In Deutschland streichen Unternehmen relativ hohe Gewinne ein. Gleichzeitig schaffen sie Arbeitsplätze ab und investieren nicht in den Standort Deutschland. Ich denke, auch hier müssen wir lautstark protestieren und sagen, dass sich hieran etwas verändern muss.
Deutschland ist, global betrachtet, nach wie vor ein Wohlfahrtsstaat. Wir müssen sicherstellen, dass alle Kinder in unserem Land eine Chance auf Bildung haben, und wir müssen - wir haben das heute Morgen schon diskutiert - klären, warum die hohen Investitionen unseres Staates in Bildung, in Familienpolitik, bisher nicht erfolgreich waren oder zumindest nicht zu dem Erfolg geführt haben, den wir uns wünschen.
Die Initiative der Wohlfahrtsverbände „Gemeinsam gegen Kinderarmut“ hat acht Forderungen aufgestellt: Rechte für alle Kinder durchsetzen, Grundsicherung für Kinder gegen materielle Armut, kommunale Netzwerke zur Armutsprävention, Kindertageseinrichtungen ausbauen, Bildungschancen für alle Kinder, sichere Gesundheitsversorgung für alle Kinder, Erziehungsfähigkeit der Eltern stärken, und eine achte in Bezug auf Kinderarmut und Migration. Meine Fraktion unterstützt genau diese Schwerpunktsetzung. Mit unserem heutigen Antrag wollen wir auch ein deutliches Signal geben, dass wir diese Schwerpunktsetzung und diese Initiative unterstützen. Von daher freut es mich, dass CDU und SPD dies mit in ihrem Antrag eingebaut haben. Das scheint mir ein wirklich wichtiges Signal zu sein.
Die ersten regionalen Armutskonferenzen, die jetzt stattfinden, machen deutlich, dass es einen großen Bedarf gibt mitzudiskutieren, vor allem jener, die täglich mit Armut konfrontiert sind, und zwar nicht als Betroffene, sondern weil sie mit diesen Menschen arbeiten. Insbesondere aus den Kindertagesstätten werden wir jetzt darauf hingewiesen: Wir sind eine unglaublich gute Anlaufstelle. Lieber Staat, baue uns doch aus als Anlaufstelle für die Familien. Denn hier sind die Kinder, die hung
rig nach Hause gehen, hier sind die Kinder, die freitags schon wissen, dass sie erst montags die nächste warme Mahlzeit bekommen, hier sind die Eltern, die Hilfe brauchen und die an diesen Stellen auch Beratungsangebote annehmen, hier sind auch die Familien, die ihre Kinder aus der Kindertagesstätte abmelden, weil sie sich den Kindergartenplatz schlicht nicht mehr leisten können.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass es in Hamburg jetzt eine erste Siebentages-Kindertagesstätte gibt, wo alle Kinder, ob im Kindergarten angemeldet oder nicht, am Wochenende eine warme Mahlzeit bekommen. So gut wie das ist, so deutlich macht es aber auch, dass es durchaus erschreckend ist, dass wir in Deutschland im Prinzip wieder bei der Armenküche angekommen sind. Das muss man benennen. Auch in Neumünster bildet sich jetzt bei der „Tafel“ eine Initiative, die das in diesem Sinne in etwa übernehmen möchte.
Ich sage sehr deutlich: Hungernde Kinder sind für eine reiche Gesellschaft eine Schande. Auch dies müssen wir benennen.
Ich komme zum Schluss. Kinder und Jugendliche spüren sehr genau, ob sie in unserer Gesellschaft einen festen Platz haben, ob sie ernst genommen, ob sie akzeptiert werden und ob sich jemand kümmert. Von daher bedanke ich mich ganz herzlich bei Frau Simonis, dass sie sich als Schirmherrin der UNICEF für dieses Projekt zur Verfügung gestellt hat und dies mit Sicherheit auch gern macht.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Kindheit ist kein Kinderspiel.“ - So lautet die Überschrift einer Kampagne des Deutschen Kinderschutzbundes. Die Lebenssituation von Kindern soll mit dieser Kampagne in die Köpfe der Gesellschaft gebracht werden.
In den meisten reichen Ländern wächst der Anteil der Kinder, die in Armut leben müssen. Nach einer Studie von UNICEF hat sich in 17 von 24 OECDStaaten die Lebenssituation von Kindern verschlechtert. In Deutschland leben circa 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche in relativer Armut. Sie
und ihre Eltern sind auf Sozialgeld, Arbeitslosengeld I oder II angewiesen. In Schleswig-Holstein gelten 64.000 Kinder als arm.
Die Teilhabe vieler dieser Kinder am gesellschaftlichen Leben ist gefährdet. CDU und SPD halten diese Situation für so gravierend, dass wir mit unserem Antrag erreichen wollen, uns in der Berichterstattung auf Kinder und Jugendliche zu konzentrieren. Wir haben kein Interesse an Berichten und Landesplänen, die in den Schubladen verstauben. Wir wollen konkretes Handeln dargestellt bekommen, um zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu kommen. Die Rate der Kinder, die in Armut leben, wächst hierzulande deutlich schneller als die der Erwachsenen.
