Es geht ganz schnell. Stimmen Sie mir darin zu, dass es für die Besetzung des Konvents nicht darauf ankommt, große Namen zu haben, sondern Kompetenz? Jürgen Meyer ist zusammen mit Roman Herzog vorher im Grundrechtekonvent gewesen und in diesem Fall hoch kompetent.
- Was die Kompetenz des Professors und Abgeordneten Jürgen Meyer angeht, so stimme ich mit Ihnen überein. Zusätzlich aber müsste das Gewicht eines Namens mit in die Waagschale geworfen werden. Das war meine Intention.
Ist es nicht geradezu fahrlässig, wenn Deutschland hier Zukunfts- mit Parteipolitik vertauscht? Europa ist unsere Zukunft. Aber es scheint rot-grüne Tradition zu sein, die europäische Ebene zu vernachlässigen und zu unterschätzen. Oder wie soll man zu einer anderen Bewertung kommen, wenn man das Vorgehen des Kanzlers auf europäischer Ebene beobachtet? Mal versteht sich unser Kanzler als oberster Lobbyist der deutschen Autoindustrie, indem er die Altautoverordnung blockiert. Mal schützt er die Energiewirtschaft vor schärferem Wettbewerb. Mal torpediert er aus innenpolitischen Gründen ein gemeinsames Asyl- und Einwanderungsrecht. Wir haben vor Ort schlichtweg zu wenig Experten.
Das belegen allein folgende Zahlen: Deutschland hat einen Anteil an der EU-Bevölkerung von 21,9 %, stellt aber lediglich 12 % der Beamten in der EU-Kommission. Zum Vergleich: Griechenland hat einen Anteil an der EU-Bevölkerung von 2,8 %, stellt aber 5,2 % der entscheidenden Beamten. Während in anderen Ländern bereits durch die Beamten im Vorfeld in vielen Angelegenheiten diskret die Weichen gestellt werden, hat unser Bundeskanzler nichts Besseres zu tun, als die Partner offen zu brüskieren.
Ein Beispiel hierfür ist der kürzlich entbrannte Streit zwischen Deutschland und der Europäischen Kommission um die Verschickung eines so genannten blauen
Briefes. Statt die Warnungen zu akzeptieren und als Chance zu begreifen, hat man mittels vollmundiger Versprechungen die Verschickung eines solchen Briefes abgewendet. Aber zu welchem Preis? Erst hat man sich europaweit lächerlich gemacht und jetzt wird man gewahr, dass man sich statt eines solchen Briefes ein blaues Auge geholt hat.
Die Folgen liegen bereits auf dem Tisch. Sie, Frau Ministerpräsidentin, haben dies doch auch erkannt und deutlich gemacht, dass Hans Eichels vollmundige Versprechungen, bis zum Jahre 2004 zur Null-Nettoneuverschuldung zu kommen, weder von den Bundesländern noch von den Kommunen einzuhalten sind. Ist dies vielleicht ein Indiz dafür, dass diese Bundesregierung im Jahre 2004 nicht mehr regiert und ihr Versprechen nicht mehr einhalten muss?
Der nun beginnende EU-Konvent stellt die Weichen für Europas Zukunft. Die Institution Europa steht hier vor einem entscheidenden Punkt. Kann es gelingen, die sich immer weiter öffnende Kluft zwischen dem Bürger und den europäischen Institutionen zu überbrücken? Kann ein Konvent die drohenden Streitigkeiten um den Beitritt der Kandidatenländer und die Reform der Fördersysteme auffangen?
Dies kann nur dann verhindert werden, wenn die europäischen Regelungen nicht mehr als Selbstzweck verstanden werden, sondern helfen, Europa binnen kurzer Zeit zu einem dynamischen Raum zu formen.
Es geht also um eine Reformierung, die dazu führt, dass sich Europa quasi neu erfindet. Dazu gehört eine sinnvolle Neuordnung von Machtfragen und Zuständigkeiten im neu geordneten und gewachsenen Europa. Dazu gehört aber auch, dass wir unser europapolitisches Engagement nicht für die Wahrnehmung rein nationaler Interessen missbrauchen.
Dazu gehört ferner, dass sich Schleswig-Holstein sowohl im Ostseerat als auch durch den Ausschuss der Regionen intensiv einbringt und den Kontakt zur Entwicklung in der Europäischen Union nicht abreißen lässt.
