Protocol of the Session on July 12, 2007

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, das will niemand hier im Haus.

Vielleicht ist dieser Gesetzentwurf eine Gelegenheit, einfach einmal aus der Praxis zu hören, wie weit die Entwicklung inzwischen ist, und mit denjenigen zu sprechen, die die gesundheitlichen Gutachten machen, um zu wissen, ob der jetzige Text klar genug ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Angelika Birk. Das Wort für den SSW-Landtag hat dessen Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich vorweg und klar zu sagen: Die Landesregierung hat hier Murks produziert und muss das jetzt auslöffeln.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dabei hätte es gar nicht so weit kommen müssen. Es war von vornherein abzusehen, dass sich niemand für die 6-Jährigen verantwortlich fühlen wird, die noch nicht für die Schule bereit sind. Die Kommunen sind heilfroh, dass diese Kinder offiziell nicht mehr Kindergartenkinder sind, weil sie dann nicht mehr zahlen müssen. Das Land hat für die Kindergartenkinder, die offiziell keine sind, aber auch keine Verantwortung übernommen. Sie bekommen sozusagen unbezahlten Urlaub und auf der Rechnung bleiben die Eltern sitzen. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Krankenkassen - auch das muss ich sagen haben dankend abgelehnt, als die Landesregierung jetzt versuchte, ihnen die Kosten aufzubürden. Schließlich sind die Schulanfänger ja aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt, so die kreative Argumentation des Bildungsministeriums. Mit dieser Begründung wird das Land bei der Rentenversicherung, der Feuerwehrhilfskasse oder anderen potenziellen Finanziers ebenso wenig landen können. Damit stehen wir wieder da, wo wir herkamen: bei der anteiligen Förderung durch das Land und die Kommunen. Genau das schlägt die FDP vor. Dem kann der SSW folgen.

(Beifall bei SSW und FDP)

Man braucht aber wenig Phantasie, um sich vorzustellen, was die Gemeinden jetzt rufen werden. Sie rufen: Konnexität! Mit dem neuen Schulgesetz sind sie nicht mehr für diese Kinder zuständig und übernähmen eine neue Verpflichtung. Das Ende vom Lied wird also sein und sein müssen, dass das Land die Kosten so oder so übernimmt. Letztlich ist es auch ein gutes pädagogisches Prinzip, dass man selbst die Suppe auslöffeln muss, die man sich eingebrockt hat.

(Angelika Birk)

Der SSW unterstützt - auch das will ich deutlich machen - die flexible Eingangsstufe, bei der prinzipiell alle 6-Jährigen eingeschult werden. Eine Rückkehr zu den Rückstellungen - das sage ich bewusst mit Adresse an die FDP - wäre aus unserer Sicht ein Rückschritt.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Henning Höppner [SPD])

Vor diesem Hintergrund kann der SSW dem § 15 Abs. 2 im FDP-Gesetzentwurf nicht zustimmen. Letztlich leidet dieser Vorschlag unter demselben Problem wie das, was die Landesregierung etwas euphemistisch als „Beurlaubung“ bezeichnet: Beide Ansätze halten an der starren Aufteilung zwischen Schule und Kindergarten fest, die sowohl das Schulgesetz als auch das Kindertagesstättengesetz erklärtermaßen überwinden will.

Die Landesregierung sollte sich also Gedanken darüber machen, ob die Schulen nicht auch weiterhin den Kontakt zu jenen Kindern behalten müssen, die sie „beurlauben“. Gerade in diesem Zusammenhang gibt es sehr interessante Konzepte, zum Beispiel die Idee einer Schulanlaufstelle in den Kindertagesstätten, die von den Schulen eingerichtet und betreut wird. Solche Konzepte können dazu beitragen, dass die Schulen - über die flexible Eingangsstufe hinaus - Rücksicht auf den individuellen Entwicklungsstand eines Kindes nehmen. Diese neuen Konzepte müssen mit in Erwägung gezogen werden, wenn wir uns im Bildungsausschuss weiter über den vorliegenden Gesetzentwurf unterhalten. Noch einmal: Es ist ganz wichtig, dass die Verzahnung von Schule und Kindergarten, die in der Präambel des neuen Schulgesetzes steht, wörtlich genommen wird und hier zum Tragen kommt. Alles andere werden wir, denke ich, im Ausschuss miteinander bereden.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Das Wort für die Landesregierung hat nun die Bildungsministerin, Frau Ute Erdsiek-Rave.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich haben uns in den letzten Wochen die Einzelfragen, die sich bei den Urlaubsanträgen stellen, beschäftigt. Meine Bitte wäre übrigens, Herr Dr. Klug, im Sinne dieser Einzelfälle, um die Sie

sich kümmern, dass Sie direkt mit uns Kontakt aufnehmen und wir gemeinsam versuchen, die Probleme zu lösen, die sich da ergeben, und das nicht zum Anlass nehmen, das hier im Landtag aufzubauschen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

- Das kann ich mir nicht vorstellen. Das müssten Sie mir schon belegen. Sie können im Übrigen ja wohl kaum -

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das hat er gerade zitiert!)

