Protocol of the Session on September 15, 2006

Studienjahre im Ausland könnten in dem vor uns liegenden Zeitraum nicht nur zur Entlastung der deutschen Hochschulen beitragen, sondern zugleich die Berufsaussichten der Nachwuchsakademiker deutlich verbessern und zu einer breiteren Internationalisierung des Hochschulstudiums führen. Mit anderen Worten, auf diese Weise könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Dies ist wohlgemerkt nur eine zusätzliche Maßnahme. Es muss jedoch ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die auch im Bericht angesprochen werden, hinzukommen.

Im Zusammenhang mit dem Thema der steigenden Studienplatznachfrage möchte ich noch einen Aspekt ansprechen, der hier nicht unerwähnt bleiben darf. Ich darf mich auf einen Aufsatz beziehen, den der Leiter der Abteilung Hochschulen, Forschung und Kunst der Kultusministerkonferenz, Roland Thierfelder, vor einiger Zeit veröffentlicht hat. Er bezieht sich auf die Kapazitätsprobleme, die sich im Zusammenhang mit der Einführung der Bachelor-/Master-Studienstruktur ergeben. Ich zitiere aus diesem Aufsatz aus „Forschung & Lehre“, 12/2005.

„Zu berücksichtigen ist … auch, dass das Bachelor-Studium in kürzerer Zeit zu einem vollwertigen berufsqualifizierenden - oder wie es etwas moderner heißt: employability gewährleistenden Abschluss führt. Dies erfordert gesteigerte Anleitung und Betreuung und damit erheblichen Personalaufwand.“

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Ich will einmal dahingestellt lassen, ob das Ziel eines berufsqualifizierenden Abschlusses tatsächlich in allen Fächern im Rahmen eines sechssemestrigen Bachelor-Studiengangs erreicht werden kann. Ich habe erhebliche Zweifel daran, ob dies möglich ist. Dies will ich jedoch außen vor lassen. Richtig ist allerdings die Feststellung, dass dieses Ziel ohne die erwähnte gesteigerte und verbesserte Anleitung und Betreuung so gut wir gar nicht in sechs Semestern erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund stehen die Universitäten vor dem Problem, dass sie beim Wechsel von Diplomstudiengängen zum Bachelor-Master-Modell heute durchweg zu geringe Lehrkapazitäten haben, um in den Bachelor-Studiengängen vernünftige Studienbedingungen zu gewährleisten.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Kieler Lehrstuhlinhaberin für Betriebswirtschaftslehre, Frau Professor Friedl, hat dieses Problem in der vergangenen Woche während eines

Symposiums an der Kieler Universität beispielhaft anhand ihrer Erfahrungen aus diversen Akkreditierungskommissionen für Bachelor-Studiengänge illustriert. Mehrere deutsche Universitäten haben in ihren neuen Bachelor-Studienordnungen für Betriebswirtschaftslehre inzwischen Seminarveranstaltungen, das heißt Lehrveranstaltungen mit maximal 30 Teilnehmern, mangels entsprechender Lehrkapazität völlig gestrichen. Die Universität Kiel hat von den bisherigen vier Pflichtseminaren im Diplomstudiengang BWL im neuen Bachelor-Studiengang immerhin noch zwei Seminare übrig gelassen. Dabei ist sie aber - was die Lehrkapazität angeht - wirklich an den Rand ihrer Lehrmöglichkeiten gekommen. Damit wird deutlich, dass der Bologna-Prozess dazu führt, dass sich an unseren deutschen Universitäten unter den Rahmenbedingungen derzeit der Trend zum akademischen Großküchenbetrieb verstärkt. Quantität geht zunehmend auf Kosten der Qualität. Der einzige Ausweg wäre bei gleichbleibender Ausstattung eine Senkung der Studienplatzzahlen. Das geht angesichts der vor uns liegenden Nachfrage natürlich nicht.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Das ist das Problem, das im Zusammenhang mit dem Thema der Nachfrage nach Studienplätzen und der Frage, wie wir eine qualitativ vernünftige Umsteuerung in der Studienstruktur erreichen können, unbedingt mit diskutiert werden muss. Anderenfalls würde uns diese Entwicklung in den nächsten zehn Jahren einen erheblichen Qualitätseinbruch in unserem deutschen Hochschulsystem bescheren.

