Protocol of the Session on June 20, 2003

die für ihn als reiner Umweltminister bisher mehr Gegner als Partner waren. Aber, wie schon gesagt, es kann sich auch da etwas ändern.

Meine Damen und Herren, die Landwirte SchleswigHolsteins stehen im Bundesvergleich immer noch überdurchschnittlich dar. Das belegen die Zahlen, die der Agrarreport 2003 uns bietet.

(Claus Ehlers [CDU]: Trotz Rot-Grün haben die Bauern das geschafft!)

Trotz zum Teil erheblicher Einkommenseinbußen gegenüber dem Vorjahr liegen ihre Gewinne immer noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Dennoch waren die Landwirte in einer Kategorie leider Bundesspitze, sie hatten prozentual gesehen die größten Einkommensrückgänge mit 14,8 %. Zwar waren die Einkommen auch im Durchschnitt bundesweit rückgängig, aber nur um 6,1 %.

Erhebliche Einbußen gab es insbesondere bei den Milchbaubetrieben mit einem Rückgang von 13,9 %, bei den Futterbaubetrieben von 14 %, bei den Gemischtbetrieben von 19,6 % und drastisch bei den Veredlungsbetrieben mit einem Rückgang von über 34 %. Die Ackerbaubetriebe konnten hingegen einen Zuwachs von immerhin 10 % vermelden.

(Günther Hildebrand)

Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, die Einkommensentwicklung nur innerhalb der Landwirtschaft, mit den anderen Bundesländern, den Vorjahren oder den Produktionsausrichtungen zu vergleichen. Bei Berücksichtigung der Ausbildung, der Arbeitszeit und der Kapitalintensität einen Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen herzustellen, macht Sinn und zeigt auf, dass die Gewinnsituation in der Landwirtschaft mit 36.000 € pro Jahr weit unter der anderer Branchen und Wirtschaftszweige liegt. Diese insgesamt bedenklichen Zahlen relativieren sich nur dadurch ein wenig, dass im vergangenen Wirtschaftsjahr die bislang höchsten Gewinne je Unternehmen erzielt worden sind. Im mehrjährigen Durchschnitt liegen die Landwirte auch mit diesen Einbußen noch überdurchschnittlich gut.

(Unruhe)

Trotzdem, die Zeiten für die Landwirtschaft werden härter. Bereits nach den Zahlen des diesjährigen Agrarreports bestehen 58 % des Gewinns der Landwirte aus Ausgleichszahlungen. Gegenüber dem Vorjahr ist dies eine Steigerung von 11 %. In Zahlen betrug die durchschnittliche Ausgleichszahlung 22.000 € pro Betrieb und Jahr. Bemerkenswert ist, dass der Landwirtschaftsminister dies als Erfolg darstellt. Er führt in seiner Pressemitteilung vom 22. Mai 2003 hierzu wörtlich aus:

- die 22.000 € -

„ist der höchste Betrag an Zahlungen je Unternehmen aller alten Länder.“

Der Minister verkennt dabei, dass insgesamt die Abhängigkeit von öffentlichen Kassen gestiegen ist. Das kann aber nicht Sinn einer zukunftsorientierten Landwirtschaft sein.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Das wollen die Landwirte im Übrigen auch nicht. Sie wollen durch ihre Leistung und ausreichende Preise ein angemessenes Einkommen erzielen. Das muss unsere Perspektive sein.

Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist 2001 erstmals unter die Marke von 20.000 gerutscht. Der Rückgang betrug in Prozentzahlen 2,3. Das Höfesterben geht also auf gleichem Niveau weiter, denn der Rückgang ist vergleichbar mit den Zahlen der Vorjahre. Ein Ende scheint noch nicht in Sicht. Wir werden dieses Phänomen weiter beobachten. Zumindest habe ich dem Bericht keine Anhaltspunkte dafür entnommen, dass wir mittlerweile an einem Höfebestand

angekommen sind, der langfristig überlebensfähig ist. Im Gegenteil, es droht weiteres Unheil. In Schleswig wird die Zuckerfabrik geschlossen. Das ist gleichbedeutend mit dem praktischen Aus für das Rübenanbaugebiet Schleswig-Holstein. Die Landwirte werden nicht in der Lage sein, ab 2006 - wenn die Entschädigungszahlungen von Nordzucker auslaufen - die höheren Transportkosten für die längeren Rübenfuhren nach Mecklenburg-Vorpommern oder Niedersachsen zu tragen. Das sind keine guten Aussichten.