Abschließend will ich gerne darauf hinweisen, dass diese Landesregierung im Ostseeraum eine vorbildliche Rolle spielt, zwar mit leeren Kassen, aber mit
Viele Koordinierungsmaßnahmen gehen von Schleswig-Holstein aus. Schiffssicherheit und Küstenschutz an der Ostsee gehören zum Beispiel zu diesen Themen. Insbesondere denke ich auch an die Verbindungen nach Estland, Litauen und Lettland sowie an die Verbindungen zur Oblast Kaliningrad, dem früheren nördlichen Ostpreußen, und zu unserem Nachbarn Polen. Gemeinsam müssen wir die Dinge voranbringen. Die FDP-Landtagsfraktion will dazu ihren Beitrag leisten. Den Ergebnissen des Konvents von Laeken sehen wir mit Spannung entgegen.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Rainder Steenblock das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zwei Danksagungen: Ich danke der Ministerpräsidentin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen sehr ausführlichen Bericht. Dieser Bericht macht an vielen Stellen deutlich, wie tief die europäische Politik mittlerweile in alle Politikfelder unseres Landes eingreift. Das müsste eigentlich ein Grund dafür sein, dass die Debatte um diesen Bericht hier etwas mehr Aufmerksamkeit erfährt, als es im hohen Hause zurzeit der Fall ist.
Vielleicht liegt das daran, dass mit dem Thema Europa zurzeit politisch populistische Grabenkämpfe nicht zu führen und zu gewinnen sind, auch wenn der Kollege Behm sich ein wenig bemüht hat. Herr Kollege Behm, das ist für den Unterhaltungswert dieser Debatte sicher etwas schade. Ich bin aber eigentlich sehr froh, dass wir uns im Parlament von Schleswig-Holstein in den Fragen, um die es in Zukunft gehen wird, über die Fraktionen hinaus sehr einig sind. Es muss uns klar sein: Wenn wir als Landesparlament etwas bewegen wollen und uns einbringen wollen, dann werden wir das nicht schaffen, wenn wir in der Grundfrage, wie man als Landtag agieren sollte, total zerstritten sind. Dann könnten wir zu Hause bleiben und lieber Kreistag spielen.
(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Hermann Benker [SPD] und Rolf Fischer [SPD])
Daher gilt mein zweiter Dank den Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie. Gerade die Europapolitiker haben sich anscheinend auf den Weg gemacht, auf dem Weg nach Brüssel schon einmal den Nordstaat vorzubereiten. Ich finde das persönlich ausgesprochen positiv, weil ich glaube, dass diese Kooperation auf norddeutscher Ebene für die Regionalisierung der Interessenswahrnehmung ausgesprochen positiv ist.
Auch hier werden wir uns in der Praxis sehr viel schneller einig werden, als wenn wir über theoretische Konstrukte reden.
Ich glaube, dass die Entwicklung nach Nizza, über die wir hier im hohen Hause eine interessante Debatte hatten, nun nach Laeken einen deutlichen Fortschritt in der europäischen Politik zeitigt. Mit den Ergebnissen von Nizza konnten wir nicht zufrieden sein. Dort war es leider nicht gelungen, auch nur in Ansätzen die zentralen Fragen zu lösen, um die es bei der europäischen Integration geht, nämlich für eine neue Verteilung der Abgrenzung der Zuständigkeiten innerhalb der Europäischen Union zu sorgen, die Vereinfachung der Instrumente der europäischen Union voranzubringen oder mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz der Europäischen Union zu organisieren und den Verfassungsprozess der EU deutlich zu machen. All dies war in Nizza nicht besonders klar erkennbar. Daher bin ich sehr froh, dass es in Laeken gelungen ist, diese Prozesse auf einen wirklich konstruktiven Weg zu bringen und mit der Einrichtung eines Konvents tatsächlich das Instrument zu schaffen, das zum ersten Mal die Möglichkeit bietet, durch Repräsentanten aus den Parlamenten möglichst bürgernah einen Prozess zu gestalten und diesen aus den Hinterzimmern der Regierungspolitik herauszuholen.
Ich halte es für die Akzeptanz von europäischen Ideen für ganz wichtig, diesen Prozess zu gestalten.
