Ich erteile der Berichterstatterin des Bildungsausschusses, der Frau Abgeordneten Sylvia Eisenberg, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat sich auf Antrag der FDP-Fraktion bereits im Mai mit der Zukunft der universitären Rechtsmedizin in Schleswig-Holstein befasst und zur weiteren Beratung den FDP-Antrag federführend an den Bildungsausschuss und an den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen.
Meine Damen und Herren, wir haben es uns nicht leicht gemacht. Die Ausschüsse haben im Sommer zahlreiche schriftliche Stellungnahmen eingeholt, und zwar auf der Seite der Forschung und Lehre von den medizinischen Universitäten und dem Vorstand des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, auf der Seite der Nutzer von den Verbänden der Justiz und Polizei sowie auf der Seite der Landesregierung vom Wissenschaftsminister, Justizminister und Innenminister.
Nach intensiven Diskussionen und Gesprächen haben die Koalitionsfraktionen am 14. September im Innen- und Rechtsausschuss und am 22. September im Bildungsausschuss einen Alternativantrag vorgelegt, der versucht, zwischen der wirtschaftlichen Situation des Universitätsklinikums auf der einen Seite und den berechtigten Interessen der Justiz und Polizei auf der anderen Seite abzuwägen.
In der Sitzung des Bildungsausschusses letzte Woche wurde über den Ursprungsantrag der FDP, das gemeinsame Institut für Rechtsmedizin mit Laborkapazitäten an beiden Universitätsklinikstandorten zu
erhalten, und den Änderungsantrag von CDU und SPD alternativ abgestimmt. Letzter erhielt die Mehrheit.
Mit diesem Beschluss fordert der Landtag die Landesregierung auf, die Prosektur an beiden Standorten zu erhalten, ein Konzept zur Begrenzung der Kosten und zur Erhebung kostendeckender Gebühren für Dienstleistungen der Rechtsmedizin zu entwickeln und ein Konzept vorzulegen, um die zeitliche und örtliche Verfügbarkeit von Rechtsmedizinern in allen Phasen der Ermittlung bei vermuteten Kapitaldelikten weiter zu verbessern.
Meine Damen und Herren, hinweisen möchte ich abschließend noch auf die ergänzende Stellungnahme des Justizministeriums vom 19. August 2005, in der das Justizministerium klarstellt, dass für die Justiz die Qualität der Laboruntersuchungen und nicht die Standortfrage entscheidend sei. Meine Damen und Herren, Obduktionen werden auch künftig an beiden Standorten in Kiel und Lübeck durchgeführt.
Im Namen des Bildungsausschusses darf ich Sie um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung Drucksache 16/269 bitten.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Klug für die Fraktion der Freien Demokraten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die geplante Schließung der Lübecker Laborkapazitäten in der Rechtsmedizin ist ein schwerer Fehler. Sie schadet der Medizinerausbildung, die gerade in diesem Fachgebiet in Lübeck ebenso wie in Kiel exzellente Bewertungen erhalten hat; jeweils einen der beiden Spitzenplätze unter rund 40 Teildisziplinen der Medizin. Da muss man sich fragen: Worin besteht eigentlich der Sinn solcher Evaluierungen in Forschung und Lehre, wenn ausgerechnet diejenigen Bereiche, die dabei besonders gut - exzellent nämlich - abschneiden, anschließend einen Kopf kürzer gemacht werden.
Das ist eine grundsätzliche Kritik, weil sie das ganze System der Evaluierung wirklich konterkariert.
Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen erwidern darauf, auch künftig sei ein Ausbildungsangebot in der Rechtsmedizin sozusagen im Rahmen
der Approbationsordnung gewährleistet. Das ist in Wirklichkeit kein Gegenargument, das diese Kritik entkräftet. Denn damit verhalten sich die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen so, als gäbe es in der Ausbildungsqualität keinen Unterschied zwischen „sehr gut“ und „ausreichend“, als ginge es quasi nur um „genügend“ oder „ungenügend“. Wer so verfährt, meine Damen und Herren, der vertritt eine Haltung, die ganz gewiss nicht qualitäts- und leistungsfördernd ist.
