Wichtig ist allerdings, dass die Landesparlamente zum frühestmöglichen Zeitpunkt über neue Entwicklungen in der EU informiert werden. Das gilt natürlich insbesondere dann, wenn Vorhaben im Rahmen der EU die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder wesentlich berühren. Auch eine Zustimmung der Landesparlamente bei der Abgabe von Hoheitsrechten des Bundes an die EU ist ein sinnvoller Schritt zur Stärkung des Föderalismus.
Darüber hinaus scheint mir die Neuausrichtung der Rolle der Landesparlamente im Verhältnis zur Bundesregierung und zum Bundesrat eine weitere entscheidende Forderung zu sein. Auch hier müssen wir darauf drängen, dass die Landesparlamente in den Abstimmungsprozess der Landesregierung im Bundesrat einbezogen werden - und zwar, bevor die Abstimmung erfolgt.
Wir machen uns teilweise lächerlich, wenn wir hier im Plenum Bundesratsentscheidungen diskutieren, die gleichzeitig oder schon vorher im Bundesrat durch die Landesregierung entschieden worden sind.
Daher unterstützt der SSW die Forderung, dass die Landesregierungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Parlamente über alle wesentlichen Bundesratsangelegenheiten zu unterrichten haben. Das gibt uns die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen und diese Stellungnahme muss dann die Landesregierung bei ihrer Abstimmung im Bundesrat berücksichtigen. Es gibt durchaus Bundesländer, in denen dieses Abstimmungsverfahren stattfindet. Wir sollten uns die Erfahrungen dieser Bundesländer einmal genauer anschauen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, um die Länder und den Föderalismus zu stärken, ist natürlich, dass es eine ausreichende Finanzausstattung und möglichst eigenständige Finanzquellen gibt. Deshalb brauchen wir eine Änderung der Finanzverfassung und unter anderem die Einführung des Konnexitätsprinzipes auch auf Bundesebene. Dazu muss es viel klarere Aufgaben- und Finanzierungsaufteilungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen geben. Die vielen Mischfinanzierungen erschweren die Übersicht und auch die Durchführung von Investitionen und Projekten. Zu „Blockaden“ ist heute ja schon genug gesagt worden.
Eine Reduzierung der zustimmungspflichtigen Gesetze im Bundesrat im Gegenzug von mehr Gesetzgebungskompetenz für die Länder würde auch den Föderalismus stärken und den Missbrauch des Bundesrates zu parteipolitischen Zwecken verhindern.
Insgesamt bewertet der SSW den Entwurf als eine gute Grundlage, um eine gemeinsame Position am 31. März in Lübeck zu erarbeiten. Wir hoffen, dass dieser Föderalismuskonvent ein erster wichtiger Schritt sein wird, um den Verfall des deutschen Föderalismus aufzuhalten und eine entscheidende Wende der für die Länder und die Landesparlamente so verhängnisvollen Entwicklung der letzten 30 Jahre zu erreichen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man soll eine solche Debatte, auch wenn sie von hoher Übereinstimmung geprägt ist, nicht vorbeigehen lassen, ohne auch zwei, drei kritische Punkte in das Gespräch zu werfen.
Ich bin deswegen auch für die Beiträge der Kollegen Hentschel und Klug dankbar, weil Föderalismus an sich natürlich kein Selbstzweck sein kann.
Es geht darum, auf der einen Seite auf allen Ebenen des Entscheidens und Handelns ein Höchstmaß an Demokratie herzustellen und zu sichern und auf der anderen Seite die Möglichkeit für Menschen zu schaffen, einmal aufgrund ihrer gewachsenen Tradition und aufgrund ihrer Entwicklungspotenziale, ihr Leben künftig solidarisch gestalten zu können. Das ist die Überschrift, weswegen wir den Föderalismus stärken wollen. Deswegen glaube ich, dass kein Weg daran vorbeigeht, drei Dinge noch einmal ganz deutlich ins Auge zu nehmen.