Wir werden in diesem Prozess auch unsere Hausaufgaben machen müssen. Wir werden es nicht schaffen, Europa in den Köpfen und in den Herzen der Menschen stärker zu verankern, wenn Europa weiter so
unattraktiv bleibt. Die Unattraktivität Europas hat Gründe. Natürlich ist es medientechnisch nicht gut, über Unattraktivität zu sprechen. Man muss immer alles loben, um es positiv darzustellen. Ich glaube, dass wir uns ernsthaft darüber Gedanken machen müssen, was in Europa nicht funktioniert. Dabei ist ein Problem sehr deutlich: Wir haben es noch nicht geschafft, die notwendige Balance zwischen Integration und Autonomie herzustellen. Das ist sehr wichtig. Balance zwischen Integration und Autonomie heißt, dass wir etwas gemeinsam machen können, wobei wir die Leute auf gleiche Levels bringen können.
Die Strukturpolitik wäre dazu zum Beispiel ein Instrument. In der Strukturpolitik bewegen wir uns im Moment in einem Volumen von 30 Milliarden DM. Von diesen 30 Milliarden DM werden 50 % der Mittel wieder auf die reichsten europäischen Länder verteilt. Die Mittel, die wir hier in Schleswig-Holstein aus dem europäischen Strukturfonds bekommen, bekommen wir im Grunde aus den Steuereinnahmen des Hamburger Randes, aus Kiel oder Lübeck. Diese Einnahmen schicken wir erst einmal nach Berlin. Dann schicken wir sie nach Brüssel. Dann schicken wir sie wieder nach Berlin. Dann kommen sie hier wieder an und wir verteilen sie. Ich halte diese zusätzlichen Schleifen, die wir in bestimmten Fragen drehen, für problematisch.
Das heißt, wir brauchen eine Konzentration auf den integrativen Aspekt. Wir brauchen aber auch die Autonomie der Regionen, damit wir mit bestimmten Geldern, die hier erwirtschaftet werden, auch eine vernünftige Politik gestalten können, ohne dass zehn Schleifen gedreht werden.
Ein anderer notwendiger Balanceakt ist die Balance zwischen Solidarität und Wettbewerb. Ich glaube, wir werden diese Europäische Union nicht hinbekommen, wenn die Bürgerinnen und Bürger Europa als ein kaltes Instrument betrachten, in dem nur die Ellbogen gebraucht werden und nur Stärke und Überlegenheit gelten. So ein Europa weckt zu Recht sowohl bei den kleinen Ländern als auch bei den Menschen Unbehagen, Ablehnung und Abneigung. Europa muss auch ein Hort der Tradition des europäischen Humanismus sein, in dem die Solidarität einen hohen Stellenwert hat. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir die Fragen einer europäischen Sozialpolitik stärker in den Vordergrund stellen. Frau Rodust hat darauf hingewiesen.
Wir brauchen ein solidarisches Europa der Menschen und wir brauchen in dieser Solidarität die Einheit. Gerade in der Außenpolitik haben wir zurzeit den ganzen Kladderatasch vor uns. Fischer macht zwar mit der Unterstützung einiger europäischer Regierungen in Israel und im Nahen Osten aus meiner Sicht hervorragende Politik. Wir haben aber das Problem, dass die nationale Außenpolitik es in vielen anderen Feldern erschwert, Europa insgesamt mit seinem ökonomischen Gewicht auch in der Außenpolitik sichtbar werden zu lassen. Deshalb glaube ich, dass wir in sehr viel stärkerem Ausmaß Solidarität brauchen. Wir brauchen aber natürlich auch den Wettbewerb zwischen den Regionen und den Wettbewerb zwischen den einzelnen Akteuren. Der Wettbewerb ist ein zentrales Instrument, um den Fortschritt zu organisieren. Das ist wichtig. Er ist aber lediglich ein Instrument und kein Grundwert. Das müssen wir an dieser Stelle sehen.
Wir brauchen eine dritte Balance, nämlich die zwischen Demokratie und Effizienz. Wir alle wissen das. Wir alle werden von den Bürgerinnen und Bürgern und den Wählerinnen und Wählern häufig gefragt: „Warum dauert das alles so lange? Warum ist das alles immer so kompliziert?“ Man muss deutlich sagen: Demokratie ist ein sehr transparentes Verfahren. Zumindest soll das so sein. Dieses Verfahren ist aber ein bisschen komplizierter als zentralstaatliche Lösungen. Europa kann nur demokratisch organisiert sein. Wir brauchen innerhalb dieses demokratischen, transparenten und überall durch Wahlen legitimierten Europas auch eine effiziente Verwaltungsstruktur.