Protocol of the Session on September 15, 2006

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

dass jetzt auf einmal die Grundlage infrage gestellt wird.

Die Kommunaldatenerhebung in 2004 ging von den tatsächlichen Kosten aus. Da war es so, dass Schleswig-Holstein überproportionale Sozialhilfekosten hatte. Das war in den letzten Jahren so. Wir haben immer gefragt, welches die Ursachen dafür waren. Aber das war Tatsache. Dafür sollte es einen Ausgleich geben.

Jetzt will man sich mit einem komplizierten Berechnungsschlüssel an Einwohnerzahlen orientieren. Im Endeffekt führt das dazu: Schleswig-Holstein verliert, unsere Kommunen verlieren das Geld. Diese sind im Übrigen noch stärker belastet worden, weil die Schätzungen gar nicht zutrafen. Das ist noch gar nicht berücksichtigt.

Das Überraschende ist, dass dieser Antrag ausgerechnet von den reichen Ländern gestellt wird. Das sind Bayern, Baden-Württemberg, NRW - das ist zwar nicht unbedingt reich, aber groß. Sie wollen mehr Geld aus der Kasse haben. Sie könnten möglicherweise die Betreuung von unter Dreijährigen in Teilen selbst finanzieren. Sie sollen das Geld jetzt noch zusätzlich von uns bekommen. Da hat jemand etwas grundsätzlich missverstanden.

(Beifall im ganzen Haus)

Wir müssen das so deutlich sagen. Ich halte auch den Versuch, jetzt zu sagen, wir tun jetzt einmal ein paar Jahre so, als gebe es die Sozialhilfe noch, nicht für richtig. Ich habe Herrn Müntefering auch gesagt: Das Leben kennt keine Parallelversuche. Das kann man vergessen. Das kann man auch nicht beliebig fortführen. Wir müssen jetzt zu vernünftigen, belastbaren Regelungen kommen, die gelten, auf die sich alle verlassen können, gerade unter dem Gesichtspunkt, wenn Kommunen investieren und endlich in die Betreuung der unter Dreijährigen hineingehen. Dann müssen sie über Jahre verlässliche Finanzdaten haben.

Deswegen kann ich Ihnen, dem Parlament, den Kommunen nur zusichern: Schleswig-Holstein wird an dieser Stelle in Berlin nicht wackeln.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich habe das in dieser Woche schon deutlich gesagt. Ich bin mir mit dem Ministerpräsidenten einig. Er wird das in der MPK entsprechend vortragen. Wir werden das auch an anderer Stelle vortragen. Das ist für uns eine existenzielle Frage. Ich bedanke mich, wenn Sie jetzt gleich dem Antrag zustimmen und uns damit den Rücken stärken.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke Herrn Minister Uwe Döring. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Ist Ausschussüberweisung beantragt?

(Zurufe)

- Nein, Abstimmung in der Sache!

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Warum sollten wir darüber diskutie- ren?)

- Es ist beantragt worden - das entnehme ich den Äußerungen jetzt –, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So einstimmig angenommen!

Erlauben Sie mir eine geschäftsleitende Bemerkung. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 42 ohne Aussprache zu behandeln und den Bericht an den Ausschuss zu überweisen.

Damit ist die Tagesordnung für den heutigen Vormittag erledigt. Ich unterbreche die Sitzung und wünsche Ihnen eine angenehme Mittagspause. Wir treffen uns um 15 Uhr wieder.

(Unterbrechung: 12:47 bis 15:01 Uhr)

(Minister Uwe Döring)

Kolleginnen und Kollegen, die Mittagspause ist beendet und die Sitzung wieder eröffnet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf:

Bürokratiekosten messen und begrenzen

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/774 (neu)

Zunächst erteile ich Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Berichten ist das so eine Sache, wie man es auch an der Präsenz merkt. Hin und wieder ist es auch unterschiedlich zu beurteilen, ob die Berichte gegeben werden oder nicht. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie heute einen Bericht an den Ausschuss überwiesen haben, sodass wir heute nicht darüber reden müssen. Bei einem anderen Bericht wäre ich dankbar gewesen, wir hätten darüber heute sprechen können. Aber auch das tun wir dann im Ausschuss.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich denke an den anderen Bericht!)

