Protocol of the Session on May 9, 2003

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aufnahme des so genannten Gottesbezuges in die Verfassung ist selbst im Konvent strittig. Zu erinnern ist auch an die Diskussion im Zusammenhang mit der Charta der Grundrechte, in die ein solcher Punkt nicht aufgenommen worden ist. Aber abgesehen von der Diskussion über den Gottesbezug begrüße ich ausdrücklich den Artikelentwurf zum Status der Kirche und der anderen religiösen Gemein

schaften in Titel 6 Artikel 37. Dieser Artikel garantiert ihre Unabhängigkeit sowie die Fortsetzung ihres engen Dialogs mit den europäischen Institutionen. Zugrunde liegt die Überzeugung, dass Europa eine Wertegemeinschaft ist, die sich auch auf ihr vielfältiges geistig-religiöses Erbe stützt. Politisch ist dabei wichtig, dass wir in Europa niemanden aus religiösen Gründen ausgrenzen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das gilt natürlich insbesondere für unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger islamischen oder judäischen Glaubens. Die Landesregierung hält für die Aufnahme des Gottesbezuges in die europäische Verfassung den Text der Katholischen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche für eine Grundlage. Es stellt sich aber die Frage, an welcher Stelle der Verfassung diese eingebracht werden soll. Der Artikel 2 über die Werte der Europäischen Union wird zurzeit diskutiert. Es geht in seinem ersten Absatz unter anderem um die Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Inhaltlich sind diese Themen, wie man auch hier gemerkt hat, vollkommen unstrittig.

Der Vertreter des Bundesrates im Konvent, Ministerpräsident Erwin Teufel, hat seinerzeit, als die entsprechenden Verfassungsartikel Gegenstand der Beratung im Konvent waren, einen eigenen Textvorschlag für Artikel 2 Abs. 2 vorgelegt. Daraus darf ich mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, zitieren:

„Die Werte der Europäischen Union umfassen die Wertvorstellungen derjenigen, die an Gott als die Quelle der Wahrheit und Gerechtigkeit, des Guten und des Schönen glauben, als auch diejenigen, die diesen Glauben nicht teilen, sondern diese universellen Werte aus anderen Quellen ableiten.“

Einer Bewertung möchte ich mich an dieser Stelle enthalten. Aber auch mit diesem Vorschlag wird das angestrebte Ziel, den Gottesbezug in die Verfassung aufzunehmen, verfolgt.

Der Vorschlag Erwin Teufels zielte darauf ab, den eben zitierten Passus in Artikel 2 der Verfassung, der die Werte der Europäischen Union definiert, aufzunehmen. Darüber wird im Zweifelsfall noch geredet werden. Ich finde, es muss darüber geredet werden. Denn nach der Begründung des Konventspräsidenten sollen in dem Artikel 2 nur diejenigen Werte festgelegt werden, die im Rahmen des vorgesehen Warn- und Sanktionsverfahrens von den Mitgliedstaaten eingefordert werden können. Sollte der Konvent die

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

sem Ansatz des Präsidenten folgen, käme eine Einbettung des Gottesbezuges in Artikel 2 nicht infrage.

In der Konventsdiskussion ist die Aufnahme eines Passus Gottesbezug in die Präambel diskutiert und teilweise befürwortet worden. Wenn er dort landen würde, wäre das eine angemessene Einordnung.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] )

Angesichts der gegebenen Situation hält die Landesregierung es nicht für einen geeigneten Weg, den aus ihrer Sicht ansonsten unterstützungswürdigen Text beider Konfessionen Deutschlands, der im Antrag der CDU-Fraktion übernommen worden ist, jetzt in die Beratung des Konvents über den Artikel 2 einzubringen. Wohl aber halte ich es für sinnvoll, bei der Beratung über die Präambel diesen Text in Erwägung zu ziehen. Die Landesregierung wird dem Vertreter des Bundesrates dieses Vorgehen empfehlen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir treten in die Abstimmung ein. Es ist beantragt worden, über den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/2646, Aufnahme des Gottesbezuges in die europäische Verfassung, in der Sache abzustimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei zwei Stimmenthaltungen war das Erstere die Mehrheit. Damit ist dem Antrag stattgegeben,

(Beifall bei der CDU)

und zwar - weil ich gefragt wurde - mit den Stimmen der CDU, mit etlichen Stimmen aus der Fraktion der SPD, gegen die Stimmen der FDP und gegen Stimmen aus der SPD bei Enthaltung von Abgeordneten von Grünen und SPD sowie Gegenstimmen aus dem Bereich der Grünen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Kollege Matthiessen hat zugestimmt! - Zuruf der Ab- geordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich hatte die Enthaltung bei den Grünen falsch gesehen. Es war der Kollege Wodarz von der SPD - der sich neben den Kollegen Matthiessen setzte -, der sich enthalten hat. Herr Kollege Matthiessen hatte dafür gestimmt, die anderen Abgeordneten der Grünen haben dagegen gestimmt. - Frau Kollegin Spoorendonk.