Genauso schwer wiegen die Nachteile für die Verbrechensaufklärung. Die Konzentrationsentscheidung im Bereich der Labore hat aus unserer Sicht erhebliche Nachteile für die Arbeit von Polizei und Justiz. Zuletzt hat der „Spiegel“ in einem Beitrag vom 12. September dieses Jahres auf die bundesweiten Tendenzen zum Abbau der Rechtsmedizinischen Institute und Einrichtungen und die damit verbundenen Folgen verwiesen.
Wissenschaftliche Studien, wie sie der „Spiegel“ zitiert, belegen, dass im Umkreis Rechtsmedizinischer Institute deutlich mehr Kindesmisshandlungen mit Todesfolge erkannt werden als anderswo. Dies sollte den Anhängern der Konzentrationsentscheidung doch zumindest zu denken geben.
Forschungsergebnisse, die auf einen Zusammenhang zwischen Verbrechensaufklärung und der Qualität der Rechtsmedizin verweisen, darf man nach Überzeugung der FDP-Fraktion nicht einfach vom Tisch wischen.
Durch schlechtere Medizinerausbildung, eingeschränkte Präsenz von Laboren und weniger Forschung wird die Lage in diesem Bereich eher noch problematischer, als sie es angesichts der bislang unbestrittenen Dunkelziffer bei der Verbrechensaufklärung in unserem Land heute schon ist.
- Dass Sie unruhig werden, kann ich nachvollziehen. Die Landesregierung und die große Koalition wollen dies in Kauf nehmen, um Einsparungen zu erreichen, die zuletzt auf gut 400.000 € beziffert worden sind. Für diesen kargen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung akzeptiert man unseres Erachtens aber unverhältnismäßig hohe Nachteile. Darüber hinaus ist zu bezweifeln, ob der seitens der Landesregierung angegebene Sparbetrag überhaupt realisiert werden kann, weil der Personalbedarf im Falle einer Konzentration der rechtsmedizinischen Laborkapazitäten in Kiel
höher sein dürfte, als er bisher veranschlagt worden ist. Rechnet man etwa den Bedarf für zwei Stellen - für einen Chemiker und einen technischen Assistenten - hinzu, um den Umfang an Dienstleistungen weiter zu gewähren, so schrumpft der Sparbetrag weiter zusammen. Unser Fazit lautet daher: Die Pläne der Regierung und der Koalition führen bei einem sehr mageren finanziellen Ertrag zu einem erheblichen Flurschaden im Bereich der Rechtsmedizin. Dies lehnen wir von der FDP-Fraktion nach wie vor ab.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Bildungsausschuss sehr sachlich und intensiv darüber diskutiert. Wir haben dazu eine umfangreiche schriftliche Anhörung durchgeführt. Ich finde, das ist ein Thema, bei dem man sachlich bleiben sollte, denn es ist zu wichtig, als dass man daraus politische Propaganda machen sollte.
Wir können nicht in Sonntagsreden immer von der finanziellen Situation des Landes und vom Sparen reden und dann, wenn es zum Sprung kommt, immer sagen: Wir machen das doch nicht. - Das geht nicht.
- Herr Oppositionsführer, deshalb muss man, wenn es darauf ankommt, konsequent bleiben. Sie können mir glauben, dass wir es uns nicht einfach gemacht haben. Wenn man aber mit der Einstellung darangeht, dass ein paar Hunderttausend Euro den Kohl nicht fett machen, dann kommen wir nie davon weg. Das sage ich auch als jemand, der vielleicht etwas jünger ist und der noch zu denen gehört, die die Schulden einmal abtragen müssen. So können wir auch mit zukünftigen Generationen nicht umgehen.
