Protocol of the Session on September 13, 2002

Es gibt allerdings einige Punkte, die wir in den Ausschussberatungen gern klären würden. Ich hätte zum Beispiel gern Informationen darüber, welche Auswirkungen eine Ausweitung des Maßnahmenkataloges um den Bereich der unteren Klassenstufen für die übrigen Maßnahmen hat, die bisher gefördert wurden. Darüber sollten wir uns im Einzelnen informieren lassen.

Daher liegt uns daran, die Frage, ob es möglicherweise zu einer Verschiebung der Schwerpunkte kommt, ausführlicher zu beraten, als das an dieser Stelle möglich ist. In jedem Fall bliebe es ja bei dem begrenzten Budget immer bei einer Entscheidung über Einzelprojekte, also kein grundsätzlicher Anspruch auf Förderung. Das heißt, die Sinnhaftigkeit bezogen auf die EU-Zielsetzung und die Qualität der Maßnahmen wäre jeweils zu überprüfen.

Wir müssen - Sie haben es angesprochen -, was die Inhalte angeht, nicht auf das Pforzheimer Modell schielen. Da geht es in erster Linie grundsätzlich um die Finanzierungsmöglichkeit. Wir haben in Schleswig-Holstein viele Ansätze und Modelle guter Schulsozialarbeit, zum Teil jetzt schon, gefördert aus Landesmitteln.

Ich hoffe, wir werden uns in den Ausschüssen einig, wie eine sinnvolle Unterstützung aussehen kann. Daher beantragen wir Überweisung an den Bildungs- und den Sozialausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Storjohann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jugendhilfe und Schule vernetzen - das ist der Ansatz und die FDP greift hier ein kleines, aber wichtiges Thema auf. Ich möchte die Ministerpräsidentin aus einem Finanzbericht über die Übersicht der geleisteten Mittel an Schleswig-Holstein zitieren; über 340 Millionen € sind 2001 nach SchleswigHolstein geflossen. Die Ministerpräsidentin wörtlich:

„Für mich ist es besonders überzeugend, dass wir die ganze Bandbreite der Fördermöglichkeiten der EU nutzen.“

Heute stellt sich heraus, dass wir die ganze Bandbreite der Fördermöglichkeiten nicht nutzen, dass wir durch unsere Verwaltungsregelungen und Verordnungen Ausschlussmöglichkeiten eröffnen. Deswegen ist es gut, dass die SPD-Fraktion Signale sendet, dass wir hier vorankommen.

(Beifall des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

Der Antrag der FDP, Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds auch für Schleswig-Holstein zu nutzen, findet deshalb die volle Unterstützung der CDUFraktion und macht zugleich deutlich, dass sich in dieser Landesregierung bisher keiner um die Finanzierungsmöglichkeiten so richtig gekümmert hat. Es wird auch deutlich, dass sich die unterschiedlichen Häuser nicht konkret abgestimmt haben.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Unmöglich!)

Frühförderprojekte sollen nach unserer Auffassung durch sozialpräventive Maßnahmen bereits von den unteren Hauptschuljahrgängen an verhindern, dass Jugendliche aus einem problembehafteten sozialen und familiären Umfeld die Hauptschule vor dem Abschluss abbrechen.

Es ist hier gesagt worden: Ergebnis der PISA-Studie ist auch, dass wir uns früher als bisher um die Förderung und die Forderungen junger Menschen kümmern müssen. Deshalb macht es Sinn, bereits ab der fünften Klasse zu beginnen, denn langfristige Verhaltensänderungen erreicht man nicht bei Schülern der Klasse acht, zumal auch an Hauptschulen diese Schüler erst einmal Klasse acht erreichen müssen. Denn wir haben ja auch Abbrecher im Bereich der siebenten Klassen.

Das Pforzheimer Modell ist von dieser Landesregierung bisher nicht gewollt worden. Lange Zeit schien es sogar, dass die Zielsetzung dieses Modells nicht richtig verstanden wurde. Eine Änderung der Förderrichtlinien in Schleswig-Holstein ist möglich und sinnvoll. Wir sind jetzt auf dem parlamentarischen Weg, das herbeizuführen.

