Ich glaube auch, Herr Minister Döring, dass unter den gegebenen Voraussetzungen die nachgeschobene Initiative 50plus nur wenig ändern wird, wenn wir nicht grundsätzlich am System noch etwas ändern. Denn der eigentliche Skandal, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserer Volkswirtschaft regelrecht aus dem Arbeitsleben gedrängt werden, ist doch offensichtlich. Wir haben das auch jahrzehntelang mit entsprechenden Ausstiegsprogrammen bezahlt. An diesem Skandal ändert auch die Initiative 50plus zunächst einmal nichts.
Was wir brauchen, ist aus meiner Sicht ein Paradigmenwechsel. Es muss darum gehen, bestehende Fehlanreize zu beseitigen, die immer noch zu einem Beschäftigungsabbau für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen. Genau diese Fehlanreize bleiben bedauerlicherweise ausweislich des Berichts größtenteils weiterhin bestehen.
Ein Kombilohn für ältere Arbeitslose wird so lange keine Wirkung entfalten, so lange es lukrativere Ausstiegsmodelle wie etwa die Altersteilzeit gibt.
Die sogenannte 58er-Regelung nach § 428 SGB III bleibt weiterhin bestehen und widerspricht damit diametral den Bemühungen, ältere Menschen in den Arbeitsmarkt zurückzuholen. Insoweit steht die Befürchtung, dass auch sinnvolle Maßnahmen zu wenig greifen werden wie die erweiterte Befristungs
Ziel einer den Bedürfnissen der Menschen angepassten Rentenpolitik muss deshalb sein, den Übergang aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand für die Menschen flexibler als bisher zu gestalten.
Herr Minister Döring, Sie haben die Programme der Bundesregierung hier mehr oder weniger als alternativlos dargestellt. Ich glaube, es gäbe eine Alternative. Mit der jetzigen Reform wird doch lediglich ein starres Rentenbezugsalter - 65 Jahre durch ein anderes - 67 Jahre - ersetzt. Die FDP hat ein eigenes Konzept mit einem flexiblen Übergang in die Rente vorgelegt, das an der Stelle zumindest diskussionswürdig sein müsste. Nach diesem Konzept soll für alle Versicherten ab 60 Jahre der Rentenzugang möglich sein, wobei die Menschen wählen können, ob sie eine Frührente oder eine Teilrente aus den bisher erworbenen Entgeltpunkten beziehen wollen.
Die bisher bestehenden Zuverdienstgrenzen neben dem Rentenbezug werden aufgehoben. Die Versicherten entscheiden damit selbst, ob und in welchem Umfang sie neben der Rente noch arbeiten wollen.
Mit einem individuellen Zugangsfaktor wird der Zeitpunkt des Rentenzugangs ab dem 60. Lebensjahr berücksichtigt: Je länger der Versicherte arbeitet, desto höher ist natürlich der Zugangsfaktor. Dann können auch flankierende Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung älterer Arbeitnehmer richtig und wirkungsvoll greifen, etwa die Initiative 50plus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, verabschieden wir uns doch endlich von dem Vorurteil, jüngere und ältere Arbeitnehmer stünden in einem Konkurrenzverhältnis, das nur Platz für eine der beiden Gruppen lasse. Das ist völliger Unsinn. Auf die Erfahrung und das Wissen älterer Arbeitnehmer können wir überhaupt nicht verzichten. Denn die Erfahrung und das Wissen älterer Arbeitnehmer werden das Fundament für die Zukunftsfähigkeit der Arbeitsplätze der ganzen jüngeren Generation darstellen.
Ich würde mich sehr freuen - ich sage das, weil ich mich jahrelang genau mit dieser Frage an der Universität Freiburg beschäftigen durfte -, wenn wir uns nicht wechselseitig um die Ohren hauten, das eine sei alternativlos, während das andere eine Rentenkürzung sei. Ernst zu nehmende Wirtschaftswissenschaftler räumen zumindest ein, dass bei konse
quenter Anwendung der Regelung das Problem dieses Sozialversicherungszweigs gelöst werden kann, wenn es gelingt, die Menschen tatsächlich länger in Arbeit zu halten. Das ist doch unser eigentliches Problem: die Menschen länger im Erwerbsleben zu halten. Daran sollten wir alle arbeiten, wenn wir auf Landesebene dafür etwas tun können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir nun den Heimweg antreten, sollten wir uns noch einmal klarmachen, wie alt wir sind. Hier sind nicht wenige, die das Alter von 50 Jahren schon längst erreicht haben. Wir gehören nach der wirtschaftlichen Analyse alle zum alten Eisen. Uns darf man nur noch beschäftigen, wenn man noch Geld mitbringt. Wenn wir hier im Landtag unser Mandat nur noch antreten könnten, wenn wir Geld von der Arbeitsagentur mitbringen, was hätten wir dann für Zustände! Aber das ist die Realität. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und viele Selbstständige in diesem Alter teilen dieses Schicksal.
