Laeken war nicht nur die Entscheidung für den Konvent, nicht nur der Beginn einer Debatte, an deren Ende hoffentlich eine gemeinsam getragene europäische Verfassung steht. Denn ich bin überzeugt: So, wie eine Sprache eine Grammatik braucht, brauchen Grundwerte eine Verfassung. Am besten wäre es, wenn über die neue europäische Verfassung die Europäer insgesamt in einem Referendum abstimmen könnten.
Laeken war auch Fortsetzung der EU-Erweiterung, gemeinsamer Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität, auch gegen Arbeitslosigkeit in Europa. Die Ministerpräsidentin hat zu Recht auf diesen besonderen Punkt hingewiesen. Die Strategie von Lissabon muss aufgehen. Von einer konzertierten europäischen Beschäftigungsstrategie wird auch Schleswig-Holstein profitieren. Beispiele haben wir gehört.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir zum Schluss einen weiteren wichtigen Punkt, um den wir uns ganz gern herumdrücken. Das ist die Rolle der Türkei und der damit verbundene Integrationsaspekt. Auch er hat in Laeken eine Rolle gespielt. Ich würde gern für etwas mehr Öffentlichkeit werben wollen. Ich bin überzeugt: Es gibt kein stabiles Europa, wenn an der Ostgrenze ein neuer eiserner Vorhang aufgebaut wird.
Das gilt für Russland, für Weißrussland, für die Ukraine und natürlich auch für unseren NATO-Partner Türkei. Selbst wenn es nicht zum EU-Beitritt kommen würde, benötigen wir eine aktive Heranführungsstrategie für die Türkei.
- Den Applaus nehme ich gern entgegen und hoffe auf einen weiteren nach dem nächsten Absatz. - Denn die Menschen in der Türkei, vor allem aber die vielen türkischen Menschen in den europäischen Staaten werden es nicht akzeptieren, wenn sie zu Europäern zweiter Klasse gemacht werden.
Deswegen muss man darauf hinweisen, dass das auch unsere globalen Gesellschaften nicht aushalten werden.
Klammern wir diese Frage nicht mehr aus! Bestärken wir die Türkei darin, ihre Rolle in Europa zu finden! Lassen wir auch nicht nach, die Menschen- und Minderheitenrechte einzufordern! Aber tun wir dies im Bewusstsein, dass auch die türkische Kultur ein Teil Europas ist!
Laeken war ein Fortschritt und es ist an uns, diesen Prozess mitzugestalten. Beide vorliegenden Anträge bieten die Chance, das zu schaffen.
Bevor ich gleich in Absprache mit der FDP-Fraktion Frau Rodust im Anschluss an Herrn Fischer, weil Sie sich das geteilt haben, das Wort erteile, möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf der Tribüne als neue Gäste Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer der Realschule Kronshagen und der Realschule Pönitz zu begrüßen. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Europapolitik ist in Deutschland auch Länderpolitik. Jeder, der heute noch denkt, die Europapolitik gehe ihn nichts an, dem empfehle ich den wirklich sehr informativen Europabericht der Landesregierung, für den ich recht herzlich danke.
Unzählige Programme der Europäischen Union helfen uns, Schleswig-Holstein zu einem noch moderneren, weltoffeneren Land weiterzuentwickeln. Wir haben mit der Initiative „ziel: Zukunft im eigenen Land“ unter anderem den ländlichen Raum mit großen Schritten weiterentwickeln können. Allein wäre uns zum Beispiel die Finanzierung der millionenschweren zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen nur schwer gelungen. Auch die Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur hätten wir wohl kaum allein geschafft. Eckernförde hätte kein TÖZ, Kiel nicht die Hörn, Lübeck keinen Hafenausbau, die Weiterentwicklung der Westküste wäre wohl nicht möglich gewesen und über LSE würde heute auch keiner reden.