- Sie meinen den Bericht betreffend Ausgliederungen. Dazu gibt es eine ganze Menge zu beraten. Ich glaube, das sollten wir vertieft im Ausschuss tun.

Weiter gibt es Berichte wie diesen zum Thema der Messung von Bürokratiekosten. Diesem Bericht hat es noch nicht einmal geschadet, dass seine Behandlung mehrfach verschoben wurde. Er ist dadurch nämlich immer besser geworden. Besser geworden ist er in der Zwischenzeit, weil seit der ersten Berichtsabgabe vieles auf Bundesebene Stichwort: Normenkontrollrat und was damit zusammenhängt - hinzugekommen ist. Insofern glaube ich, dass die Verschiebung ein bisschen hilfreich gewesen ist.

Der Bericht ist dadurch aber nicht nur besser, sondern, sagen wir es ehrlich, auch ein bisschen teurer geworden. Er hat nicht nur 50, sondern 60 Mannstunden gebraucht. Wir haben das Standardkostenmodell noch nicht, aber wir können sagen, was diese Arbeit nach der Personalkostenverrechnungstabelle gekostet hat. Im Übrigen ist das bei diesem Bericht gut angelegtes Geld, wie ich finde. Denn der Bericht gibt eine sehr gute Grundlage über das, was schon seit zehn bis zwölf Jahren in anderen Ländern, zum Beispiel in den Niederlanden, zu diesem Thema erprobt, an Fehlern gemacht und ausgebügelt wurde. Wir erfahren daraus auch, was dazu

in Deutschland entstanden ist, was auf dem Weg ist und was auch in Schleswig-Holstein dazu beraten wird.

Für manches wird das, was hier erarbeitet werden soll, zu spät kommen, weil wir mit vielen Aufgaben, deren wir uns entledigen müssen, wegen der Kürze der Frist nicht warten können, bis wir aufgrund gemeinschaftlich erarbeiteter Methoden errechnen können, wie viel Geld an anderer Stelle möglicherweise gespart wird.

Ich glaube aber, dass wir dringendst eine Methodik brauchen, die eine einheitliche Grundlage dafür ist, Bürokratiekosten zu messen. Wir brauchen sie im Übrigen nicht nur auf nationaler Ebene, also in Deutschland, sondern auch über die Grenzen hinaus, also im europäischen Rahmen. Im Wirtschaftsleben spielen Grenzen ja nahezu keine Rolle mehr. Deshalb müssen wir sehr wohl auch international vergleichbar sein.

Daran wird gearbeitet. Schleswig-Holstein ist nicht bei allen Projekten dabei. Wir haben uns bei dem Pilotprojekt mit der Bertelsmann-Stiftung betreffend Landesbauordnung ausgeklinkt. Da sind wir sozusagen nur auf der Informationsschiene beteiligt. Denn unser eigenes Projekt der Runderneuerung der Landesbauordnung muss schneller vorangehen, sodass wir nicht auf eine neue Methode warten können. Aber wir sind im nationalen Rahmen daran beteiligt, und zwar insbesondere im Verbund der fünf norddeutschen Länder. Wir versuchen, dabei zu einer einheitlichen Auffassung zu gelangen und diese einzubringen. Wir wollen zu neuen Grundlagen für die Messung von Bürokratiekosten kommen.

Als Ziel müssen wir vor Augen haben, dass künftig bei Gesetzen unter einem bestimmten Punkt nicht mehr steht: keine Kosten, oder: die Kosten wissen wir eigentlich nicht, sondern dass dort definitiv beschrieben werden kann, welche Politikausgaben und welche Verwaltungsausgaben damit auf allen politischen und privaten Ebenen verbunden sind. Das ist unser Ziel. An diesem Ziel arbeiten wir.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich glaube, dass dieser Bericht für die weitere Beratung eine ausgezeichnete Grundlage ist und sein Geld wert ist.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort für die antragstellende Fraktion erhält die Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Finanzminister, vielen Dank an Ihr Haus für diesen sehr ausführlichen, qualitativ guten Bericht. Trotz der 80 Seiten ist er kein bürokratisches Monstrum, sondern eine umfassende und aussagekräftige Beantwortung unserer Fragen und eine gute Grundlage für eine spannende Debatte im Finanzausschuss.