- Warum wenden Sie sich dann nicht einmal an mich? Andere Kollegen tun das auch und sagen: Ich habe hier einen Fall, der muss gelöst werden. Das macht man in der Regel vertrauensvoll und ohne großes Aufheben. Warum geht das mit Ihnen eigentlich nicht?

Bevor ich zu diesen Einzelfragen komme, will ich hier eines klarstellen. Sowohl Sie als auch Frau Birk haben das hier angeführt. Der VdAK hat mit seiner Presseerklärung auf das reagiert, was im s:hz stand, obwohl der Pressesprecher meines Hauses ihn darauf aufmerksam gemacht hat, dass das missverständlich zitiert war. Er hat sich nämlich zu den Fragen geäußert, die die gesundheitlichen Voraussetzungen der Kinder betreffen, und nicht zu der Frage eines Kindergartenplatzes. Er hat gesagt: Natürlich sind die Krankenkassen zuständig, wenn es um gesundheitliche Fragen geht. Das ist dann mit der Frage des Kindergartenbesuchs vermischt worden. Von vornherein war klar, dass das damit nicht gemeint ist. Auch der s:hz ist darüber schriftlich informiert worden. Ich bitte sehr darum, dass das hier nicht wiederholt wird.

Man kann über das Instrument der Zurückstellung streiten. Man kann auch darüber streiten, ob es sinnvoll ist, die Kinder im Kindergarten zu belassen. Wir haben uns im Schulgesetz zu einer klaren Haltung bekannt. Die heißt: Die Schule ist für die Kinder da - ich kann gern das wiederholen, was hier mehrfach gesagt worden ist - und muss sich an dem Reifestand der Kinder orientieren und nicht umgekehrt. Die Definition von Schulreife, wie sie manchmal noch durch die Gegend geistert, ist wirklich von gestern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Es ist die Verpflichtung der Schule, allen Kindern im Alter ab sechs Jahren gerecht zu werden. Das soll die individuelle Förderung in der Eingangsphase tun. Wir werden demnächst im Landtag darüber

(Anke Spoorendonk)

debattieren. Der Bericht ist Ihnen bereits zugegangen.

Es geht auch darum, dass sich der Abstand zu den Gleichaltrigen nicht weiter vergrößert. Das ist in der Vergangenheit eines der Hauptprobleme gewesen, wenn ein Kind mit Entwicklungsrückstand grundsätzlich zurückgestellt und vom Schulbesuch befreit wurde. Wir haben die Konsequenz aus sehr vielen Jahren Erfahrung gezogen. Das Problem einer verzögerten Entwicklung zieht sich dann nämlich durch die ganze Schulzeit hindurch.

Wenn ein schulpflichtiges Kind also besonderen Förderbedarf hat, dann ist es in der Schule am besten aufgehoben. Das ist das Grundprinzip. Deswegen kooperieren die Grundschulen in Zukunft sehr viel stärker mit den Förderzentren. Sie bekommen Unterstützung und Begleitung bei der präventiven Förderung, insbesondere um Sonderschulbedürftigkeit zu verhindern. Dass die Zahl der Rückstellungen deutlich zurückgegangen ist, ist schon gesagt worden. Das hat auch mit einer veränderten Grundschulpädagogik zu tun, die Einzug gehalten hat.

Noch einmal zum aktuellen Stand. Wir reden insgesamt über rund 110 Beurlaubungsanträge für ganz Schleswig-Holstein. Davon wurden 52 bereits bewilligt. Der Stand, den ich in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses hatte, ist nicht der von heute.

Zum Vergleich will ich sagen: Im laufenden Schuljahr hatten wir es mit 852 Zurückstellungen zu tun. Auch das ist eine Bestätigung für die Richtigkeit dieser Weichenstellung. Bei Beurlaubungsanträgen wird jeder Einzelfall genau geprüft, angefangen bei den Frühgeborenen bis zu anderen Einzelfällen, um die es hier geht.