Wir haben heute eben nicht mehr drei Entscheidungsebenen - Kommunen, Land und Nationen -, sondern wir haben heute die europäische Ebene, aber darüber hinaus eine Reihe von regionalen Zusammenschlüssen, von regionalen Verbindungen, die über diese Ebenen hinaus heute schon Entscheidungen fassen
und die nur sehr begrenzt eine parlamentarische oder - ich sage es einmal so - selbstverwaltete Basis haben.
Deswegen möchte ich nur noch drei Stichworte in die Debatte einführen: Wettbewerbsföderalismus ist nicht einfach nur ein Stichwort, sondern ich glaube, wenn die Länder in einer wettbewerblichen Situation ihre Möglichkeiten nicht entfalten können, wird sich die Frage stellen, ob wir dann diesen Föderalismus auf Landesebene überhaupt noch brauchen.
Daran knüpft sich die zweite Bemerkung: Wenn das denn so ist, muss man auch die Frage stellen dürfen, ob wir uns in Deutschland die föderale Kleinstaaterei in dieser Form auf immer und ewig immer so leisten wollen.
Mein allerletzter Satz soll sein - zum Bereich der Bildungspolitik haben gerade auch die Kollegen Hentschel und Klug einiges gesagt; das will ich nicht wiederholen -: Ich glaube, wir dürfen bei der Frage der Ebenen der Entscheidung den zweiten großen Teil, der heute angesprochen worden ist, auch in unserer Eigenständigkeit nicht unterbelichten, nämlich das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative. Da können wir selbst schon viel mehr tun und müssen nicht nur auf andere zeigen.
(Vereinzelter Beifall bei der FDP sowie Bei- fall der Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcro- ne [SPD], Konrad Nabel [SPD], Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vergangenen Jahr gab es in der deutschen Öffentlichkeit immer wieder Diskussionen um die Zukunft des Föderalismus. Insbesondere die süddeutschen Länder taten sich immer wieder hervor, um uns hier oben Vorschläge zu machen, wie wir uns zu or
ganisieren hätten. Angesichts der Rolle des Föderalismus innerhalb Deutschlands - zwar anerkannt, aber oft hinterfragt - ist zu überlegen, wie sie auf die Europäische Union übertragen werden kann, damit ein wirkliches Europa der Regionen entstehen kann.
Die Frage nach der Reformbedürftigkeit und der zukünftigen Kraft des deutschen föderalen Systems begleitet uns also schon seit einer gewissen Zeit. Diese Diskussion ist durch die neue Rolle des Vermittlungsausschusses aufgrund seiner Pattsituation nicht leichter geworden. Wer kann eigentlich noch durchschauen, was wo an welcher Stelle entschieden wird, wenn es im Geheimen hinter verschlossenen Türen im Vermittlungsausschuss passiert?
Alle diese Themen sind für unser Land außerordentlich wichtig - für das Verhältnis zwischen Bund und Länder genauso wie im Verhältnis zu unseren Partnern in Europa.
Gegenwärtig wird die Debatte von der Bund-LänderKommission zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung bestimmt, obgleich ich im Moment nicht das Gefühl habe, als ob dort Epoche machende Vorschläge herauskämen. Auf europäischer Ebene wird im Konvent der Entwurf für eine europäische Verfassung erarbeitet. Dabei wird es auch darum gehen, welche Rolle die Mitgliedstaaten und die Regionen in einer erweiterten EU spielen werden.
Dabei dominieren die Verhandlungen in zwei Punkten, nämlich bei der Neuregelung der Finanzbeziehungen und bei der Reform der Gesetzgebungskompetenz.
Ich begrüße es sehr, dass sich die Landesparlamente mit eigenen Beiträgen und Positionen an dieser Diskussion beteiligen. Bei verschiedenen Gelegenheiten war die zukünftige Rolle der Regionen schon Thema in diesem hohen Haus, etwa in meiner Regierungserklärung vom 11. Juli 2001, bei der Debatte über die Stärkung des Föderalismus und des Regionalprinzips in Deutschland und in Europa im September 2001 und dann bei dem Bericht über den Europäischen Rat von Barcelona im Mai 2002.
