausforderungen stellen. Ja, das ist wahr. Je früher wir nicht nur mit Berichtsanträgen,

sondern auch mit politischen Entscheidungen für größere wirtschaftliche Dynamik sorgen, desto besser werden wir diese Herausforderungen bewältigen können.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Frau Abgeordnete Angelika Birk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An die Adresse der Antragsteller kann ich jetzt nur „Guten Morgen“ sagen. Was will uns dieser Antrag sagen? Haben Sie in den letzten zehn Jahren geschlafen? Die rot-grüne Landesregierung hat sich schon in den frühen 90er-Jahren - im Gegensatz zu den Regierungen anderer Bundesländer - mit dem demografischen Wandel auseinandergesetzt und die Erarbeitung von Prognosen für unser Bundesland bei der Universität Mainz in Auftrag gegeben.

Die Ergebnisse diskutierte die Ministerpräsidentin wiederholt persönlich mit einer großen Fachöffentlichkeit, wobei auch die Wirtschaft eingeladen war und sich sogar beteiligte. Ein Ergebnis dieser Initiative ist die Profilschärfung Schleswig-Holsteins als Gesundheits- und Tourismusstandort und die Förderung entsprechender Forschungs- und Entwicklungspotenziale im Bereich Life Science. Last, but not least pflegt Schleswig-Holstein mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival und anderen Kulturangeboten beachtete und bewusst generationenübergreifend angelegte Ereignisse, die von der Wirtschaft gesponsert werden. Viele Unternehmen haben längst das wirtschaftliche Potenzial der Kultur gerade auch im Hinblick auf den demografischen Wandel erkannt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sollte der Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Austermann von diesem Weg abweichen, sodass er solche Appelle aus den Reihen der Koalitionsfraktionen braucht?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben gerade gestern eine lebhafte Debatte darüber geführt, dass unser Flaggschiff im Bereich des Gesundheitsstandortes Schleswig-Holstein ins Schlingern geraten ist, und zwar dank des Kurses des Wirtschaftsministers. Ich fürchte aber, solch ein

(Dr. Ekkehard Klug)

allgemeiner Appell, wie Sie ihn hier gerade formuliert haben, wird den Kurs allein nicht richten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema demografischer Wandel und Wirtschaft haben uns in den letzten Jahren sowohl der Landesseniorenrat als auch das Altenparlament immer wieder mit sehr konkreten Forderungen konfrontiert. Von diesen sehr konkreten Forderungen finde ich hier nichts. Ich bin zum Beispiel sehr dankbar, dass die Fachhochschule in Heide den Impuls aufgegriffen hat, den Studiengang Tourismus auch mehr auf die ältere Generation auszurichten. Das war ein sehr konkretes Anliegen des Altenparlaments. Es gibt jetzt erste zaghafte Versuche der Fachhochschule in dieser Richtung. Solche Ansätze haben schon längst Auswirkungen in der Tourismuswirtschaft. Solche Ansätze müssen natürlich weiter erforscht und befördert werden, damit nicht ein Einheitsbrei entsteht, sondern sich die Vielfalt der Tourismusangebote für die ältere Generation tatsächlich weiterentwickelt.

Es gibt auch im Bereich der öffentlichen Verkehrsund Gebäudeinfrastruktur und im Bereich der Siedlungsentwicklung sehr konkrete Defizite. Die aktive Politik der Gemeinden - zum Teil auch mit EUGeldern gefördert - konterkariert eine nachhaltige Landesplanung und eine Siedlungsentwicklung, die auf die demografischen Fakten Rücksicht nimmt. Auch im Hinblick auf diesen Bereich vermisse ich Ihre konkreten Anregungen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Solche Anregungen sollten sich an die Adresse des Verkehrsministers richten.

Als Politikerinnen und Politiker im Land und in den Kommunen haben wir die Aufgabe, mit gutem Beispiel voranzugehen und dabei auch gezielt Defizite aufzuarbeiten. Dabei sollte vor allem die Wirtschaftsförderung nicht verkleckert werden. Sie sollte sich vielmehr gezielt auf solche Projekte beziehen, die nachhaltig die demografischen Fakten zur Kenntnis nehmen und auf diesem Potenzial aufbauen. Es sollte nicht länger so sein, dass in jedem Dorf die jungen Familien mit großen Siedlungspotenzialen angelockt werden und dass Gewerbegebiete mit wiederum großen Straßenprojekten nur so sprießen. Man wundert sich dann, wenn die Wasserleitungen sich in 10 oder 15 Jahren nicht mehr füllen, weil nicht genügend Leute vorhanden sind, um die entsprechenden Wassermengen abzunehmen. Man braucht sich dann auch nicht zu wundern, wenn Häuser in Randlagen nicht mehr zu verkaufen sind oder die Gewerbegebiete gewissermaßen wieder zur Wiese werden. Das sind die Fakten,

die wir als Landespolitiker zur Kenntnis nehmen müssen. Gerade wenn es darum geht, im Wahlkreis zu wirken, heißt es auf diese Aspekte Rücksicht zu nehmen.

Wenn Ihr Appell sich auch an die eigenen Reihen in der Großen Koalition richtet, soll es mir recht sein. Wir werden diesen Antrag natürlich unterstützen. Man kann ihn in dieser Allgemeinheit ja gar nicht ablehnen. Insofern spricht nichts gegen den Antrag. Ich glaube aber, er allein wird nicht weiterhelfen. Wir werden auf dieses Thema zurückkommen und dabei präzise und gezielt konkrete Anliegen vortragen, wie wir es schon in der Vergangenheit getan haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Angelika Birk. Für den SSW im Landtag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schaut man sich die Bevölkerungsentwicklung der Vergangenheit und deren Fortschreibung in die Zukunft an, so zeigt sich mit aller Vehemenz, dass die Menschen in Deutschland immer älter werden und die Zahl der Kinder kontinuierlich abnimmt. Bis zum Jahr 2030 wird sich die Bevölkerungszahl von heute 81,6 Millionen auf 74,7 Millionen verringert haben, wenn nicht etwas geschieht. Aus den niedrigen Geburtenraten über 30 Jahre hinweg resultiert auch, dass die Bevölkerung immer älter wird. Während das Durchschnittsalter der Bevölkerung 2005 41 Jahre betrug, wird es im Jahre 2030 51 Jahre betragen. In Unternehmen liegt das Durchschnittsalter derzeit bei 43 Jahren; 2030 soll es 53 Jahre betragen. Gleichzeitig erhöht sich der Anteil derer, die über 60 Jahre alt sind. Derzeit sind es 24,8 % der Bevölkerung. Im Jahr 2020 werden es 29,5 % sein. Bis 2030 steigt der Anteil der über 60-Jährigen auf 35,4 % der Gesamtbevölkerung, wenn nicht gehandelt wird. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Sie bringen Chancen und Risiken mit sich.

Diese Entwicklung wird weitreichende Folgen für die Produkt-, Kapital-, Immobilien- und Dienstleistungsmärkte haben. Sie wird ebenso Auswirkungen auf die Finanz-, Bildungs-, Sozial- und Zuwanderungspolitik von Bund, Ländern und Kommunen haben. Darüber hinaus stellt sie den Arbeitsmarkt vor neue Herausforderungen. Deshalb begrüßen wir