Wenn wir heute zu keiner einvernehmlichen Lösung kommen, müssten wir der Ministerin vorhalten, dass sie aufpassen muss, keine Namensänderung zu bekommen. Bei uns im Kreis Segeberg bei den KarlMay-Festspielen werden jedes Jahr blumige Namen für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, meistens Politiker, vergeben. Die Ministerin hätte sonst den Anspruch auf den Titel nicht „ruhige Hand“, sondern „eingeschlafene Hand“.

(Gero Storjohann)

Ich hoffe, wir kommen heute auf einen gemeinsamen Weg, um Ihnen diesen Titel nicht verpassen zu müssen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Birk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schulsozialarbeit muss auch in Schleswig-Holstein die Regel werden. In Nordrhein-Westfalen und Hamburg sind mindestens an größeren Schulzentren seit den 80er-Jahren Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeiter oder auch Schulpsychologinnen, Schulpsychologen an Schulen tätig. Schleswig-Holstein hat diese Entwicklung - aus bekannten politischen Gründen - erst Anfang der 90er-Jahre beginnen können. - So viel zum Thema Schulgeschichte der Opposition, als sie noch an der Regierung war.

Sie haben in den 80er-Jahren eine deutliche Weichenstellung verschlafen und die ist dort, wo beispielsweise neue Gesamtschulen gegründet wurden, nachgeholt worden. Aber ich gebe zu: Auch ich finde, dass in der Schulsozialarbeit in Schleswig-Holstein mehr los sein könnte.

Wir haben zum Thema Jugendhilfe und Schule - Dr. Klug wies darauf hin - eine lange Debatte gehabt, wir haben hier Beschlüsse gefasst. Die Landesregierung hat hierzu seitens des Jugendministeriums insgesamt einen Betrag von 1 Million € im letzten und in diesem Jahr freigesetzt. Dazu wurden im Übrigen auch im Jugendministerium aus EU-Programmen wie zum Beispiel XENOS von der Bundesebene Mittel herangeholt, zum Thema Gewaltprävention, zu anderen Themen, die letztendlich auch immer wieder mit der Schule zu tun haben. Es ist also nicht so, dass hier keine EU-Mittel genutzt würden, wo es möglich ist, oder keine Bundesmittel. Nur, eines muss klar sein: Regelhafte Pflichtaufgaben von Land und Kommunen können wir nicht der EU übergeben, sondern das ist unsere eigene Aufgabe.

Die EU-Mittel sind dafür da, Modelle zu fördern und Entwicklungen zu fokussieren. Wenn es in diesem Bereich neue Möglichkeiten gibt, die bisher vom Land noch nicht genutzt worden sind, dann sind wir als grüne Fraktion selbstverständlich hierfür offen und nehmen die Anregung gerne auf. Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich möchte nachdrücklich darauf hinweisen, dass das Thema, um das es eigentlich geht, nämlich Schulversagen an der Hauptschule, im letzten Jahr im Bildungsausschuss ein Schwerpunkt war. Wir haben hierzu Beschlüsse gefasst, die in die Richtung zielen, Jugendliche von Gymnasien und Realschulen nicht einfach mir nichts, dir nichts auf die Hauptschule abzuschieben; vielmehr muss künftig zunächst einmal auf Förderung gesetzt werden. Ab einer bestimmten Verweildauer auf dem Gymnasium oder an der Realschule sollen diese Schulen die Verantwortung für die Jugendlichen auch dann übernehmen, wenn sie in der Leistung nachlassen. Statt sie abzuschieben, sollen sie sie gezielt fördern.

Darüber hinaus darf die Förderung an der Hauptschule selbst nicht erst dann einsetzen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist; vielmehr muss früh damit begonnen werden. Da sind wir einer Meinung. Auch hierzu hat die Ministerin angekündigt, dass sie an neuen Programmen arbeitet mit dem Ziel, dass eine Schülerin oder ein Schüler nicht zehnmal die 7. Klasse wiederholt und sie der Stoff der folgenden Schulklassen gar nicht erreicht, sondern dass die Schülerin oder der Schüler gefördert wird, sodass der Schulstoff, der dem Alter und der Reife der Jugendlichen entsprechend gestaltet ist, allen Hauptschülerinnen und Hauptschülern zur Kenntnis gebracht wird. Es sollen Wege gefunden werden, die es den Schülerinnen und Schülern, insbesondere durch eine praxisorientierte Gestaltung ihres Schulalltages, ermöglichen, zu einem Abschluss, zumindest zu einem Teilabschluss zu kommen, und die sicherstellen, dass die Förderung auch dann weitergeht.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich wäre sehr dankbar, wenn wir aus Anlass dieses Antrages im Bildungsausschuss über den aktuellen Stand debattieren könnten und über die einzelnen Titel, die im Bereich Soziales, Bildung und Jugend für Fördermaßnahmen für den Kreis von Jugendlichen zur Verfügung stehen, um den es uns hierbei geht, informiert würden. Das ist notwendig, um zu verhindern, dass wir zu einer vorzeitigen Verurteilung kommen.

