Gerade angesichts der äußerst knappen Mittel des Landes - wie bereits angesprochen - ist dieses Konzept gutzuheißen.
Im Haushaltsjahr 2000 stehen dafür 115.000 DM zur Verfügung. Mit dem Aufzeigen dieses geringen Mittelansatzes ist das erste augenfällige Problem benannt.
Es gibt weitere schwerwiegende Probleme, aber die Chancen für die Zukunft in den Regionen dieses größten europäischen Binnenmeeres überwiegen: Über 50 Millionen Menschen siedeln in den Regionen der Ostsee. Hier werden mehr als 25 % der europäischen Wirtschaftskraft erarbeitet und mehr als ein Drittel der Exporte der Europäischen Union stammen aus dieser Region. Wer wollte angesichts dieser Zahlen die Bedeutung der Ostseeregion übersehen?
Dies ist für unser Land Schleswig Holstein die Zukunftschance, denn geostrategisch bilden unsere dänischen Nachbarn und wir das Eingangstor zu dieser Region und sind auch die Rampe, von der aus die Produkte in die Welt hinaus starten können. Hier liegt nun ein wesentliches Manko, dass die Landesregierung aus unserer Sicht entscheidend mit zu verantworten hat. Schleswig Holstein ist im Moment nicht die Startrampe für die Ostseeregion in die Welt und in das übrige Europa, sondern wir sind der Flaschenhals mit einem dicken Pfropfen darin. Wir sind das Nadelöhr.
Auch die Chancen, in Wissenschaft, Forschung und Entwicklung in dieser Region ganz vorn zu sein, drohen wir zu verspielen, denn die Kürzung von über 200 Stellen zum Beispiel an der Universität in Kiel bildet keine Grundlage dafür, in der Ostseeregion ein wichtiges Wort auf diesem Feld mitzureden.
Etwas sehr Positives will ich aber dennoch anmerken. Wenn man die Aktivitäten unserer Einwohner, Verbände, aber auch der Kreise, Städte und Kommunen aufmerksam verfolgt, wird man immer wieder auf Gäste aus allen Regionen der Ostsee stoßen. Diese
Beziehungen sind nicht einseitig. Gerade in der Reisezeit trifft man die Schleswig-Holsteiner rund um die Ostsee in großer Zahl, die die geradezu überschwängliche Gastfreundschaft unserer Nachbarn genießen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Möglichkeit anerkennend hervorheben, im Rahmen eines landwirtschaftlichen Praktikantenaustausches Praktikanten aus dem Raum Kaliningrad, dem ehemaligen nördlichen Ostpreußen, nach Schleswig Holstein zu holen
und diesen Aufenthalt trotz der angesprochenen äußerst knappen Mittel mit 50.000 DM zu fördern. Frau Ministerin Franzen berichtete darüber im Europaausschuss.
Bevor ich weiter ins Schwärmen gerate, möchte ich darauf hinweisen, dass ein großes Problem in dieser Region nicht übersehen werden kann: Die Freizügigkeit und die nahezu offenen Grenzen haben auch dazu geführt, dass die Ostsee zu einer Rollbahn für Schmuggel, Drogenhandel, allgemeine Kriminalität, Menschenhandel und andere Gesetzesverstöße geworden ist. Hier gilt es, vorhandene Verbindungen zwischen den Polizeien der Anrainerstaaten, den Zollverwaltungen und Behörden vertrauensvoll auszubauen. Die Erfahrung lehrt, dass verschärfte Grenzkontrollen hier allein keine Abhilfe schaffen. Im Vorfeld und im Umfeld des Entstehens von Kriminalität gilt es anzusetzen. Erste Erfolge in der Kriminalitätsbekämpfung gilt es daher nicht zu übersehen. Ein anerkennenswertes Beispiel dafür, das Bezug zu Schleswig Holstein hat, liefert die Baltic-Sea-Task-Force. Seit 1996 arbeiten die Ostseeanrainerstaaten der organisierten Kriminalität speziell im Ostseeraum entgegen.
