Solche Dinge sollen, wie gesagt, für alle Schüler allgemein bildender Schulen mit deutscher Gründlichkeit, Kollege Nabel, mit deutscher sozialdemokratischer Gründlichkeit zu Papier gebracht werden.
Vor den Aktenbergen, die dabei aufgetürmt würden, wollen wir jedenfalls die Schüler, die Eltern und die Lehrer doch lieber bewahren. Ein derartiger Monstererlass sollte den Schulen erspart bleiben.
Da trifft es sich dann sehr gut, dass SchleswigHolsteins hohe Obrigkeit, vulgo Landesregierung, am Tage der Einbringung unseres vorliegenden Antrages, nämlich am 25. März im Jahre der Herrin der Ringe 2003, höchstselbst und hienieden zu Chiloniae Holsatorum Folgendes beschlossen und verkündet hat - ich zitiere aus der Pressemitteilung zur hochwohllöblichen Cabinetts-Ordre von Seite 9 unten -:
Wir, die Unterzeichnenden, geben hiermit in einem recht eindrucksvollen Beispiel unser Ansinnen zu Gehör, besonders bescheuerte Vorschriften vielleicht gar nicht erst aufzubauen.
Das ist vielleicht auch deshalb ratsam, weil es in der gleichen Pressemitteilung der Landesregierung zur Kabinettsklausur vom 25. März auf Seite 10 heißt:
„Alle Richtlinien und Erlasse für die schleswig-holsteinischen Schulen treten mit Wirkung vom 1. August 2004 außer Kraft.“
Vielleicht sollte man besonders unsinnige Erlasse jetzt gar nicht erst in Kraft setzen. Das bekräftigt noch einmal unsere Empfehlung das, was da angedacht wurde, in der Tat bleiben zu lassen.
Ich habe gestern sicherheitshalber noch einmal auf dem Bildungsserver „lernnetz-sh.de“ nachgeschaut. Da werden immer noch ein Hinweis auf den Lernplanerlassentwurf und eine Erläuterung gegeben. Man scheint bisher noch nicht endgültig die Konsequenz im Bildungsministerium gezogen zu haben, dieses Ding vielleicht doch gleich einzustampfen. Ich würde Ihnen das, Frau Erdsiek-Rave, wirklich dringend raten. Beschäftigen Sie die Schulen, die Schüler, die Lehrkräfte und die Eltern mit vernünftigeren Dingen als mit solch einem unsinnigen bürokratischen Erlass.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Klug, ich weiß nicht, vielleicht sollten Sie sich einmal ein bisschen mit der Pädagogik aus den Grundschulen beschäftigen,
damit, wie man kleine Kinder motiviert, wie man erreicht, dass ihnen das Lernen in der Schule Spaß macht und wie man sie ein wenig zur Kreativität hin ausbildet. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe bei Ihnen immer so ein bisschen das Gefühl, dass Sie wirklich der bestandskonservativste Bildungspolitiker hier im Hause sind nach dem Motto: Es darf sich nichts verändern. Das Einzige, was sich verändern darf, ist die Anzahl der Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen. Das würden Sie noch akzeptieren. Aber ansonsten sind Sie wirklich so bestandskonservativ wie die GEW, die das ähnlich sieht, oder die Lehrerverbände.
Ich denke, Sie sind so ein bisschen die geistige Schiene der Lehrerverbände in dieses Haus hinein. Ich denke aber, diese Rolle wollen Sie auch bewusst spielen.
Am 19. März, also vor 14 Tagen, wurden uns die zentralen Befunde aus der PISA-Studie für Schleswig-Holstein vorgestellt. Wiederum mit Befunden, die uns in diesem Land erschrecken müssen. Uns war schon bekannt, dass wir unter den Bundesländern mit 47,2 % Wiederholern unter den 15-Jährigen und einem 10-prozentigen Abstand zum nächsten Bundesland Niedersachsen einsamer Spitzenreiter bei den Sitzenbleibern sind. Umso dramatischer müssen wir die Ergebnisse der eben genannten Studie für die einzelnen Schularten unseres Landes bewerten. Wir müssen deutlich festhalten, dass wir Förderungsmaßnahmen für die Schülerinnen und Schüler einleiten müssen. Es darf nicht - wie in der Vergangenheit - dazu kommen, dass die erste Fördermaßnahme von leistungsschwachen Schülern das Sitzenbleiben ist.
- Herr Kollege, ich beschäftige mich mit dem Thema Lernpläne. Herr Dr. Klug, ich war nach den ersten Äußerungen unserer Ministerin zu den Lernplänen auch skeptisch, ob ein solches Instrument unbedingt für alle Schüler anzuwenden ist. Angesichts der Befunde der PISA-Studie sehe ich die Notwendigkeit für die Erstellung von Lernplänen für alle Schülerinnen und Schüler mehr denn je.
Fast 80 % der Gymnasiasten in unserem Land haben eine glatte Schullaufbahn ohne Klassenwiederholungen. Das sieht bei den Realschulen schon anders aus. Nur 44,6 % der 15-jährigen Realschülerinnen und Realschüler sind nicht zurückgestellt, nicht aus einer anderen Schulart abgestiegen oder haben eine Klasse wiederholt.
