Protocol of the Session on March 21, 2002

Ein Produzent, dem eine solche Kreuzung passiert, wird erhebliche wirtschaftliche Probleme bekommen, wenn er sich bisher gegen gentechnische Produktionsweisen entschieden und entsprechendes Marketing betrieben hat, denn seine Produkte können mit einmal als gentechnisch verändert dastehen. Es gibt zurzeit oft nur ein Ja oder Nein. Abstufungen sind derzeit noch nicht möglich.

(Vizepräsident Thomas Stritzl übernimmt den Vorsitz - Unruhe)

Es ist in der Gentechnik noch nicht ausreichend gelungen, die genaue Menge des gentechnisch veränderten Materials nachweisen zu können. Das bedeutet, dass es zwar einen Unterschied zwischen 99 % und 1 % gibt, man ihn aber nicht nachweisen kann. Somit gilt erst einmal alles als gentechnisch verändert. Man arbeitet sich nun an die Grenzen heran und versucht, immer kleinere Mengen nachweisen zu können. Gerade die Firma M.E.D. Biotech in Flensburg hat hierzu wichtige Vorarbeiten geleistet. Ich glaube, es besteht die Chance, hier weitere wichtige Schritte gehen zu können. Dazu bedarf es allerdings eines entsprechenden Anreizes.

(Unruhe)

Wenn wir jetzt fordern würden, die Schwellenwerte für eine Kennzeichnungspflicht auf einen höheren Wert anzusetzen, wie es die CDU wünscht, würde

(Lars Harms)

gerade dieser Anreiz zur Forschung entfallen. Deshalb sind wir der Meinung, dass ein Schwellenwert von unter 1 % sehr wichtig ist, um die Forschung anzuregen und die Verbraucher zu schützen. Die Verbraucher sollen die Chance haben, wirklich gentechnikfreie Ware kaufen zu können. Bei Werten unter 1 % kann man nach meinem Erachten von Gentechnikfreiheit sprechen. Werte, die unter dieser Grenze liegen, unterliegen auch einer gewissen Zufälligkeit von natürlichen Prozessen, die ich vorhin beschrieben habe.

Der Verbraucher muss aber in die Lage versetzt werden, wirklich wählen zu können, welche Ware er haben will. Dies ist für mich - um es noch einmal deutlich zu sagen - auch schon eine Notlösung.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW], Jutta Schümann [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Unruhe)

Menschen der Gentechnik auszusetzen, ohne dass das Thema auch nur annähernd gesellschaftlich zu Ende diskutiert ist, ist eigentlich nicht zu verantworten. Gleichwohl muss ich leider feststellen, dass die Gentechnik schon längst da ist und ich dann zumindest verpflichtet bin, für den mündigen Verbraucher vernünftige Rahmenbedingungen zu setzen.

Die EU-Mühlen mahlen genauso langsam wie die unsrigen. Die Kennzeichnungsverordnung wird auch noch etwas länger beraten werden, sodass genügend Zeit bleibt zu forschen. Ich bin sicher, dass die entsprechenden Nachweismöglichkeiten kommen werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich darf das Haus um etwas mehr Ruhe bitten.

Den zweiten Teil des CDU-Antrags können wir gut mittragen. Um hier aber zur Forschung zu motivieren, ist es wichtig, schon jetzt deutlich zu machen, dass die 1-%-Grenze kommen wird, und davon dürfen wir, auch zum Wohle der Verbraucher, nicht abrücken.

Die Zustimmungsfähigkeit zum Gesamtantrag liegt unserer Meinung nach unter 1 %. Deshalb werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Jürgen Weber.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind nur zwei kleine Aspekte, zu denen ich etwas sagen möchte. Die Gesamtdiskussion über die grüne Gentechnik ist schon so häufig geführt; das muss heute nicht wiederholt werden.

Frau Happach-Kasan, Sie haben die soziale Verantwortung der Sozialdemokraten angesprochen. Ich will darauf gern eingehen. Sie haben argumentiert, Kennzeichnungspflicht mache Lebensmittel teurer und das sei sozusagen etwas für die Besserverdienenden.

Natürlich macht Kennzeichnungspflicht die Lebensmittel teurer. Das ist unbestritten. Aber wenn Sie in diesem Zusammenhang den Begriff der sozialen Verantwortung bringen, dann werde ich Ihnen deutlich die Unterschiede klarmachen. Wenn Sie glauben, dass es denjenigen Menschen, die weniger Geld zur Verfügung haben beim Einkaufen von Lebensmitteln, egal sein muss, was in den Lebensmitteln ist, dann will ich Ihnen sagen: Das ist nicht unsere Auffassung von sozialer Verantwortung. Das ist zynisch.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich will auch das, was Kollegin Schmitz-Hübsch gesagt hat, noch in einem Punkt aufgreifen. Frau Kollegin, ich glaube, es macht Sinn, über die Frage von Schwellenwerten zu diskutieren - ich bin sicher, das werden wir noch häufiger tun -, weil das nie fixe Grenzen sind. Das wissen wir von allen anderen Schwellenwerten, die wir in anderen Bereichen gehabt haben oder haben. Aber Sie haben sehr dezidiert ausgeführt, was praktikabel sein kann und was nicht praktikabel sein kann.

Ich will Ihnen auch hierzu deutlich sagen: Die Frage der Festsetzung von Schwellenwerten kann sich nicht allein an Praktikabilität festmachen, sondern muss an Kriterien von Vertretbarkeit gemessen werden. Da gibt es eine offene Diskussion. Ich zumindest meine, dass die Frage der Schwellenwerte bei Lebensmitteln, in denen gentechnisch veränderte Organismen verarbeitet worden sind, nicht anders behandelt werden darf

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte darum, dass der Schwellenwert nach der Lärmverordnung eingehalten wird.

