Protocol of the Session on November 13, 2002

(Renate Gröpel [SPD]: Richtig!)

Wer weiß, wie viele Bahnhöfe, Stationen wir wieder eröffnet und modernisiert haben - manche ganz in der Nähe, in Felde und so weiter -, der weiß auch: Da läuft es gut. Es läuft überall da gut, wo wir das auf kurzem Weg machen können. Bei den großen Projekten, bei denen sogar der Bahnvorstand die Entscheidungen trifft - das muss man sich einmal vorstellen, das geht also bis ganz nach oben -, spielen viele Überlegungen eine Rolle. Das ist richtig.

Insofern wäre der einzige Vorschlag, der unser Grundproblem löst, die Regionalisierung des Regionalnetzes umzusetzen, die wir - einige von Ihnen wissen das - nicht nur für das Netz selbst, nicht nur für die Strecken selbst, sondern auch für die entsprechenden Stationen gefordert haben. Netz und Stationen gehören bei einer Regionalisierung zusammen.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Insofern kann ich nur unterstützen, was eben gesagt wurde.

Es wird aber vermutlich länger dauern als der Umbau des Kieler Bahnhofs, bis wir diese Strukturveränderung in der deutschen Bahnpolitik erreichen. Denn auch hier sind die Positionen, wie Sie wissen, sehr, sehr fest. Ich bedanke mich natürlich für jede Unterstützung. Aber ich denke, es wird nicht viel bringen. Es tut mir Leid: Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass nach dieser Resolution der Umbau des Bahnhofs

Kiel in wenigen Wochen abgeschlossen sein wird. Aber Sie können davon ausgehen, dass wir wöchentlich mit der Bahn darüber sprechen und dass wir alles tun, damit wenigstens jetzt der Fahrplan zur Kieler Woche eingehalten werden kann und dass die Lübecker Umbaumaßnahmen schnell durchgeführt werden. In Husum wird jetzt mit den Maßnahmen begonnen - das ist auch versprochen -, aber alles mit furchtbaren Verzögerungen. Das Problem ist da. Schön, dass das hohe Haus dabei ist, diesen wichtigen Antrag zu beschließen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Wir stimmen in der Sache ab. Wer dem Antrag 15/2189 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann haben wir diesen Antrag einstimmig beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Stellung der Kirchen innerhalb einer künftigen europäischen Verfassungs- und Kompetenzordnung

Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/2234

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Fischer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn Dank sagen, dass der Antrag interfraktionell vorliegt. Ich glaube, dass ist ein sehr gutes Signal. Lassen Sie mich drei Gründe nennen, warum wir diesen Antrag heute diskutieren und beschließen sollten.

Erstens. Wir sind aktuell. Vor wenigen Tagen sprachen sich die Delegierten der EKG-Synode in Timmendorf einstimmig für einen strukturierten Dialog zwischen den Kirchen und den staatlichen Institutionen zum Thema Europäische Verfassung aus.

Zweitens. Wir haben uns als Parlament in unserem Beschluss zum Verfassungskonvent verpflichtet, eigene Initiativen durchzuführen. Der Antrag liegt vor. Wir machen das.

(Rolf Fischer)

Drittens. Nach der Vorlage eines ersten Verfassungsentwurfs durch den Konventspräsidenten beginnt die wichtige Phase der Formulierungen. Daran wollen und daran sollten wir mitwirken.

Die Intention des Antrags ist klar. Der Prozess der europäischen Integration darf nicht nur ein ökonomischer sein. Die Wirtschafts- und Währungsunion ist wichtig - keine Frage. Europa wird aber langfristig scheitern, wenn es nicht auch zu einer Union der gemeinsamen Werte wird, zur europäischen Wertegemeinschaft. Die Grundwerte bilden den inneren Zusammenhalt der Union. Deshalb ist die Verfassungsdebatte immer eine Wertedebatte und damit eine politische Debatte. Denn so wie eine Sprache eine Grammatik braucht, benötigen Werte eine Verfassung. Sonst sind sie beliebig und wirkungslos.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Um welche Werte geht es? Wir sprechen über Demokratie und Menschenrechte und damit über Freiheit und Gerechtigkeit und auch über die Kultur der Toleranz und der Anerkennung. Wenn wir nun in der Verfassung Worte und Werte zusammenführen, dann müssen konsequenterweise auch die Träger dieser Werte, die Akteure, in der Verfassungsdebatte und in der Verfassung ihren Platz finden. Zu diesen Trägern gehören nicht allein, aber eben auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften und damit natürlich die christlichen Werte, die sie repräsentieren.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

Für sie ist es wichtig, dass zur Ausprägung dieser Werte ihr Selbstbestimmungsrecht und die Religionsfreiheit - um zwei Beispiele zu nennen - sowohl in individueller Sicht als auch für die Religionsgemeinschaften an sich gehören, also ihre Stellung verfassungsmäßig gesichert ist. Die Kirchen müssen deshalb vom Konvent die Möglichkeit erhalten, den gewollten strukturierten Dialog auch zu führen. So weit sind wir auf europäischer Ebene aber noch nicht. Es gilt also Druck zu machen. Denn die Diskussion beginnt. Wir hoffen, dass wir durch unseren Antrag diese Diskussion mit prägen und mitbestimmen können.

Im Übrigen können wir diesen Wunsch auch deshalb unterstützen, da er unserer bundesrepublikanischen Verfassung entspricht.

