Protocol of the Session on November 13, 2002

(Beifall bei der CDU)

Deshalb unterstützt die Union diesen Antrag.

Einige in diesem Hause werden sich wundern, dass ich in meine Ausführungen den Islam nicht einbezogen habe. Das ist eine Debatte, die wir im nächsten Jahr intensivst zu führen haben.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Behm.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Greve, was Sie den evangelischen Pastoren zuordneten, kann man sicher auch den Politikern zuordnen. In diesen Wochen und Monaten haben auch Politiker nicht große Freude, sondern große Probleme zu verkünden. Aber ich komme zurück auf den Antrag. Es ist geplant, in den ersten Monaten des Jahres 2003 das Thema Kompetenzordnung im Rahmen des Konvents von Laeken im Detail zu verhandeln. Im ersten Entwurf einer europäischen Verfassung ist dabei die Rolle der Kirchen und Religionsgemeinschaften offen geblieben. Dies ist nach Auffassung der FDPLandtagsfraktion eine Lücke, die es auch deswegen zu schließen gilt, weil hierüber unterschiedlichste Gedanken in der Öffentlichkeit diskutiert werden. So hat der Präsident des Konvents, der allseits geschätzte ehemalige französische Präsident Giscard d’Estaing, gesagt, dass man die europäische Gemeinschaft zu den Akten legen könne, wenn künftig die Türkei als ordentliches Mitglied aufgenommen werde. Die Türkei sei kein europäischer Staat und die Türken seien Muslime und könnten deswegen nicht einer europäischen Wertegemeinschaft beitreten. So hat er laut gedacht und der Abgeordnete Greve ja eben wohl auch.

(Joachim Behm)

Ein deutscher Europaabgeordneter hat auch nicht zur Klarheit beigetragen, als er sagte, sowohl der christliche Gott, der jüdische Gott als auch der muslimische Gott müssten sich in einer europäischen Verfassung wieder finden. Ich will niemandem unterstellen, dass er sich böswillig geäußert hat, aber in dieser sensiblen Frage sollten die Europäer in ihrem Konvent Inhalte formulieren, die ein Zusammenleben aller Religionsgemeinschaften auf eine feste anerkannte Basis stellen. Die FDP-Fraktion stellt fest, die europäische Gemeinschaft ist nach ihrer Entwicklung und bestehenden Tradition mehr als ein gemeinsamer Markt und eine Währungs- und Verteidigungsgemeinschaft. Sie ist eine Wertegemeinschaft, in der die großen Weltreligionen vertreten sind. So leben neben den Christen in ihrer Vielfalt Juden und auch inzwischen mehrere Millionen Muslime in der europäischen Union. Deshalb heißt die Formulierung in dem interfraktionellen Antrag auch: „Die Forderung der Kirchen und Religionsgemeinschaften wird unterstützt.“ Diese Forderungen sind:

Erstens. Die Grundrechtecharta ist in den Verfassungstext aufzunehmen.

Zweitens. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften ist zu garantieren.

Drittens. Der Status der Kirchen und Religionsgemeinschaften ist gemäß Nr. 11 des Amsterdamer Vertrages zu garantieren.

Viertens. Der partnerschaftliche Dialog zwischen der EU und den Kirchen und Religionsgemeinschaften ist in der bisherigen Weise fortzusetzen.

Am 23. August dieses Jahres veranstaltete der Europaausschuss des Landtages eine Anhörung der Kirchen. Es herrschte Einvernehmen, dass die Wertegemeinschaft der Europäischen Union unter der Beteiligung der genannten Organisationen weiterentwickelt werden soll.

