Wir halten einen Beirat oder eine Kommission, die den Umsetzungsprozess der Reform begleitet, für einen hilfreichen Vorschlag. Wir sollten uns darüber verständigen, wie diese Institution beschaffen sein muss, damit sie eine Beschleunigung dieses Prozesses in Kontinuität unterstützen kann.
Nun komme ich zu den einzelnen Standorten. Ich glaube, es verwundert Sie nicht, dass wir den Abbau der Medizinstudienplätze für richtig halten und uns freuen, dass die Kommission unsere Forderung nach strikter Trennung der Kosten für Forschung und Lehre sowie für die Krankenversorgung unterstreicht. Hier muss das Land hart mit den Krankenkassen verhandeln. Auch dafür brauchen wir die Unterstützung des ganzen Hauses, damit der Regierung dieser Prozess gelingt.
Weniger Studienplätze in der Medizin zu haben heißt ja, dass Mittel für anderes frei werden. Wir sagen deutlich, dass wir dabei auch auf das Lehrerstudium und die Unterfinanzierung der Flensburger Hochschule blicken. Die Schulforschung und die pädagogische Ausgestaltung einer neuen Form von Vermittlungswissenschaft im pädagogischen Bereich braucht deutlich mehr Akzente und mehr Mittel.
Wenn wir uns „Gesundheitsstandort SchleswigHolstein“ nennen, dann ist es merkwürdig, dass wir keinen einzigen Ort haben, an dem Pflegewissenschaft gelehrt und entwickelt wird. Daher wäre zu überlegen, ob das nicht etwas für eine der Fachhochschulen wäre.
Zur rechten Zeit kommt der Vorschlag für eine grundlegende Reform der Lehrerbildung. Wir haben immer wieder eine Stufenlehrerausbildung gefordert. Wir sehen jetzt den Zeitpunkt für gekommen, Frau Erdsiek-Rave, einen Schritt weiterzukommen. Andere Bundesländer sind bisher mutiger als wir. Wir haben ja immer die einphasige Lehrerausbildung mit Praxiserfahrung von Anfang an gefordert. Trotzdem finden wir den Vorschlag der Kommission, ein Fachstudium mit Bachelor-Abschluss zu machen und darauf aufbauend ein Masterstudium zu setzen, das sich um Praxis und Theorie der pädagogischen Ausbildung kümmert, für diskussionswürdig. Es muss eine Entscheidung fallen - so oder so. Bei dieser Entscheidung müssen wir auch gucken: Was ist in Flensburg mach
Die Konzentration der Lehrerbildung für alle Lehrämter für die Sekundarstufe I und II in Flensburg sowie die Kooperation der Fachhochschulen für die Berufsschullehrerausbildung halten wir für sehr sinnvoll. Insbesondere die Kooperation der Fachhochschule zur Berufsschullehrerausbildung ist etwas, was wir sehr zügig beginnen sollten, denn wir haben bekanntermaßen einen Mangel an Nachwuchs von Berufsschullehrern.
Also: Mutig voran. Flensburg stärken heißt natürlich auch, die Kooperation mit den umliegenden Schulen zu stärken, heißt, sich Wege zu überlegen, wie dieses Modell tatsächlich realistisch umgesetzt werden kann. Denn auch wir machen uns klar: Flensburg liegt am Rand dieses Bundeslandes und ist von ländlichem Raum umgeben. Auf den ersten Blick ist die Konzentration in Kiel verlockender. Doch wenn wir uns jetzt einmal dazu entschlossen haben, sollten wir diesen Weg auch konsequent zu Ende gehen und nicht halbe Sachen machen, das eine in Kiel und das andere in Flensburg belassen, sondern tatsächlich die Sekundarstufe I und die Primarlehrerausbildung zusammenführen. Die Sekundarstufe II , für die weiterführenden Schulen in der Oberstufe - da hatte ich mich vorhin versprochen -, also die Gymnasiallehrerausbildung und die Berufsschulausbildung sind in Kiel zu belassen. Wir müssen uns schon vornehmen, einen Teil in Kiel zu belassen. Grundschule und Realschule aber muss in Flensburg sein.
Nun noch einmal zum Thema Agrarfakultät. Sie alle erinnern sich sicherlich an die Traktoren vor unserem Gebäude. Es gab einen großen Aufschrei, als ich vorgeschlagen hatte, dass die Fachhochschule und die CAU im Bereich der Agrarwissenschaft zusammenarbeiten sollten. Genau dieser Vorschlag findet sich bei der Kommission wieder. Ich kann nur sagen, dass ich das nachdrücklich begrüße. Die Probleme, die von der Opposition angesprochen worden sind, halte ich für lösbar.
