Koalitionsvertrags in rechtlich und formal einwandfreier Art und Weise. Ich denke, die Debatten im Ausschuss, die wir auch noch mit einer ordnungsgemäßen Anhörung verbinden sollten, Herr Kollege Wadephul, werden uns in dieser Frage weiterbringen.
Ich bedanke mich ausdrücklich für die Beiträge und wünsche uns allen einen Verfassungsentwurf nach der Ausschusssitzung, hinter dem wir alle stehen können und der uns als ein Land auszeichnet, das wiederum eine Vorreiterrolle gegenüber anderen Ländern einnimmt. In der Vergangenheit wurde das schon so erklärt, ist aber leider nicht immer eingelöst worden.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki. - Ich erteile das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Fraktionsvorsitzenden, Frau Anne Lütkes.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf feststellen, dass dankenswerterweise jetzt der Ministerpräsident doch auf der Regierungsbank Platz genommen hat und der Debatte zur Änderung der Landesverfassung in der Schlussphase folgt.
Ich bin ebenso wie mein Vorredner sehr erfreut darüber, dass hier ein Entwurf der Regierungsfraktionen - ich darf sagen: nun endlich; denn das war lange angekündigt - vorgelegt worden ist, um schwierige und wichtige Dinge in der Verfassung neu zu regeln. Sie haben Recht, Herr Kollege, eine Verfassung ist kein Bauchladen. Ich bin ebenso wie mein Vorredner durchaus persönlich sehr zurückhaltend, was die Formulierung von Staatszielen in der Verfassung angeht. Wir haben festzustellen, dass es heute geradezu modern ist, die Verfassung etwas ausführlicher zu formulieren. Insofern ist es umso wichtiger, die Zusatzformulierungen in der Ausschussberatung sehr sorgfältig und sehr genau abzuwägen, um zu sehen, wie eine angemessene und aus meiner Sicht auch kurze und knappe Formulierung möglich sein könnte.
Wir sind froh, dass Sie einige Punkte aufgenommen haben, die wir im gemeinsamen Antrag aller Oppositionsfraktionen vorgelegt haben. Für die Geschichte möchte ich nur richtig stellen: Auch wir haben uns der Regelung der Oppositionsführerschaft einverständlich genähert und einen - ich glaube sogar - identischen Vorschlag vorgelegt wie
die Regierungsfraktionen. Hierzu wird es kaum Debatten zu geben haben. Wir sind aus der Erfahrung heraus alle gemeinsam klüger geworden.
Auch in der Frage des Landesverfassungsgerichts, das wir aus Gründen, die ich bis heute noch nicht verstanden habe, in der letzten Legislaturperiode nicht haben einrichten lassen, stelle ich erfreut fest, dass Sie es nun gemeinsam mit uns tun würden. Die Frage des Standorts ist sicherlich eine Mehrheitsfrage. Sie muss auch nicht in der Verfassung geklärt werden. Als Justizministerin a. D. denke ich natürlich immer an den Gerichtsstandort und an sehr preiswerte Möglichkeiten, das Landesverfassungsgericht gut arbeiten zu lassen. Das wird sich sicher einverständlich - aber auch öffentlich - klären lassen.
In der Frage des Landesverfassungsgerichts war ich zunächst etwas polemisch gestimmt, was die Ausformung der Klagebefugnis angeht. Durch den Beitrag von Ihnen, Herr Kollege Puls, denke ich jedoch, es macht Sinn, wenn wir gemeinsam in die Frage einsteigen. In unserem Entwurf haben wir das Recht aufgenommen, gegebenenfalls eine Klage in Karlsruhe - und gegebenenfalls jetzt auch in Schleswig-Holstein - erheben zu können. Angeknüpft wird entweder an einem Drittel aller Abgeordneten oder an einer Fraktionsberechtigung. Wenn Sie aber sagen, man solle darüber nachdenken, dies aus Schutzgründen doch an zwei Fraktionsentscheidungen anknüpfen, dann denke ich, dass wir alle sehr gern mit Ihnen darüber diskutieren und dass wir einverständlich zu einer guten Lösung kommen werden, die auch die Oppositionsrechte in diesem Haus hochhalten wird.