Die Abgeordneten des SSW haben dagegen gestimmt.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hatten wir eine namentliche Ab- stimmung?)

Wird das Abstimmungsergebnis angezweifelt? - Das ist nicht der Fall. Dann gilt das Abstimmungsergebnis wie festgestellt. Damit ist der Tagesordnungspunkt 26 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Sonderzuwendungen für Beamtinnen und Beamte

Verlängerung der Lebensarbeitszeit

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2644

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Wenn das nicht der Fall ist, dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion erhält die Abgeordnete Frau Monika Schwalm.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 14. März dieses Jahres war kein guter Tag für die Beamtinnen und Beamten in Deutschland.

(Beifall der Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] und Wolfgang Kubicki [FDP])

An diesem Tag stimmt der Bundesrat - mit Ausnahme des Landes Rheinland-Pfalz - einem Gesetzentwurf zu, der den Ländern eigene Gestaltungsmöglichkeiten bei den jährlichen Sonderzuwendungen Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld geben soll, diskutiert unter dem Stichwort „Öffnungsklausel“. Die Zustimmung des Bundestages steht noch aus. Aber es gibt keinen Zweifel, dass sie in den nächsten Wochen erfolgen wird.

Auch wenn sich diese Flexibilisierung der Beamtenbesoldung wie eine moderne Weiterentwicklung anhört, führt das in der Tat zu Einkommensverlusten für Beamtinnen und Beamte. Die Länder können selber die Höhe des jährlichen Weihnachtsgeldes bis zu einer bundesgesetzlich festgesetzten Obergrenze regeln. Dabei können auch Zahlungsweise und Rechtscharakter dieser Leistung individuell bestimmt werden. Beim Urlaubsgeld beschränkt sich der Gestaltungsspielraum auf die Höhe der Leistung. Also ist eine komplette Streichung möglich. Der Finanzminister hat schon deutlich gemacht, dass die Landesregierung diese neuen Spielräume nutzen wird, zum Nach

(Monika Schwalm)

teil der Beamtinnen und Beamten. Darüber werden wir heute sicher noch etwas vom Finanzminister hören.

Die CDU-Landtagsfraktion hat sich bereits im November 2002 gegen die Öffnungsklausel ausgesprochen. Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind für die Betroffenen längst zu Einkommensbestandteilen geworden. Beamtinnen und Beamte haben gegenüber den Tarifangestellten schon jetzt erhebliche finanzielle Nachteile, wenn es um die Übernahme der Tarifabschlüsse geht. Zeitverzug in der Umsetzung bedeutet Ungleichbehandlung, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Wir wollen nicht, dass das Weihnachtsgeld je nach Finanzlage in jedem Jahr ein Unsicherheitsfaktor für die Bediensteten wird. Wir wollen nicht, dass zukünftig finanzstarke Gebietskörperschaften guten Nachwuchs auf dem Markt anwerben und finanzschwache Länder das Nachsehen haben.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Wir wollen nicht, dass es einen Besoldungswettbewerb unter den Ländern gibt. Das führt zu sozialem Unfrieden unter den Beschäftigten und den Ländern.

Schon jetzt befürchten wir, dass die Öffnungsklausel auch Auswirkungen auf den Tarifbereich haben wird. Was für Beamte gilt, werden die Arbeitgeber auch für Angestellte und Arbeiter durchsetzen wollen. Damit würde der gesamte öffentliche Dienst einem negativen Wettbewerb ausgesetzt.

Daher wollen wir, dass das Weihnachtsgeld ab 2004 nicht mehr im Dezember als Einmalbetrag gezahlt, sondern in das Jahreseinkommen eingerechnet und auf zwölf Monate verteilt wird. Dies hat den Vorteil, dass das Weihnachtsgeld nicht der Beliebigkeit unterliegt, und schafft Sicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir wollen auch, dass dieser Einkommensteil zukünftig an der linearen Einkommenssteigerung teilnimmt. Außerdem soll er nach unserer Vorstellung ruhegehaltsfähig werden. Dies sind eindeutige Vorteile für Beamtinnen und Beamte. Zur Kompensation muss auf der Grundlage eines Abzinsfaktors eine Anpassung beim Weihnachtsgeld, gestaffelt nach Einkommensgruppen, vorgenommen werden.