Der konventionelle Landbau dominiert auch weiterhin in Schleswig-Holstein. Der Ökolandbau macht in Schleswig-Holstein zirka 2 % aus und wird seinen Anteil nicht wesentlich ausweiten können, auch wenn er in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel mehr als doppelt so hoch ist. Deshalb muss es unser Ziel sein, auch in Zukunft Landwirtschaft insgesamt so zu gestalten, dass sie den Verbrauchern Qualität und den Landwirten Einkommen sichert - ganz unabhängig von öko oder konventionell: Schleswig-Holstein ist eben ein Agrarland. Wir werden diesen Bericht ausführlich im Ausschuss diskutieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Abgeordneten Delef Matthiessen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Interessant ist die Bemerkung des Kollegen Jensen-Nissen, es bedürfe nicht immer nur Fördergelder, um in der Agrarpolitik vorwärts zu kommen. Das werden wir golden einrahmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die wirtschaftliche Situation für die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein ist schwierig. Das ist kein spezielles Problem unseres Landes, das gilt EU-weit, aber eben auch für Schleswig-Holstein. Man sagt, Bauern jammern berufsmäßig über die schlechte Lage. Oft liegt das an der Lage, nicht an den Bauern. Allerdings kann man auch sagen, dass Bauern, denen es gut geht - und die gibt es ja auch -, zur menschlichen Kategorie der stillen Genießer gehören. Sie melden sich wenig zu Wort.

Beleg für den anhaltenden wirtschaftlichen Druck ist der Indikator Zahl der Betriebe mit folgender Entwicklung - wenn ich da einmal etwas weiter ausholen

(Detlef Matthiessen)

darf -: 1965 waren es 50.430 Betriebe in SchleswigHolstein, 1975 waren es 36.050, 1985 waren es 30.790, 1995 waren es noch 21.845 und im Jahr 2001 waren es unter 20.000 Betriebe. Das ist eine Tendenz, die weitergeht. Da dieser Trend anhält, gibt es Szenarien, die von zukünftig 6.000 Betrieben in SchleswigHolstein reden - man müsste dann besser wohl von Agrarfabriken sprechen. Das heißt, innerhalb von 30 Jahren beziehungsweise einer Generation hat sich die Zahl der wirtschaftenden Betriebe in unserem Land mehr als halbiert. Da die Landwirtschaft ein schönes Berufsfeld ist und der Besitz über Generationen bewirtschaftet wird, kann man davon ausgehen, dass sie nicht freiwillig gegangen sind.

Noch dramatischer zeigt sich die Betrachtung der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei, die 1970 immerhin noch 11,6 % der Erwerbstätigen insgesamt ausmachten. Das muss man sich mal vorstellen. Der Anteil ging dann in Dekadenschritten zurück, also 1980 auf 7,1 %, 1990 auf 4,7 %, 2000 auf 3,6 % und 2001 - das ist die letzte verfügbare Zahl - auf 3,4 %. Auch hier gibt es eine anhaltende Tendenz. Die Beschäftigung im grünen Bereich ging also um mehr als Zweidrittel zurück.

Wenn man diese Zahlen, die Zahlen jüngeren Datums, betrachtet, stellt man fest, dass die aus dem Bereich Landwirtschaft verdrängten Arbeitskräfte den ohnehin angespannten Arbeitsmarkt insgesamt in qualitativ nennenswertem Umfang belasten. Das ist in heutiger Zeit natürlich auch ein Aspekt der Agrarwirtschaft in Schleswig-Holstein.

Die Hauptmusik der Agrarpolitik wird auf europäischer Ebene gespielt. Dort gibt es eine etablierte agrarpolitische Marschrichtung, die zu einem permanenten wirtschaftlichen Druck auf die Landwirtschaft geführt hat, den abzumildern sie vorgibt. „Die subventionierte Unvernunft“so lautet treffend der Titel eines Buches des Agrarkritikers Priebe.

Ich möchte aktuell noch einmal auf die Zuckerfabriksituation eingehen. Ich teile in der Tat die mittelfristige Analyse des Kollegen Hildebrand. Natürlich sind es Bauern, die das entschieden haben, sie bilden schließlich als Aktionäre die Nordzucker AG. Es ist keineswegs so, dass die Landesregierung - -

(Zurufe von der CDU)

- Moment, wem gehört denn der Konzern?

(Claus Ehlers [CDU]: Die Bauern haben kei- ne Mehrheit im Aufsichtsrat!)