Im Übrigen möchte ich Sie darauf hinweisen, Herr Dr. Klug, dass wir solche Modelle wie in Pforzheim hier in Schleswig-Holstein an vielen Schulen haben, ohne dass dafür EU-Mittel eingesetzt werden. Ich muss dazu sagen, dass ein Bundesland wie BadenWürttemberg, das bisher - die neuesten Zahlen zur dortigen Arbeitslosigkeit kennen wir inzwischen - nicht gerade durch hohe Arbeitslosigkeit aufgefallen ist, EU-Mittel nicht schwerpunktmäßig im Bereich

(Angelika Birk)

Arbeitslosigkeit, sondern anderswo einsetzt. Demgegenüber hat sich Schleswig-Holstein, in dem es eine hohe Erwerbslosigkeit gibt und der Fokus darauf gerichtet ist, Jugendliche in Ausbildung zu bringen, andere Entscheidungen vorbehalten. Das können wir so erst einmal nicht kritisieren. Das Geld kann man nur einmal ausgeben.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber es ist richtig, wir müssen unsere Entscheidungen unter Berücksichtigung dessen, was wir bisher erreicht haben, überdenken. Insofern sind wir für Umsteuerung durchaus offen. Aber wir sollten uns vorher ansehen, was wir bisher erreicht haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es kurz machen. Auch ich finde, es ist wichtig, dass wir diesen Punkt im Ausschuss intensiv beraten. Grundsätzlich wollen wir eine verstärkte Zusammenarbeit von Schulen und Jugendhilfe erreichen. Das ist ein wichtiger Ansatz.

Unserer Ansicht nach ist es auch wichtig, sich zu überlegen, wie das Problem der Abbrecher in unseren Schulen minimiert werden kann. Das heißt, es ist notwendig, junge Menschen frühzeitig mit den Mitteln der Sozialpädagogik zu fördern. Allerdings müssen wir von einem Gesamtkonzept ausgehen. Alles andere wäre auf lange Sicht Flickschusterei. Wir sind gern bereit, im Rahmen der Ausschussberatung zu prüfen, ob mit den vorhandenen Mitteln Einzelprojekte gefördert werden können.

Probleme haben wir mit der beabsichtigten Änderung der Förderrichtlinien für das Programm „Arbeit für Schleswig-Holstein“; denn unserer Meinung nach sind die Aufgaben im Arbeitsmarktbereich sehr wichtig, weshalb die Mittel hauptsächlich dort eingesetzt werden sollten. Wie gesagt, zu einer Öffnung sind wir bereit.

Ich denke, alles andere ist bereits gesagt worden und wird in den Ausschussberatungen zu vertiefen sein.

(Beifall bei SSW und SPD)

Ich erteile der Frau Ministerin Ute Erdsiek-Rave das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im vergangenen Jahr haben 12 % der Schulabgänger, genauer gesagt 1.314 junge Menschen, die Hauptschule ohne Abschluss verlassen; drei Viertel davon verlassen die Schule aus der 8. oder 9. Klasse, 22 % aus der 7. Klasse und nur 3 % - wenn ich „nur“ sage, ist das natürlich trotzdem eine dramatische Zahl; das sind ungefähr 40 junge Menschen, die das betrifft - aus noch niedrigeren Klassenstufen.

Weil wir diese Statistiken natürlich ebenso kennen wie das Pforzheimer Modell - das ist übrigens kein Baden-Württemberg-Modell, sondern ein Modell der Stadt Pforzheim -, haben wir die Mittel, die uns bisher aus dem Europäischen Sozialfonds zur Verfügung standen, im Sinne der Förderrichtlinie des Programms ASH unter dem Programmpunkt 28 - das ist hier schon genannt worden: Fördernetzwerke zur Integration benachteiligter Jugendlicher - gebunden. Das heißt, wir haben diese Mittel gezielt für die Projekte ausgewiesen, die Berufswahlreife, Übergang von der Schule in den Beruf, Vermeidung von Schulversagen zum Ziel haben, und zwar hier für insbesondere die Gruppe der benachteiligten und auch der behinderten jungen Menschen.