CDU und SPD stehen mit ihrer Politik dafür ein, dass Familien nicht sozial benachteiligt werden. Wir werden die Kinderarmut aktiv bekämpfen. Die Betreuung von Kindern werden wir bedarfsgerecht fortentwickeln und gemeinsam mit den Kommunen werden wir familiengerechte Lebensbedingungen schaffen. Die Gründung lokaler Bündnisse für Familien werden wir mit Nachdruck unterstützen. Ich finde es gut, dass immer mehr Kreise und kreisfreie Städte mitmachen.
UNICEF sagt aber auch - diese Formulierung finde ich bemerkenswert -, dass Kinder in Deutschland kein Armutsrisiko sind. Dramatisch hingegen ist die soziale Situation vieler Kinder, die mit einem allein erziehenden Elternteil leben. Verschweigen dürfen wir in diesem Zusammenhang auch nicht die Situation von Kindern in Zuwandererfamilien. Wer sich in seinem Wahlkreis in den Brennpunkten umschaut, der stellt sehr schnell fest, dass sowohl die soziale Situation von Kindern Asylsuchender, Asylberechtigter, aber auch der Aussiedler Sprengkraft für unsere Gesellschaft bedeuten können.
Armut grenzt aus. Dabei herrscht nicht nur ein Mangel an materiellen Dingen. Es gibt häufig Defizite in den Bereichen Bildung und Erziehung. Aber auch durch falsche Ernährung verursachte Gesundheitsprobleme sind gravierend. Diese Kette setzt sich fort über beengte Wohnverhältnisse, dem Leben in vernachlässigten Stadtteilen, auftretende Probleme in der Schulbildung bis hin zu den schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Von Chancengerechtigkeit kann nach so einer „Karriere“ keine Rede mehr sein.
Person ausschließlich auf soziale Transferleistungen angewiesen zu sein. Wir können uns eine Gesellschaft nicht leisten, in der Familien über Generationen hinweg ohne Arbeit und vom Sozialgeldbezug leben müssen. Wegschauen gilt nicht. Wer ausschließlich die Antwort parat hat, dass die öffentlichen Haushalte leer sind, der übersieht die gemeinsame Aufgabe der Jugend-, Sozial- und Finanzpolitiker, Jugendhilfekarrieren frühzeitig zu beenden und nicht in dauerhafte Sozialgeldkarrieren münden zu lassen. Das wäre sozialpolitisch und haushaltspolitisch das fatalste, was unserem Staat widerfahren könnte.
Wir sind also gemeinsam in der Verantwortung. Das Thema „Bekämpfung der Kinderarmut“ ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich nicht nur die Sozialpolitiker zu stellen haben.
Mit einer Geburtenrate von 1,3 Kindern ist Deutschland fast das Schlusslicht in Europa. Nur 25 % der Frauen sind vollzeitbeschäftigt im Vergleich zu 45 % zum Beispiel in Frankreich. Insbesondere Frauen halten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland für nicht gegeben. Daher erwarte ich von der Landesregierung, dass sie bei ihrer Berichterstattung den Zusammenhang zwischen Kinderarmut und den Verkrustungen unseres bundesdeutschen Arbeitsmarktes darstellt.
Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt die Kampagne von Landesjugendring, dem Deutschen Kinderschutzbund, dem Sozialverband Deutschland und der AWO gegen Kinderarmut. Wir haben in dieser Frage hohe Erwartungen an die Landesregierung. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir einen entscheidenden Beitrag durch den von der Familienministerin vorgelegten Kinder- und Jugend-Aktionsplan auf Landesebene leisten können, um Schleswig-Holstein zu einem familien- und kinderfreundlichen Bundesland zu machen und weiter auszubauen.
Es ist daher die vordringlichste Aufgabe, um dieses große Ziel zu erreichen, die Kinderarmut zu bekämpfen, Gewalt in Familien auszuschließen, Vernachlässigung von Kindern aufzudecken und niedrigschwellige Hilfs- und Beratungsangebote wohnortnah vorzuhalten. Jede Maßnahme, die aus Mitteln des Landes unterstützt wird, muss kindgerecht, lebensweltbezogen, gemeinschaftsstiftend und geschlechtergerecht sein.
Kinder in Schleswig-Holstein sollen gesund aufwachsen. Daher brauchen wir Frühwarnsysteme zwischen dem Jugendhilfe- und dem Gesundheitssystem.
Um der Gewalt in den Familien vorzubeugen, es nicht zu Überforderungen junger Eltern kommen zu lassen, benötigen wir frühe Hilfen.
Meine Fraktion ist begeistert von dem Schutzengel-Projekt in Flensburg. Dort gibt es ein Netzwerk gesundheitlicher und sozialer Hilfen für junge Familien in schwierigen Lebenssituationen. Wir brauchen in jedem Kreis, in jeder kreisfreien Stadt ein enges Zusammenwirken von Arztpraxen, Kliniken, Kirchengemeinden, Kindertagesstätten, Schulen, Beratungsund Frühförderungsangeboten. Durch den Einsatz von Familienhebammen und abgestimmter Gemeinwesenarbeit sollen benachteiligte Familien in ihrem direkten Lebensumfeld Hilfe erhalten.
