Protocol of the Session on May 11, 2007

(Beifall beim SSW)

Die Bundesregierung will mit der Initiative 50plus die Beschäftigungssituation der Betroffenen verbessern und dadurch auch langfristig die Rente sichern. Sieht man sich die einzelnen Vorschläge dieser Initiative an, die ja im Bericht aufgeführt sind, bleiben erhebliche Zweifel daran, dass man mit diesen Vorschlägen ältere Arbeitslose aus der neuen Armutsfalle heraushalten kann. Weder der Kombilohn, der unter den derzeitigen Bedingungen nur zu Mitnahmeeffekten führen wird, noch die Eingliederungszuschüsse sind der Weisheit letzter Schluss.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Allenfalls Maßnahmen und Initiativen zur Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen können die Arbeitnehmer fit für die Zukunft machen. Aber dies wird von den Verantwortlichen völlig verkannt.

Zwar scheint sich die Landesregierung auch darüber im Klaren zu sein, dass die Initiative 50plus nur für einen kleinen Teil zur Verbesserung der Beschäftigungssituation der älteren Arbeitnehmer in Deutschland führen kann - so steht es unmittelbar im Bericht geschrieben -, allerdings zeigt sie keine vernünftigen Alternativen auf. Im Bericht wird nur deutlich gemacht, dass man womöglich zeitnah weitere Handlungsansätze in Betracht ziehen muss, weil es sonst vielleicht zu einer faktischen Rentenkürzung kommen kann. Gewiss kommt es zu einer faktischen Rentenkürzung, denn das ist das eigentliche Ziel dieser sogenannten Reform.

Wenn die Rentenkürzung von der Landesregierung gesehen wird, hätte ich mir gewünscht, dass man seinen Einfluss auf seine Parteigenossen in Berlin in dieser wichtigen sozialpolitischen Frage viel stärker deutlich gemacht und die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre verhindert hätte. Denn auch das hätte man tun können.

(Beifall beim SSW)

Auch die Landesregierung und die sie tragenden Regierungsfraktionen haben zu dieser Rentenkürzung beigetragen und damit nach meiner Auffassung Schuld auf sich geladen.

Anstatt dieses Flickwerk auf Kosten der zukünftigen Rentnerinnen und Rentner hätte man endlich

(Minister Uwe Döring)

einmal eine grundlegende Rentenreform durchführen müssen, die jedem Menschen in der Bundesrepublik eine ausreichende Grundrente und nicht nur eine Grundsicherung auf Hartz-IV-Niveau garantiert. Die Große Koalition hätte aufgrund der Masse wirklich die Macht dazu gehabt. Dass dies nur durch eine Finanzierung durch Steuern möglich ist, sagt sich von selbst. Auch fehlen dieser Reform, die wir hier vorliegen haben, die notwendigen flexiblen Lösungen, die individuell auf die jeweilige Lebens- und Arbeitssituation der älteren Generation eingehen.

Mit der Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre hat die Große Koalition in Berlin also erneut bewiesen, dass sie das Wort Reform nur als sozialen Rückschritt buchstabieren kann. Dies macht auch der heute vorliegende Bericht mit erschreckender Deutlichkeit sichtbar.

(Beifall beim SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms und erteile das Wort für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rente mit 67 und die Initiative 50plus sind die notwendigen Antworten auf die Herausforderungen, die der demografische Wandel für Gesellschaft und Arbeitswelt bringt. Verantwortlich handelnde Politik muss heute auf die Entwicklungen reagieren und handeln, damit die Rentenversicherung für alle Generationen ein verlässliches und leistungsstarkes Instrument der Alltagssicherung bleibt. Die Lasten der Alterung kann man nicht wegreformieren, man kann sie nur fair auf Rentner, auf Beitrags- und auf Steuerzahler verteilen.

Die Anhebung der Altersgrenze muss mit der Verbesserung der Arbeitsmarktchancen Älterer einhergehen. Da sind wir uns alle einig. Die Initiative 50plus soll dazu beitragen, dass in Deutschland ein ähnliches Niveau älterer Beschäftigter erreicht wird wie in unseren europäischen Nachbarländern.

Bessere Voraussetzungen für die Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser durch Kombilohn, Eingliederungszuschüsse und verstärkte berufliche Weiterbildung sind dafür ein ganz entscheidender Schlüssel.

Wichtig sind vor allem aber auch ein neues Bewusstsein im Umgang mit älteren Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern und ein Einstel

lungswandel in der gesamten Gesellschaft. Dabei geht es nicht nur um die Teilnahme am Berufsleben, sondern auch um die oft vernachlässigte und unterschätzte Nutzung von Erfahrungen und Kompetenzen älterer Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer.

