Protocol of the Session on September 15, 2006

Insgesamt - das ist auch vom Finanzminister gesagt worden - ist der aufgezeigte Weg ein Weg, an dem wir nicht vorbeikommen. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir bei Entscheidungen zukünftig besser als bisher absehen können, welche Folgewirkungen sie haben - im positiven Sinne. Im negativen Sinne: Wir müssen die Kosten kennen, bevor wir entscheiden, um uns für oder gegen neue Kosten und neue Bürokratie entscheiden zu können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und der Abgeordneten Anette Langner [SPD])

Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Heinold und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Jens Magnussen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lautet: „Bürokratiekosten messen und begrenzen“. Ich erlaube mir zur ergänzen: „und reduzieren“.

Zunächst möchte ich dem Finanzministerium für den umfassenden Bericht zum Thema „Bürokratiekosten messen und begrenzen“ danken. Er macht deutlich, dass die Landesregierung der Entwicklung bundesweit einheitlicher und EU-kompatibler Methoden zur Messung von Bürokratiekosten höchste Bedeutung beimisst. Der Bericht macht aber auch deutlich, dass abschließende Erfahrungen aus Pilotprojekten einzelner Bundesländer erst in Kürze zur Auswertung vorliegen werden.

Dennoch ist sich die schleswig-holsteinische Landesregierung zu Recht einig, nicht nur zu warten und zu forschen, sondern umgehend Maßnahmen zur Modernisierung der schleswig-holsteinischen Verwaltung zu ergreifen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Schon in den Koalitionsvereinbarungen wurde der Modernisierungsprozess der Verwaltung mit höchster Priorität versehen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gut!)

Hier geht es nicht nur darum, Bürokratiekosten bürokratisch zu messen, sondern zu handeln und konkret zu reduzieren.

(Beifall bei FDP und SSW - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Praktische Beispiele!)

Hier ist der Prozess eingeleitet, dass Verwaltung gestrafft wird. Oberstes Ziel ist, Strukturen transparenter und bürgerfreundlicher zu gestalten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mein Gott!)

Ein Prozess mit schwierigen Debatten, wie wir alle wissen, ein Prozess, der im stetigen Dialog miteinander forciert und umgesetzt werden muss, aber ein Prozess, der letztlich erforderlich ist und unser Land nach vorn bringen wird. Das ist meine feste Überzeugung.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Alternativlos!)

Das Zusammentragen von Erkenntnissen und Erfahrungen zum Thema Bürokratie aus den anderen Ländern ist zwingend erforderlich. Hier darf man nicht in Kleinstaaterei verfallen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute über Abwanderung von Betrieben oder Verlagerung von Investitionen ins Ausland sprechen, denken wir an Fördergefälle und Niedriglohnländer, aber wir übersehen hierbei oft, dass insbesondere im Süden und Südwesten unserer Republik ähnliche Probleme bestehen. Nur sind es dort Hochlohnländer wie die Schweiz, die Deutschland mit großem Erfolg betriebliche Investitionen abjagen. Und niemand ist kompetenter als die Schweiz selbst - in diesem Fall das Gewerbe- und Wirtschaftskomitee des Kantons Zürich - zu analysieren, warum das so ist. Ich zitiere:

„Immer mehr staatliche Einmischung, neue Steuern, gesetzliche Reglementierung und Bürokratie sind das süße Gift, an dem Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und Unternehmertum langsam, aber unaufhaltsam zugrunde gehen.“

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

„Die Folgen davon sehen wir in unserem überregulierten nördlichen Nachbarland: Die Tüchtigen verlassen das Land, Arbeitsplätze gehen verloren, Wohlstand und Wachstum schwinden.“

Die Untersuchung und Quantifizierung der Regulierungsdichte und Bürokratiebelastung ist daher dringend notwendig. Lassen Sie uns gemeinsam den Standortvorteil Deutschlands nutzen!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nachteil!)

In der wissenschaftlichen Diskussion steht eine Reihe unterschiedlicher Methoden zur Messung der Bürokratiekosten in der Debatte. Eine von ihnen ist das Standardkostenmodell, das in den Niederlanden sehr erfolgreich und terminorientiert angewendet wurde und noch wird. Fach- und sachbezogene Unternehmensnähe und Bürgernähe müssen im Einklang mit einer sinnvollen Straffung von Verwaltungsstrukturen stehen.

Die niederländische Erfolgsstory beruht auf einem einfachen, aber raffinierten methodischen Ansatz: Mit dem Standardkostenmodell werden lediglich die Informations- und Berichtspflichten, die sich aus einer bestimmten staatlichen Anforderung ergeben, gemessen, während das politische Ziel einer

(Monika Heinold)

staatlichen Maßnahme inhaltlich nicht infrage gestellt wird. Es werden die Verursacher von Bürokratiebelastungen genau identifiziert, es werden Zielvorgaben für alle Fachressorts ermöglicht und mit der Umsetzung dieses Modells werden deutliche Wachstumsimpulse ausgelöst.

