Es ist nicht nur die Bundesebene, sondern auch in Europa hat die Ostseeregion zu wenig Lobby gehabt. Es gibt zurzeit - auch das muss man einräumen - keine explizite Ostseepolitik der Europäischen Union. Die gibt es nicht. Es muss unsere Aufgabe sein, hier ein Stück weit Motor zu sein.
Ich finde es schließlich auch nicht in Ordnung - um Ihnen noch in einem weiteren Punkt Recht zu geben -, wenn der jetzige Bundesaußenminister seinen Verpflichtungen im Ostseeraum nicht nachkommt. Er hat jetzt eine sehr vernünftige Erklärung zur Übernahme des Vorsitzes im Ostseerat abgegeben, das heißt für mich aber auch: Er muss dazu stehen und er muss Präsenz zeigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ostseekooperation ist ein Arbeitsfeld, sie ist ein richtiges Arbeitsfeld. Nicht alles ist dort in Ordnung und es gibt viel zu tun. Ich bin sehr dagegen, hier alles erneut
darauf zu reduzieren: Es liegt an der A 20, dass wir in der Ostseeregion nicht vorankommen! Über dieses Problem mögen wir uns ja an allen möglichen Stellen wieder streiten. Aber ich denke, wenn wir unsere Verantwortung globaler, zumindest regionaler wahrnehmen wollen, dann sollten wir die Entwicklungspotentiale, die darin liegen, gemeinsam beschreiben. Über die Verkehrspolitik können wir uns immer noch streiten. Gerade in der Ostseepolitik sind wir aber gut beraten, das Meer, das uns verbindet, nicht verkehrspolitisch links liegen zu lassen. Dieses Meer ist vielmehr die Hauptachse der Verbindung und soll es auch weiterhin sein. Deshalb spielt der Schiffsverkehr für uns natürlich eine große Rolle, gerade für Kiel und gerade für Lübeck.
Deshalb sind wir auch gut beraten, die Datenautobahn in den Mittelpunkt einer zukünftigen Ostseepolitik zu stellen.
Was im Hochschulbereich stattfindet, was im Informationstechnologiebereich stattfindet - auch auf diesen Gebieten kann die Ostseeregion sicherlich ein großes Entwicklungspotential aktivieren, das über diese Region weit hinausstrahlt.
Wir haben - um ein weiteres Problem anzusprechen im Umweltbereich mit der HELCOM eine hervorragende Institution gehabt. Aber auch deren Initiativen wie zum Beispiel das No-special-fee-System, also die Entsorgung von Schiffen in den Häfen, was gerade die Altöle angeht, sind im Ostseeraum zwar Standard in der Verabredung zwischen den Ländern, aber sie sind nicht umgesetzt worden und auf europäischer Ebene ist leider immer wieder auf Verzögerung gesetzt worden.
Lassen Sie uns also gemeinsam ehrlich bilanzieren, welche Probleme noch vorhanden sind, aber die Chancen, die wir als Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner haben, das, was wir an Kulturellem, das heißt die Herzen der Menschen gewinnendem Austausch haben, nicht klein reden, sondern die Chancen in den Vordergrund stellen.
Nein, das haben wir so beschlossen! - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Anschluss an die diesjährige Mitgliederversammlung der Parlamentarischen Gesellschaft hielt der Honorarkonsul der Republik Estland, Herr Hans-Wilhelm Berger, einen interessanten Vortrag zum Thema „Deutschland von außen betrachtet“. Konklusion seiner Ausführungen war, dass die Bundesrepublik in Estland praktisch nicht wahrgenommen wird, Schleswig-Holstein hingegen kennt man eher.
Der jährlich vorgelegte Ostseebericht der Landesregierung belegt, dass dies ohne das vor zehn Jahren eingeleitete Engagement des Landes heute ganz anders aussehen würde. Was vor zehn Jahren als etwas spinnerte Idee einiger Nordlichter in Schleswig-Holstein galt, hat sich längst zu einer Erfolgsgeschichte gemausert, schrieben die „Lübecker Nachrichten“ kürzlich. Ohne das Engagement Schleswig-Holsteins in Sachen Ostseekooperation wäre die Bundesrepublik im Ostseeraum ein eher unbekanntes Wesen.
Grund genug, sich darüber zu freuen, dass die Arbeit der Schleswig-Holstein-Büros im Ostseeraum für die nächsten drei Jahre gesichert ist. Grund zur Freude ist auch, dass mit dem gemeinsamen Besuch des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidentin im Baltikum ein Schleswig-Holstein-Büro in Vilnius eröffnet werden konnte.