Das Urlaubsgeld soll nach unserer Auffassung erhalten bleiben. Es ist schon jetzt nach Besoldungsgruppen gestaffelt und beträgt bis zur Besoldungsgruppe A 8 in den alten Bundesländern 332,34 €, ab Besoldungsgruppe A 9 255,65 €. Eine einheitliche Streichung des Urlaubsgeldes würde bei den unteren Besoldungsgruppen wesentlich stärker ins Gewicht fallen als bei den höheren. Deshalb soll das Urlaubsgeld

weiterhin individuell an die Beamtinnen und Beamten ausgezahlt werden.

Noch eine kurze Bemerkung zu dem zweiten Punkt unseres Antrages: Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Wir wollen erst gar keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass für uns eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit vor allem für Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamte im Außendienst nicht infrage kommt.

Schaffen Sie Sicherheit für die Beamtinnen und Beamten unseres Landes. Sie haben es verdient. Wir erwarten Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile dem Abgeordneten Rother das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundesweit wird derzeit eine Debatte über die Fortentwicklung des öffentlichen Dienstrechts geführt. Die Themenbreite reicht vom beabsichtigten Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft der Länder, wie dies zurzeit einige CDU-geführte Bundesländer nach Berliner Vorbild vorhaben, über eine verzögerte Übernahme des Tarifergebnisses für die Beamtenbesoldung, über die Öffnungsklausel für Urlaubs- und Weihnachtsgeld der Beamten, über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit für Beamte, über die Veränderung der Vorschriften zu Zulagen, Beihilfe und Heilfürsorge bis hin zu den Vorstellungen der nordrhein-westfälischen Regierungskommission zur Zukunft des öffentlichen Dienstes unter der Leitung des hier bestens bekannten Hans-Peter Bull. Mit diesen Vorschlägen wird für viele Aufgabenbereiche des öffentlichen Dienstes das Erfordernis der Tätigkeit von beamteten Kräften wieder einmal infrage gestellt.

Mit dem nun hier vorliegenden Antrag, zu dem ich im Gegensatz zu meiner Vorrednerin, die etwas darum herumgeredet hat, Stellung beziehen möchte, greift die CDU aus dieser beamtenpolitischen Grabbelkiste zwei Punkte heraus. Frau Schwalm hat einiges zum Thema Urlaubsgeld gesagt. Im Antrag steht dazu nichts. Das sage ich zu Ergänzung.

Zum ersten Punkt des Antrags, den Sonderzuwendungen. Die CDU greift einen Vorschlag des Deutschen Beamtenbundes auf, mit dem versucht wird, das Weihnachtsgeld von einer Sonderzuwendung zu einem festen Gehaltsbestandteil zu machen. Der DBB möchte hier auf etwas trickreiche Weise den Rechtsstatus der Sonderzuwendungen verbessern,

(Thomas Rother)

nämlich Verfassungsrang erreichen, eine Wiederankopplung an die allgemeine Besoldungsentwicklung erwirken und die leidige Diskussion um das Weihnachtsgeld für Pensionäre beenden. Ob das überhaupt möglich sein wird, Frau Schwalm, steht aber ganz und gar nicht fest. Erst muss der Bundestag ein entsprechendes Öffnungsgesetz beschließen. Ob das so wird, wie die Bundesratsvorlage es vorsieht, ist noch gar nicht raus. Daher kann das, was Sie hier vorschlagen, noch gar nicht entschieden werden. Das wäre der zweite oder dritte Schritt vor dem ersten.

Zum zweiten Punkt, Lebensarbeitszeit für Polizeibeamte. Diesem Punkt könnten wir eigentlich ganz einfach so zustimmen. Damit hätten wir gar kein Problem. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir würden uns damit ein wenig selbst täuschen. Schon jetzt ist es in begründeten Einzelfällen möglich, eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit für Polizeibeamte vorzunehmen.

Daneben gibt es eine Debatte um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Rürup-Kommission oder das Stoiber/Merkel-Papier von Montag sind die bekannten Stichworte. Den Ergebnissen dieser Debatte wird sich letzten Endes auch der beamtete öffentliche Dienst nicht entziehen können.