Für viele bleibt in dieser Situation nur eine Art Zwangsselbstständigkeit. Das heißt für viele natürlich erst recht, dass im privaten Bereich gar kein Geld für die Rente übrig ist. Das wird eine Generation ausbaden, die im Augenblick zahlenmäßig die größte ist. Das ist unsere Generation, die hier auch mehrheitlich im Landtag sitzt. Wir lassen das sehenden Auges zu. Das ist ein Versäumnis und ein Skandal.
Ich bin dankbar, dass das Thema auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Es verdiente eigentlich einen noch prominenteren Platz.
Nun komme ich zu dem Aber. Der Bericht, den wir hier vorliegen haben, wiederholt die bekannten Tatsachen, die im Bundestag vor einigen Monaten hinlänglich diskutiert worden sind.
Was wir aber eigentlich brauchen, ist eine Antwort auf die Frage, wie die bisherigen Instrumente der Bundesregierung greifen? Diese Instrumente sind ich kann mich der Kritik anschließen - in sich widersprüchlich und unzureichend. Wie greifen diese Instrumente denn hierzulande? Was bedeutet es konkret? Wie viel Menschen sind mit der Initiative 50plus in Arbeit gekommen? Wie lange hat es da
mit gedauert? Für welche Branchen gilt das besonders? Was kann man noch dafür tun? Zu diesen interessanten Fragen haben wir keine Daten.
Der SSW hat die Dinge nicht in dem erforderlichen Umfang detailliert abgefragt. Es wäre jetzt unsere landespolitische Aufgabe, da einmal nachzuhaken und zu überlegen: Was können wir aus unserer Erfahrung hier im Lande besser machen?
Das Zweite, was nach wie vor als Skandal zu bezeichnen ist, ist die unterschiedliche Lage nicht nur der einzelnen Branchen - das wurde hier schon angesprochen -, sondern auch der Unterschied zwischen Männern und Frauen. Es ist allgemein bekannt, dass nur 5 % der Frauen mit dem Alter von 65 Jahren eine Versicherungszeit von 45 Jahren erreichen. Auch bei 67 Jahren sieht es nicht viel besser aus.
Allein die Tatsache, dass wir ein paar Aufbesserungen für die Anrechnung von Erziehungszeiten in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, hat das Manko noch längst nicht wettgemacht. Hier steht also noch eine große Aufgabe aus.
Nun komme ich zu der Situation, in der wir Grüne uns befinden. Die Situation wird nicht angegangen, weil wir Grüne ähnlich wie beim Klimathema sehr in der Minderheit sind. 70 % der Menschen wollen die Rente mit 67 Jahren nicht haben und 70 % der Abgeordneten im Bundestag wollen sich damit am liebsten ebenfalls nicht befassen. Vor so einem Hintergrund kommt man natürlich nicht zu gemeinschaftlichen, ehrlichen und gangbaren Konzepten.
Die FDP hat einen Vorschlag vorgelegt. Ich zolle ihr Respekt, dass sie das getan hat. Sie dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, Herr Garg: Auch dieser Vorschlag lebt davon, dass in dem Fall nicht die öffentliche Hand, sondern die Rentenversicherung eine Art Kombilohn zahlt.
Ich will den Vorschlag deshalb zwar nicht gleich verteufeln, aber wir müssen uns klar sein: Im Grunde genommen ist es nicht sicher, ob die Ressourcen ohne Weiteres ausreichen, wenn alle von dem Gebrauch machen, was naheliegend ist, nämlich mit 60 Jahren weitgehend in Rente zu gehen und dann vielleicht noch für zehn Stunden hinzuzuverdienen. Das würden wir vielleicht alle gern machen. Das wäre eine sichere Bank, gerade wenn man noch ein bisschen Wochenendarbeit oder Zeitarbeit draufpackt. Das ist etwas, von dem viele träumen.
Die Frage ist aber: Ist das realistisch? Haben Sie das mit den Rentenkassen realistisch durchgerechnet? Oder handelt es sich hier nicht auch wieder um ein Geschenk an viele Betriebe, Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer ähnlich wie bei der 58er-Regelung auf diesen Weg zu bringen, statt in Fortbildung zu investieren und eine neue Kultur der Facharbeit im Alter zu ermöglichen? Denn das brauchen wir. Wir brauchen ein lebenslanges Lernen. Jede Hochschule, jede größere Bildungseinrichtung und die Betriebe selbst müssen hier investieren.