Bisher ist dieses Ziel hier jedenfalls nicht bestritten worden, auch nicht als falsch definiert worden. Dass diese Projekte einhellig positiv beurteilt werden können, darüber - so glaube ich - sind wir uns hier einig.

Wir haben seit 1996 - Sie können sich das auch anschauen und nachlesen und vielleicht einmal das eine oder andere Projekt besuchen - Projekte zur flexiblen Ausgangsphase gefördert, in denen Schüler der letzten beiden Jahrgänge, bei denen absehbar ist, sie schaffen es in zwei Jahren nicht, auch drei Jahre durchlaufen können, um noch den Abschluss zu bekommen. Weiter haben wir Maßnahmen gefördert mit vermehrten Praktika, mit Projektarbeit, mit Werkstattunterricht, zum Teil auch in Verbindung mit Ganztagsangeboten und spezifische regionale Stadtteilmaßnahmen - wie in Lübeck-Moisling, wobei es sich um ein ganz hervorragendes Projekt handelt - an 15 Hauptschulstandorten mit insgesamt 680 Schülerinnen und Schülern. Das haben die „Kieler Nachrichten“ auch zutreffend zitiert. Aber man muss ergänzend sagen, die Summe von 1,79 Millionen € ist die für den gesamten Förderzeitraum des ESF bis zum

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Jahre 2006 zur Verfügung stehende Summe. Das heißt, 360.000 € pro Jahr und pro Projekt 25.000 €. Die Förderung von 680 Jugendlichen bezieht sich also auf das laufende Jahr und es ist nicht etwa so, dass 1,79 Millionen € durch 680 Schülerinnen und Schüler geteilt werden könnten; das wäre ja in der Tat auch ein schwieriges Verhältnis.

In diesen Projekten haben wir bisher den Schwerpunkt gesetzt. Daran hat es auch nie Kritik gegeben, auch nicht hier aus diesem Hause heraus. Im Gegenteil! Ich glaube, es hat sehr viel Unterstützung, Anerkennung für diese Modelle gegeben.

Natürlich muss man das nicht nur vor dem Hintergrund von PISA bewerten, sondern auch dann, wenn man diese Zahlen sieht, dass es Schulabgänger gibt, die immerhin in einer Größenordnung von 3 % die Schule noch früher verlassen, und auch vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Fördern und Ausgleich von Defiziten nicht früh genug beginnen kann. Übrigens könnten Sie mit derselben Begründung sagen, schon im vorschulischen Bereich muss man solche Modelle ansetzen. Das muss man sicherlich auch in Zukunft. Angepasst an die Altersgruppe muss man diesen Ausgleich von Defiziten im sprachlichen Bereich, aber auch im sozialen Verhalten wirklich mit maßgeschneiderten Projekten beginnen. So haben wir in der Vergangenheit auch auf anderen Wegen sowohl Landesmittel als auch kommunale Mittel und Arbeitsamtsmittel immer wieder eingesetzt, um Projekte zu fördern, die eben schon früher Förderung anbieten, oft auch mit außerschulischen, außerstaatlichen Mitteln und Partnern von Schafflund bis nach Lübeck.

Ich will damit nicht sagen, dass nicht auch die Überlegung, diese Mittel früher einzusetzen, vor dem aktuellen Hintergrund richtig sein kann. Wir werden deshalb prüfen - ich bin gern bereit, mit Ihnen im Ausschuss noch weiter darüber zu diskutieren, ob es dazu wirklich einer Richtlinienänderung bedarf oder ob das nicht innerhalb der vorhandenen Richtlinien möglich ist, worüber wir auch mit dem Sozialministerium verhandeln -, diese Auslegung der Richtlinie flexibler zu gestalten. Wir werden alle Schulämter darum bitten, uns bereits bestehende Projekte zu nennen, die möglicherweise vor einer schwierigen Weiterfinanzierung stehen, und sie auffordern, neue Projektvorhaben mit zu entwickeln und sie dann nach Möglichkeit hier mit in die Förderung aufnehmen, ohne dass das zulasten anderer bewährter Projekte geht.