Der SSW teilt die Auffassung der Landesregierung, dass sich das Konzept der ständigen Repräsentanzen bewährt hat. Mit der Eröffnung des neuen Büros in Vilnius ist eine gute Basis für die weitere wirtschaftliche Kooperation zwischen Schleswig-Holstein und dem Baltikum geschaffen worden.
Aus parlamentarischer Sicht kommt es nun darauf an, dass im Rahmen der kommenden Haushaltsberatungen sichergestellt wird, dass die von uns gewollte Kooperation mit Kaliningrad mehr wird als nur die Unterschrift unter einen Vertrag.
Der SSW unterstützt daher die Einstellung einer Halbtagskraft zur Unterstützung der neuen Parlamentspartnerschaft mit Kaliningrad. Wir hoffen, dass die parteiübergreifend so beschlossen werden kann.
Der vorliegende Antrag der Regierungskoalitionen muss vor dem Hintergrund dessen gesehen werden, dass Deutschland zum 1. Juli den Vorsitz des Ostseerates übernommen hat. Dabei ist es wünschenswert,
die Arbeit des Ostseerates neu zu bestimmen. Zu Recht wird die Erwartung ausgesprochen, dass die Bundesregierung diesen Vorsitz nutzt, um die Zusammenarbeit im Ostseeraum deutlich voranzubringen. „Der Ostseerat dümpelt vor sich hin“, schrieb der ehemalige Europaminister Gerd Walter Mitte Juni in einem Gastbeitrag in den „Kieler Nachrichten“.
Es verbreite sich der Eindruck einer gewissen Stagnation der Ostseekooperation - meinte er -, „nicht in den Projekten, wohlgemerkt, aber auf der Bühne der großen Politik“. Das habe - so sagt er - viele Ursachen: In Deutschland werde die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Ostseeregion immer noch unterschätzt. Wer wisse schon, dass der Export Deutschlands in die Region fast so hoch ist wie der in die USA und nach Japan zusammen!
Der Bundesaußenminister hat das Problem anscheinend erkannt. Seine Antrittsrede als Ostseeratsvorsitzender in Bergen deutet darauf hin, wobei dennoch die Frage erlaubt sei, ob Joschka Fischer die eigenständigen Perspektiven der Ostseekooperation verinnerlicht hat. Einige Presseberichte deuten darauf hin, dass Joschka Fischer nicht vorhat, sich persönlich zu engagieren. Ich habe daher Verständnis dafür, dass es Unmut darüber gibt, dass der Bundesaußenminister als Vorsitzender des Ostseerates nicht an der Eröffnung der Ostseeparlamentarierkonferenz im September teilnehmen will. Das ist kein gutes Signal.
Was Not tut, ist eine gründliche Analyse der bundesdeutschen Ostseepolitik. Erst dann kann man einen sinnvollen Katalog verschiedener Maßnahmen aufstellen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den vorliegenden Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, weil dadurch auch das besondere Knowhow des Landes zum Ausdruck kommt. Wichtig ist, dass sichergestellt wird, dass die von mir genannten Stärken der Ostseezusammenarbeit nicht hinten runterfallen. Aus Sicht des SSW ist Ostseepolitik mehr als nur EU-Politik. Ostseekooperation läuft auf allen Ebenen und in unzähligen Gremien. Der Kollege Steenblock hat das schon gesagt. Es wäre ein Fehler, das kreative Chaos strukturieren zu wollen oder gar eine völlig institutionalisierte Zusammenarbeit anzustreben. Durch die Beteiligung und Mitwirkung auf den unterschiedlichsten Ebenen bekommt die Ostseezusammenarbeit eine wirklich demokratische Dimension, die nicht zu unterschätzen ist.
All dies gilt es zu stärken. Ostseekooperation darf nicht nur als Vehikel der EU-Politik verstanden wer
den. Man muss anders argumentieren: Ohne eine erfolgreiche Ostseekooperation werden die beiden wichtigen Vorhaben der EU, die Osterweiterung und eine Politik der guten Nachbarschaft mit Russland, nicht gelingen können.
Dennoch liegt es im Interesse der Ostseekooperation, in Brüssel besser wahrgenommen zu werden. Darum macht es Sinn, sich für ein gemeinsames Auftreten in Brüssel einzusetzen.
Der Antrag geht auch auf den Aspekt Minderheitenpolitik ein und Minderheitenpolitik ist nicht nur Ostseepolitik, sondern auch europäische Politik. Das Gerangel um die Wiederbesetzung der Stelle von Professor Ole Espersen, Beauftragter des Ostseerates für Demokratie und Menschenrechte, belegt, wie wichtig dieser Aspekt ist. Hier hat Schleswig-Holstein eine Möglichkeit, sich zu profilieren.