Fachkräftemangel zeichnet sich jetzt in einzelnen Berufen schon ab. Es kann doch nicht sein, dass wir sagen: Alle Leute ab 50 sind nicht mehr in der Lage, ein neues Computerprogramm zu erlernen oder sich auf einen neuen Beruf einzustellen. Da müssen wir viel flexibler werden. Das gilt natürlich insbesondere für die Berufe, bei denen ein großer körperlicher Verschleiß absehbar ist.
Wieso gibt es nur für Piloten eine Regelung, dass sie ab einem bestimmten Alter nicht mehr in der Luft arbeiten? So etwas muss es natürlich längst auch für Leute am Bau geben. Dass wir das noch nicht haben, zeugt von Unehrlichkeit. Die heutigen Zustände gehen da wahrlich zulasten der Knochen derjenigen, die oft schon mit 45 Jahren in ihrem Beruf nicht mehr arbeitsfähig sind und keine Alternative und keine Perspektive mehr haben.
Wir haben unserer Ansicht nach im Ausschuss nachzuarbeiten und zu fragen: Welche guten landespezifischen Ideen gibt es, die wir aufgreifen sollten und die wir auch auf die bundespolitische Ebene transportieren sollten. Was uns bisher vorliegt, ist dazu leider keine hinreichende Grundlage. Aber vielleicht können wir im Ausschuss das Thema noch vertiefen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Birk. Das Wort für einen Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Dr. Garg.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Birk, ich freue mich, wenn Sie sich mit den Rentenkonzepten der FDP auseinandersetzen. Wenn Sie das aber tun, möchte ich Sie doch bitten, dass Sie das hier auch richtig referieren. Es handelt sich bei unserem Konzept mitnichten um ein Kombilohnmodell oder um ein kombilohnähnliches Modell, bei dem Staatszuschüsse gewährt werden, mitnichten auch nicht um Versicherungszuschüsse, die übrigens zu einem Teil, sehr geehrte Frau Kollegin, aus Staatszuschüssen bestehen, denn die Rentenkasse wird zu fast ei
Nein, Frau Kollegin, Sie sammeln, und das gibt es bisher nicht und das ist das neue an dem FDP-Modell, Entgeltpunkte im Laufe Ihres Erwerbslebens. Sie haben bisher nicht die Möglichkeit, diese Entgeltpunkte sozusagen gegen eine finanzielle Gegenleistung, die dem ja gegenübersteht - Sie haben ja schließlich einbezahlt -, einzulösen, bevor Sie das Renteneintrittsalter erreichen, es sei denn, Sie machen bestimmte Ausnahmetatbestände wie Vorruhestand geltend. Wir wollen mit unserem Modell, dass Sie diese Entgeltpunkte, die Sie bis zum 60. Lebensjahr angesammelt haben, einlösen können.
Das ist für den einen mehr und für den anderen weniger. Wenn derjenige, der sich entscheidet, dass er mit 60 in Rente geht, seine Entgeltpunkt einlöst, daraus aber eine geringere Rente hat, was er ja dann vorher weiß, so kann er sich entscheiden, entsprechend hinzuzuverdienen. Dieser Hinzuverdienst wird nicht mehr angerechnet. Das ist ein entscheidender Unterschied. Sie sagen, da würde noch etwas dazubezahlt. Ich sage Ihnen, es wird nichts mehr dazubezahlt, sondern die Menschen bekommen zum ersten Mal die Möglichkeit, das, was sie angesammelt haben, als Gegenleistung aus der Rentenkasse ab dem 60. Lebensjahr in Anspruch zu nehmen. Deswegen stimmt der Vorwurf eben einfach nicht. Jeder muss selbst entscheiden, ob er sich darauf einlässt, mit 60 Jahren in Rente zu gehen, seine Entgeltpunkt einzulösen.
Ich gehe davon aus, dass diese Überlegung bei dem einen oder anderen entsprechend klug getroffen werden wird, und ich glaube das gerade deswegen, weil Eigenverantwortung hier gestärkt wird und weil es sich um einen transparenten Vorschlag handelt, der diskussionswürdig ist. Diese Diskussionswürdigkeit möchte ich mir ungern durch solche Darstellungen, wie Sie sie hier gemacht haben, kaputt machen lassen.
Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Bericht Drucksache 16/1355 federführend, dem Sozialausschuss, mitberatend dem Wirtschaftsausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Dann ist das so geschehen.
Zweite Lesung des Entwurfs des Gesetzes zum Abkommen zur Änderung des Abkommens über das Deutsche Institut für Bautechnik