Protocol of the Session on October 9, 2002

(Bernd Schröder)

aus der gemeinsamen Verantwortung geschlichen und tönt von einer Arbeitsplatzlüge.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie bemühen wieder die altbekannten Wahlkampfplatituden, die dadurch nicht an Wahrheitsgehalt gewinnen, dass Sie sie wiederholen. Das ist das bekannte Muster, wie wir es seit Jahren immer wieder in der Diskussion beobachten. Schwarz malen, mies machen und Wahlkampfgetöse, das keinem Arbeitnehmer der MobilCom hilft.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Herr Kayenburg, wenn Sie jetzt von einer Arbeitsplatzlüge sprechen, dann ist das absurdes Theater. Sie wissen ganz genau: Niemand in Berlin und niemand in Schleswig-Holstein hat je eine Arbeitsplatzgarantie ausgesprochen, in welcher Größenordnung auch immer. Heute bleibt dazu zu sagen: Es ist um jeden Arbeitplatz, der im Zuge dieser Sanierung geopfert werden muss, schmerzlich und bitter. Jeder hätte es sich gewünscht, dass die Zahl der verlorenen Arbeitsplätze weit unter den 1.850 liegen würde, von denen jetzt die Rede ist. Die gemeinsamen Anstrengungen, dem Kerngeschäft der MobilCom eine Zukunft zu geben, waren und sind ohne Abstriche zu begrüßen. Sie waren richtig, sinnvoll und in dieser Situation auch ordnungspolitisch geboten. Ich sage klar an die Adresse der Opposition: Hätten Landes- und Bundesregierung zu dem Zeitpunkt, als sich das Problem der MobilCom zuspitzte, nicht sofort gehandelt, dann hätte ich die gespielte Empörung in Ihren Reihen sehen mögen!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Aber bis vor wenigen Tagen wurde nach dem Motto gehandelt: Von Fakten nicht beirren lassen, immer rauf auf die Wahlkampfpauke.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Er hat Fakten vorgetragen!)

Nun zu Ihrem absurden Vorwurf, dass das Schicksal kleiner und mittlerer Unternehmen der Bundesregierung - ebenso wie der Landesregierung - völlig gleichgültig sei. Auch das ist nachzulesen.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist es!)

- Herr Kayenburg, das ist ein Unding sondergleichen. In Sachen MobilCom spielte die CDU diese Nummer noch mit einer ganz besonderen Variante: Zuerst forderte sie gemeinsam mit anderen Fraktionen dieses

Hauses, alle Anstrengungen zu unternehmen, um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Als dann aus Kiel und Berlin tatsächlich konkrete Hilfe kam, war das Gezeter und Getöse in der Union groß: Man helfe nur den Großen und nicht den Kleinen!

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben doch gar nicht geholfen!)

Sie wissen genau, dass im Jahre 2001 insgesamt 664 mittelständischen Unternehmen mit 174 Millionen € geholfen wurde. Das hat 12.000 Arbeitsplätze gerettet oder gesichert. Das sind die Fakten, an die Sie sich halten sollten!

(Martin Kayenburg [CDU]: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Herr Kayenburg, Sie kennen die jüngsten Zahlen genau. Das Wirtschaftswachstum in SchleswigHolstein ist ein positives Signal!

(Martin Kayenburg [CDU]: Es ist katastro- phal!)

- Es ist ein positives Signal in die richtige Richtung. Wenn wir hier einen hinteren Platz belegen hätten, wären sie es doch gewesen, die wieder Zeter und Mordio geschrien hätten!

(Beifall des Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

Herr Kayenburg, nehmen Sie und die CDU es endlich einmal zur Kenntnis: Sie haben die Wahl verloren.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kayenburg, das ist auch gut so. Das ist gut für die Menschen in diesem Land. Es ist gut für den Mittelstand, dass Sie diese Wahl verloren haben, denn wir werden auch in der Diskussion, die morgen losgeht, konkrete Schritte aufzeigen. Ich fordere Sie noch einmal auf: Kehren Sie zur konstruktiven und sachlichen Arbeit zurück.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Aschmoneit-Lücke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir eben noch einmal etwas von der Bundestagswahl und ihrem Ergebnis gehört haben, möchte ich zunächst feststellen:

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Mir ist nicht angesichts des Wahlergebnisses die Sprache weggeblieben. Dies liegt ausschließlich an dem Staub in diesem Landeshaus. Ich bitte also, meine Sprache zu entschuldigen.