Ich finde es erläuterungswürdig, warum Sie auch vor dem Hintergrund der Debatte, die wir eben geführt haben, die Minderheitenschutzrechte nicht weiter erwähnen. Auch hier kann ich mich auf meinen Vorredner beziehen. Wir haben eben bezogen auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland doch eine große Übereinstimmung festgestellt. Sie alle haben sich auf einen alten Beschluss dieses Landtags aus dem Jahr 1993 bezogen. Warum diese Grundsatzentscheidung sich aber nicht auf eine ordentliche und präzise Formulierung in der neuen Verfassung durchziehen soll, kann ich in Ihren Beiträgen so nicht erläutert finden. Wir werden dies im Ausschuss lernen müssen. Gleiches gilt auch für den nicht aufgenommenen Tierschutz und insbesondere für die Frage des besonderen Schutzes von Kindern und Jugendlichen.
Ich sagte es bereits: So sehr ich, was die Verankerung von Staatszielen angeht, distanziert bin, so denke ich doch, dass eine moderne Gesellschaft in
ihrer Verfassung die Verpflichtung gegenüber Kindern und Jugendlichen und eine Verpflichtung auf eine Kultur des Aufwachsens in einer klaren Festschreibung braucht. Warum Sie dies nicht möchten, ist durchaus erläuterungswürdig.
Jetzt, da Sie sich aber gemeinsam entschlossen haben, die Verfassung zu ändern, kommen wir einen sehr guten Schritt weiter. Die Frage des Artikels 22 kann man jetzt diskutieren. Meine Redezeit neigt sich aber dem Ende zu. Wir können dies auch unter dem nächsten Tagesordnungspunkt noch einmal aufgreifen und diskutieren, inwieweit hier vielleicht eine weiter gehende Verfassungsänderung notwendig ist. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann gehen Sie im nun zu diskutierenden Parlamentsinformationsgesetz weiter, als es Sie es jetzt in Ihrer Formulierung zur Verfassungsänderung tun. Darauf kommen wir aber gleich zurück. Ich denke, sind wir auf einem guten Weg.
Ich danke Frau Abgeordneter Lütkes. - Für den SSW erteile ich Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die grundsätzliche Position des SSW zum aktuellen Änderungsbedarf der Landesverfassung habe ich bereits bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW im Januar dargelegt. Darauf will ich jetzt nicht weiter eingehen. Heute haben wir den Entwurf der großen Koalition zu einer Änderung der Landesverfassung auf der Tagesordnung. Das finde ich gut.
Man kann Verständnis dafür haben, dass die Regierungsfraktionen mit ihrem Entwurf dem Landtag mit zwei Monaten Verspätung vorlegen. Wer jedoch geglaubt hat, dass die längere Frist zu einem besseren Ergebnis geführt hat, sieht sich ein bisschen enttäuscht. Ich will aber nicht weiter polemisieren. Ich finde es gut, dass wir diesen Entwurf vorliegen haben. Ich finde es auch gut, dass wir im zuständigen Ausschuss endlich eine Debatte dazu bekommen werden. Der vorliegende Entwurf verwehrt den schleswig-holsteinischen Sinti und Roma aber weiterhin ihren gebührenden Platz in Artikel 5 der Landesverfassung. Eine stichhaltige Begründung hierfür gibt es nicht. Die Haltung der großen Koalition kann ich somit nicht nachvollziehen. Dies habe ich zum Thema Verfassungsänderung bei jeder Gelegenheit gesagt. Dazu steht der
Bezüglich Schutz und Förderung sozialer Minderheiten bleibt der Entwurf der Regierungsfraktionen weit hinter dem der Opposition zurück. Dass die Landesverfassung kein Bestellkatalog für das gute Leben ist, ist uns natürlich bewusst. Der SSW hat von sich aus gegenüber solchen Staatszielen auch eine restriktive Haltung, denn wir wissen, dass nicht jedes Ziel, das wünschenswert ist, auch in die Verfassung gehört. Grundlegende Spielregeln der Zivilgesellschaft gehören jedoch schon in die Verfassung, da sie auch mit der faktischen Kraft des Normativen wirken.
Die Sicherung von Partizipationsrechten und der Schutz vor Diskriminierung sind gesellschaftspolitische Werte, zu denen wir uns auch in der Landesverfassung bekennen sollten. Seitens des europäischen Rechts werden wir - ob Land oder Bund - ohnehin nicht daran vorbei können, geeignete Gesetze zu verabschieden.