Ausdrücklich ist heute Landtagspräsident Arens zu danken. Auf seine Initiative hin haben sich die Präsidentinnen und Präsidenten und die Fraktionsvorsitzenden der deutschen Landesparlamente zu einem Föderalismuskonvent zusammengefunden. Am 31 März trifft sich das Gremium in Lübeck zum ersten Mal. Lübeck ist ja durchaus ein geschichtsträchtiger Ort, von wo aus ja schon einmal fast europäische
Der Zeitpunkt für diese Initiative ist gut gewählt. Mit der Reform der bundesstaatlichen Ordnung und der Formulierung einer europäischen Verfassung werden entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt. Die Landesparlamente unterstreichen mit ihrem Konvent die Rolle der Länder und Regionen im europäischen Erweiterungsprozess. Sie setzen ein Zeichen für eine enge Zusammenarbeit der Parlamente und Landesregierungen, um ihre Interessen gegenüber Berlin und Brüssel zu vertreten.
Dass Schleswig-Holstein dabei dank der tatkräftigen Unterstützung des Landtagspräsidenten eine so starke Rolle einnimmt, ist ausgesprochen erfreulich und erwähnenswert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Reformprozess der bundesstaatlichen Ordnung beschäftigt die Landesregierung seit 1999. Bei den verschiedenen Themen sind allerdings die Fortschritte sehr unterschiedlich ausgeprägt. Bei der innerstaatlichen Kompetenzordnung kommen wir relativ gut voran. In allen Fragen, die die Neuregelung der Finanzbeziehungen oder die Entflechtung der Gemeinschaftsaufgaben berühren, laufen allerdings - die ahnen es schon - die Verhandlungen sehr viel schleppender. Das ist jedoch nur wenig überraschend, denn schließlich geht es hier um Geld. Dann hört es auf mit den hohen, hehren Grundsätzen, sondern dann geht es nach dem Motto: Ohne Moos nichts los. Da geht es um handfeste Interessen und jeder möchte das entscheidende „Moos“ für sich behalten.
Auch die inneren Reformen der Europäischen Union sind schon seit Jahren ein Thema mit hoher Priorität. In der Vorbereitung des Beitritts müssen die Vertreter im Konvent, die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und die Kommission ihre Hausaufgaben machen. Es muss uns unbedingt gelingen, Strukturen und Verfahren zu schaffen, die auch im Europa der 25 beziehungsweise später der 27 Bestand haben; denn was für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern gilt, gilt sinngemäß auch auf europäischer Ebene.
Was in Schleswig-Holstein entschieden werden kann, soll auch in Schleswig-Holstein entschieden werden. Das muss irgendwo niedergelegt werden.
(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
funktionsfähig und bei den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert, wenn Föderalismus und Subsidiarität die beherrschenden Grundprinzipien sind. Dies muss allen Akteuren klar sein. Das heißt, wir müssen Abschied nehmen von gewohnten Strukturen - wir haben das ja immer schon so gemacht, wohin kämen wir denn, wenn wir es anders machen würden - und es muss eine selbstkritische Überprüfung eintreten, ob die althergebrachten Verabredungen - womöglich morgens um vier Uhr, wenn alle müde sind, Sachverhalte nachzuvollziehen, irgendwo in Maastricht oder sonst wo - noch zeitgemäß sind und die Ziele, die die Bürgerinnen und Bürger für Europa und für sich selber definiert haben, noch erreicht werden können.
Der vom Konvent vorgeschlagene Frühwarnmechanismus zur Subsidiaritätskontrolle ist in diesem Zusammenhang ein richtiges Signal, wenn es nicht zum Aufbau einer neuen Bürokratie kommt, die dann wiederum nicht kontrolliert werden kann, weil sie ja so mit der Kontrolle beschäftigt ist.
Dies sind alles keine bequemen Wege. Es gibt jedoch keine Alternativen. Ich glaube, alle wollen, dass auch künftig von den Ländern - also von den Landtagen - Politik gestaltet werden kann. Wir wollen nicht, dass dieser Prozess mit dem Hinweis auf Brüssel abgeblockt werden kann. Es ist also kein Selbstzweck, die eine Institution zu stärken oder die andere zu schwächen. Im Mittelpunkt steht immer das Ziel, Wege zu verkürzen, Prozesse und Entscheidungen effizienter zu machen und für die Bürgerinnen und Bürger transparenter zu gestalten.