Selbstverständlich bedauern wir die schwierige Lage der Firma MobilCom. Vor allem bedauern wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die demnächst in Kiel, Büdelsdorf und anderswo ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Das ist sicher. Wir hoffen von ganzem Herzen, dass es den betroffenen Menschen gelingt, so schnell wie möglich wieder einen Arbeitsplatz zu bekommen und nicht auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein, auch wenn wir wissen, dass das soziale Netz in Deutschland immer noch gut ausgebreitet ist und niemand wirklich ins Nichts fällt. Wir wünschen den Menschen, dass sie so schnell wie möglich - und möglichst auch in der Nähe ihres jetzigen Wohnorts - wieder einen Arbeitsplatz bekommen.

Wir fragen uns allerdings, warum die konkrete wirtschaftliche Situation eines einzelnen Unternehmens hier in einer öffentlichen Landtagssitzung beraten werden soll. Im Normalfall werden solche Themen, und zwar aus gutem Grund, in nicht öffentlicher Sitzung im Ausschuss beraten, weil nämlich die öffentliche Debatte um die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens diesem mit Sicherheit nicht hilft, (Beifall bei der FDP)

sondern möglicherweise die Interpretation dessen, was hier heute in öffentlicher Sitzung gesagt wird, dem Unternehmen sogar noch schadet. Ich werde mich deshalb zur Frage der wirtschaftlichen Situation der Firma MobilCom an dieser Stelle auch nicht weiter äußern, sondern nur einige Fragen stellen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen doch, dass die finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand für Unternehmen in schwieriger Wirtschaftslage ein durchaus fragwürdiges Instrument und ordnungspolitisch mit Sicherheit nicht zu vertreten ist. Wir wissen auch, dass eine solche wirtschaftliche Hilfe - wir haben es im Falle Holzmann gesehen - nicht auf die Dauer wirksam sein wird und wirksam sein kann, sondern dass das Unternehmen aus sich heraus, aus der Wirtschaftslage heraus, das einzige Instrument in

der Hand hat, wieder etwas aus sich selbst zu machen. Trotzdem muss ich natürlich die Landesregierung fragen: Wie steht es denn mit der finanziellen Unterstützung der Firma MobilCom durch die Landesregierung und durch die Landesbank? Denn sie haben - das hat Herr Kayenburg ausgeführt - vor einiger Zeit diese Unterstützung zugesagt. Wenn sie diese Unterstützung zusagen, selbst wenn es aus unserer Sicht fragwürdig ist, muss ich natürlich fragen: Wo bleibt denn diese Unterstützung, wo stehen wir eigentlich mit den zugesagten Millionen?

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, es könnte sich in der Tat leicht der Verdacht aufdrängen, die medienwirksame Ankündigung finanzieller Unterstützung eines im Kern gesunden Unternehmens in der Woche vor der Bundestagswahl könnte von wahlkampftaktischen Überlegungen beeinflusst worden sein. Deshalb die Frage an die Landesregierung nach der Bundestagswahl: Wie steht es nach Kenntnis der Landesregierung um die von der Bundesregierung versprochene finanzielle Unterstützung MobilComs?

Da es um eine sinnvolle Diskussion über mögliche staatliche Hilfen für MobilCom geht, fordern wir an dieser Stelle eine unverzügliche nicht öffentliche Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses, in der die Landesregierung erstens über die derzeitigen Kenntnisse der Lage MobilComs und dessen Entwicklungspotenzial berichtet, soweit das derzeit absehbar ist, und zweitens die eben von mir gestellten Fragen beantwortet.

Da uns erstens allen, hoffe ich, die Entwicklung von MobilCom am Herzen liegt und da zweitens die Landesregierung wegen dieses Tagesordnungspunktes selbstverständlich auf diese Fragen vorbereitet ist und sicherlich ausführlich Antwort geben kann, würden wir vorschlagen, dass eine solche Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses - nicht öffentlich, wohl gemerkt, damit wir alle wirklich informiert werden können - noch während dieser Landtagssitzung in der Mittagspause stattfindet. Hiermit wäre dem Anliegen wirklicher politischer Hilfe für MobilCom und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel besser gedient, als mit einer öffentlichen Debatte über Schuldzuweisungen, der ich mich ausdrücklich hier nicht anschließen möchte.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Art der Behandlung der Finanzkrise der Firma MobilCom durch die CDU-Fraktion ist schon ein richtiges politisches Problem. Das muss man hier sagen. Jeder weiß, dass die Finanzkrise von MobilCom ein schwerer Schlag ist, auch für die Innovationspolitik des Landes Schleswig-Holstein. Darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel. Wir wissen aber auch, Schleswig-Holstein ist nicht das einzige Bundesland mit problembehafteten heimischen Großunternehmen. Ich erinnere nur an Babcock-Borsig in Nordrhein-Westfalen und an die Kirchgruppe, die Maxhütte und Fairchild-Dornier in Bayern, also genau da, wo die geballte schwarze Wirtschaftskompetenz zu Hause sein soll. Es gibt kein Patentrezept für die Rettung von Firmen wie MobilCom. Machen wir uns doch nichts vor! Die Landesregierung kann mit ihren Mitteln natürlich eine solche Firma nicht sanieren. Das muss über die Banken geschehen, und ob das in einem Konkurs geschieht oder nicht, das hängt im Wesentlichen von den Banken ab, denn die Banken müssen entscheiden, ob sie bereit sind, die 5 Milliarden Kredite für UMTS abzuschreiben. Dann können sie die Firma in einen Konkurs gehen lassen und anschließend die restlichen Unternehmensteile, die ja lukrativ sind und die auch zukunftsträchtig sind, retten und damit weiterarbeiten.