Gerade für die sozial Schwächeren benötigen wir eine ganzheitliche Bildung. Ich finde, das gehört in diese Debatte auch hinein.
Daher sind wir uns auch in dem Ziel einig, noch mehr Ganztagsangebote, Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein einzurichten.
Aber wie schon ausgeführt, ist die Bekämpfung der Kinderarmut nicht ausschließlich die Aufgabe der Sozialpolitiker. Der wichtigste Beitrag zur Armutsbekämpfung wird gewährleistet, wenn eine Politik betrieben wird, die zu mehr Wachstum und Beschäftigung führt. Daher ist es auch für Sozial- und Jugendpolitiker eine der wichtigsten Nachrichten der vergangenen Tage die, dass Schleswig-Holstein jetzt auf Platz 2 beim Wachstum liegt.
Es gibt noch kein Aufatmen beim Blick auf die Arbeitslosenstatistik. Denn hinter jedem Arbeitslosgemeldeten befindet sich ein oder befinden sich mehrere Schicksale. Oft sind es Familien mit Kindern. Aber es besteht wieder ein Stück Hoffnung auf dem Arbeitsmarkt. Während bundesweit die Beschäftigungszahlen rückläufig sind, gab es in SchleswigHolstein eine Stabilisierung. Wenn die Wirtschaft nicht nachhaltig anspringt und die Arbeitslosigkeit nicht sinkt, dann können wir im Sozialhaushalt noch so viel herumdoktern, der Armut unter Kindern und Jugendlichen werden wir nicht entschieden entgegenwirken.
Von dieser Landesregierung erwarten wir, dass sie die Arbeit in den Kinderschutzzentren gemeinsam mit den Verantwortlichen auf kommunaler Ebene absichert. Zur Bekämpfung von Gewalt und Vernachlässigung sind die Kinder- und Jugendtelefone von größter Bedeutung. Für Eltern brauchen wir weiterhin dringend Elterntelefone, wo man unbürokratisch und anonym Hilfe erhält. Wir brauchen so genannte Elternschulen, um Defizite bei jungen Vätern und Müttern abzubauen, damit sie ihren Erziehungsauftrag auch wirklich wahrnehmen können.
Wir müssen die Kommunen und die Träger unterstützen, die teilweise auf ehrenamtlicher Basis einen kostenlosen Mittagstisch für Kinder aus sozial schwächeren Familien anbieten. Oft wird dieses Angebot an eine von Ehrenamtlern durchgeführte Hausaufgabenhilfe gekoppelt. Wir müssen die hohe Qualität der Fachberatungsstellen für Opfer von sexueller Gewalt in den Familien sichern.
Ich bin froh, dass wir viele dieser Punkte im Koalitionsvertrag und im Haushalt 2006 verankern konnten. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch dazu, den Menschen zu sagen, dass wir uns aufgrund der Haushaltslage konzentrieren müssen. Für meine Fraktion liegt der Schwerpunkt in der Kinder- und Familienpolitik. Um diesen Schwerpunkt finanzieren zu können, müssen wir an anderer Stelle deutlich sparen.
Kinderarmut kann man nur mit einem Bündel an Maßnahmen ressortübergreifend bekämpfen. Dazu zählen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Mitverantwortung der Tarifpartner, flexible Betreuungsangebote in Kindertagesstätten, aber auch Betreuungsangebote für unter Dreijährige. Wir brauchen Eltern- und Familienbildung, verlässliche soziale Frühwarnsysteme bei Vernachlässigungen und wir unterstützen die lokalen Bündnisse für Familien.
Am Ende dieser Wahlperiode werden wir nicht an der Zahl der abgeforderten Berichte und Landespläne gemessen. Wir werden uns messen lassen müssen an den konkreten Verbesserungen zum Beispiel für Kinder und Jugendliche in Schleswig-Holstein.
Ich freue mich auf eine Fortsetzung dieser Diskussion während der nächsten Landtagstagung. Wir wollen einen mündlichen Bericht zur Situation von Kindern und Jugendlichen in diesem Land.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts und erteile für die SPD-Fraktion der Frau Abgeordneten Siegrid Tenor-Alschausky das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinderarmut in Deutschland, in SchleswigHolstein, das ist nicht achselzuckend hinzunehmen. Es ist zu fragen, warum es in einer doch reichen Gesellschaft nicht gelingt, allen Kindern ein Aufwachsen in sozial und materiell gesicherten Verhältnissen zu ermöglichen.
Die SPD-Fraktion begrüßt nachdrücklich die Kampagne „Gemeinsam gegen Kinderarmut“ von Kinderschutzbund, Landesjugendring, Arbeiterwohlfahrt und Sozialverband unter der Schirmherrschaft von Heide Simonis, UNICEF Deutschland.