Protocol of the Session on July 12, 2007

Herr Kollege, Ihre Redezeit!

Das ist eine unvertretbare Situation und das muss geändert werden. Es würde Ihnen kein Zacken aus der Krone brechen, wenn Sie in diesem Punkt eine Änderung des Schulgesetzes vornähmen.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug und erteile nun für die CDU-Fraktion Frau Abgeordneter Susanne Herold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem neuen Schulgesetz werden alle Kinder, die bis zum 30. Juni des laufenden Kalenderjahres sechs Jahre alt geworden sind, schulpflichtig. Ziel des neuen Schulgesetzes ist es, grundsätzlich alle Kinder einzuschulen.

Grundschulkinder sollen durch die Zusammenführung und die individuelle Förderung in der flexiblen Eingangsphase gute Startchancen bekommen. Damit erhalten Kinder mit hohen kognitiven Fähigkeiten, aber auch langsamer lernende Kinder die Möglichkeit, die flexible Eingangsphase in einem Jahr beziehungsweise in drei Jahren zu durchlaufen. Für die Mehrzahl der Kinder wird es bei einem zweijährigen Besuch der flexiblen Eingangsphase bleiben. Mit dieser Eingangsphase betreten wir im Übrigen kein Neuland in Schleswig-Holstein; sie wird bereits an vielen Schulen erfolgreich praktiziert.

Eine wesentliche Forderung der CDU-Fraktion in Bezug auf die Einschulungsvoraussetzungen ist, dass gewährleistet sein muss, dass die Kinder, die die Schulreife eindeutig nicht aufweisen, beurlaubt und entsprechend weiter in Kindertagesstätten gefördert werden. Hier dürfen den Eltern auch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Und dies ist bei den Beratungen zum Schulgesetz auch so von unserer Seite deutlich gemacht worden.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben uns mit unserem Koalitionspartner dann darauf verständigt, Beurlaubungen nach § 15 des Schulgesetzes für Kinder auszusprechen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht eingeschult werden können. Es erfolgt nach dieser Regelung also eine

(Dr. Ekkehard Klug)

zeitlich flexible Beurlaubung vom Unterricht. Tritt dieser Fall ein, so haben Eltern auch weiterhin ein Anrecht auf einen Platz in einer Tageseinrichtung. Der aufgekommene Zweifel, ob beurlaubte Kinder noch einen Rechtsanspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung haben, konnte vom Bildungsministerium ausgeräumt werden; denn im Kinder- und Jugendhilfegesetz ist verankert, dass Kinder bis zum Schuleintritt einen Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung haben. Hier ist nicht der Zeitpunkt der Schulpflicht ausschlaggebend, sondern der Zeitpunkt, zu dem die Schule den Erziehungs- und Bildungsauftrag übernehmen kann.

Probleme im Zusammenhang mit den Beurlaubungsmöglichkeiten nach § 15 hat es bei der Einordnung sogenannter Frühchen gegeben. Nach gründlichen Beratungen auch im Petitionsausschuss wird deshalb bei den zu früh auf die Welt gekommenen Kindern zukünftig der eigentlich errechnete Stichtag der Geburt als der Termin für den Eintritt in die Schullaufbahn angenommen. Hierdurch kann auf jeden Fall eine zu frühe Einschulung dieser Kinder vermieden werden.

Meine Damen und Herren, wir werden uns dem Diskussionsbedarf der FDP in Bezug auf den § 15 des Schulgesetzes nicht verschließen. Daher beantrage ich hiermit die Überweisung an den Bildungsausschuss.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Susanne Herold und möchte, bevor wir in der Rednerliste fortschreiten, auf unserer Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte des Europa-Gymnasiums aus Schwarzenbek herzlich begrüßen.

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erhält nun Herr Abgeordneter Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Haus kennt es ja: Gibt es irgendwo ein Problem, dann ergreift die FDP die Initiative und macht einen Gesetzentwurf. Das ist nichts Neues, das kennen wir ja von Herrn Dr. Klug. Das ist also der ganz normale Weg.

Ich darf einmal an Folgendes erinnern: Wir haben in diesem Jahr 27.000 Einschulungen gehabt, dabei gab es noch nicht einmal 100 Zurückstellungen. Wenn es nun vielleicht acht bis neun Probleme gibt,

sieht man sich bei der FDP aufgefordert, einen Gesetzesänderungsantrag zu stellen. Ich glaube, das kann nicht so weitergehen.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der FDP)

- Warum muss man bei jeder Problemlösung, die Verwaltungshandeln betrifft, einen Gesetzesänderungsantrag stellen? Das erschließt sich mir einfach nicht.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn ein Fehler im Gesetz ist, muss man das ändern können!)