Dort, wo wir sparen und Doppelstrukturen abbauen können, müssen wir dies auch machen. In SchleswigHolstein bleiben zwei Standorte erhalten.
Die positive Nachricht ist, dass wir weiterhin zwei Standorte unterhalten werden. Herr Dr. Klug, das ist in der Berichterstattung, die Sie zitiert haben, zum Teil falsch herübergekommen. Wir haben nur ein Institut für Rechtsmedizin mit einer Außenstelle. Vieles von dem, was wir heute machen, ist sozusagen der Vollzug dessen. Wenn wir das Ganze betrachten, dann müssen wir zwei Dinge sehen: die Auswirkungen auf die Hochschullandschaft und die polizeiliche Ermittlungstätigkeit.
Was die Hochschullandschaft betrifft, so haben Sie durchaus Recht, Herr Dr. Klug. Natürlich ist ein Abbau von Laborkapazitäten möglicherweise auch eine Einschränkung von Lehrqualität. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Die Sachzwänge habe ich aber dargestellt. Wir müssen dazu kommen, dass wir Doppelkapazitäten von Kiel und Lübeck insgesamt in diesem Bereich abbauen. Ich glaube auch, dass der Fahrweg zwischen Kiel und Lübeck und die Verbindung zwischen Kiel und Lübeck durch das Internet nicht so schlecht sind, als dass man sie nicht bewältigen könnte.
Richtig ist, dass das Pflichtlehrangebot erhalten bleibt. Das ist eine Botschaft, die Sie mitnehmen müssen. Der Dekan der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität hat uns versichert, dass bei der Untersuchung selbst keine Qualitätseinschränkungen zu erwarten sind. Das ist nicht zuletzt bei Blutalkohol- oder Vaterschaftsuntersuchungen wichtig. Auch wenn es bei unserer Beratung keine Rolle gespielt hat, so ist der Verzicht auf eine eigenständige Rechtsmedizin, wie er früher einmal unter dem Stichwort Hamburg in der Diskussion war, nicht in Erwägung gezogen worden. Damit ist auch in Schleswig-Holstein langfristig die Lehre sichergestellt. Auch das Thema Fort- und Weiterbildung von Medizinern ist - das hat die Anhörung eindeutig ergeben - sichergestellt, und zwar auch bei Laborkapazitäten, die konzentriert werden. Wir reden ja nicht nur von der Ausbildung von Medizinern.
Was die Auswirkungen auf die polizeiliche Ermittlungsarbeit betrifft, so ist nicht nur in der Anhörung, sondern auch in vielen Gesprächen deutlich geworden, dass die Ermittlungen am Tatort am wichtigsten sind. Die sind nicht davon abhängig, wo die Prosektur oder die Laboruntersuchungen gerade stattfinden. Deshalb haben wir vom Innenministerium ein Konzept darüber gefordert, wie die Ermittlungstätigkeit vor Ort sichergestellt werden kann. Dies ist nicht nur Makulatur, sondern wir wollen dieses Konzept wirklich haben, weil das für die Aufdeckung von Kapital
verbrechen wichtig ist. Wenn Sie sagen, nur im Umfeld von Prosekturen oder gar Laborkapazitäten werden Kapitalverbrechen aufgedeckt, dann kann ich nur sagen, dann sähe es in Teilen von Schleswig-Holstein sehr schlecht aus. Das kann es doch nicht sein.
- Vielen Dank für diesen väterlichen Hinweis, Herr Oppositionsführer. Wir wollen keinen Generationskonflikt aufbauen, Herr Kubicki. Das tut nicht Not.
Wir alle können nachlesen, was Herr Dr. Klug gesagt hat. Ich habe es so verstanden, dass im Umfeld von Prosekturen und Laborkapazitäten zum Beispiel auch Kindesmisshandlungen deutlicher aufgeklärt werden. Wenn das wirklich so ist, dann bräuchten wir in Schleswig-Holstein deutlich mehr Institute für Rechtsmedizin. Ich glaube, das kann nicht die Antwort sein.