Protocol of the Session on March 21, 2007

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade jetzt werden die Ausbildungen an unseren Hochschulen auf Bachelor und Master umgestellt. Die Konzepte sind zum Teil geschrieben. Zum Teil wurde schon mit ihrer Umsetzung begonnen. Zum Teil beginnt diese erst im nächsten Semester. Stellen Sie sich folgenden Schildbürgerstreich vor! Die Hochschulen haben zwar auf Bachelor und Master umgestellt, aber das Lehrerstudium bereitet auf Schularten vor, die wir gerade per Gesetz abgeschafft haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben den Grund- und Hauptschullehrer, aber Grund- und Hauptschulen wird es in dieser Form nicht mehr geben. Es wird vielleicht Grundschulen geben, die mit Regionalschulen und mit Gemeinschaftsschulen zusammenarbeiten. Es wird auch isolierte Grundschulen geben, aber den Grund- und Hauptschullehrer brauchen wir in dieser Form nicht mehr. Für Realschullehrer gilt das Gleiche. Es wird keine reinen Realschulen mehr geben. Jeder Lehrer, der an einer Regionalschule oder an einer Gemeinschaftsschule unterrichtet, wird nicht mehr allein seinen Realschülerinnen und Realschülern begegnen. Er muss nun ein erweitertes pädagogisches Konzept haben. Er muss einen weiteren Horizont haben. Gleiches könnte ich jetzt für die Gymnasien durchdeklinieren. Da ist es allerdings so, dass die Lehrerschaft tatsächlich noch sagen kann: Wir bleiben unter unseresgleichen. Wollen wir ein solches standesorientiertes Konzept? Wollen wir ein solches wilhelminisches klassenorientiertes Bildungssystem in der Lehrerbildung weiterhin fortschreiben? Andere Bundesländer haben es uns schon längst vorgemacht. Man kann schon jetzt in der Lehrerbildung nach Schulstufen orientieren. Die Zeit ist jetzt wirklich günstig. Alle sind sowieso dabei, in den Universitäten die Reformen umzusetzen. Geben wir doch jetzt den entscheidenden Anstoß, damit die Professorinnen und Professoren und die Akkreditierungsagenturen, die über unser Lehrerstudium entscheiden, endlich wissen: SchleswigHolstein geht nach vorn und nicht zurück.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen die Lehrerbildung nicht mehr anhand der Schularten hierarchisieren, sondern anhand der Schulstufen. Das heißt, wir wollen sie am Kindesalter orientieren.

Nun zur FDP! Herr Dr. Klug Sie haben zwar unseren Antrag nicht unterstützt, vielleicht geben Sie sich heute ja noch einen Stoß,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann kriegt er von mir einen Stoß!)

aber Sie haben auch den Antrag der Landesregierung nicht unterstützt. Das ist - wie häufig zur Schulreform bei der FDP - ein bisschen halbherzig. Die Koalition fordert zwar auch ein neues Konzept, aber sie gibt weder Ziele noch Zeithorizont vor. Frau Eisenberg, ich höre mit Freude, dass Sie für sich als Ausschussvorsitzende zumindest das Jahresende ins Visier genommen haben. Ich kann Ihnen nur sagen: Irgendwann, irgendwo - das reicht nicht!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Frau Abgeordneter Birk und erteile für die CDU-Fraktion Frau Abgeordneter Sylvia Eisenberg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Birk, Realschulen und Hauptschulen wird es im Bereich der Regionalschule auch weiterhin geben. Das gilt ebenfalls für Gymnasien. Es wird auch die entsprechenden Lehrer geben. Das haben Sie im Grunde bereits selbst erkannt. Ich habe mir heute die „Stormarner Nachrichten“ mit einer großen Anzeige der Grünen angeguckt. Dort steht: In der Regionalschule besteht das differenzierte Schulsystem fort.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht sollten Sie sich einmal zu Gemüte führen, was Ihre Partei selbst sagt.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Jetzt wollen wir zum Thema kommen. Wenn ich ein bösartiger Mensch wäre, könnte ich behaupten, dass Sie nicht nur meine Zeit, sondern auch die unserer Kollegen stehlen. Da ich jedoch kein bösartiger Mensch bin, belasse ich es lediglich bei dem Hinweis, dass ich eigentlich nicht sehr viel von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen halte, die uns inhaltlich nicht voranbringen, sondern lediglich zu dem berühmten Ergebnis führen: Dann lass’ uns mal darüber reden. Das will ich ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Henning Höppner [SPD])

Bereits in der letzten Plenartagung haben wir über genau diesen jetzt wieder vorliegenden Antrag zur Neuorientierung der Lehrerbildung diskutiert. Ich