- Das ist kein Fehler im Gesetz.

Das Thema Zurückstellung, wie es im alten Schulgesetz geregelt war - und dieser Auffassung waren wohl auch die Grünen -, war nicht befriedigend geregelt, Karl-Martin Hentschel. Es wurde in Schleswig-Holstein genau wie das Thema Klassenwiederholung im Vergleich zu anderen Bundesländern in einem Übermaß zur Anwendung gebracht. Das hatten auch Sie von den Grünen festgestellt. Das war von Kreis zu Kreis in Schleswig-Holstein auch sehr unterschiedlich, ebenfalls von Schulamt zu Schulamt, und aus diesen Gründen eben nicht nachvollziehbar.

Wir haben bereits in der vergangenen Wahlperiode - auch in der anderen Koalition - darüber nachgedacht, wie man das anders lösen kann. Wenn ein Kind nach der alten Regelung vom Schulbesuch zurückgestellt war, wurde rechtlich gesehen kein Schulverhältnis begründet; das ist ganz klar. Also konnten - darüber haben wir auch im Hinblick auf vorgezogene Schuluntersuchungsmaßnahmen diskutiert - keine staatlichen Anordnungen getroffen werden, was dieses Kind zu tun hat oder was es verpflichtend an Unterstützung braucht.

Wir haben uns mit der Novellierung des Schulgesetzes darauf verständigt, dass bei einem Kind, das aufgrund der Stichtagsregelung schulpflichtig ist, auch ein Schulverhältnis begründet werden soll, und zwar in jedem Fall. Ist es aus gesundheitlichen Gründen - dies sind Gründe, die in einer größeren Breite beschrieben sind als etwa nur medizinische Gründe - nicht in der Lage, beschult zu werden, wird dieses Kind bis zu einem Jahr vom Schulbesuch beurlaubt; so regelt es § 22 in Verbindung mit § 15 des neuen Schulgesetzes. Dies war und ist von der Landesregierung und von den beiden regierungstragenden Fraktionen ausdrücklich so gewollt.

Nun hat es die üblichen Probleme gegeben, die bei jeder Neuregelung entstehen - Missverständnisse bezüglich dessen, was gesundheitliche Gründe sind

(Susanne Herold)

und wer diese bescheinigt, und im Hinblick auf die Stichtagsregelung bei Frühgeborenen.

Ich gebe gegenüber den Eltern zu, die natürlich auch uns angeschrieben haben, dass die eine oder andere Schulaufsichtsbehörde vielleicht zu einer anderen Form der Auslegung der Regelung - vielleicht zum Nachteil von Eltern und Kindern - gekommen ist. Das bedauern selbstverständlich auch wir; ich bitte diese Eltern um Nachsicht. Ich glaube aber, das Ministerium hat in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses klargemacht, wie in solchen Fällen zu verfahren ist, und hat dankenswerterweise in einer Information bekräftigt, dass vom Schulbesuch beurlaubte Kinder selbstverständlich eine Kindertagesstätte zu den üblichen Konditionen und Gebühren besuchen können, ohne dass die Träger der Kindertagesstätten von den Eltern einen Vollkostenbeitrag verlangen dürfen.

Der Gesetzentwurf der FDP greift zwei Regelungen auf. Aber, Herr Dr. Klug, Sie vermischen leider wieder die Begriffe. Sie schreiben in Absatz 3 von Zurückstellungen, in Artikel 2 Kitagesetz sprechen Sie jedoch wieder von Beurlaubung. Ich denke, das ist inzwischen erledigt; jedenfalls wissen wir das seit der letzten Sitzung des Bildungsausschusses. Wir brauchen, was die Behandlung von Beurlaubungen angeht, keinen neuen Gesetzentwurf. Es ist inzwischen alles klar geregelt.

Herr Dr. Klug, wenn man Klarheit will, muss man kein Gesetz ändern, sondern Klarheit im Verwaltungshandeln schaffen, und das ist geschehen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält nun Frau Abgeordnete Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die begrüßenswerte neue schulgesetzliche Regelung zur Einschulung der Kinder hat leider in der praktischen Anwendung sehr viel Ärger und Verwirrung gestiftet. Zuletzt haben sich sogar die Krankenkassen in den Medien zu Wort gemeldet, um klarzustellen, dass sie nicht für den Kindertagesstättenbesuch sechsjähriger Kinder aufkommen. Ich habe diese Presseerklärung gelesen; die können Sie nicht leugnen, Frau Ministerin. Ich habe sie als Presseerklärung über den Krankenkassenverteiler der Krankenkasse zugesandt bekom

men, in dem ich als gesundheitspolitische Sprecherin verzeichnet bin. Das können Sie also nicht leugnen. Es ist unterschrieben vom VdAK, kam also über den Weg, auf dem man täglich Presseerklärungen bekommt.