Die Kosten für Informationspflichten lagen in den Niederlanden im Jahr 2002 bei circa 16,4 Milliarden €. Ziel bis 2007 ist eine Senkung um 4,1 Milliarden €, sprich um 25 %. Sie haben es angesprochen, Frau Heinold. Dies sollte für uns alle Ansporn zur Zielsetzung und Nachahmung sein.

Aus diesem Grund ist es zu begrüßen, dass es sich die Landesregierung auf die Fahnen geschrieben hat, die Einführung eines Bürokratiekostenmessverfahrens, bei Reduzierung des Bürokratieaufwandes, in unserem Land voranzutreiben. Die CDU-Landtagsfraktion wird dieses Vorhaben nach Kräften unterstützen und konstruktiv begleiten.

(Beifall)

Ich danke Herrn Abgeordneten Jens Magnussen und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende neue Bericht „Bürokratiekosten messen und begrenzen“ ist eine Fleißarbeit aus dem Finanzministerium, die deutlich macht, mit wie viel Engagement an der Aufgabe Verwaltungsreform gearbeitet wird. Das Ziel Bürokratieabbau, so wie es im Koalitionsvertrag von CDU und SPD vereinbart ist, wird Schritt für Schritt erreicht werden. Dazu gehört der Analyseteilschritt der Ermittlung von unnötiger Bürokratie und die Bewertung von Vorschriften auch anhand von Kostenfolgen, die sie auslösen.

Das wird nicht nur hier gemacht, auch andere Bundesländer und natürlich der Bund tun das. Der Bund hat vor diesem Hintergrund richtigerweise vor allem die mittelständische Wirtschaft im Auge, die besonders von Verwaltungsvorgaben betroffen ist, weil sie sich in der Regel keinen eigenen großen Verwaltungsapparat leisten kann, der das dann abarbeitet. Schon die letzte Bundesregierung hatte ja einen Masterplan Bürokratieabbau auf den Weg gebracht.

Unter anderem ist auf Bundesebene ein Normenkontrollrat eingesetzt worden, im Bundeskanzleramt gibt es eine Koordinatorin für Bürokratieabbau

und bessere Rechtsetzung und das Standardkostenmodell - das ist mehrfach genannt worden - ist zur Messung von Bürokratiekosten vorgesehen, auch wenn es da bei der Auswahl der Vorschriften nach Datum zu gehen scheint, Frau Heinold. Das gilt nicht nur für neue Vorschriften, sondern man geht da sogar zwei Jahre zurück, anstatt beispielsweise nach der in Brandenburg üblichen QuickScan-Methode zu messen, also erst einmal auszuloten, wo sich das aufwendige Verfahren überhaupt lohnt, anstatt einfach nach Kalender vorzugehen. Das ergibt tatsächlich wenig Sinn.

Damit bin ich nun auch unmittelbar beim vorliegenden Bericht. Der Bericht macht deutlich, wie vielschichtig das Thema ist. Das böse Wort Bürokratie beschreibt im öffentlichen Bereich letztlich die Umsetzung von Vorgaben, die einmal politisch entstanden sind und die zur Aufgabenerfüllung, also zum Regieren des Staates, erforderlich sind. Das betrifft den Staatsaufbau, wie er ja zurzeit im Zuge der Föderalismusreform diskutiert und verändert wird, wie auch unsere Neuordnung bei den Amtsverwaltungen und die Einrichtung kommunaler Verwaltungsregionen.

Die Bürgerinnen und Bürger interessiert in diesem Zusammenhang allerdings aus meiner Sicht weniger der Staatsaufbau, sondern eher der reibungslose, wirksame, wirtschaftliche, verständliche und kundenfreundliche Ablauf des Verwaltungshandelns. Bei sie unmittelbar betreffenden Vorhaben ist die Beteiligung natürlich sehr wichtig. Frau Heinold, das wird der Maßstab für Erfolg oder Misserfolg der Kommunalen Verwaltungsregionen sein.

Der Verwaltungsmodernisierungsprozess in Schleswig-Holstein umfasst Entbürokratisierung, Verwaltungsstrukturreform, Funktionalreform sowie den Einsatz moderner technischer und betriebswirtschaftlicher Instrumente. Verschiedene Modernisierungsgesetze liegen ja auch schon vor. Wozu betriebswirtschaftliche Indikatoren wie Benchmarking gut sein können, hat ja auch Professor Seitz in seinem Gutachten zur haushaltspolitischen Lage und Perspektive in Bezug auf ganz konkrete Verwaltungsbereiche und ihre Personalausstattung nachgewiesen.