- Ich sehe jedenfalls folgende Gefahr in SchleswigHolstein. Diese Zuckerfabrik wird dicht gemacht. Im Endeffekt läuft das so: Ich habe verschiedentlich

vom niedersächsischen Rübenimperialismus geredet. Es ist der Zugriff auf die Lieferrechte der schleswigholsteinischen Bauern außerhalb Schleswig-Holsteins. Das ist eine veritable Gefahr für unsere Zuckerrübenproduktion. Mir fallen im Moment - darüber müssen wir im Ausschuss diskutieren - politische Instrumente, dort Dämme zu errichten, nicht ein. Wenn wir sie haben, ziehen wir an einem Strang.

Um die Landwirtschaft ein Stück weit aus dem Druck der anonymen Massenmärkte herauszuführen und aus inhaltlichen Gründen haben wir Grünen immer auf besondere Produktqualitäten gesetzt. Beispiele sind Demeter, Bioland, Naturland mit dem Hintergrund Ökolandbau, sei es das Siegel „Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein“ mit dem Hintergrund des niedrigen Nitratgehalts in Kartoffeln, sei es Neuland mit dem Hintergrund tiergerechter Produktion. Auch das neue Instrument der Qualitätstore wird von uns voll und ganz mitgetragen. Natürlich verknüpfen wir mit besonderen Qualitäten die Erwartung von preislichen Bonitäten. Frau Ministerin, Sie haben schon die Fallen genannt, in die man hineingerät, wenn das irgendwann zum Standard wird.

Wir wollen die Umweltleistung der Landwirtschaft ökonomisch integrieren. Wir wollen die Fördergelder an der Beschäftigungsintensität orientieren. Wir wollen besondere Produktqualitäten fördern. Wir wollen damit den gnadenlosen Strukturwandel, den wir beobachten müssen und den ich anhand der Statistik mit seinen vielen negativen Folgen für den ländlichen Raum, für die Landwirtschaft ausgeführt habe, abmildern und dem ein Stück weit entkommen, indem wir uns den Marktmechanismen entziehen.

Dabei gibt es auch Erfolge. Im Bereich der Ökoprodukte haben wir es weitgehend mit einem freien Markt zu tun. Der Agrarausschuss konnte sich auf der Dithmarschen-Bereisung ein eindrucksvollen Bild von der Leistungsfähigkeit dieses Landwirtschaftszweiges machen - auf dem Westhof bei Büsum mit seiner exzellenten Reinigungs- und Abpackanlage für Biogemüse,

(Veronika Kolb [FDP]: Das ist eben Dith- marschen!)

über 30 zusammengeschlossene Betriebe, die hohe Qualität anbauen, für den Großhandel und marktfähig, zum endverbraucherfähigen Produkt weiterverarbeiten.

(Claus Ehlers [CDU]: Es wäre gut gewesen, wenn du dabei gewesen wärst!)

- Ich habe euch diesen Eindruck verschafft, indem ich vorgeschlagen habe, diesen Betrieb zu besuchen. Ihr

(Detlef Matthiessen)

habt mir auch berichtet, dass das ein vorzeigbarer Betrieb ist.

(Veronika Kolb [FDP]: Er spricht über Dithmarscher und war nicht da! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Ich war schon mehrfach dort. Ich habe mich dort sogar an einem Essen beteiligt, um die im Ökolandbau geschmacklich beste Möhrensorte zu testen. Das war ein spezielles Erlebnis, über 30 Möhrensorten durchzutesten.

(Veronika Kolb [FDP]: Vorher sollten Sie sich die Produktion ansehen!)

Die Modulation hilft, spezielle Umweltleistungen auch wirtschaftlich zu honorieren. Eine Umstrukturierung der Agrarmittel weg von der produktbezogenen Förderung mit den bekannten negativen Mengenfolgen, wie sie zurzeit in Brüssel diskutiert wird, geht im Prinzip in die richtige Richtung. Wir wollen dabei aber die aktiven Betriebe in den Mittelpunkt der Förderung stellen. Grünlandprämie ja, Herr Minister, gleiche Prämie für alle Flächen birgt allerdings die Gefahr, da die Ackerbauprämie zurzeit auf Grünland nicht übertragbar ist, dass noch mehr umgebrochen wird als vorher, wenn wir zu einer solch gleichmacherischen Prämie kommen. - Wichtiges Thema. Man sieht es sofort.

Auch in der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie gilt, Frau Ministerin: Der Preis muss die ökologische Wahrheit und die soziale Wahrheit sagen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Peter Jen- sen-Nissen [CDU] - Glocke des Präsidenten)

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