Architektur und Bauingenieurwesen nach Lübeck macht auch Sinn. Ähnlich wie der Abgeordnete Weber sehe ich allerdings mit einem nachdenklichen Auge auf die Muthesius-Hochschule. Wir wollen, dass diese Hochschule endlich ihren Status als Kunsthochschule bekommt. Bisher war die Architektur einbezogen. Wenn wir hier zu einer Änderung kommen, muss das sehr genau abgewogen und im Hin
blick auf die Folgen bedacht werden. Die Expertenkommission geht davon aus, dass die Muthesius-Hochschule den Status als Kunsthochschule auch ohne Architektenlehrgang erreichen kann. Zumindest deutet sie das an. Das gilt es, sehr gründlich zu überprüfen.
Damit komme ich zu unserer kleinsten Hochschule. Was die Musikausbildung betrifft, hat sie trotz ihrer Größe einen großen Ruf. Sie wird auch international gern von ausländischen Studierenden besucht. Hier werden im Wesentlichen Vorschläge gemacht, diese Hochschule endlich mit mehr Professoren und Professorinnen auszustatten. Das kann ich nur sehr nachdrücklich unterstützen. Insbesondere die Vorschläge zur Schulmusik finde ich sehr überzeugend, nämlich hier tatsächlich - Frau Erdsiek-Rave - eine „Ein-FachAusbildung“ zuzulassen und die entsprechenden Stellen schnell zu besetzen.
Allerdings frage ich mich, ob die Vorschläge, die zur Profilierung in Zusammenarbeit mit Hamburg gemacht worden sind, tatsächlich erstens kostenneutral sind - Kosteneinsparungen sehe jedenfalls ich nicht - und ob sie zweitens der Profilierung dienen. Dies gilt es, mit den Fachleuten zu besprechen. Da die Vorschläge insgesamt sowieso, was die Kosten angeht, im gesamten Landesrahmen einen kleinen Posten ausmachen, wird das gesamte Konzept sicherlich nicht an dieser Frage scheitern, wenn wir uns so oder anders entscheiden.
Zusammenfassend komme ich zu folgender Bewertung. Die Vorschläge sind umsetzbar. Ich wiederhole das. Sie müssen von uns zügig angepackt werden. Wir müssen uns Instrumente schaffen, um den Prozess kontinuierlich zu beobachten und um Transparenz zu gewährleisten. Wir alle zusammen brauchen sehr viel Mut. Wir müssen viele gesellschaftliche Kräfte für die Hochschulen begeistern. Wir müssen die Wirtschaft begeistern, aber nicht nur die Wirtschaft. Dazu gehören auch die Gewerkschaften, die Wohlfahrtsverbände, alle diejenigen, die von den Ergebnissen der Hochschulen profitieren. Nicht zuletzt sind die Pflege- und die Umweltverbände zu nennen und alle diejenigen, die sich um die Meeresforschung kümmern. Es ist möglich, dass dieser Prozess gelingt. Lassen Sie uns das Signal, das uns die Kommission gegeben hat, aufnehmen und zügig an die Arbeit gehen.
Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Aller Anfang ist leicht - wenn man ihn mit dem Ende vergleicht“soll ein deutscher Immunbiologe einmal gesagt haben. Ich glaube, wir haben mit dem Bericht der Erichsen-Kommission einen guten Ausgangspunkt, der es uns erleichtert, zu einem guten Ende zu kommen.
Die Expertenkommission wurde aus der schmerzhaften Einsicht geboren, dass in der Hochschulpolitik in Schleswig-Holstein nichts mehr geht. Wenn man die Diagnose der Kommission in politische Alltagssprache fassen sollte, lautet die Konklusion wohl: Die Hochschulen haben heute zu viel zum Sterben, aber zu wenig zum Leben. Vielfach haben Lehrende und Studierende in Schleswig-Holstein nicht mehr als das hochschulpolitische Existenzminimum. Wer das ändern will, ohne dass dem Land mehr Geld zur Verfügung steht, muss umverteilen. Jetzt liegen uns die entsprechenden Vorschläge vor. Alle Beteiligten müssen die Chancen nutzen, die sich hieraus ergeben. Besonders erfreulich ist, dass sich die Hochschulen selbst bereits dazu verpflichtet haben.