Die konkrete Diskussion über die Zukunft und die Ziele der Strukturfonds auf nationaler und europäischer Ebene hat begonnen. Der dritte Kohäsionsbericht wird im Jahr 2003 vorgelegt und den gilt es zu beeinflussen. Wir in Schleswig-Holstein haben damit bereits begonnen, zum Beispiel durch die Forderung, die Instrumente der Strukturpolitik so zu verändern, dass keine relative Benachteiligung für das Land entsteht, dass ein nationaler Förderspielraum für die Regionalförderung erhalten bleibt, dass die Strukturpolitik insgesamt vereinfacht und dass der Verwaltungsaufwand erheblich reduziert wird.
Gerade die letzte Forderung gilt für den Binnenmarkt. Mit dem Binnenmarkt will die Europäische Union bis zum Jahr 2010 die weltweit dynamischste und wettbewerbsfähigste Wirtschaft werden. Zu den Zielvorhaben gehören die Notwendigkeit der Liberalisierung in den Basissektoren wie Verkehr und Grundversorgung, die Notwendigkeit zur Schaffung eines inte
grierten Kapital- und Finanzmarktes, die Notwendigkeit, das Potenzial der Dienstleistungsgesellschaft freizusetzen und große Wirtschaftszweige wie das öffentliche Auftragswesen wirklich dem Wettbewerb zu öffnen.
Diese Vorhaben sind richtig und wichtig. Ich habe mich im Auftrag des Ausschusses der Regionen in den vergangenen Monaten intensiv mit dem Binnenmarkt befasst und musste Folgendes feststellen: Die Verwirklichung des Binnenmarktes ist nach wie vor eine zentrale und bisher nur unvollständig gelöste Aufgabe der europäischen Integration. Erschwert wird diese durch die Debatte über die eigene Zukunft der EU, durch die Erweiterungspolitik, durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung und die Ignoranz einiger nationaler Regierungen, die sich bis heute nicht an die Verabredungen halten. Ich behaupte: Vor allem über einen funktionierenden Binnenmarkt kann die Union für die Bürger Europas erfahrbar werden.
Die Mobilität der Arbeitnehmer im Binnenmarkt wird immer noch durch zahlreiche Faktoren gebremst; der Abbau dieser Mobilitätsschranken ist eine zentrale Aufgabe in der Umsetzung der Binnenmarktstrategie. Entscheidend sind pauschale Regeln, die für den einzelnen Arbeitnehmer unterschiedliche institutionelle Systeme kompatibel machen. Fehlende Sprach- und Kulturkenntnisse oder Informationsdefizite über relevante Organisationen stellen ein weiteres Problem dar. Der Spracherwerb, vor allem in den Grenzgebieten, muss zu einer Schwerpunktaktion werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, Europa wird natürlich nur dann ein wettbewerbsfähiger Wirtschaftsraum, wenn es gelingt, Wirtschafts-, Beschäftigungsund Sozialpolitik miteinander zu verflechten.
Die in Nizza beschlossene Sozialagenda hat unter anderem folgende Handlungsfelder: mehr und bessere Arbeitsplätze, Sicherheit für Arbeitnehmer in einer sich wandelnden Wirtschaft, Bekämpfung von Armut, sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung. Für Schleswig-Holstein und die übrigen Länder ist von besonderer Bedeutung, dass die Ziele nicht wie bisher durch legislative Maßnahmen erreicht werden sollen, sondern durch die völlig neue Methode der offenen Koordinierung.
Bei meinem letzten Punkt möchte ich noch einen Blick auf die innere Sicherheit der Europäischen Union werfen. In diesen Monaten befasst sich die spanische Präsidentschaft intensiv mit diesem Problem. Es wird zum Beispiel über einen Aktionsplan zu einer gemeinsamen Politik bei der Bekämpfung der illegalen Ein
wanderung beraten. Die Organisation der illegalen Einwanderung hat sich zu einem profitablen Geschäft entwickelt. Pro Jahr fließen weltweit rund 12 Milliarden € in die Taschen internationaler Schleuserbanden.