Auch was die Errichtung eines Landesverfassungsgerichts angeht, kann der Entwurf der schwarz-roten Fraktionen im Vergleich zu unserem gemeinsamen Oppositionsentwurf nicht richtig überzeugen. Das Quorum für ein Klagerecht bei Zweifeln an der Verfassungskonformität von Landesrecht wird auf ein Drittel der Abgeordneten des Landtags gesetzt, statt es auch einer oder doch zumindest zwei Fraktionen gemeinsam zu gewähren. Ich freue mich, dass in diese Sache anscheinend nun doch Bewegung gekommen ist. Ich finde, das ist wichtig. Das ist kein Schönheitsfehler. Würde es so stehen bleiben, dann wäre dies fast ein Webfehler des Entwurfs.
In Bezug auf die Regelung in Artikel 44 Absatz 3, der vorsieht, dass ausschließlich Juristen mit zweitem Staatsexamen zu Richtern am Landesverfassungsgericht gewählt werden können, hoffe ich doch sehr, dass sich die Kollegen von den Regierungsfraktionen noch eines Besseren besinnen, denn unser Entwurf sieht stattdessen vor, dass vier von sieben gewählten Richtern das zweite juristische Staatsexamen haben müssen. Das sichert ebenfalls den notwendigen juristischen Sachverstand, es sichert aber zudem auch den aus SSW-Sicht wichtigen Common Sense, den ein Verfassungsgericht prägen sollte. Zu den Einzelheiten des Artikels 22 werde ich nichts näher ausführen. Dazu wird es gleich noch Gelegenheit geben.
des vorliegenden Entwurfs zur Verfassungsänderung rege ich an, dass wir uns im Innen- und Rechtsausschuss im Rahmen eines Verfassungsausschusses mit diesen Änderungen befassen. Einen solchen hatten wir schon einmal. Die Änderung der Verfassung sollte auch in Zeiten einer großen Koalition eine Stunde des Parlaments sein. Dies wäre gewährleistet, wenn wir uns bei der Beratung entsprechend verhielten.
Ich danke Frau Abgeordneter Spoorendonk. - Zu einem Kurzbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Dieter Puls das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki! Liebe Frau Kollegin Lütkes! Wir haben unsere sozialdemokratische Überzeugung nicht an der Garderobe der großen Koalition abgegeben. Herr Kubicki hatte dies angedeutet. Für die Verankerung weiterer Staatsziele in der Landesverfassung besteht nur - und aus unserer Sicht leider - keine Chance. Wir sind für die wie wir meinen systemgerechte Einbeziehung der Sinti und Roma in den Schutz nationaler Minderheiten und Volksgruppen. Wir sind dies immer gewesen. Wir sind für den wie wir meinen sachgerechten Schutz und die Förderung nicht nur pflegebedürftiger, sondern auch behinderter Menschen und wir sind für den sogar von einer UNO-Kinderrechtskonvention geforderten besonderen Schutz unserer Kinder und Jugendlichen. Auch der Kollege Wadephul hat vorhin auf die besondere Schutzbedürftigkeit unserer Kinder in seinem Wortbeitrag hingewiesen. Die dazu von der Opposition in ihrem Antrag vorgeschlagenen Formulierungen stammen sogar von der SPD, zum Teil sogar von mir persönlich,
sind in dieser Legislaturperiode aber leider nicht durchzusetzen, weil dies im Koalitionsvertrag von der CDU ausgeschlossen worden ist, jedenfalls für diese Legislaturperiode. Ich freue mich trotzdem auf die weiteren Beratungen, auch die mit unserem Koalitionspartner.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob ich das mit dem Tierschutz in meine Rede noch hineinkriege, weiß ich nicht, Herr Kollege Garg, deswegen sage ich das vorweg.
Mit dem nun zur Beratung vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung geht eine langjährige Diskussion auf ein gutes Ende zu. Die Landesregierung begrüßt die vorgeschlagenen Regelungen in ihrer Gesamtheit, bilden sie doch einen tragfähigen und inhaltlich guten Kompromiss der früher so kontrovers ausgetragenen Standpunkte.