Sie hat eine Reihe von Vorschlägen zur Reformierung der Universitäten und der Fachhochschulen vorgelegt, die wir ohne weiteres unterstützen können. Dazu gehört die Modernisierung der Studienstrukturen durch internationale Bachelor- und Masterabschlüsse ebenso wie eine Reform der Finanzierungsstrukturen durch Fünfjahresverträge, eine leistungsbezogene Mittelvergabe und einen Innovationsfonds. Diese Instrumente können dazu beitragen, den Hochschulen finanzielle Planungssicherheit zu geben und neue Entwicklungen zu fördern. Wir werden diese im Einzelnen bewerten, wenn die Landesregierung dem Landtag entsprechende konkrete Vorschläge unterbreitet.
Eine gewisse Skepsis hegte der SSW bezüglich der vorgeschlagenen neuen Leitungsstrukturen, die den Rektoren und den Dekanen im Verhältnis zu den Hochschulgremien größere Macht verleihen soll. Hier
wird vieles davon abhängen, inwieweit es die Landesregierung schafft, die richtige Balance zu finden.
Der SSW unterstützt die Zielsetzung der Kommissionsarbeit, die Hochschulen durch Schwerpunktsetzung im Wettbewerb zu positionieren. In diesem Sinn hat die Expertenkommission wirklich vermocht, einen Bericht zur Weiterentwicklung der Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein vorzulegen. Dafür verdient sie unseren Respekt und unseren Dank.
Dieser Dank gilt ausdrücklich auch all denen, die durch die populäre Benennung „ErichsenKommission“ im Schatten des Vorsitzenden gearbeitet haben.
Die Kommission hat ihre Bewertung maßgeblich auf der Grundlage wissenschaftspolitischer Erwägungen vorgenommen. Das war ihr Auftrag. Die Landespolitik muss jetzt die Vorschläge gesamtpolitisch bewerten. Es ist unsere Aufgabe, darauf zu achten, dass neben dem wissenschaftspolitischen Gehalt auch die strukturpolitische Gewichtung stimmt und andere wichtige Aspekte berücksichtigt werden.
Für den SSW spielen natürlich die Einrichtungen im Landesteil Schleswig eine herausragende Rolle. Unsere Hochschulen bedeuten nicht nur Ausbildung und Arbeit für die Menschen in der Region, sie sind auch Dünger für die wirtschaftliche Entwicklung im Norden des Landes. Bei der Lektüre der Vorschläge der Erichsen-Kommission stellen wir jetzt erfreut fest, dass die wissenschaftspolitische Vernunft sich durchaus mit diesen regionalen Interessen verträgt.
Das ist ein harter Schlag für die Stadt und für ihr Umland. Hier muss aus der Sicht des SSW noch einmal ganz genau geguckt werden.
Trotzdem überwiegt der positive Eindruck. Denn immerhin werden alle selbstständigen Standorte erhalten und die Autonomie der Hochschulen wird gewahrt. Uns freut vor allem, dass nicht - wie ursprünglich befürchtet - wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge aus Flensburg nach Kiel verlagert werden. Die Wirtschaft in der nördlichen Region ist
durch einen besonders schwach ausgeprägten Dienstleistungssektor gekennzeichnet. Deshalb wäre die Schwächung der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge ein herber Rückschlag für den Landesteil Schleswig.
Die deutsch-dänischen Studiengänge „Internationales Management“ und „Umwelt- und Energiemanagement“ sollen nach Ansicht der Kommission an der Fachhochschule Flensburg weitergeführt werden. Das können wir grundlegend akzeptieren. Allerdings gibt es dabei noch offene Fragen; denn die grenzüberschreitenden Studiengänge sind ja nicht zufällig an der Universität Flensburg entstanden. Wir haben es hier mit besonders zarten und wertvollen Pflänzchen zu tun, die nicht einfach herausgerissen und umgetopft werden können, ohne dass der Boden bereitet wird und die Gärtner sie weiter hegen.
Der SSW verschließt sich nicht dem von der Erichsen-Kommission vorgeschlagenen Weg, wenn dieser wirklich realisierbar ist, ohne die Studiengänge in ihrer Substanz zu gefährden. Es geht hier um internationale Studiengänge, die nicht allein im Bereich schleswig-holsteinischer Hochschulen und Politik liegen. Darin besteht ja gerade ihre Besonderheit. Pläne zur Verlagerung von der Universität an die Fachhochschule müssen also erst einmal mit den dänischen Kooperationspartnern erörtert werden, bevor ein Urteil gefällt werden kann.
