Protocol of the Session on October 9, 2002

Das heißt, die Landesregierung wird im Sinne des Landtages aktiv, auch wenn das die Opposition nicht will. Besonders spannend - insofern die Dringlichkeit - ist natürlich die Diskussion zum Ehegattensplitting.

Frau Abgeordnete, Sie wollten nur zur Dringlichkeit sprechen.

Das mache ich auch. Ich bin gleich fertig. - Ich habe sehr wohl noch im Ohr, dass die Opposition, die CDU, hier im Landtag gesagt hat, dass sie sich vorstellen kann, dass das Ehegattensplitting reformiert wird. Das war, als Sie noch Ihr Kindergeld finanzieren wollten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Damit geben Sie zu, dass die Abschaffung des Ehegattensplit- tings eine Steuererhöhung ist!)

Die Dringlichkeit ist also schon deshalb gegeben, weil sich die CDU hier positionieren muss. Wir führen die Debatte mit Ihnen gern. Wir freuen uns auf

morgen und vor allem auf Ihre Konzepte, wie Sie Ihre Wahlversprechen finanzieren wollen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das müssen Sie doch jetzt!)

Das Wort zur Begründung der Dringlichkeit hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Kubicki hat darauf hingewiesen, dass die Dringlichkeit nicht gegeben ist. Dieser Meinung sind wir auch. Wir finden nicht, dass dieses wichtige Thema auf der Grundlage von Vermutungen zu behandeln ist. Denn dann droht es zu einem Wald- und Wiesenthema zu verkommen. Aber wir werden uns dieser Debatte gern stellen. Wir freuen uns natürlich auf alles das, was dann gesagt wird. Was der SSW zum Thema Steuersenkung und Steuererleichterung vor der Bundestagswahl gesagt hat, ist bekannt. Dazu stehen wir auch heute noch.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit ist die Dringlichkeit begründet. Ich schließe die Debatte an dieser Stelle. Ich lasse über die Dringlichkeit des Antrages der Fraktion der CDU abstimmen. Ich weise auf § 51 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung, die Notwendigkeit der Zweidrittelmehrheit, hin. Wer der Dringlichkeit dieses Antrages zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag bei Gegenstimmen der FDP mit großer Mehrheit angenommen, die Dringlichkeit also begründet.

Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag als Punkt 19 a in die Tagesordnung einzureihen. Ich bitte die Fraktionen, sich über die Redezeit zu verständigen und einen Vorschlag über den Zeitpunkt des Aufrufs zu machen. - Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann werden wir so verfahren.

Ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln. Zu den Tagesordnungspunkten 3, 5, 17, 20, 27, 32, 33, 35, 36, 41 sowie 44 bis 48 ist eine Aussprache nicht geplant. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Punkte 12 und 16, Landesnach

(Präsident Heinz-Werner Arens)

haltigkeitsstrategie. Fragen zur Fragestunde liegen nicht vor. Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen der 26. Tagung.

Im Hinblick auf die zahlreichen Anmeldungen zur Tagesordnung gibt es Überlegungen der Fraktionen, den Tagesordnungspunkt 13 abzusetzen. An seiner Stelle soll der Tagesordnungspunkt 19 behandelt werden. Dessen Platz wiederum soll der Tagesordnungspunkt 40 einnehmen. Ist das richtig so? - Ich höre Zustimmung. Dann werden wir so verfahren.

Wir werden unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. - Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann werden wir so verfahren.

Ich begrüße jetzt Besucherinnen und Besucher. Auf der Tribüne haben Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften der Ernst-Barlach-Realschule Wedel sowie der Handelslehranstalt Flensburg Platz genommen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 1 aufrufe und auch aus Anlass dieses Tagesordnungspunktes begrüße ich ganz besonders Mitglieder des Betriebsrates von MobilCom in der Loge. Seien auch Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Wirtschaftliche Situation der MobilCom AG in Büdelsdorf