(Beifall bei der FDP)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, der letzte Beitrag hat ebenso wie der Beitrag des Kollegen Weber deutlich gemacht, dass es eine ganze Reihe von Detailfragen gibt, die wir noch im Ausschuss klären müssen. Von daher mache ich nur noch einige grundsätzliche Anmerkungen. Zu den Prognosen dieses Berichts ist - so denke ich - schon alles gesagt worden. Man hat nicht die Möglichkeit, jetzt alle Faktoren mit zu berücksichtigen, zumal noch unklar ist, wie sich das Mobilitätsverhalten auswirken wird. Dies ist schon ge

(Dr. Ekkehard Klug)

sagt worden. Richtig ist, darauf hinzuweisen, dass vor dem Hintergrund der neuen OECD-Studie politisch noch etwas beschlossen werden muss, das sich auf das Angebot an Studienplätzen auswirken muss.

Der Bericht gibt dennoch den Eindruck, als sei man davon überrascht worden, dass mit den Änderungen im Schulsystem durch ein Abitur nach 12 Jahren auch weitere Studienplätze vorgehalten werden müssen, zumal man auf der Ebene der Kultusministerkonferenz erst recht spät damit begonnen hat, ein Konzept zu erarbeiten. Erst im Dezember sollen die Regierungschefs darüber beraten, wie ein Hochschulpakt von Bund und Ländern ausgestaltet werden kann. So kann man es im Bericht lesen.

Das Ministerium selbst räumt in den kommenden Jahren ein Defizit an Studienanfängerplätzen ein. Es räumt sogar ein deutliches Defizit ein. Genau diese Beobachtung sollte ausschlaggebend dafür sein zu sagen, dass wir in den Ausbau unserer Hochschulen mehr investieren müssen. Bereits jetzt liegen Zahlen vor, die deutlich machen, wohin die Reise geht. Lieber Kollege Astrup, es liegen Zahlen aus Flensburg vor, die deutlich machen, dass allein an der Universität die Zahl der Bewerber für das Wintersemester um fast ein Drittel gestiegen ist.

(Beifall beim SSW)

Ganz interessant finde ich die Anmerkung, dass der Anteil der Landeskinder leicht gesunken ist. Ein steigender Anteil der Studienanfänger kommt aus Niedersachsen. Ich wüsste gern, woran das liegt. Dies können wir aber vielleicht im Ausschuss klären.

Zu denken gibt, dass die Landesregierung trotz der Tatsache, dass man bis 2011 bei den Studienanfängern einen Anstieg von mehr als 20 % erwartet, nicht vorhat, die Strukturen an den Hochschulen langfristig auszubauen. Man will zusätzliche Professorenstellen einrichten; gern Stiftungsprofessuren, wobei es nicht einfach ist, eine Stiftungsprofessur einzurichten. Man hat andere Maßnahmen im Blick, die dem Bericht zu entnehmen sind. Man kann sagen, dass einige dieser Maßnahmen mehr auf Flickschusterei hindeuten. Andere Maßnahmen - so denke ich - sind diskussionswürdig.

Auch der SSW tritt dafür ein, dass man den akademischen Mittelbau stärkt. Wir müssen uns aber auch um den akademischen Nachwuchs kümmern. Das heißt, wir müssen künftig Forschung und Lehre ebenso wie das breite Studium im Blick behalten.

Aus dem Bericht geht nur indirekt hervor, was der Kollege Klug vorhin ansprach. Das sind die Herausforderungen der neuen Bachelor-/Master-Stu

diengänge. Wir müssen weitere Kapazitäten vorhalten, wenn wir diese Umstellung auf Bachelor und Master richtig wollen. Wer sich die Stellungnahmen zur Neuordnung der Lehrerausbildung noch einmal anguckt, der wird eine interessante Stellungnahme der Universität Bielefeld finden, die genau dieses Problem anspricht. Bachelor-Studiengänge verlangen also ganz einfach, dass die Kapazität an den Universitäten erweitert wird. Sonst kriegt man das nicht in den Griff.

Auch die neue OECD-Studie sagt, wohin die Bildungsreise für die Bundesrepublik gehen muss, wenn wir mit unseren Nachbarländern in Europa mithalten wollen. Es hört sich wie eine Banalität an, aber ich denke, auch Banalitäten müssen wiederholt werden: Wir müssen mehr in die Köpfe investieren. Wir müssen den Anteil derjenigen, die nach bestandenem Abitur das Studium anstreben, steigern, denn im internationalen Vergleich hinkt Deutschland hinterher.