Meine Damen, meine Herren, wir tun gut daran, dies mit Nachdruck zu unterstützen. Die deutschen Vertreter im Verfassungskonvent in Laeken werden von uns aufgefordert, diesen Beschluss des Landtages von Schleswig-Holstein aufzunehmen und entsprechend aktiv zu werden.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Matthiessen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union bekommt eine Verfassung. Ob man diese überhaupt korrekterweise so bezeichnen darf, da bin ich mir als juristischer Laie nicht ganz sicher. Vielleicht sollte man von einer Grundordnung sprechen. Wie immer man es bezeichnen mag, die Zielrichtung der Arbeit des Konventes wird von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt. Damit wird der Prozess der Umwandlung der Europäischen Gemeinschaft von einem reinen Wirtschaftsbündnis zu einer demokratischen rechtsstaatlichen Zivilgesellschaft mit Grundrechten, Freiheiten und Pflichten für alle Bürger weiter befördert, einer Gesellschaft mit europäischen Werten, die wesentlich christlicher Prägung sind.

Ich freue mich natürlich auch darüber, dass Außenminister Joschka Fischer als deutscher Vertreter in diesem Konvent mitwirkt. Es war eine seiner ersten und sehr beachteten Aktivitäten als Außenminister, auch schon davor, diesen Weg hin zu einer europäischen Verfassung einzufordern und schließlich mit auf den Weg zu bringen. Sie wissen doch, außen Minister und innen durch und durch Europäer und Weltbürger mit einem solidarischen Sinn für einen gerechten Umgang der Menschen in unserer einen Welt miteinander und für eine Gerechtigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen im Sinne der Nachhaltigkeit unseres heutigen Tuns.

Daher hat Joschka Fischer auch schon frühzeitig, wie die Grünen insgesamt, die Aufnahme der Grundrechte in eine solche europäische Grundordnung gefordert, wie es in dem vorliegenden interfraktionellen Antrag heute hier im Landtag Schleswig-Holstein ebenfalls verlangt wird unter Bezugnahme auf die Rolle der Kirchen. Unser nationales Grundgesetz schützt die Religionsfreiheit. Die Gründer-Mütter und -Väter unserer Verfassung gaben sich und uns diese Grundordnung „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“, wie es dort heißt. Das ist nicht nur Formel, sondern auch Aufforderung an den oder die Einzelnen, die im Schutz oder Auftrag dieses Gesetzes stehen.

Die Erklärung zur Stellung der Kirchen im Amsterdamer Vertrag lautet: Die Europäische Union achtet auf den Status, den die Kirchen und religiöse Vereinigungen und Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigen ihn nicht. Die Europäische Union achtet den Status der weltanschaulichen Gemeinschaften in gleicher Weise.

(Detlef Matthiessen)

Wenn es also zu einer Grundrechtecharta innerhalb der EU-Verfassung kommt, dann wird das Verhältnis dieser EU zu Religion und Kirche in einer eigenen Formel zu definieren sein, die sich nicht geschickt wie bisher im Amsterdamer Vertrag mit Verweis auf die jeweilige nationale Gesetzeslage aus der Affäre ziehen kann. Vorschläge für eine solche eigenständige Charta lauten zum Beispiel: Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, seine Religion und Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen. - Dies spiegelt das Recht wider, das durch Artikel 9 der Menschenrechtskonvention garantiert ist. Die Beschränkung dieses Rechts darf nur im Rahmen rechtsstaatlicher Maßnahmen erfolgen, zum Beispiel zum Schutz der öffentlichen Sicherheit. Das spielt angesichts der aktuellen Problemlagen mit Religionen beziehungsweise mit religiösem Fanatismus eine Rolle. So sind die jüngsten Verbote religiöser Vereine durch den Bundesinnenminister notwendig und richtig gewesen.

Damit sind wir bei den Problemlagen unseres Antrages angekommen. Rolf Fischer hat dazu einige Ausführungen gemacht, desgleichen der Kollege Greve. Wir sagen wenig zum Islam. Von der Türkei als zukünftigem Mitglied der Europäischen Union ist die Rede und da heißt es schnell: Die sind noch nicht so weit. Ich stelle mir die Frage: Was ist denn damit gemeint?

Wenn in unserem Antrag von Kirchen die Rede ist: Sind dann nur die etablierten großen christlichen Kirchen gemeint? Ist die Europäische Union eine christliche Wertegemeinschaft, die andere Religionen innerhalb der EU nur toleriert?