Vorgesehen ist, das Renteneintrittsalter maßvoll und in kleinen Schritten ab dem Jahr 2012 bis zum Jahr 2029 von 65 auf 67 Jahre anzuheben. Wir finden, dass die Initiative, die ja insbesondere von Arbeitsminister Müntefering ausgegangen ist, eine ganz, ganz wichtige und gute Initiative zur Sicherung der Rente in Deutschland ist.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Ja! - Beifall bei der CDU)

Ziel der Koalition ist es, die solidarische gesetzliche Rentenversicherung als wichtige Säule der Alterssicherung in Deutschland zu erhalten. Von 1960 bis heute ist die durchschnittliche Rentenbezugsdauer um 70 % angestiegen - von damals 10 Jahre auf heute 17 Jahre. Bis zum Jahr 2030 wird die Lebenserwartung um weitere knapp drei Jahre weiter ansteigen. Schon allein daran wird deutlich: Ohne weitere Reformmaßnahmen wird der Rentenbeitrag langfristig die Grenze von 22 % deutlich überschreiten.

Auf die Anhebung der Altersgrenze werden sich die Menschen rechtzeitig einstellen können, da diese erst ab dem Jahr 2012 erfolgt. In vollem Umfang von der Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre betroffen werden die Geburtsjahrgänge 1964 und jünger sein. Das Vorhaben muss Hand in Hand gehen mit besonderen Anstrengungen für mehr Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Schon bald werden ältere Arbeitnehmer gesucht sein, weil es nicht mehr genügend Berufseinsteiger geben wird. Das Umdenken in den Unternehmen muss jetzt einsetzen. Deshalb müssen sowohl die Anreize zur Eingrenzung der Frühverrentung geschaffen als auch Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser ergriffen werden.

Niemand wird bestreiten, dass trotz des Aufschwungs und trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit die Lage für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbesondere für ältere Arbeitslose schwierig ist: Jeder vierte Arbeitslose in Deutschland ist älter als 50, bundesweit sind das fast 1 Million Menschen. Davon ist die Hälfte im Übrigen schon länger als ein Jahr arbeitslos. Das Beschäftigungsniveau der Älteren ist im europäischen Vergleich in Deutschland nach wie vor schlechter. Wir

(Lars Harms)

sollten allerdings auch darauf hinweisen, dass wir diesen Trend in Schleswig-Holstein gebrochen haben. Hier gibt es wieder mehr Einstellungen älterer Menschen und ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt.

Was mich persönlich nachdenklich stimmt, ist jedoch die Tatsache, dass auf Bundesebene dieser Trend nicht zu beobachten ist. Zumindest im letzten Jahr waren nur 7 % der neuen Mitarbeiter, also derjenigen, die neu eingestellt wurden, älter als 50. Noch eines stimmt uns nachdenklich und das ist die Tatsache, dass fast jedes dritte Unternehmen in Deutschland ältere Mitarbeiter nur dann einstellt, wenn es staatliche Beihilfen bekommt oder wenn es keine jüngeren Bewerber findet. Daher ist in der Tat Handlungsbedarf gegeben.

Wir alle wissen, dass sich ein Fachkräftemangel abzeichnet. Wir wissen, dass die niedrigere Erwerbsbeteiligung Älterer negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen hat, weil uns Know-how verloren geht. Mit der Initiative 50plus wird das getan, was in der Arbeitsmarktpolitik möglich ist. Wir setzen Anreize, damit Unternehmen wieder verstärkt ältere Mitarbeiter einstellen. Dem dient der Eingliederungszuschuss. Wir verstärken den Anreiz dafür, mehr für die Bildung und Weiterbildung der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu tun. Mit der Entgeltsicherung setzen wir Anreize dafür, auch geringer bezahlte Tätigkeiten anzunehmen. Ich bin außerordentlich froh, dass die Bundesregierung mit der Initiative „Erfahrung ist Zukunft“ versucht, diese Instrumente bei den Unternehmen bekannter zu machen.

Einen weiteren Punkt will ich jedoch auch nicht aussparen: Die Unternehmen haben jahrelang gefordert, die Rente mit 67

(Glocke der Präsidentin)

- ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin - einzuführen. Die Rente mit 67 wurde von der Wirtschaft gefordert. Jetzt ist aber die Wirtschaft auch in der Pflicht, dazu beizutragen, dass sich das Klima ändert und die Unternehmen ihre Ansicht, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 50 Jahre seien auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zu gebrauchen, ändern. Nun, da die Bedingung der Rente mit 67 erfüllt ist, sind die Unternehmen in der Pflicht, älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt wieder eine Chance zu geben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts und erteile nun für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sozialpolitisch vertretbar ist eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre dann, wenn es in den nächsten Jahren gelingt, mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Arbeit zu bringen.