Die FDP-Landtagsfraktion fordert die Landesregierung auf, ihre Aktivitäten sichtbar und wirksam auszubauen. Das gilt insbesondere für den Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur, für die Verwirklichung der Fehmarnbelt-Querung, die Elektrifizierung unserer Nord-Süd-Bahnen, den Bau der A 20 mit Elbquerung westlich von Hamburg, die Fortschreibung der Landesplanung und die Regionalpläne zur Erleichterung der Ansiedlung von Logistikzentren an den Verkehrsmagistralen - die es im Moment noch nicht gibt - und die Häfen sowie die Entwicklung unserer Universitäten. Es muss keine Illusion bleiben, unsere Universitäten künftig als Kristallisationspunkte von Wissenschaft, Lehre und Forschung im Ostseeraum zu entwickeln.
Ich erinnere daran, dass die Universität Kiel die große Tradition der Universität Tartu - der Dorpatiensis - in Estland begründet hat. Das liegt zwar schon einige hundert Jahre zurück, aber immerhin sollten wir uns daran erinnern.
Abschließend möchte ich eine Initiative der Europa Union aufgreifen, die am Wochenende in Harrislee beschlossen wurde.
Diese betrifft die Wahrung der Menschenrechte und die Achtung der Interessen von Minderheiten. Hier können wir als Schleswig-Holsteiner den Esten und den Letten gute Dienste erweisen. Bekanntlich hat man dort noch Schwierigkeiten, mit der jeweils vorhandenen starken Minderheit Russischstämmiger umzugehen. Unsere guten Erfahrungen im Umgang mit Dänen und Deutschen beiderseits der Grenzen sollten wir unseren Freunden im Baltikum mit gezielter Bestimmtheit nahe bringen.
Russen, Esten und Letten können von den Dänen und den Deutschen lernen. Ausnahmsweise sollten wir einmal stolz auf uns sein.
Die F.D.P.-Landtagsfraktion meint, wir haben viele Chancen. Es gibt viel zu tun. Verschlafen wir nicht unsere Zukunft!
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Rainer Steenblock das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ostseeregion ist ein Gebiet, in dem Zusammenarbeit und Kooperation eine große, friedliche und erfolgreiche Vergangenheit haben. Das erneute Erstarken der Kooperationsbemühungen nach dem Umbruch in Osteuropa zeigt, dass diese gemeinsame Geschichte
Es ist sicherlich das historische Verdienst von Björn Engholm, dass er dieses Potential der Geschichte erkannt und eine Vision entwickelt und zu seiner Zeit als Ministerpräsident dieses Landes umgesetzt hat. Ich glaube, dass er damit sehr viel angestoßen hat, was von anderen Akteuren nicht immer aufgenommen worden ist. Aber dieses Potential, dieser auch wirtschaftliche Erfolg der Hansezeit, der sich zu wiederholen scheint - immerhin findet mittlerweile 6 % des Welthandels in der Ostseeregion statt -, beweist die ökonomische Bedeutung dieses Raumes. Es ist auch aus den vorherigen Beiträgen deutlich geworden, dass diese Zusammenarbeit auf politischer wie kultureller Ebene immer ausgeprägtere Formen angenommen hat. Ein hervorstechendes Merkmal dieser Beteiligung ist eben genau, dass sie auf der Ebene der Zivilgesellschaften, die das einzig tragende Element so einer Kooperation sein kann, stattfindet.
Es tut mir sehr leid, Herr Kayenburg, dass in Ihren Ausführungen gerade dieser Aspekt nicht deutlich geworden ist. Ich bedanke mich sehr herzlich bei den vielen Menschen, die in dieser Ostseekooperation, die wir fordern und zum Teil auch auf politischer Ebene befördern können und die in diesem Lande sehr intensiv gelebt wird, ehrenamtlich aktiv sind. Ihnen gebührt der Dank dieses Hauses für ihren Beitrag.
Wenn man sagt, dass Engholm damals die richtigen Visionen gehabt hat, kann man heute nicht in einem leider doch eher nörgelnden Beitrag, Herr Kayenburg, sagen, wir müssten nur relative schleswigholsteinische Standortfaktoren zu Kriterien für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in Europa machen. Wenn wir mit Europa Erfolg haben wollen, geht es gerade darum, nationalstaatliche Egoismen zu überwinden. Das ist die Voraussetzung für Zivilgesellschaften, die zusammen mit den osteuropäischen Anrainerstaaten einen Raum, der lebt, zusammenführen können. Das ist wichtig.