Auch ist sehr bedenklich: Nur 14,4 % der 15-jährigen Hauptschüler haben eine glatte Schullaufbahn. Das heißt, dass 85 % unserer Hauptschüler eine Zurückstellung, einen Abstieg aus einer höheren Schulart oder eine Klassenwiederholung hinter sich haben. Da muss es uns nicht wundern, dass auch die allgemeinen Kompetenzwerte für unsere Hauptschüler so unterdurchschnittlich sind. Wir müssen in SchleswigHolstein mit der Erkenntnis leben, dass die erste individuelle Fördermaßnahme das Sitzen bleiben ist. Hieran müssen wir arbeiten.
Herr Kollege Klug, Sie sprechen von einem enormen Aufwand, der mit der Erstellung von Lernplänen für die Schule, beziehungsweise für die Lehrerinnen und Lehrer verbunden ist. Wenn aber fast jeder Hauptschüler und fast jeder zweite Realschüler eine verzögerte Schullaufbahn hat, dann ist das unter den von Ihnen in Ihrem eigenen Antrag unter Punkt drei formulierten besonderen Bedürfnissen eigentlich schon der Regelfall.
Sie konnten heute Morgen in dem Ihnen vorliegenden Pressespiegel einen Bericht über die Ergebnisse der internationalen Grundschullesestudie IGLU lesen. Danach kommen unsere Grundschülerinnen und Grundschüler auf Platz elf der Weltrangliste, die 35 Nationen umfasst. Das Ergebnis ist nicht ganz so schlecht wie das der PISA-Studie. Aber auch diese Studie zeigt wieder, dass die Schwachen in unseren
Meine Damen und Herren von der Opposition, lieber Kollege Klug, die hessische CDU-Kultusministerin Wolf will bis zum Ende des Jahres 2006 mit allen Eltern der Schulpflichtigen eine schriftliche Erziehungsvereinbarung schließen. Erziehungsvereinbarungen werden auch in anderen Bundesländern diskutiert. Es sind schriftliche Kontrakte zwischen Eltern und Schülern. Solche Kontrakte sind durchaus mit individuellen Lernplänen vergleichbar. Geben Sie Ihre Widerstände gegen individuelle Lernpläne auf. Die dramatischen Erkenntnisse über die verzögerten Schullaufbahnen unserer Kinder außerhalb der Gymnasien machen die Einführung von individuellen Lernplänen als Grundlage der Förderung unserer Schülerinnen und Schüler dringend notwendig.
Wir sind der Auffassung, dass die geplante Erstellung von Lernplänen in der vorgesehenen Form eine zusätzliche bürokratische Maßnahme ist, die aufgrund der fehlenden Bindewirkung für Eltern und Kinder einen untauglichen Versuch darstellt, Konsequenzen aus PISA zu ziehen. Frau Erdsiek-Rave, diese fehlende Bindewirkung stellen die Verfasser des überarbeiteten Erlasses selbst fest. Anstatt die richtigen Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zu ziehen, wird nun - laut Neufassung - der pädagogische Charakter der Lernpläne betont. Pädagogische Maßnahmen für lernschwache Kinder sind schon immer angewendet worden. Dazu bedarf es eines zusätzlichen Erlasses sicher nicht.
Ein Förderbedarf bei lernschwachen Kindern konnte bisher auch ohne die zeitaufwendige Aufstellung von Lernplänen durch die Lehrkräfte festgestellt werden. Dieser wurde den Eltern in der Regel auch mitgeteilt. Einer zeitaufwendigen schriftlichen Fixierung mit Konferenzen und Elterngesprächen einschließlich der Dokumentation durch die Unterschrift von Kindern,
Diese Unterschriften, auch von den betroffenen Kindern geleistet, sollen den Anschein erwecken, es handele sich um einen Vertrag auf Gegenseitigkeit. Ein Vertrag kann aber nur dann Sinn haben, wenn die Grundlagen, also in diesem Fall die Lernziele und Bildungsstandards für die Klassenstufen, verbindlich definiert sind. Das hat diese Landesregierung bisher nicht geleistet. Ein Vertrag hat auch nur dann Sinn, wenn bei Nichteinhaltung auf allen Seiten, vor allem bei den Eltern und den Kindern, mit Folgen zu rechnen ist. Das ist auch in der Neufassung des Erlasses weiterhin nicht vorgesehen.
Haben Sie schon einmal überlegt, was geschieht, wenn die Eltern und die Kinder die vorgeschriebenen Vereinbarungen nicht einhalten? Dann war die auf 60 - 80 Stunden zu beziffernde halbjährliche zusätzliche Arbeit der Lehrkräfte für die Erstellung der Lernpläne umsonst. So etwas trägt mit Sicherheit nicht zur Motivation der Lehrkräfte bei. Im Gegenteil, es frustriert.
Was bleibt, ist eine aufgeblähte Bürokratie als schleswig-holsteinische Antwort auf PISA. Das ist peinlich. Es ist genauso peinlich und unüberlegt wie die überhastete Einführung der verlässlichen Grundschule und die halbherzige Änderung der Orientierungsstufe.