(Angelika Birk)

verweise daher an dieser Stelle auf die von meiner Kollegin Susanne Herold bereits gehaltene Rede. Auch im Bildungsausschuss haben wir ausführlich über Ihren Antrag gesprochen und einen Kompromiss angeboten, den wir alle hätten tragen können, Frau Birk. Diesen Kompromiss haben Sie abgelehnt. Ich möchte das hier noch einmal deutlich sagen. Neu ist an diesem heute vorliegenden Antrag lediglich, dass Bündnis 90/Die Grünen und der SSW diesen Antrag nun gemeinsam stellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Die Fraktionen der Großen Koalition haben mit ihrem Änderungsantrag im Bildungsausschuss, der heute als Beschlussempfehlung vorliegt, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein Konzept zur Lehrerbildung erstellt werden muss. Hier sind wir gar nicht so weit von einander entfernt. Auf eine detaillierte Auflistung der Konzeptelemente haben wir allerdings bewusst verzichtet. Es ist doch ganz logisch, dass sowohl an der ersten Phase der Lehrerausbildung - dem Studium - als auch an der zweiten Phase der Lehrerausbildung - dem Vorbereitungsdienst - und an der Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern gearbeitet werden muss, und zwar gerade im Hinblick auf die sich aus dem Schulgesetz ergebenden Forderungen. Festzuhalten ist aber auch, dass die Neuorientierung in der Lehrerbildung in unserem Land bereits volle Fahrt aufgenommen hat. Als Hinweise mögen der Bericht zur Weiterentwicklung des Vorbereitungsdienstes aus dem Jahre 2006 und das vorliegende Fortbildungskonzept für Lehrerinnen und Lehrer dienen, das gerade vor 14 Tagen veröffentlicht worden ist. Ich gehe davon aus, dass Sie das kennen.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Selbstverständlich! Aber das Konzept reicht nicht!)

Sie sind aber mit Ihrem Antrag, den Sie jetzt wiederholt haben, offensichtlich nicht auf dem aktuellen Stand der Entwicklung, liebe Frau Birk und liebe Frau Spoorendonk, denn hier liegt bereits etwas vor. Ich gehe davon aus, dass sich Herr Dr. Klug dem Oppositionsantrag anschließen wird. Das werden wir aber sehen. In der Regel ist es ja so. Ich warte mit einer gewissen Freude darauf.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das regeln wir unter uns!)

Alle Fraktionen sind sich einig, dass aufgrund einschneidender Veränderungen in unserer Schullandschaft auch konzeptionelle Konsequenzen folgen müssen. Das ist eigentlich auch selbstverständlich. Ich sage hier aber deutlich: Diese Konsequenzen

müssen gründlich durchdacht und nicht im Schnellschussverfahren erfolgen. Lassen Sie uns - insbesondere dem Ministerium - deshalb etwas Zeit, ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, damit am Ende dieses konstruktiven Arbeitsprozesses ein inhaltsvolles und uns alle zufriedenstellendes Konzept stehen kann. Für die CDU-Fraktion bitte ich um Ablehnung des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen und SSW sowie um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Henning Höppner [SPD])

Ich erteile das Wort für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Detlef Buder.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Grünen zur Lehrerbildung kombiniert Selbstverständliches mit Unrealistischem. Man sollte meinen, dass nach neun Jahren Regierungsverantwortung ein gewisses Maß an Einsicht dafür vorhanden ist, was in welchen Fristabläufen überhaupt realisiert werden kann.

Ich habe es bei dem vorherigen Antrag der Grünen schon gesagt: Diese Fristabläufe ändern sich nicht durch ständige Wiederholung gleicher Anträge. Wir haben das neue Schulgesetz erst vor wenigen Wochen verabschiedet.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir werden es erneut beantra- gen! Wir werden es auch durchsetzen!)

- Natürlich! Sie haben für diesen Antrag ja jetzt schon 50 % mehr Antragsteller bekommen. Vielleicht schaffen Sie das nächste Mal noch weitere 50 %.

Wir haben das neue Schulgesetz also erst vor wenigen Wochen verabschiedet. Erst vor wenigen Tagen ist es in Kraft getreten. Das Schulgesetz ist aber nur die halbe Miete. Ich darf doch wohl als bekannt voraussetzen, dass die Arbeit an den Ausführungsverordnungen, das heißt besonders an den neu zu erstellenden Schulartordnungen, jetzt mit unverminderter Intensität voranschreitet und Priorität haben muss, weil Schüler, Eltern, Lehrer und Schulträger möglichst frühzeitig Rechtssicherheit haben müssen. Da kann das Ministerium nicht eben mal so nebenher ein Konzept zur Lehrerausbildung erarbeiten. Das ist nämlich erst der dritte Schritt in unserer Entwicklung, nicht der zweite.

(Sylvia Eisenberg)

Ihr Antrag erweckt den Eindruck, als hatte sich in der Lehrerbildung in den letzten Jahren überhaupt nichts getan und als stünden wir jetzt vor der Notwendigkeit, das Rad in diesem Bereich neu zu erfinden.