Die Landesregierung muss auch sicherstellen, dass die Verlagerung des Studiengangs „Internationales Management“ und des Studiengangs „Energie- und Umweltmanagement“ an die Fachhochschule nicht zu einer Auswanderung des akademischen Personals aus diesen Studiengängen führt. Uns ist allen bewusst, dass für die Lehrkräfte an der FH andere Arbeitsbedingungen gelten. Die wenigen Lehrenden sind aber tragende Säulen der grenzüberschreitenden Studiengänge und müssen deshalb in Flensburg gehalten werden. Wenn dies bei einer Verlagerung an die FH nicht gewährleistet werden kann, dann müssen die Beteiligten gemeinsam andere Wege ausloten. Ich bin zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden kann.
Der SSW meint nach wie vor, dass wir im Norden des Landes eine starke, breit aufgestellte Universität brauchen. Wir akzeptieren aber, dass sich dieser Traum mit den vorhandenen Mitteln des Landes in den nächsten Jahren nicht realisieren lässt. Unter diesen Voraussetzungen können wir dem Vorschlag der Erichsen-Kommission vieles abgewinnen, die Universität Flensburg zu einem universitären Zentrum der Vermittlungswissenschaften zu machen. Das gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der
von der Kommission angesprochenen Reform der Lehrerausbildung. Die angeregte Modularisierung mit einem Bachelor-Abschluss als Grundlage ist der richtige Weg, um die starre Ausrichtung auf das Lehramt an den Schulen aufzuweichen und den Absolventen eine größere berufliche Flexibilität zu geben.
Für die neue Schwerpunktsetzung der Hochschule wird allerdings entscheidend sein, dass der Hochschulstandort Flensburg genügend Mittel erhält, um sich im Sinne des neuen Leitbildes weiterentwickeln zu können. Die Erichsen-Kommission sagt deutlich, dass die Universität Flensburg seit der Umwandlung von einer Pädagogischen Hochschule zur Universität vom Land nicht die notwendigen Ressourcen bekommen hat. Um das auszugleichen, reicht es nicht aus, dass mit den Lehramtsstudienplätzen, dem Heilpädagogikum und den Diplom-Pädagogen entsprechende CAU-Mittel mit nach Flensburg umziehen. Die Universität muss die Ressourcen haben, um sich innerhalb ihres eingegrenzten Aufgabenfeldes der Vermittlungswissenschaften mit Forschung und Lehre zu positionieren und durch neue Studiengänge zukunftsträchtig weiterzuentwickeln.
(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])
Insbesondere angesichts der Perspektive, dass in einigen Jahren die Nachfrage nach Lehrkräften wieder abnimmt, muss die Hochschule die Chance bekommen, innerhalb des neuen Schwerpunktes weitere Standbeine zu entwickeln. Die Erichsen-Kommission weist in diesem Zusammenhang selbst darauf hin, dass dem deutsch-dänischen Studiengang „Sprach- und Kulturmittler“ hierbei Modellcharakter zukommt. Dem stimmen wir zu. Das muss ich ganz deutlich hervorheben. Auch wenn der Fächerkanon der Universität aus finanziellen Gründen begrenzt bleibt, muss das Profil dieser Hochschule durch grenzüberschreitende Studiengänge geprägt sein. Das erfordert, dass die Hochschule mit den ehrgeizigen Plänen ihrer Partner nördlich der Grenze mithalten kann. Der neue Campus in Sønderborg, beschlossen und durchfinanziert, kann ich sagen, wird einen Entwicklungsschub für die Region bringen, von dem auch SchleswigHolstein profitieren kann, wenn wir nur die Chance ergreifen. Die Landesregierung muss durch die entsprechenden Mittel gewährleisten, dass die Universität Flensburg aus finanzieller Not nicht doch wieder zu einer reinen PH eingedampft wird.
Der SSW wird sich konstruktiv mit dem Bericht der Erichsen-Kommission und den daraus abgeleiteten Initiativen der Landesregierung auseinander setzen. - Das ist ja eine Selbstverständlichkeit. Wenn man nicht konstruktiv mitarbeiten will, dann weiß ich nicht, was man will. - Wir erwarten, dass alle Beteiligten diesen Bericht ebenso konstruktiv lesen. Ich muss sagen, ich fand die heutige Debatte redlich und ebenfalls sehr konstruktiv. Dass man dabei nicht alle Interessen berücksichtigen kann, ist auch klar. Wir fordern aber eine politische Bewertung, die alle Folgen der vorgeschlagenen Hochschulreform berücksichtigt.