Es gibt eine ganze Reihe von Ausbildungsgängen, von Berufen, für die wir ein Fachhochschulniveau hinbekommen müssen. Wir haben das in diesem Haus mehrfach diskutiert. Wir haben das bei den pädagogischen Berufen diskutiert, bei der Krankenpflege. Dort kommt noch etwas auf uns zu. Von daher, finde ich, hätte man in dem Bericht ein paar weitere Perspektiven aufzeigen müssen, mehr als man hier getan hat.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Offensichtlich ist es mir gelungen, einige aus dem nachmittäglichen Schlummer zu wecken. Nochmals ganz in Ruhe: Ich freue mich, dass alle, die nach mir gesprochen haben, meinen Bedenken, dass dieser Bericht in vieler Hinsicht wichtige Komponenten nicht genannt hat, Recht gegeben haben. Ich halte diese Komponenten nicht für vernachlässigenswert, sondern für zentral.

Natürlich kann niemand hellsehen. Aber es ist logisch, dass Sie, wenn Sie 10.000 Leute, die es schon jetzt gibt, in dem Bericht gar nicht hochrechnen, zu falschen Ergebnissen kommen. Man weiß schon jetzt, dass es mehr Abiturienten gibt. Das

(Anke Spoorendonk)

kann man anhand der Zahlen der weiterführenden Schulen hochrechnen. Wenn Sie da konservativ herangehen und davon ausgehen, dass die Abiturquote gleich bleibt, kommen Sie zu falschen Ergebnissen. Wenn Sie wissen, dass es das politische Ziel ist, die Quote der Abiturienten weiter zu erhöhen, und dass von den erhöhten Quoten mehr Leute studieren sollen und nicht nur 85 %, dann müssen Sie mehrere Szenarien machen. Ich erwarte nicht, dass ich einen Bericht bekomme, an den ich als Abgeordnete mit dem Taschenrechner herangehen muss, wie es mir eben empfohlen worden ist. Eine seriöse Berichterstattung hat mehrere Szenarien im Blick und kann zu plausiblen Erwägungen kommen: Worst Case, Best Case, mittlere Berechnung. So etwas erwarte ich von einem Ministerium in einem so hochsensiblen Bereich. Schon jetzt sagen die Studierenden zu Recht: Wir haben zu wenig Plätze, wir haben zu wenig Personalkapazität bei den Professorinnen und Professoren.

Herr Klug hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass die Bachelor- und Master-Studierenden mehr Personalkapazität erfordern. Wir wollen doch nicht, dass unsere jungen Leute an den Universitäten und Fachhochschulen scheitern. Wir wollen, dass sie schnell studieren, dass sie erfolgreich studieren. Also müssen wir ihnen dafür die Rahmenbedingungen geben.

Ich habe von allen Mitdiskutanten deutlich gehört: Wir müssen mehr tun, als bisher in dem Bericht an Maßnahmen stehen. Wir müssen auch die Maßnahmen, die wir von Herrn Austermann schon genannt bekommen haben, quantifizieren. Das beeinflusst unsere Haushaltsberatungen. Wir können nicht so tun, als könne alles so bleiben, wie es ist.

Wenn die Debatte diesem Ziel dient und wenn wir in den Ausschussberatungen zu konkreten Überlegungen kommen, die sich in quantifizierbaren Verhältnissen niederschlagen, dann können wir mit Optimismus in die Zukunft schauen. Ich wollte durch meinen Beitrag nur verhindern, dass wir denken, es bleibt alles so, wie es ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/941, dem Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten ohne Aussprache.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hafenanlagensicherheitsgesetzes (HaSiG)

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 16/207

Bericht und Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses Drucksache 16/898

Ich erteile dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Plenarbeschluss vom 2. September 2005 ist dem Wirtschaftsausschuss federführend und dem Innenund Rechtsausschuss mitberatend der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hafenanlagensicherheitsgesetzes, Gesetzentwurf der FDP-Fraktion, zur Beratung überwiesen worden. Gegen die Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit den Stimmen der FDP hat dieser Entwurf nicht die Mehrheit bekommen.

(Heiterkeit)

- Aber so war es eben. Ich möchte nur auf das Abstimmverhalten hinweisen. - In seiner Sitzung am 5. Juni schloss sich der federführende Wirtschaftsausschuss dieser Empfehlung des beteiligten Innenund Rechtsausschusses an.

Somit schlage ich dem Hohen Haus im Namen der Mitglieder des federführenden Wirtschaftsausschusses vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/ 207 abzulehnen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Der Ausschuss empfiehlt Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist der Beschlussempfehlung mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der FDP gefolgt worden.

(Angelika Birk)