(Beifall bei der CDU)

Das Fachministerium hat Modellrechnungen vorgelegt, wonach es mit einer Erhöhung des Renteneintrittsalters gelingen wird, das Rentenniveau oberhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Niveaus von 46 % zu stabilisieren und den Beitragssatz wie vorgesehen zu halten. Nun ist eine Modellrechnung immer nur so gut wie die Annahmen, die ihr zugrunde liegen. Sie muss daher ständig angepasst werden. Unsere Ziele, Rente bezahlbar zu halten und eine existenzsichernde Rente zu gewährleisten, erfordern engagierte politische Begleitung. Dazu gehört ein hohes Engagement bei der Reintegration älterer Arbeitsuchender und bei der berufsbegleitenden Qualifikation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

In mehreren Branchen suchen Betriebe inzwischen wieder händeringend nach Fachleuten. Wir müssen jetzt feststellen, dass die über Jahre hinweg geförderte faktische Frühverrentung damals zwar hilfreich war, um junge Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen, langfristig gesehen jedoch dazu beigetragen hat, dass uns die früh verrenteten Fachkräfte nun fehlen. Die Erwerbsquote bei Älteren - das sind arbeitsmarktpolitisch betrachtet bereits Menschen ab 55 Jahren - steigt inzwischen zwar wieder an, aber hier ist ebenfalls noch viel zu tun.

Die notwendigen Maßnahmen betreffen Arbeitslose ebenso wie Beschäftigte. Für Erstere brauchen wir geeignete Eingliederungsmaßnahmen und diese müssen anders gestaltet sein als bei jüngeren Arbeitsuchenden. Kombilohn und Eingliederungszuschüsse sind für diesen Personenkreis besonders interessant, damit die Betriebe Zeit haben, den Wiedereinstieg zu gestalten. Für die Beschäftigten ist laufende berufliche Weiterbildung besonders wichtig. Wer lange im Arbeitsleben steht, erwirbt viel Erfahrung im Beruf. Das ist zweifellos wichtig, und diese Erfahrungen sind unersetzlich - Betriebe, die vorwiegend jüngere Menschen beschäftigen, müssen dies häufig leidvoll feststellen. Gleichzeitig entfernen sich die erfahrenen Arbeitskräfte jedoch mit

(Torsten Geerdts)

jedem Berufsjahr weiter von den Neuerungen, die aktuell in der Ausbildung vermittelt werden. Von gezielten Weiterbildungsangeboten können daher Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen profitieren.

Die Betriebe müssen sich jedoch auch bewegen, um die Ressourcen, die ältere Beschäftigte bieten, zu nutzen. Sie müssen die Arbeitsplätze für diesen Personenkreis optimal gestalten und solche entsprechende Angebote bereitstellen. Daher ergeht die Aufforderung an die Betriebe, genau hier Aktivitäten zu entwickeln. Darauf ist eben schon hingewiesen worden; ich will das nur wiederholen.

Zur politischen Flankierung gehört auch, die zusätzliche private Altersvorsorge von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu fördern. Die Riester-Rente und die anderen staatlich geförderten Altersvorsorgemodelle sind erfolgreich. Sie sind allerdings, wie das bei neuen Instrumenten häufig der Fall ist, nur langsam angelaufen, aber sie werden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nun zunehmend in Anspruch genommen. Private Altersvorsorge als Ergänzung zur gesetzlichen Rente wird künftig noch wichtiger sein. Daher muss die Förderung fortgesetzt werden. Hierbei gibt es glücklicherweise auch große Übereinstimmung.

Ich hatte mit dem Satz begonnen: „Sozialpolitisch vertretbar ist eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre dann, wenn es in den nächsten Jahren gelingt, mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Arbeit zu bringen.“ Mit dieser Aussage ist es mir ernst. Wer länger arbeiten will, soll auch länger arbeiten können. Ich bin sehr froh, dass hierzu inzwischen quer durch fast alle Parteien ebenso wie auch bei der Wirtschaft Übereinstimmung besteht. Dem Minister und dem Ministerium für Justiz, Arbeit und Europa danke ich für den Bericht, über den wir im Sozialausschuss und im Wirtschaftsausschuss noch vertiefend diskutieren sollten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anhebung des starren gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 verkürzt die Rentenbezugsdauer, jedenfalls dann, wenn - wovon derzeit auszugehen

ist - die Lebenserwartung nicht weiterhin so drastisch steigt, wie das in den vergangenen 30 Jahren der Fall war. Die abschließende Antwort auf die Frage, wie gewährleistet wird, dass möglichst viele Arbeitnehmer überhaupt bis zu diesem Alter arbeitsfähig bleiben, steht jedoch noch aus. Denn viele Menschen - und das ist das Problem, um das es uns heute eigentlich gehen muss - können derzeit nicht bis zum 67. Lebensjahr arbeiten. Aktuell sind nur 45 % der über 55-Jährigen und lediglich 28 % der über 60-Jährigen erwerbstätig. Damit hält Deutschland im Vergleich zu den wichtigsten OECD-Staaten einen absoluten Negativrekord.

Der Rentenzugang aus einem Arbeitsverhältnis bei Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze ist damit von der Regel zur Ausnahme geworden.

Aus diesen Gründen, liebe Kolleginnen und Kollegen - ich sage das deutlich und ich sehe es sehr differenziert -, empfinden natürlich viele Menschen das jetzige Programm der Bundesregierung beziehungsweise deren Beschlüsse hierzu schlicht als Rentenkürzung.

(Beifall bei FDP und SSW)

Das sollte man ganz sensibel aufnehmen.