Zweifellos ist die Union eine christlich geprägte Wertegemeinschaft, aber wie weiter? Stehen diese Werte als Ausgangsbasis einer Weiterentwicklung neben anderen Einflüssen oder bilden sie ein Dach über anderen Werten, die toleriert und geduldet werden, aber nicht prägende Wirkungen entfallen sollen oder dürfen?

Ist eine multikulturelle Gesellschaft der künftigen Europäischen Union auf den Unterschiedsebenen zwischen Gammeldansk und Jägermeister zu finden oder auf dem Niveaugefälle von Lutheranern und tibetanischem Buddhismus?

Wie weit öffnen wir uns und welche Rollen sollen die Kirchen denn innerhalb einer künftigen europäischen Verfassungs- und Kompetenzordnung einnehmen?

Wir haben nur gesagt: Dazu gehört die Trennung von Kirche und Staat. So weit, so gut. Welche Rolle sollen aber die Kirchen einnehmen?

Ich wünsche mir nicht eine Europäische Union von ökonomistischer, neoliberaler, atheistischer Prägung. Diese Prägung menschlichen Denkens und Verhaltens erklärt gern und überheblich Kirche und Religion als weltfremd, verstaubt und überkommen, als früheren Zeiten zuzurechnen und fernab ökonomischer Gesetze.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich spreche mich daher für eine aktivere Rolle der Kirchen aus, als nur Objekt der Toleranz und Religionsfreiheit zu sein. Dafür gibt es zwei Gründe, die ich noch kurz nennen will.

(Claus Ehlers [CDU]: Zahlst du überhaupt Kirchensteuer?)

- Das mache ich, mein lieber Claus.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz!

Die christliche Religion prägt das, was man unter Solidarität versteht. Wir sind im christlichen Denken weit mehr eingebunden, als uns allen klar ist. Der Kollege Greve hat dazu ja auch sehr beachtliche Ausführungen gemacht.

Ich muss auch noch einmal in Richtung von Herrn Behm bemerken, dass Sie ihn dort in seinen Ausführungen zum Islam etwas diskriminieren. Er hat lediglich eine Debatte zu diesem Thema eingefordert. Und das tun wir in der Tat auch.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte!

Dieser Debatte müssen wir uns auch stellen. - Ich formuliere meinen letzten Satz.

Den allerletzten Satz bitte; es waren bisher schon drei Schlusssätze!

Ich bin sehr gespannt, wie sich die Kirchen selber in die Konventdebatte einbringen werden. Ich kenne den Text, den Sie angeführt haben, noch nicht. Ich hoffe, dass wir mit unserem gemeinsamen Antrag dem Ansinnen der Kirchen Unterstützung gewähren können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Europaausschuss - Sie wissen es - hat eine Anhörung zum Thema „Wertegemeinschaft - zur Rolle der Kirchen in der EU“ durchgeführt. Der vorliegende Antrag stellt sozusagen die gemeinsame Ausbeute dieser Veranstaltung dar.

Eine Debatte über Kirchen und Werte in unserem Staat ist nicht einfach zu führen. Sie greift zu kurz, wenn sie nur unter dem Gesichtspunkt Staat und Zivilgesellschaft geführt wird. Die Kirchen stellen natürlich mehr dar als bürgerschaftliches Engagement und dritter Sektor. Die Debatte kann aber auch nicht so geführt werden, als käme es nur darauf an, wie die besonderen Interessen der Kirchen am besten wahrgenommen werden; denn zu Recht wird ja darauf verwiesen, dass wir in einem aufgeklärten, säkularen Europa leben, in dem Kirche und EU zwei Paar Schuhe sind und bleiben sollen.

Kirchen können politisch sein, Politiker können sich von christlichen oder anderen religiösen Werten leiten lassen, aber der Staat hat keine Religion.

Aus eben diesem Grund haben wir lange diskutiert - so will ich hinzufügen -, ob wir den gemeinsamen Antrag mittragen können. Was sind denn die Werte, die Kirchen und EU so eng verbinden? Auch der europäische Konvent hat sich mit diesen Fragen befasst. Im Rahmen eines Konventsplenums am 24. Juni dieses Jahres hat die Konferenz europäischer Kirchen über die Wertegebundenheit der EU referiert. Als