Ole Espersen wurde vorgeworfen, dass er zu sehr aufseiten der russischen Volksgruppen im Estland und Litauen stehe. Nun wissen wir natürlich, wie die Geschichte dieser beiden Staaten ist und die Geschichte des Baltikums kennen wir. Wiederholt hatte er moniert, die Regierungen in Tallinn und Riga würden den dort lebenden Russen international anerkannte Minderheitenrechte vorenthalten. Insbesondere ging es um die Frage, wieweit die Russen zum Gebrauch der baltischen Sprachen verpflichtet werden können. Diese minderheitenpolitischen Konflikte machen deutlich, wie schwierig es ist, von modellhaften Betrachtungen in Sachen Minderheitenpolitik auszugehen. Dennoch erwarte ich von der Landesregierung, dass sie auch in der Ostseekooperation zu der von ihr immer wieder gelobten Minderheitenregelung im deutsch-dänischen Grenzland steht. Das Gleiche erwarte ich übrigens auch von der dänischen Seite, wobei ich den Eindruck hatte, dass Ole Espersen genau dies getan hatte, während sich die staatliche Ebene, sowohl die skandinavischen Staaten als auch die deutsche Seite, ihm gegenüber eher kritisch verhielt, aus Gründen der Staatsraison.
Geht man aber von den Bonn-KopenhagenerErklärungen aus, dann ist es ein Kernstück unserer Minderheitenregelung, dass das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit frei ist und nicht vom Amts wegen hinterfragt oder infrage gestellt werden darf.
Aus Sicht des SSW sollte Schleswig-Holstein hier weiter eine Vorreiterrolle spielen. Konkret begrüßen wir, dass sich das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen in Flensburg, das ECMI, nach Aussagen des neuen Direktors in diesem Bereich intensiver ein
bringen will. Auch begrüßen wir, dass das ECMI vorhat, die Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen zu stärken. Ich denke dabei nicht zuletzt an das Schleswig-Holsteinische Institut für Friedensforschung, das sich seit langem in der Ostseezusammenarbeit engagiert und gegen Ende der letzten Wahlperiode im Europaausschuss den Konzeptentwurf für eine Ostsee-Sommerakademie vorgestellt hat, ein wirklich interessantes Konzept.
Der Berichtsantrag der CDU-Fraktion spricht einen anderen Aspekt der Ostseepolitik an, nämlich die Sicherheitskooperation, ohne Zweifel ein wichtiges Thema, worauf näher eingegangen werden sollte, wenn der Bericht der Landesregierung vorliegt. Einiges geht hier auch schon aus dem normalen Ostseebericht der Landesregierung hervor, der nach der Sommerpause diskutiert werden soll. Dass die CDU weitere Daten zur Entwicklung haben möchte, ist legitim und wir unterstützen den Antrag der CDU natürlich. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Schleswig-Holstein ein Bundesland ist und vieles von dem, was an Sicherheitskooperation zu laufen hat, Bundespolitik ist.
Abschließend ein paar Bemerkungen zu Kaliningrad, weil die Zukunft dieser Region mehr noch als alles andere über die Stabilität im Ostseeraum entscheidet. Hier hat der Ostseerat unter dem Vorsitz der Bundesrepublik eine wirkliche Aufgabe zu erfüllen. Das ist ein weiterer Beleg dafür, wie wichtig es ist, die eigenständige Dimension der Ostseekooperation zu stärken. Das Problem Kaliningrad zeigt: Was aus Brüsseler Sicht richtig erscheint, wirkt auf der regionalen Ebene kontraproduktiv. So wirkt sich das SchengenAbkommen auf Kaliningrad besonders negativ aus. Jährlich überqueren 8 Millionen Menschen und 3 Millionen PKWs die Grenze zwischen Kaliningrad sowie Litauen und Polen in beiden Richtungen. Wer bei dem „Kieler-Woche-Gespräch“ dabei war, hat das mitbekommen. Wenn nur ein Bruchteil dieser 8 Millionen registriert und visapflichtig werden sollte, würde das einen riesigen Stau und einen ungeheuren bürokratischen Aufwand verursachen. Hinsichtlich der Visafrage muss möglichst noch vor dem EU-Beitritt von Litauen und Polen eine Lösung gefunden werden.
Die Partnerschaft Schleswig-Holsteins mit Kaliningrad ist daher eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme, nicht zuletzt, weil sie die vielfältigen Basisaktivitäten aus Gesellschaft, Bildung und Kultur abstützt und fördert.
Insgesamt ist die Ostseekooperation - darauf geht ja der CDU-Antrag ein - auch ein wichtiger Standortfaktor für Schleswig-Holstein, wobei nicht wegzudis
kutieren ist, dass Schleswig-Holstein als kleines Bundesland nicht das leisten kann, was die nationalen Regierungen, zum Beispiel der nordischen Länder, bewerkstelligen können und auch schon gemacht haben.