Und es ist auf europäischer Ebene - um einen weiteren wichtigen Politiker zu nennen - sicherlich das Verdienst von Helmut Kohl gewesen, dass er Europapolitik genau so betrieben hat: Überwinden von nationalstaatlichen Egoismen. Das ist aus meiner Sicht sein historisches Verdienst gewesen. Deshalb kommt es darauf an, dass wir, wenn wir Europa in der Ostsee
Es ist schon angesprochen worden, dass die Zusammenarbeit mit Russland eine ganz große Chance bietet, dass neben der EU-Erweiterung über den Ostseerat ein direkt handelndes Gremium zur Verfügung steht, das die Potentiale, die darin stecken, realisieren kann. Die neuen Trennlinien sind gerade im sozialen Bereich in der Gefahr, sich aufzubauen. Wenn Sie sich einmal die Berichte über die Situation in Polen, was die Entwicklung der Landwirtschaft dort angeht, vergegenwärtigen, dann erkennen Sie, welche Gefahren auch in dem Prozess liegen, der sich dort zurzeit abspielt. Die europäische Entwicklung, die Osterweiterung ist kein Selbstgänger. Das muss man sehr deutlich sehen. Wenn wir es nicht schaffen, die unterschiedlichen Befindlichkeiten und die unterschiedlichen ökonomischen Ausgangsbedingungen in den Ländern - auch in Osteuropa; gerade dort! - so auf eine Zeitschiene zu setzen, dass wir - mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten - die europäische Einigung vollenden, dann werden wir in Zukunft sehr große Probleme haben. Umso wichtiger ist es, dass wir genau diesen Prozess auch von Schleswig-Holstein her mitzudenken versuchen, zu einem Teil auch vorzudenken, weil der Ostseeraum ein sehr gutes Lernfeld ist, wie man Kooperation mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen realisieren kann.
Gerade in der Zusammenarbeit mit Russland liegt angesichts der vielfältigen Initiativen, die es gibt, eine Chance. Kaliningrad ist ja ein Musterbeispiel für die Chance von Kooperation. Kaliningrad wird in Zukunft eine Exklave innerhalb der EU sein; deshalb wird es darauf ankommen, zusammen mit Russland eine tragfähige Vertrauensbasis zu entwickeln. Diese Vertrauensbasis, die wir im Ostseeraum zusammen mit Russland schaffen können, kann weit über diese regionalen Strukturen hinaus Wirkung zeigen.
Die zweite große Chance, die ich gern noch einmal ansprechen möchte, ist die Möglichkeit, die wir in der Ostseeregion aufgrund der Voraussetzungen haben, die wirtschaftliche Entwicklung sozialverträglich und mit hohen Umweltstandards fortzuführen.
Wir haben es hier mit einer Region zu tun, die sich als erste Region weltweit der Agenda 21 so verpflichtet hat, dass sie eine regionale Agenda für den Ostseeraum entwickelt hat. Diese Region bietet im Sinne von Nachhaltigkeit weltweit nach meiner Einschätzung ungeahnte Perspektiven. Auch die Voraus
setzungen, die wir in den einzelnen Ländern vorfinden, können dazu führen, dass die Ostseekooperation ein Modell dafür wird, wie wir tatsächlich im 21. Jahrhundert miteinander Arbeiten, Leben, Kulturaustausch, aber auch Informationsaustausch entwickeln können. Hier liegen Potentiale, die sicherlich noch nicht genutzt sind.
Ich will auch Folgendes deutlich sagen. Herr Kayenburg hat in seiner Rede auf eine Reihe von Problemen hingewiesen. Wenn nicht dieser nörgelnde Unterton gewesen wäre, fiele es mir auch sehr viel leichter, ihm darin zuzustimmen. Ich meine nämlich, dass es in der Entwicklung der Ostseekooperation durchaus eine Reihe von Problemen gibt. Für mich jedenfalls ist das auch alles andere als nur ein glänzender, unbeschwerter Weg gewesen. Wenn man sich einmal die deutschen Handelsbilanzen mit den Ostseeanrainerstaaten - etwa mit den baltischen Staaten - ansieht, dann stellt man fest, dass es Defizite gibt, die nicht zu sein brauchen. Aber wenn Sie behaupten, lieber Herr Kayenburg, es sei die Schuld Schleswig-Holsteins gewesen, dass diese Potentiale zurzeit nicht ausgenutzt werden und ich finde, sie werden nicht ausgenutzt -, dann muss man sehr deutlich machen, dass die Ostseepolitik Schleswig-Holsteins über viele Jahre hinweg leider überhaupt keine Unterstützung der Bundesebene erfahren hat.