Ich will an dieser Stelle nicht die Frage nach den religiösen Wurzeln Europas stellen. Sie würde vom Kern wegführen. Ich meine, diese Debatte sollte in erster Linie von und zwischen den Betroffenen, also

den Kirchen, geführt werden. Was ich aber begrüßen würde, wäre, wenn wir begännen, eine aktive politische Debatte zur Integrationsvorstellung Europas zu führen. Das wäre ein Vorschlag, den ich gern machen würde

(Vereinzelter Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und den wir dann vielleicht im Ausschuss und auch hier im Parlament aufnehmen könnten.

Zum Schluss: Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es auch kirchenkritische Abgeordnete gibt. Bei diesen Kollegen möchte ich für den Antrag mit der Wandlung eines zentralen demokratischen Satzes werben: Wenn ihr schon nicht den Wünschen der Kirche zustimmt, dann sorgt dafür, dass die Kirchen sie äußern können. Denn das leistet der Antrag auch, in Europa, im Konvent, für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und unseres Kontinents.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Greve das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Großherzog Carl-Friedrich von Weimar war kein herausragender Herrscher. Er gehörte vielmehr zu den seinerzeit rechtmäßigen Herrschern, die aber recht mäßig waren. Von ihm wird erzählt, dass er einmal durch Weimar kam und sich ein bestimmtes Haus merken wollte. Als Merkmal behielt er eine Krähe im Gedächtnis, die zufällig auf dem Dach dieses Hauses saß. Als er zurückkam, sah er keine Krähe mehr und konnte deshalb das Haus nicht mehr finden.

Was sagt uns diese kleine Geschichte im übertragenen Sinne? Menschen brauchen eine verlässliche und feste Orientierung. Über viele Jahrhunderte lieferte das Christentum in Europa den Menschen diese Grundorientierung. Nicht etwa, dass alle immer fleißige Kirchgänger gewesen wären, aber die zehn Gebote und die christlichen Sittengesetze bestimmten in hohem Maße das Leben auf unserem Kontinent. Das Christentum und die christlichen Kirchen haben nicht nur für das Deutschland der Zukunft, sondern auch für das Europa der Zukunft nach wie vor eine ganz hohe Bedeutung.

(Beifall bei der CDU sowie des Abgeordne- ten Rolf Fischer [SPD])

(Uwe Greve)

Die christlichen Kirchen sind Träger und Verkünder unverzichtbarer abendländischer Werte. Daran ändert nichts, dass sich manche unserer kirchlichen Institutionen zu stark dem Zeitgeist beugen. Vielleicht liegt das mit daran, dass manche evangelischen Geistlichen nicht mehr sagen „Siehe, ich verkünde Euch große Freude“, sondern „Siehe, ich verkünde Euch große Probleme“.

(Heiterkeit bei der CDU)

Den Bedeutungsschwund der christlichen Kirchen zu untersuchen gehört aber nicht zu den erstrangigen Aufgaben der Politik, wohl aber, den Beitrag zu bewerten, den die christlichen Kirchen für die Zukunft unseres Kontinents zu leisten haben.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau ü- bernimmt den Vorsitz)

Ohne christliche Werte, wie sie sich in den zehn Geboten widerspiegeln, wird es keine Zukunft Europas geben. Der Schutz des ungeborenen Lebens, der Erhalt und die Förderung von Ehe und Familie, die Achtung vor dem Leben und dem Eigentum des anderen, die Liebe zum Nächsten, unverzichtbare Tugenden wie Treue, Barmherzigkeit, Hilfsbereitschaft, Solidarität, insbesondere aber auch die Ehrfurcht vor der Schöpfung, dies sind nur die wichtigsten Werte, die die christlichen Kirchen in Europa bewirkt haben und auch in Zukunft bewirken müssen.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im umgekehrten Sinne sind die christlichen Kirchen ein starkes Bollwerk gegen Rücksichtslosigkeit und grenzenlosen Egoismus, gegen Gleichgültigkeit und Brutalität, gegen die intellektuelle Vorstellung, dass der Mensch auch alles tun muss, was er tun kann, gegen ein Erwerbsstreben, das jeder ethischen Fessel entkleidet ist.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Fachleute ohne Geist, Genussmenschen ohne Herz, Gesellschaft mit Spaß als oberstes Ziel, so darf Europas Zukunft nicht aussehen!

(Beifall bei CDU und SPD)

Ein europäischer Rahmenvertrag oder eine europäische Verfassung ohne Wertorientierung aus unseren christlichen Wurzeln wären das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

(Beifall bei CDU und SPD)

Europa wird über all die wertvollen sprachlichen, historischen, mentalitätsmäßigen, institutionellen

Unterschiede eine Wertegemeinschaft auf der Basis der christlichen Sittengesetze oder es wird nicht sein. Unterschätzen wir nicht den Einfluss der Religionen auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung auch in der Gegenwart und in der Zukunft. Überall außerhalb Europas erleben wir ein Wiedererwachen insbesondere des Islam und des Hinduismus. Auf viele Menschen außerhalb Europas übt unsere religionslos werdende Kultur nicht nur keine Faszination aus, sondern sie verachten auch die Zerstörung und Aushöhlung unserer religiösen christlichen Tradition als dekadent und kulturlos. Das ist eine Realität, die Sie überall finden.

(Beifall bei der CDU)