Inzwischen gibt es einen Gesamtkomplex innen- und justizpolitischer Maßnahmen. Beispielhaft nenne ich das Übereinkommen über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten, EUROPOL, den europäischen Haftbefehl und die Task Force Police. Hier ist Schleswig-Holstein durch den Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium personell vertreten und beteiligt sich an der eingerichteten Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Meine Damen und Herren, zum Schluss kann ich nur feststellen: Die Bedeutung Europas nimmt für die deutschen Länder ständig zu.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Unsere Blicke sind auf Laeken gerichtet, dieses schöne Schloss in Brüssel. Seit Anfang des Jahres haben die meisten Bürger in Europa bereits eine handfeste Version eines gemeinsamen Europas in der Hand: den Euro. Immerhin wurde dieser große Schritt in einem über zehn Jahre dauernden Kraftakt geschafft. Wir dürfen erstaunt feststellen, dass die Menschen diesen Vorgang emotional positiv begleitet haben.
Spätestens jetzt wurde uns allen bewusst, dass wir in einem gemeinsamen Europa leben und welche Chancen dieses gemeinsame Zusammenleben hat.
Gleichzeitig wird aber deutlich, welche gravierenden Unterschiede immer noch zwischen den einzelnen Staaten in Europa bestehen. Hiermit sind nicht die Unterschiede gemeint, die wir bei unseren Urlaubsfahrten in das europäische Ausland gerne genießen und bestaunen, sondern es sind die Unterschiede hinsichtlich der Ernsthaftigkeit gemeint, mit der eine gemeinsame Europäische Union vorangetrieben wird. Für Deutschland sehe ich hierbei eher negative Einflüsse im Vordergrund; denn dem Bürger wird immer mehr der Eindruck vermittelt, dass politische Entscheidungen, die weit in die Zukunft reichen, insbesondere,
Die Einsetzung eines Konvents zur Vorbereitung einer europäischen Verfassung hat eine breite Zustimmung gefunden, auch in Deutschland. Dieses Gremium ist nach den Erfahrungen mit dem Konvent von Nizza sicherlich ein geeignetes Instrument, um relativ unkompliziert Fortschritte zu erzielen. Nur müssen wir Deutsche uns diesmal fragen, ob wir zu einer optimalen Besetzung dieses Gremiums beigetragen haben.
So müssen wir anerkennend feststellen, dass die anderen EU-Mitglieder von Ministern, hoch angesehenen Ex-Regierungsmitgliedern, in jedem Fall aber von politischen Schwergewichten im EU-Reformkonvent vertreten werden. Deutschland hingegen, das sowohl ökonomisch als auch mit seinem Bevölkerungsanteil eine wichtige Rolle in Europa spielt beziehungsweise spielen soll, entsendet Politiker aus der zweiten Reihe. So stellt sich uns die Frage: Wer ist Jürgen Meyer?
- Jürgen Meyer. - Nun gut, mit Peter Glotz, dem ehemaligen Querdenker aus der ersten Reihe der SPD, an seiner Seite ist ein gewisser Ausgleich geschaffen. Ob aber der biedere Schwabe Erwin Teufel geeignet ist, verehrte Freunde von der CDU, europäische Visionen nach vorne zu tragen, da sind Zweifel angebracht.
So ehrenwert die vorgeschlagenen Vertreter auch sein mögen: Ein Abgeordneter Jürgen Meyer spielt in einer anderen Liga als der ehemalige französische Staatspräsident Giscard d’Estaing, der den Konvent leiten soll. Hätten nicht auch wir Persönlichkeiten stellen können, die auf europäischer Ebene durchaus bekannt sind und bei den europäischen Partnern als ebenbürtig angesehen werden?
Mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog haben wir schon einmal eine gute Wahl getroffen. Andere politische Schwergewichte hätten der Angelegenheit aus deutscher Sicht noch mehr Schub bringen können. Ich denke hierbei an Wolfgang Schäuble und als Liberaler natürlich auch an Hans-Dietrich Genscher.