Schleswig-Holstein hatte in den letzten Jahren eine bundesweit auffällig hohe Rate von Kindern, die aufgrund sogenannter mangelnder Schulreife nicht mit sechs Jahren eingeschult wurden. Noch im Schuljahr 2006/2007 waren dies 826 Kinder; früher waren es noch viel mehr.

Im kommenden Schuljahr sind gesetzlich keine Rückstellungen mehr möglich, weil sich die Schule auf die Kinder einstellen soll und nicht die Kinder auf die Schule.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dies möchte ich als neue Sichtweise ausdrücklich begrüßen, Herr Dr. Klug; da sind wir dicht beieinander.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nur aus gesundheitlichen Gründen - diese müssen im Gutachten dargelegt werden - sind Beurlaubungen möglich, und dies trifft im kommenden Schuljahr meines Wissen weit weniger als 100 Kinder. Genau gegenüber diesen Kindern und ihren Eltern haben die Schulbehörden - das muss man leider sagen, Frau Erdsiek-Rave - nicht immer Fingerspitzengefühl bewiesen. Auch wir sind reichlich mit Briefen und Anrufen bedacht worden. Die Verzweifelung dieser Eltern können wir nicht leugnen.

Deswegen ist es wichtig, dass wir darüber sprechen. Deswegen hat mich auch geärgert, dass es nach zwei Sitzungen des Ausschusses, in dem wir darüber gesprochen haben, immer noch Anrufe von Eltern vor Ort gegeben hat, in denen beklagt wurde, dass längst nicht alles klar ist. Deshalb glauben wir, dass es noch einmal lohnt, einen längeren Blick darauf zu werfen, auch wenn das neue Schuljahr jetzt beginnt. Deshalb finden wir es richtig, Anhörungen zum Gesetz durchzuführen, um zu erfahren, wo bei der jetzigen Regelung der Hase im Pfeffer liegt. Vielleicht hat Herr Höppner ja recht: Man muss einfach nur das Verwaltungshandeln für alle transparent und stringenter machen, dann läuft es im nächsten Jahr ohne diese Schwierigkeiten. Es kann aber auch sein, dass wir vielleicht zu einer Neuregelung kommen müssen.

Herr Dr. Klug hat sich in den „Elmshorner Nachrichten“ vom 7. Juli 2007 lange und ausführlich dazu geäußert, wie er sich die Zukunft vorstellt; er

(Dr. Henning Höppner)

will nämlich wieder ein Vorschulangebot für die Fünfjährigen, und zwar freiwillig, und er will dies für diejenigen, die bei den Schuleingangsuntersuchungen Defizite aufweisen, verbindlich machen. Diese Regelung ist ja nun nicht neu. Wir haben gesagt, wir wollen stattdessen ein kostenloses letztes Kitajahr für alle Kinder und nicht nur in den Fällen, wo Eltern die Kosten aus sozialen Gründen nicht tragen können oder es aus pädagogischer Sicht angezeigt ist, dafür sorgen, dass dieses Jahr verpflichtend ist. Es ist bereits jetzt möglich, dass der Kitabesuch für letztgenannte Kinder kostenlos ist. Aber dies ist natürlich ein Unterschied dazu, ein kostenloses Kindertagesstättenjahr verbindlich einzuführen. Hierzu hatten wir Vorschläge eingebracht.

Das heißt, wir sind in der Auseinandersetzung darüber, was vor der Schule an Förderung geschehen soll, gar nicht so weit auseinander mit der FDP. An einer Stelle jedoch schon, Herr Dr. Klug: Wenn Sie denken, wir können zu dem “sitz- und stuhlgerecht entsprechenden“ Kind zurückkehren, das seine Schuhe binden kann und im ersten Schuljahr still dem Lehrer zuhört - was als schulreif gelten soll -, sind wir nicht bei Ihnen.

Uns ist also nicht so richtig klar, was Sie eigentlich mit diesem neuen Antrag wollen. Wollen Sie tatsächlich eine bestimmte Schulreifenorm festsetzen und sagen: „Alles andere muss die Kita vorher erledigen“, oder haben Sie andere Vorstellungen? Schon allein deshalb sollten wir ausführlich im Ausschuss darüber sprechen.

Vom Grundsatz her sind wir der Überzeugung: Die Schule muss sich ändern, nicht die Kinder müssen sich ändern. Deshalb sind wir sehr daran interessiert zu sehen, wie die flexible Eingangsstufe wirklich funktioniert. Wir haben da und dort gehört, dass es sich eigentlich um ein kaschiertes Sitzenbleiben im ersten Schuljahr handelt. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)