Nun zur Frage des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz. Das ist keine Lücke im Gesetz. Das ist auch kein - ich weiß nicht mehr, wie Sie es ausgedrückt haben - Versäumnis und hat auch nichts damit zu tun, dass wir nicht darauf gekommen wären. Das ist eine Frage, die im SGB VIII in § 24 ganz klar geregelt ist. Am 3. Juli 2007 haben wir dies - im Übrigen im Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden und dem Landesjugendamt; hier die Frage der Konnexität einzubringen, ist absurd - allen Verantwortlichen in Form eines ministerialen Briefes mitgeteilt, der die Qualität eines Erlasses hat. Wir haben mitgeteilt, dass dies gilt und einzuhalten ist. Wenn das noch nicht bei der letzten Kita oder beim letzten Träger angekommen ist, dann bitte ich um Mitteilung. Ich sage noch einmal: die Einzelfälle ins Mi

nisterium. Ich hoffe, dass dort keine falschen Auskünfte gegeben werden, sondern sich die Mitarbeiter um den Einzelfall kümmern und mit den Kindergartenträgern vor Ort entsprechenden Kontakt aufnehmen und mitteilen, dass es hier um einen Rechtsanspruch nach SGB VIII geht. Damit hat das Schulgesetz überhaupt nichts zu tun. Das gilt fort.

Es geht um eine insgesamt gut begründete bildungspolitische Weichenstellung, die sich seit Jahren vollzieht. Ich hoffe sehr, dass wir auch für die wenigen Einzelfälle, bei denen es vielleicht noch Probleme gibt - das will ich überhaupt nicht abstreiten, dass es bei einer so weiten Formel wie „gesundheitliche Gründe“ auch bei den Schulämtern gelegentlich Auslegungsprobleme gegeben hat -, im ersten Durchgang für alle betroffenen Eltern eine gute Lösung für jedes einzelne Kind finden. Das Kindeswohl hat Vorrang, das ist auch die Maxime, die ich den Schulämtern noch einmal mitgeteilt habe.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/1482 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist so geschehen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vollzug der Jugendstrafe in Schleswig-Holstein - Jugendstrafvollzugsgesetz - (JStVollzG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1454

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile das Wort dem Justizminister, Herrn Uwe Döring.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum Kriminalität, insbesondere Jugendkriminalität entsteht, und wie wir sie bekämpfen können, ist in der Öffentlichkeit und unter Fachleuten heftig umstritten. Manchmal werden dabei Ängste geschürt und manchmal werden Probleme kleingeredet. Ich setze mich für eine Politik ein, die beide

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Extreme vermeidet, denn gegen Jugendkriminalität hilft - davon bin ich fest überzeugt - nur eine Politik, die nüchtern analysiert, die auch den Streit um das beste Konzept sucht, auf das Vorgaukeln einfacher Patentrezepte verzichtet und schließlich fachlich durchdachte und dennoch pragmatische Lösungen entwickelt.

Der vorliegende Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz genügt diesem allerdings sehr hohen Anspruch. Es ist wichtig, wir brauchen einen Jugendstrafvollzug, der auf der Höhe der Zeit ist, denn die Arbeit mit straffällig gewordenen Jugendlichen ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. Bei einer zwar kleinen, aber wachsenden Gruppe von Jugendlichen wachsen Gewaltbereitschaft und Brutalität. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, diese Jugendlichen mit pädagogischen und therapeutischen Konzepten überhaupt noch zu erreichen. Ich habe mir von Fachleuten schon mehrfach sagen lassen, der Begriff „Resozialisierung“ ist ein falscher, es geht um Sozialisierung.

Wer die erschreckenden Entwicklungen in den Großstädten wie Hamburg und Berlin kennt, der ahnt, welche Probleme auf unser noch recht beschauliches Schleswig-Holstein zukommen können. Wir stehen hier vor einer gewaltigen gesellschaftlichen Herausforderung. Einen jungen Menschen ins Gefängnis zu stecken, kann dabei immer nur die letzte Lösung sein und nur ein Teil einer umfassenden Strategie gegen Jugendkriminalität.

Der Gesetzentwurf hat eine lange Vorgeschichte. Anders als beim Erwachsenenstrafvollzug, der 1976 gesetzlich geregelt wurde, konnten sich Bund und Länder jahrzehntelang nicht über ein Jugendstrafvollzugsgesetz einigen. Das Bundesverfassungsgericht hat damit im Mai 2006 Schluss gemacht. Es hat eine Frist bis Ende dieses Jahres gesetzt, um gesetzliche Regelungen im Jugendstrafvollzug zu beschließen und festzulegen. Es hat uns wichtige Vorgaben für dessen Gestaltung in dem Urteil mitgegeben.