Antrag der Fraktion der CDU

Ich erteile dem Herrn Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Kayenburg, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere gemeinsame Resolution vom 11. September muss offenbar vom Kanzler und von Frau Simonis missverstanden worden sein. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir hier gemeinsam gefordert, dass Gespräche mit den Beteiligten stattfinden sollten, wie MobilCom aus der Krise herausgeführt werden kann. Wir haben aber an keiner Stelle gefordert, dass zusätzliche Staatshilfen für MobilCom auf den Weg gebracht werden sollten. Das würde unserem Verständnis von sozialer Marktwirtschaft widersprechen. Wir haben auch an keiner Stelle gefordert, mit un

tauglichen Mitteln den Mitarbeitern von MobilCom vorzugaukeln, dass mit einer Unterstützung von 400 Millionen € deren Arbeitsplätze gerettet werden könnten. Im Gegenteil: Ich glaube, Frau Simonis und der Kanzler haben kurz vor der Wahl eine Chance gewittert, den Wahlsieg in dieser Region noch zu beeinflussen, und haben deswegen in der Runde beim Wirtschaftsminister die 400 Millionen € - den Namen dieses Wirtschaftsministers kennt ohnehin schon niemand mehr - als Staatshilfe beschlossen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sie sind ein Miesmacher!)

- Herr Neugebauer, schauen Sie einmal genau hin: Was ist denn nun geflossen? Bis heute sind 50 Milliarden € geflossen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Milliarden?)

- 50 Millionen von den zugesagten 400 Millionen € sind bis heute geflossen, und dies, nachdem der Bund eine Bürgschaft gegeben hat. Keineswegs sind die zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt worden. Gleichzeitig teilt MobilCom mit - Sie werden die Presse gelesen haben -, dass 1.850 Mitarbeiter entlassen werden müssen.

Ich frage mich, Frau Simonis: Wie enttäuscht müssen eigentlich diese Menschen von Ihnen und von Ihren Wahlversprechen sein, die Sie vor dem 20. September abgegeben haben? Nach einem Blick in die Presse stellen wir fest, dass mit den Menschen Schindluder getrieben worden ist. Schauen Sie sich nur die Überschrift in der „Hamburger Morgenpost“ vom 17. September an. Dort steht zu lesen: „Freudentränen in Büdelsdorf“. Ich bitte den Termin zu beachten. Am 28. September heißt es in den „Lübecker Nachrichten“: „Verzweiflung bei MobilCom; jeder Zweite muss gehen“. Im „Hamburger Abendblatt“ steht: „Kahlschlag bei MobilCom. Ähnliches steht in den „Kieler Nachrichten“. „MobilCom streicht 1.850 Stellen“ steht in der „FAZ“. Und so geht das weiter.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sie sollten vor Ort gehen und nicht nur die Zeitungen le- sen!)

Das ist der Erfolg dieser Ankündigungspolitik, aber Hilfen und vor allem Gespräche haben nicht stattgefunden. Vor der Wahl sind Hoffnungen geweckt worden. Nach der Wahl werden die Arbeitnehmer alleine gelassen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist die typische Politik dieses Bundeskanzlers, der mit Kaltschnäuzigkeit an der Macht zu bleiben

(Martin Kayenburg)

versucht hat. So hat er es bei Holzmann gemacht. Hier ist es wieder unter Beweis gestellt worden.

Frau Simonis, Sie haben vor der Wahl von einem im Kern gesunden Unternehmen gesprochen. So heißt es ihn Ihrer eigenen Pressemitteilung vom 16. September. Dort ist zu lesen, MobilCom sei ein im Kern gesundes Unternehmen. Nach der Wahl, am 27. September, klingt das im Rundfunk ganz anders. Da sagt Frau Simonis: Ich bin deutlich davon ausgegangen, dass das Unternehmen im Kern gesünder ist. Da frage ich mich: Womit hat sie sich vorher befasst? Das frage ich Sie auch als Verwaltungsratsvorsitzende der Landesbank, die für die MobilCom 80 Millionen € zur Verfügung stellen soll. Haben Sie nicht einmal in den Quartalsbericht oder in die Bilanzen von MobilCom geschaut? Ein Blick in den Quartalsbericht des Frühjahrs hätte Ihnen Folgendes deutlich gemacht:

„Es ist gelungen, die akute finanzielle Bedrohung zunächst abzuwehren. Die am 31. Juli fällige Rückzahlung eines Darlehens über 4,7 Milliarden € wurde von den Kredit gebenden Banken bis zum 30. September gestundet.“

Das heißt, dass Schulden in Höhe von 4,7 Milliarden € bis zum 30. September gestundet waren. Dieselben Banken haben dann eine weitere Stundung bis zum nächsten Montag zugestanden. Frau Simonis, das war bis zum 14. Oktober. Ich frage Sie: Wie wollen Sie dieses Unternehmen bei einem solchen Schuldenberg, der mit insgesamt 7,2 Milliarden € etwa dem Haushalt dieses Landes entspricht, mit 400 Millionen € retten? Wo sind die Gespräche mit France Telecom und dem neuen Vorsitzenden Thierry Breton? Was haben Sie erreicht? Frau Simonis, warum hat Ihnen niemand erzählt, dass es in so einem Bericht auch Kennzahlen gibt? Ich will Ihnen einige nennen.

(Glocke des Präsidenten)

Hätten Sie nur einen Blick in die Entwicklung dieses Unternehmens geworfen, dann hätten Sie gesehen, dass der vorherige Quartalsabschluss mit 3,8 Millionen EBITDA gerade noch positiv war. Jetzt haben wir ein Defizit von über 50 Millionen EBITDA. Das zeigt, dass dieses Unternehmen mit einer solchen Hilfe nicht zu retten ist. Ich kann nur feststellen: Sie haben ein verantwortungsloses Spiel mit dem Vertrauen der Wählern und Mitarbeiter gespielt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bevor ich das Wort weiter erteile, begrüße ich in der Loge unseren ehemaligen Kollegen Hans-Klaus Solterbeck. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schröder das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sich alle erinnern: Vor der letzten Sitzung des Landtags verdichteten sich die Informationen um die Probleme bei der MobilCom. Es gab düstere Spekulationen über ein kurz bevorstehendes Aus des Unternehmens mit dem drohenden Verlust von mehreren tausend Arbeitsplätzen hier in Schleswig-Holstein und an den übrigen Standorten der MobilCom außerhalb Schleswig-Holsteins. Es ist pikant, dass insbesondere in Bayern Arbeitsplätze betroffen sind. Sie müssen schon erklären, wie Sie dazu stehen.

In dieser Situation waren sich alle im Landtag vertretenen Fraktionen einig, dass es ohne Zeitverzug einer politischen Initiative bedurfte, um den offensichtlich unmittelbar bevorstehenden Kollaps der MobilCom zu verhindern und möglichst viele der bedrohten Arbeitsplätze zu retten. Das Ergebnis dieser Einmütigkeit war eine einstimmige Resolution, die wir hier verabschiedet haben und die im Grunde nichts anderes zum Inhalt hatte als den Auftrag an die Landesregierung, eigene Mittel und Möglichkeiten zu mobilisieren, um dem angeschlagenen Unternehmen schnell und unbürokratisch zu helfen und auch die Verantwortlichen in Berlin davon zu überzeugen, sich mit Mitteln und Möglichkeiten diesem Rettungsversuch anzuschließen. Wie Sie wissen, haben seinerzeit Ministerpräsidentin Simonis und Wirtschaftsminister Rohwer entsprechend dieser Erwartungen unverzüglich gehandelt und binnen kürzester Zeit mit den verantwortlichen Vertretern der MobilCom und der Bundesregierung ein Sanierungskonzept auf die Beine gestellt, das die MobilCom zunächst wieder liquide gemacht hat und auch eine Perspektive zur Absicherung des Kerngeschäfts eröffnet hat. So weit, so gut, könnte man meinen. Mit dieser gemeinsamen Resolution zeigten alle Fraktionen dieses Hauses ihre Verantwortung für den Wirtschaftsstandort SchleswigHolstein und vor allem versuchten sie in gemeinsamer Anstrengung, das Beste für die Mitarbeiter der MobilCom und deren Familien herauszuholen. Inzwischen wissen wir es jedoch besser: Die CDU hat sich

(Bernd Schröder)