Das gilt zunächst für den Schutz und die Förderung pflegebedürftiger Menschen in Artikel 5a der Landesverfassung. Diese beabsichtigte Staatszielbestimmung wird in einem sensiblen Bereich Hilfen bei Ermessens-, Abwägungs- und Auslegungsfragen für das Handeln staatlicher Stellen geben. Um eine derartige Staatszielbestimmung mit Leben zu erfüllen, bedarf es allerdings einer weiteren Umsetzung durch Gesetze, Verordnungen, Satzungen oder konkretes Verwaltungshandeln. Die Landesregierung wird das ihr Mögliche dazu beitragen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die für Artikel 12 Abs. 2 vorgeschlagene Änderung zur Bestimmung der Oppositionsführung findet die Zustimmung der Landesregierung, obwohl das nun wirklich keinesfalls eine Angelegenheit ist, in die die Exekutive hineinreden sollte. Ich sage das mit allem Respekt vor dem ungewöhnlich kraftvollen Herrn Oppositionsführer. An einem Punkt haben Sie mich ganz besonders berührt, nämlich bei der Feststellung, dass die Überzeugung, die man trägt, völlig unabhängig davon ist, mit wem man zusammen regiert - da haben Sie völlig Recht
oder mit wem man zusammen in der Opposition ist, sage ich einmal für Ihren Fall, den Sie besser kennen.
Gleiches gilt für die Ergänzung der Informationspflichten der Landesregierung gegenüber dem Landtag, die in Artikel 22 eingefügt werden sollen. Diese Neuregelung erhebt die bisher grundsätzlich
bereits ausgeübte Informationspraxis der Landesregierung bei Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen in den Verfassungsrang. Aus meiner Sicht wird somit keine echte Neuregelung geschaffen, sondern eine bestehende Praxis konkretisiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, einen bedeutenden Schwerpunkt bilden die Regelungen der Artikel 44, 59b und 59c, die die Errichtung eines schleswig-holsteinischen Landesverfassungsgerichts zum Ziel haben. Die Landesregierung begrüßt, dass es nun auch in Schleswig-Holstein als letztem Land endlich zur Einrichtung dieses wichtigen Gerichtes kommen wird. Ich bin überzeugt, dass das künftige Gericht durch seine Entscheidungen über Landesverfassungsstreitigkeiten dazu beitragen wird, die Eigenstaatlichkeit des Landes zu betonen - das ist ja heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr.
Nicht zu verkennen ist auch, dass im Einzelfall von einem landeseigenen Verfassungsgericht eine größere Sachnähe zu spezifisch schleswig-holsteinischen Belangen erwartet werden kann. Ich denke da insbesondere an eventuelle Streitigkeiten über Volksinitiativen oder Volksbegehren. Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade auch ein Landesverfassungsgericht das Verständnis für parlamentarische Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit mehren und damit außerhalb des eigenen Verfassungsrechtsstreites auch positive Wirkungen erzeugen kann.
Zu begrüßen ist darüber hinaus im Hinblick auf die speziellen verfassungsrechtlichen Problemstellungen, dass nunmehr alle sieben Mitglieder des Gerichtes die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Damit wird Juristen aus allen Berufs- oder Gesellschaftsbereichen die Mitgliedschaft beim Gericht eröffnet und so möglicherweise auch zu einer verstärkten Akzeptanz des Gerichtes beigetragen.
Was die Fragen der Quoren angeht, gibt es keine abschließende Meinungsbildung innerhalb der Landesregierung. Bei der Lesung des Entwurfs von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW habe ich ja schon gesagt, dass ich der Meinung bin, dass es in solchen Fragen eigentlich keinen Grundsatzstreit geben sollte, sondern dass man zu einer Einigung in der Lage sein müsste, weil es ja darum geht, die Rechte der Opposition nicht zu verkürzen. Im Grunde wäre es eher ein Zeichen des Selbstbewusstseins der Mehrheit des Parlaments, dass man sich auf eine Regelung verständigt, die allerdings auch - der Kollege Puls hat darauf hingewiesen ein paar Gefahren, die damit verbunden sein könnte, wenn man es allzu leicht machte, ausschließt.
Insofern glaube ich, dass man darüber in den Ausschussberatungen wird reden können. Ich will gern meine Unterstützung für die weiteren Beratungen anbieten, insbesondere auch für die Folgeänderungen, die im Zuge der Errichtung eines Landesverfassungsgerichts erforderlich sind.