- Danke schön. - als die Frage und Diskussion über andere Inhaltsstoffe, die wir - aus welchen Gründen auch immer - kennzeichnungspflichtig machen. Das können wir nicht mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten machen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Deswegen glaube ich, dass diese Diskussion heute sicherlich noch nicht beendet sein wird. Es gibt keinen Grund, heute aus der EU-Linie auszuscheren. Aber die Diskussion ist sicherlich nicht beendet.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Landesregierung erhält jetzt Herr Minister Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich könnte meinem Beitrag heute die Überschrift geben: Der Antrag der CDU hinkt der Zeit hinterher, er bleibt hinter dem längst technisch Machbaren zurück und er bleibt vor allen Dingen hinter den zunehmenden Ansprüchen kritischer Verbraucherinnen und Verbraucher zurück.

Schon im Juli des letzten Jahres wurden von der EUKommission die Vorschläge zu Lebensmitteln und Futtermitteln und deren Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit beschlossen - Juli 2001! Im letzten Herbst waren die Verordnungsvorschläge im Bundesratsverfahren. Die verabschiedeten Verordnungen sehen einen Schwellenwert von 1 % vor, bis zu dem unbeabsichtigte oder zufällige Verunreinigungen durch gentechnisch veränderte Organismen toleriert werden, ohne dass sie den gentechnisch spezifischen Zulassungsoder Kennzeichnungspflichten unterliegen.

Dieser Ein-Prozent-Grenzwert soll zudem - ich muss sagen, mir völlig unbegreiflich - auch für nicht in der EU zugelassene GVOs gelten, das heißt für gentechnisch veränderte Organismen ohne jede Sicherheitsbewertung unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten. Hier wird eine Sicherheitsbewertung durch die EU für ausreichend gehalten.

Wir haben uns bereits dafür eingesetzt, dass für die in der EU nicht zugelassenen GVOs als Schwellenwert nach wie vor die technische Nachweisgrenze gelten soll. Das scheint mir verbraucherschutzpolitisch und auch technologiepolitisch richtig und vernünftig zu sein.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organismen haben in der Lebensmittel- und Futtermittelkette nichts zu suchen. Auf dem Gebiet der Vermarktung muss absolute Transparenz herrschen; denn der Verbraucher will und soll wählen dürfen, ob er GVOhaltige oder aus GVOs hergestellte Lebensmittel kauft oder nicht.

Verehrte Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass, das eigentlich urliberale Prinzip der Wahlfreiheit auf der linken Seite dieses Hauses wesentlich besser aufgehoben ist als auf der rechten Seite.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben wieder versucht, den Popanz aufzubauen, als gäbe es in dieser Republik kein gentechnisch freies Saatgut mehr. Das ist mitnichten so. Das Umweltministerium untersucht nämlich - es redet nicht nur darüber -, guckt tatsächlich nach. Im ersten Jahr der Untersuchung, als offensichtlich noch kein Saatguthersteller genau hingeguckt hat, haben wir natürlich Fälle gefunden, in denen das nicht sauber gehandhabt wurde. Wir haben entsprechend gehandelt und von Gerichten bisher Recht bekommen.

In unserer zweiten Untersuchung in diesem Jahr haben wir bisher festgestellt, dass die Saatguthersteller wesentlich genauer darauf geachtet haben und dementsprechend auch Saatgut sauber getrennt ausliefern können, das den geltenden Rechtslagen entspricht. Darum ist es ein Popanz zu sagen, es ginge nicht anders.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Stellt man sich zudem vor, dass 1 % eine Tonne von 100 Tonnen bedeutet und dass der technische Fortschritt in Zukunft - der Kollege Harms hat darauf hingewiesen - eine immer empfindlichere Nachweisgrenze ermöglichen wird, dann können und müssen hier deutlich niedrigere Grenzwerte gefordert werden, wenn wir nicht in Faulheit und Langeweile ersticken wollen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Diese Angaben sind wir der Öffentlichkeit nicht nur schuldig, um das Vertrauen in die Landwirtschaft und

(Minister Klaus Müller)

in die Lebensmittelindustrie nach BSE und MKS wieder herzustellen, sondern auch jeder Verbraucherin und jedem Verbraucher, deren Recht das ist. Auf dieses Recht haben sie ein Recht und dieses Recht wird diese Landesregierung auch garantieren.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ursula Kähler [SPD])

Sehr geehrte Damen und Herren, der Antrag der CDU bleibt somit für Saatgut weit hinter den bereits diskutierten Werten der EU zurück und berücksichtigt auch nicht, dass ein Schwellenwert für Saatgut aufgrund der sukzessiven Anreicherung des Saatgutes in der Produktionskette auf jeden Fall unterhalb entsprechender Schwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel liegen muss.

Nachweistechniken, geeignete Analysemethoden sind wichtige Instrumente für die Kontrolle jeden Grenzwertes. Das hat überhaupt nichts mit Bürokratie und sonst etwas zu tun,

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Natürlich!)

sondern mit Sorgfaltspflicht gegenüber den Menschen, die sich auf uns verlassen.

Aus diesem Grund haben wir uns auf der letzten Konferenz der Umweltstaatssekretäre in Bremen dafür eingesetzt, dass ein dem Länderausschuss Gentechnik nachgeordneter Unterausschuss Methodenentwicklung eingerichtet wird. Den Vorschlag der EU zur Rückverfolgbarkeit und zur Kennzeichnung haben wir begrüßt, da dies ein Vorschlag im Hinblick auf Transparenz, Sicherheit und Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher und den Schutz der Umwelt ist.