Die andere Variante ist, dass die Banken sich erhoffen, dass aus dem UMTS-Geschäft doch noch einmal Geld zurückfließt und dass sie deswegen die Kredite weiterlaufen lassen, ohne dass sie bedient werden. Das ist die andere Möglichkeit. Es sieht im Moment eher so aus, als ob der zweite Weg beschritten wird. Das ist etwas, was alleine die Banken einschätzen können. Wenn das so ist, wäre das sogar erfreulicher, als ich ursprünglich gedacht habe, aber weder die Landesregierung noch die Parteien können das jetzt abschließend beurteilen. Wichtig war, dass in der kritischen Situation versucht wird, das Unternehmen liquide zu halten. Das ist gelungen. Ich glaube, jede andere Landesregierung, jede andere Bundesregierung, Herr Kayenburg, hätte genau das Gleiche getan. Von daher ist Ihre Aufregung, die Sie hier zelebrieren, wirklich voller Krokodilstränen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Zu der Frage, ob die Landesregierung nur Großunternehmen unterstützt, ist hier schon vonseiten des SPDSprechers Schröder das Genügende gesagt worden. Die Landesregierung unterstützt faktisch nur Kleinunternehmen. Die gesamte Wirtschaftspolitik des Landes Schleswig-Holstein, auch die Kredit- und

Wirtschaftspolitik, zielt auf Kleinunternehmen. Es sind über 600 Kleinunternehmen im letzten Jahr in kritischen Situationen unterstützt worden. Das zeigt, wo die Schwerpunkte liegen. Schleswig-Holstein hat nur ganz wenige große Unternehmen. Wenn aber ein Großunternehmen in die Krise gerät, muss natürlich auch nachgedacht werden, ob man helfen kann oder nicht. Nicht nur dass daran Tausende von Arbeitsplätzen hängen, sondern an diesen Unternehmen hängen auch zahlreiche Kleinunternehmen, die als Zulieferer und in anderer Form arbeiten.

Meine Damen und Herren, ich bin etwas erstaunt, dass die Opposition, die CDU, erst eine Landtagsresolution hier im hohen Hause unterstützt und anschließend die Landesregierung kritisiert, wenn sie diesen einstimmigen Landtagsbeschluss umsetzt. So kann man doch nicht mit seiner eigenen Politik umgehen. Die Regierung hat in der schwierigen Situation ihre Pflicht getan, die Opposition hat mal wieder bewiesen, dass sie unzuverlässig ist. Ich konstatiere: Chaos in der Fraktion, Chaos in der Partei; gut, dass Sie nicht die Verantwortung haben!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Thema MobilCom dreht es sich im Grunde um zwei hauptsächliche Fragen: Wird das Unternehmen saniert werden können, und sind die Finanzhilfen des Bundes und des Landes gerechtfertigt? Es sollen jetzt 130 Millionen € im Kerngeschäft eingespart werden, um überhaupt eine Konsolidierung zu ermöglichen. Das wird Arbeitsplätze kosten, wird aber vielleicht für die Zukunft die Basis sein, um neue Arbeitsplätze schaffen zu können. Das ist ein schwacher Trost für die Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, zumal wenn man bedenkt, dass die Krise bei MobilCom nicht nur in der wirtschaftlichen Entwicklung des Telekommunikationsmarktes zu sehen ist, sondern ihre Ursache auch in Managementfehlern und vor allem persönlichen Disharmonien hat. Hätte man dies vermeiden können, würden wir heute nicht vor solchen Problemen stehen. Somit wird die MobilCom das tun, was getan werden kann. Sie wird sich einem Selbstheilungsprozess im Kerngeschäft unterziehen, und dazu wird noch die UMTS-Sparte vorläufig stillgelegt.

(Lars Harms)