Wie können wir zukünftig schon bei der Erarbeitung von Gesetzen die entstehenden Bürokratiekosten auch für die Wirtschaft messen? Der Bericht definiert den Begriff „Bürokratie“ erfreulich positiv. Bürokratie finden wir in der öffentlichen Verwaltung, in der die beschlossenen Gesetze umgesetzt werden, in der Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger abgesichert werden und in der sie vor Missbrauch und Ungleichbehandlung geschützt werden. Bürokratie stellt alle Bürgerinnen und Bürger im Normalfall gleich. Unabhängig von persönlichen oder politischen Beziehungen und ohne Bestechung werden durch die Bürokratie in der öffentlichen Verwaltung Leistungen erbracht. Diese Definition von Bürokratie bricht endlich damit, unter Bürokratie nur noch eine starre, kundenunfreundliche, ineffektive, langsame und unwirtschaftliche Organisation zu sehen, welche mehr schadet als nützt. Diese Definition macht deutlich, dass wir eine öffentliche Verwaltung haben, über die viele Bürger und Bürgerinnen in anderen Ländern der Welt froh wären, eine Verwaltung, die reibungslos funktioniert, ohne dass für Selbstverständlichkeiten zusätzlich gelöhnt werden müsste.

Zurzeit beschäftigen sich eine Reihe europäischer Länder mit der Frage, wie Verwaltungskosten zukünftig gemessen und begrenzt werden können. Das Ziel heißt „good governance“, ein gutes Regieren und Verwalten für die Gemeinschaft und für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger. Grundlage dafür sind fünf von der EU aufgestellte Grundsätze: Offenheit, Transparenz, Verantwortlichkeit, Effektivität und Kohärenz.

Die Studien zeigen, dass die Niederlande mit dem Standard Cost Modell deutliche Erfolge erzielt haben und nun die Belastungen für die Wirtschaft durch staatlich bedingte Bürokratie bis 2007 um 25 % senken wollen. Dieses neue Verfahren ist auch für Deutschland, auch für Schleswig-Holstein interessant. Auch die Bundesregierung macht sich zurzeit Gedanken darüber, wie sie solches umsetzen kann.

Das in anderen Ländern bereits erprobte Standard Cost Modell kann eine Hilfe sein, um die öffentli

che Verwaltung auf allen Ebenen weiterzuentwickeln und den Anspruch auf Bürgernähe und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen.

Meine Fraktion unterstützt den von der Landesregierung aufgezeigten Weg, die Auswertung anderer Bundesländer, die im Bereich Standard Cost Modell Pilotprojekte aufgelegt haben, abzuwarten, um anschließend auf gemachte Erfahrungen zurückzugreifen.

Auch ist nachvollziehbar, dass die Landesregierung die laufende Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik nicht mit dem Standard Cost Modell verknüpfen will. Im aktuellen Prozess geht es um die politische Entscheidung, welche Aufgaben zukünftig wegfallen können. Genau darum geht es beim Standard Cost Modell nicht. Das Standard Cost Modell akzeptiert die politische Entscheidung, ohne sie zu bewerten, und berechnet neutral die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen. Das Standard Cost Modell ist also zukunftsorientiert und bildet eine gute Grundlage für zukünftige Entscheidungen.

Meine Damen und Herren, allerdings erwartet meine Fraktion von der Landesregierung, dass sie auch bei der jetzigen Verwaltungsstrukturreform nachweist, dass diese insgesamt wirtschaftlich ist. Genau dieses Kriterium erfüllt die Bildung von vier neuen Verwaltungsregionen nicht. Zwar wird vom Innenministerium gebetsmühlenartig beteuert, dass dabei keine neue Verwaltungsebene entsteht, tatsächlich entsteht aber eine neue zusätzliche Ebene. Es gibt mehr und nicht weniger Bürokratie.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Kriterium einer effektiven, effizienten Verwaltung wäre nur erfüllt, wenn es am Ende der Entwicklung zu vier Regionalkreisen kommt, welche dann Aufgabe des Landes und der ehemaligen Kreise und kreisfreien Städte zusammenführen würden. Aber vor diesem Schritt scheuen Sie sich noch, meine Damen und Herren von der CDU.