Hier wird mit großen Worten und mit einem Konzept gewedelt, als ob es nicht gerade in diesem Bereich unerlässlich wäre, die Erfahrungen und offenen Fragen, die es auf allen Ebenen selbstverständlich gibt, miteinander zu vernetzen und zusammenzuführen. Das wird bis Anfang Juni auf keinen Fall leistbar sein. Die Elemente für dieses Konzept, die Sie selbst vorwegnehmen, können wirklich nicht für sich beanspruchen, besonders originell zu sein. Individuelle Förderung in homogenen Gruppen, Unterricht jenseits des 45-Minuten-Taktes, fächerübergreifender Unterricht, Lernpläne und so weiter sind keine Dinge, die nach Inkrafttreten des neuen Schulgesetzes gefragt sind. Es soll ja, wie mir berichtet wurde, bereits Lehrer geben, die sich auf diesen Gebieten schon jetzt tummeln und solches schon durchführen.

Natürlich gebe ich Ihnen Recht, dass diese und andere Elemente in der Ausbildung der Pädagogen verstärkt werden müssen. Ich habe in ähnlichem Zusammenhang schon einmal gesagt: Es gibt nichts, was nicht besser werden kann. Aber übersehen Sie doch bitte nicht, dass gerade wir umfassende Reformen im Lehrerstudium und im Referendariat hinter uns haben, deren gemeinsamer Nenner es ist, die Studierenden besser auf ihren pädagogischen Alltag vorzubereiten, statt wie in der Vergangenheit wissenschaftlich hochqualifiziertes Personal ohne jegliche pädagogische Vorkenntnisse ins Referendariat zu schicken.

Es bestand immer Einigkeit darüber, dass die neuen Schularten zu bundesweit anerkannten Schulabschlüssen führen müssen. Es geht nicht nur darum, für die Abiturienten die Hochschulreife zu sichern, sondern auch darum, an Standards orientierte Abschlüsse zu erhalten. Die schleswig-holsteinischen Absolventen dürfen im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitsplätze nicht in einen Nachteil gegenüber ihren Altersgenossen aus anderen Bundesländern gebracht werden. Es wird gerade eine Stärke der beiden zukünftigen Schularten, der Regionalschule und der Gemeinschaftsschule, sein, dass sie zu unterschiedlichen Abschlüssen führen. Das bedeutet natürlich auch, dass wir nicht von heute auf morgen neue Lehrämter erfinden müssen. An diesen neuen Schularten werden Lehrerinnen und Lehrer mit der Fakultas für die Haupt- und die Realschule an der Gemeinschaftsschule, auch an Gymnasien einge

setzt werden. Wir hatten ja auch in der Vergangenheit kein eigenständisches Gesamtschullehramt.

Natürlich sind Beratung und Fortbildung jetzt noch wichtiger als in der Vergangenheit. Das Bildungsministerium hat, wie wir vorhin gehört haben und wie wir alle wissen, ein umfangreiches Fortbildungsprogramm aufgelegt. Uns liegt eine Studie des IQSH vor. Ich empfehle deshalb, den Vorschlägen der Vorsitzenden des Bildungsausschusses zu folgen.

(Beifall bei der SPD)

Ich begrüße auf der Tribüne die Naturfreunde aus Neumünster. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die FDP-Fraktion erhält jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema haben wir in der Tat erst vor einem Monat hier im Plenum und anschließend auch im Ausschuss diskutiert. Insoweit ist es heute überflüssig, Dinge zu wiederholen, die schon einmal gesagt worden sind. Ich verweise darauf, dass ich in der letzten Plenarberatung ausführlich begründet habe, warum ich den Antrag der Grünen nicht für zielführend halte.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich habe in der letzten Plenartagung in meiner Rede mehrere Punkte genannt. Es ist richtig, wenn Frau Eisenberg darauf hinweist, dass wir bei der Umgestaltung der Lehrerbildung ohnehin so etwas wie eine akademische Großbaustelle vorfinden, jedenfalls wenn es um die erste Phase geht. Man muss sich ja um die neuen Entwicklungen durch Selbstbefassung im Bildungsausschuss wiederholt kümmern. Das werden wir auch in Zukunft machen müssen. Ich denke da einmal an die Frage: Welche Kriterien wird die Landesregierung für die Kapazitätsberechnung in den neuen Studiengängen zugrunde legen? Das gilt natürlich nicht nur für die Lehramtsstudiengänge, sondern generell für die neuen Abschlüsse als Bachelor und Master.

Es geht also auch um einige Lehrveranstaltungen mit überschaubarer Gruppengröße, zum Beispiel um Seminarveranstaltungen mit 30 Teilnehmern, die erhalten werden müssen. An einigen Universitäten ist es ja passiert, dass man solche Veranstaltun

(Detlef Buder)

gen einfach preisgibt, um dann einen akademischen Großküchenbetrieb mit 150 Teilnehmern zu machen. Sie alle können sich vorstellen, was für eine Qualität an Lehrerausbildung, auch in Bezug auf die Inhalte, dadurch entsteht. Dadurch kann man sich die Qualität abschminken. Qualität kann in einem Studium dann gar nicht mehr stattfinden. Diese Dinge werden uns also noch weiter beschäftigen.