Hinzu kommt die Stärkung der Verwaltungskooperation mit Hamburg, die jedoch kein Selbstzweck sein darf. Auch hier ist durchaus das Subsidiaritätsprinzip zu beachten, denn beispielsweise bei der Zusammenarbeit im Bereich Dataport zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein wäre es richtig gewesen, die Kommunen zu beteiligen, um Ausschreibungsvorgaben der Europäischen Union, die wahrhaftig keinen Sinn machen, vermeiden zu

(Jens Magnussen)

können. Alles in allem sind die Maßnahmen sinnvoll. Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass demokratische Prozesse ausgehebelt werden und dass soziale, ökologische und andere Standards einfach verschwinden, denn auch diese Punkte gehören zu einer qualitativ gut arbeitenden Verwaltung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich komme noch einmal konkret zu den Messverfahren: Die Beurteilung der Methoden zur Messung von Bürokratiekosten im Bericht der Landesregierung ist tatsächlich etwas ernüchternd. Meiner Ansicht nach ist diese Beurteilung aber letztlich richtig. Das Standardkostenmodell aus den Niederlanden ist - wie das Tilburger Modell einstmals für die Kommunen - zu Recht beispielgebend. Meine Vorredner haben dies schon gesagt.

Die von der EU auf den Weg gebrachte einheitliche Methode zur Bewertung der durch Rechtsvorschriften verursachten Verwaltungskosten ist zu begrüßen. Neben unserem eigenen Weg zum Bürokratieabbau ist es daher auch sinnvoll, eine EU- und eine bundes- und länderkompatible Methode nach dem Standardkostenmodell mitzuentwickeln. Es stimmt, isolierte Aktivitäten wären nicht sinnvoll. Letztlich würde dies Doppelarbeit bedeuten.

Wie bei der EDV-Entwicklung so sind auch aus den Lernentwicklungen anderer positive Schlüsse zu ziehen. Bürokratiemessung darf nicht zu noch mehr Bürokratie mit interessantem wissenschaftlichem Personal führen. Vielmehr muss dies sich ebenso an Effizienzkriterien messen lassen. Die ersten Ergebnisse aus dem Modellbundesland Brandenburg zeigen, dass das Gros der Bürokratiekosten dort durch Genehmigungsverfahren und Bekanntmachungen insbesondere im Bereich der Güteprüfung von Milch und Milcherzeugnissen sowie bei Sonderzulassungen nach dem dortigen Straßengesetz ausgelöst werden. Es können sich also ganz andere als die erwarteten Bereiche als große Bürokratiebringer auftun. Von daher ist ein bisschen Vorsicht angesagt.

Ich freue mich auf interessante Diskussionen; nicht nur im Finanzausschuss, sondern meiner Ansicht nach auch im Innen- und Rechtsausschuss. An diese Ausschüsse sollten wir den Bericht zur abschließenden Beratung überweisen.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Thomas Rother. Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine etwas andere Auffassung als meine Vorredner. Nach meiner Auffassung ist zu diesem Bericht nur zu sagen: Herr Minister, Bürokratiekosten sind für die Erstellung und den Druck von 80 Seiten des Berichts entstanden. Begrenzt ist allerdings der Wert der Informationen zu konkreten Vorhaben der Landesregierung, um Bürokratiekosten einzudämmen. Es ist schon beeindruckend, einen Bericht von 80 Seiten zu lesen, wobei die zusammenfassende Schlussfolgerung, die auch Handlungsempfehlungen aufzeigen soll, gerade mal aus einem Drittel einer Seite besteht.

Ich hatte bei diesem Bericht das Gefühl, die Landesregierung will den geneigten Leser mit Material erschlagen, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Hierzu ein Beispiel: Die Definitionen des Begriffs Bürokratie nach Max Webers Herrschaftssoziologie sowie die der Bedeutung des Föderalismus, der Subsidiarität oder der Transparenz dem geneigten Landesparlamentarier zu erklären und ich könnte noch weitere Beispiele nennen -, haben den Bericht aufgebläht. Sie haben den Blick auf das Wesentliche verwässert. Wir brauchen keine langen wissenschaftlichen Exegesen über die Systematik des Standardkostenmodells und die Erfahrungen anderer Länder, die man im Internet bei Google in fünf Minuten und viel umfassender bekommen kann.

(Beifall bei der FDP)

Das kann man deutlich kürzer fassen. Wir wollen wissen, welche konkreten Vorschläge die Landesregierung zu bieten hat. Welche konkreten Maßnahmen oder Initiativen hat die Landesregierung zur Verringerung der Bürokratiekosten in Betrieben erarbeitet oder bereits vollzogen? Ich erinnere hier noch einmal an den Koalitionsvertrag, der im Bericht zitiert wird. Dort steht: