Protocol of the Session on April 4, 2003

Erschwert wird die dort stattfindende innenpolitische Debatte durch die Bewegung der baltischen Staaten und Polens hin zur EU. Die Aufnahme ist inzwischen in Kopenhagen entschieden worden. Es gibt auch die Bewegung hinein in die NATO. Wenn man sich in die seelische Befindlichkeit der russischen Entscheidungsträger versetzt, so haben die eigentlich sehr viel Bewegung gezeigt. Wenn man sich noch an die ersten ostseeparlamentarischen Konferenzen erinnert, wo die aus den baltischen Staaten an den Katzentisch verbannt worden sind, so sind sie inzwischen doch als vollwertiges Mitglied in diesem Ostseekooperationsprozess dabei und fühlen sich auch so. Dieses gewonnene Selbstbewusstsein hat dort auch zu einer Öffnung für diese Fragen wie zum Beispiel Konsulatseinrichtungen in dieser Region geführt.

Schleswig-Holstein ist schon immer Vorreiter in der Errichtung eines Ostseenetzwerkes in diesem Prozess des Zusammenwachsens der Ostseeregion gewesen. Ich denke, mit dem heutigen Beschluss machen wir einen weiteren positiven Schritt hin in diese Richtung.

(Beifall im ganzen Hause)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es jetzt schon mehrfach gehört, der Europaausschuss hat einen gemeinsamen Antrag auf Errichtung einer konsularischen Vertretung der Bundesrepublik in Kaliningrad eingebracht. Wir bitten um eine konsularische Vertretung, weil nur die Bundesregierung so einen Antrag formulieren kann. Dass auch der SSW diesen Antrag mit trägt, brauche ich nicht hervorzuheben. Ich brauche auch nicht weiter zu vertiefen, was der konkrete Hintergrund dieses Antrages ist, nämlich zum einen die interfraktionelle Reise des Landtages im November letzten Jahres und zum anderen, weil mit dem Antrag dem Schreiben des Landtagspräsidenten an Außenminister Fischer Nachdruck verliehen werden soll. Kurz und gut, es gibt eine ganze Reihe von Gründen dafür, dass der SchleswigHolsteinische Landtag eine dauerhafte konsularische

Vertretung in Kaliningrad unterstützt. Das wichtigste Stichwort sind hier die Probleme mit der Erteilung von Visa.

In einem größeren Zusammenhang betrachtet kommt es uns weiterhin darauf an, auch mit dem vorliegenden Antrag die Weiterentwicklung nicht nur der Zusammenarbeit mit Kaliningrad, sondern auch die Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft in Kaliningrad zu stärken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dass Schleswig-Holstein in dieser Hinsicht schon sehr viel geleistet hat, brauche ich in diesem Kreise nicht zu erklären. Stichwort ist hier nicht zuletzt das Memorandum von Schleswig-Holstein und Kaliningrad. Dazu gehört aber auch, dass wir die daraus entstandenen Initiativen politisch und strukturell untermauern. In den letzten Jahren ist Kaliningrad immer wieder Thema gewesen, nicht zuletzt auf der Ostseeparlamentarier-Konferenz, aber auch bei den Kieler-Woche-Gesprächen.

Nach solchen Veranstaltungen lautet die Frage immer wieder: Wie können wir das umsetzen, was wir jetzt in guten Vorträgen an engagierten Überlegungen zu hören bekommen haben? Wie können wir daraus konkrete Politik ableiten?

Vor dem Hintergrund war es aus der Sicht des SSW hilfreich, dass das Institut für Friedenswissenschaften an der CAU im Oktober 2002 eine Reihe von auf Problemlösungen gerichtete Politikempfehlungen veröffentlichte. Für uns sind diese Empfehlungen eine wichtige Diskussions- und Entscheidungsgrundlage. Wir wissen, dass das meiste außerhalb unserer Möglichkeiten liegt. Das meiste hat mit EU- oder Bundespolitik zu tun. Wir können aber an der politischen Meinungsbildung teilnehmen. Auch das, denke ich, ist wichtig.

Zwei Punkte aus diesen Empfehlungen möchte ich herausgreifen. Einerseits wird die Errichtung einer EU-Vertretung problematisiert und auch als Ziel angeführt. Dass das nicht einfach ist, wissen wir. Dass das konkrete Problem der Visumerteilung dadurch auch nicht gelöst wird, wissen wir auch.

Zweitens wird gefordert beziehungsweise als Ziel formuliert, den Europarat, die OECD und den Ostseerat in den Dialog um Kaliningrad einzubeziehen. Das ist meiner Ansicht nach ein sehr wichtiger Ansatz. Konkret wird vorgeschlagen, ein gesamteuropäisches Clearing-house - so wird das genannt - einzurichten. Damit würde erreicht werden, dass die gesamteuropäische Verantwortung für Kaliningrad deutlich wird.

(Anke Spoorendonk)

Des Weiteren würde dadurch erreicht werden, dass das Projekt Kaliningrad wirklich als ein Friedensprojekt definiert wird; denn es gilt, wenn man sich mit der russischen Seite unterhält, immer noch, auch die Rhetorik, die dann immer wieder anklingt, zu durchschauen und wirklich auf den Kern zu kommen. Wenn wir uns darauf verständigen können, dass der Dialog zwischen den europäischen Ländern und Russland, was Kaliningrad angeht, wirklich ein Friedensprojekt ist, dann, denke ich, sind wir schon einen Schritt weitergekommen.

Kaliningrad und Gespräche um Kaliningrad müssen also zu mehrgleisigen Initiativen führen. In dieses Muster passt auch der Wunsch, ein deutsches Konsulat in Kaliningrad einzurichten. Im Moment gibt es - auch das ist bereits gesagt worden - ein schwedisches Generalkonsulat. Es gibt auch ein litauisches und ein polnisches Generalkonsulat in Kaliningrad. Die Schlussfolgerung daraus sollte für uns lauten, dass die bestehende Zusammenarbeit mit Kaliningrad, die Ostsee-Zusammenarbeit - darum geht es ja - immer noch mehr ist als die EU-Kooperation. Die OstseeZusammenarbeit hat eine andere Qualität. Sie ist konkreter. Sie ist auch weniger hierarchisch gestaltet. Sie ist also eine Politik von Nachbarn für Nachbarn. Mit der Einrichtung einer konsularischen Vertretung könnten wir ein Zeichen dafür setzen.

(Beifall im ganzen Haus)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Rolf Fischer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur zwei kurze Anmerkungen machen. Wir werden für diesen Antrag beziehungsweise für unsere Forderung eine breite Unterstützung benötigen. Wir erhalten sie in Schleswig-Holstein durch den Initiativkreis Kaliningrad. Die Aufgaben des Lenkungsausschusses übernimmt ja der Europaausschuss. Wir sind also nahe dran. Diesem Initiativkreis gehören bisher 70 Vereine und Verbände in SchleswigHolstein an, die ausschließlich die Kooperation mit Kaliningrad pflegen. Sie sind auf diese Regelung angewiesen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen brauchen wir heute diese Entscheidung.

Lassen Sie mich zum Schluss meines kurzen Beitrages einen Vorschlag machen. Ich möchte Ihnen gern

vorschlagen, dass wir die Initiative betreffend die konsularische Vertretung in Kaliningrad zu einer norddeutschen Initiative machen, dass aus diesem Parlament heraus der Wunsch an die anderen norddeutschen Parlamente herangetragen wird, unsere Forderung zu unterstützen. Ich denke, eine Formulierung wie: „Norddeutschland für Kaliningrad“ wäre ein gutes Motto. Insofern hoffe ich auf Ihre Zustimmung zu diesem Vorschlag.

(Beifall im ganzen Haus)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt Frau Ministerpräsidentin Simonis das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich kann man anschließend die norddeutschen Länder fragen, ob sie mitmachen wollen. Aber dafür müssen wir wissen, was wir anbieten können und was andere anbieten können, damit das nicht sozusagen zum Doppellauf wird.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Aber ich denke, das Problem wird durch die Kollegen in den Landtagen und auf der Regierungsebene zu lösen sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ostseeregion steht vor einer grundlegenden Veränderung. Im Mai 2004 werden die baltischen Staaten und Polen, soweit dies ihre Bevölkerung in den Referenden so ausdrückt, Mitglied der Europäischen Union. Dann haben wir die Ostsee als europäisches Binnenmeer.

Damit rückt aber bei allem Jubel über das, was erreicht ist, die geopolitische Situation des russischen Gebiets Kaliningrad in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, und zwar nicht immer nur positiv, sondern auch mit den Gefahren und den Gefährdungen. Wir haben uns darüber Gedanken zu machen. Kaliningrad wird nämlich nach seiner eigenen Einschätzung zu einer russischen Enklave inmitten einer erweiterten Europäischen Union. Es wird de facto eine, solange die Visumpflicht noch besteht. Das bedeutet - darauf hat die Frau Abgeordnete Kötschau hingewiesen -, dass die Bewohner von Kaliningrad nach Moskau oder Petersburg fahren müssen, wenn sie ein Visum für die Bundesrepublik brauchen, was wiederum voraussetzt, dass sie ein Visum für die Durchreise bekommen. Das hat natürlich, wie wir uns vorstellen können, zu heftigen Reaktionen geführt, die zum Teil auch nachfühlbar sind.

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Auch die Vorstellung, mit Schweden gemeinsam Abhilfe zu schaffen und das in einem Generalkonsulat gemeinsam zu lösen, das heißt, die Fahrerei zu erleichtern, ist in Russland heftig abgelehnt worden, weil ihnen das unbekannt ist.

Das heißt also, wir müssen Vorschläge machen, die weit über das hinausgehen, was Reiseerleichterungen oder die Frage angeht, wie man schnell ein Visum ausstellen kann. Wir müssen - das klang bei allen Rednern an - Lösungen anbieten, die den Menschen in Russland und in Kaliningrad Vorstellungen darüber eröffnen, wie sie in einem solchen Europa leben wollen und dass es sich, was die Erweiterungspläne angeht, lohnt, mit dabei zu sein und sich nicht eingezingelt oder abgeriegelt zu fühlen. Das wird ein schwieriger Weg.

Die Diskussionen über die Transitregeln zwischen Russland und Kaliningrad haben zum Teil ausgesprochen schwierige Formen angenommen. Da sind Vorschläge von Kaliningrad gemacht worden wie etwa: Korridor, verplombte Züge, verplombte Autos und so weiter. Das alles ist nicht vereinbar mit dem Geist erstens Europas und zweitens der so genannten northern dimension, einer von Finnland ins Leben gerufenen Initiative, bei der es darum ging, den Russen klarzumachen, dass ein geeintes Europa nicht die Isolierung von Kaliningrad und nicht die Isolierung von Russland bedeutet, sondern vielmehr eine Einladung ist, sich daran zu beteiligen.

Gott sei Dank ist dieser Faden wieder aufgenommen worden. Wir merken aufgrund des aktuellen Stands der trilateralen Gespräche zwischen Russland, Litauen und der EU, dass die ab dem 1. Juli geltenden Transitregelungen durchaus vernünftig gestaltet werden sollen.

Aber wir müssen auch weit darüber hinaus Anstrengungen unternehmen, um Kaliningrad und in der Folge auch Russland zu zeigen, dass wir als Europäer ihnen unsere Tür nicht zugeschlagen haben. Russland wird im Rahmen seines föderalen Zielprogramms Kaliningrad ebenso nachlegen müssen wie die Europäische Union im Rahmen des TACIS-Programms. Da gilt es, als ein gutes Zeichen zu bewerten, dass die Europäische Kommission jetzt beschlossen hat, im Rahmen des TACIS-Programms für Russland ein Sonderprogramm einzurichten. Das bedeutet, Hilfe dort anzubieten, wo immer es darum geht, Kaliningrad und Russland fit zu machen, um - auf lange oder mittlere Sicht - in der Europäischen Union mitmachen zu können. Dazu gehört natürlich auch, die Verwaltung mit neuen Verhaltensweisen vertraut zu machen. Dazu gehören Universitätsarbeit, Obdachlosenarbeit, städtebauliche Planungen, Waisenkinderbetreuung,

alles Sachen, die die schleswig-holsteinische Landesregierung und zahlreiche andere Institutionen, aber auch der Landtag bereits besonders mit unterstützen.

Wir wollen also der Partnerregion Kaliningrad helfen, eine eigene Zukunft in einer veränderten europäischen Umgebung zu gewinnen, indem wir ihr anhand kleiner und konkreter Beispiele zeigen, wie man es selbst machen kann. Dazu gehört natürlich, dass die Errichtung einer konsularischen Vertretung Deutschlands in Kaliningrad dazu beiträgt, die Begegnungsmöglichkeiten von Vertretern und Bürgern Kaliningrads mit ihren Geschäftspartnern und Bekannten in Deutschland zu erleichtern. Dazu gehört aber auch, dass die Industrie- und Handelskammern, Banken und andere wirtschaftliche Einrichtungen sich stärker für Kaliningrad interessieren. Denn wie soll ein deutscher mittelständischer Unternehmer, zum Beispiel aus Schleswig-Holstein, sich in Kaliningrad niederlassen, wenn es dort außer einer schwedischen - wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe - keine Hausbank gibt?

(Beifall bei der SPD)

Natürlich würde es auch weniger abschreckend wirken, wenn die Erteilung von Einreisevisa - beziehungsweise das aktuelle Überqueren der Grenze - nicht wie ein Gnadenakt organisiert würde, sondern unter anderem flexibler, vernünftiger und schneller.

(Beifall bei SPD, SSW und des Abgeordne- ten Joachim Behm [FDP])

Es liegt in der Zwischenzeit ein Ersuchen des Auswärtigen Amtes in Moskau vor, die Errichtung eines Konsulats der Bundesrepublik Deutschland in Kaliningrad zu genehmigen. Damit hat Deutschland seine Verpflichtungen eingelöst, die beim EURusslandgipfel im November 2002 vereinbart worden waren. Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Genehmigung erteilt wird, bevor die Vereinbarungen über Transitreisen zwischen Kaliningrad und Russland bis Ende Juni unter Dach und Fach sind. Ich persönlich habe aber die Hoffnung, dass danach die Entscheidung über ein neues Konsulat in Kaliningrad zügig vorangetrieben wird.

Ihre Aufforderung, in Berlin darauf hinzuweisen, dass dies möglichst schnell gehen möge, werde ich gern aufgreifen und in Berlin auf eine schnelle Lösung drängen. Wir werden auch gegenüber den russischen Behörden - soweit wir es können - auf eine zügige Genehmigung drängen. Unsere Kontakte mit russischen Behörden sind häufig nicht auf Moskau beschränkt. Dennoch kann man es immer wieder ansprechen, denn steter Tropfen höhlt den Stein. Wenn wir im Sommer in dieser Frage einen wichtigen

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Schritt weitergekommen sind, freue ich mich jetzt schon auf eine mögliche Reise, zu der sich lauter nette Kollegen aus dem Landtag bereits angemeldet haben. Wir haben das bei uns notiert.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Wer dem Antrag auf Errichtung einer konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Kaliningrad, Beschlussempfehlung des Europaausschusses, Drucksache 15/2524, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen! - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Entwicklung und Stand der Kulturwirtschaft in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2573

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion der CDU erteile ich Frau Abgeordneter Caroline Schwarz das Wort.