Protocol of the Session on November 15, 2001

Land herangetreten sind, um eine betreute Grundschule an ihrer Schule aufzubauen.

Die Dynamik, die hierdurch entsteht - das macht mich ziemlich hoffnungsvoll -, wird auch im Bereich der Ganztagsbetreuung ihren Druck entfalten. Es wird dann gar nicht anders möglich sein, als die erfolgreich eingerichteten Projekte fortzuführen. Allerdings - das ist bei dieser Dynamik ein Wermutstropfen - werden Eltern an Schulen in sozialen Brennpunkten wahrscheinlich nicht zur Speerspitze der Bewegung gehören. Wir haben die Verantwortung - die Kommunen haben sie, aber auch wir als Land -, dass hier keine Gerechtigkeitslücke entsteht. Insofern hat unser Berichtsantrag den Schwerpunkt genau hierauf gelegt. Wir müssen also noch im Ausschuss beraten, wie wir dem Rechnung tragen.

Ich möchte an dieser Stelle auf ein aktuelles Beispiel aus Lübeck eingehen. So vertritt der Verband der bisherigen betreuten Grundschulinitiativen in Lübeck 25 Einrichtungen mit 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die 800 Schulkinder betreuen. Er wird nach wie vor ehrenamtlich geführt. Dieser Verband streitet in Lübeck mit der kommunalen Verwaltung derzeit um einen Zuschussbetrag von 2 Millionen DM und um mehrjährige Vereinbarungen. Das zeigt ein großes Maß an Professionalität.

An dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass diese Professionalität nicht unwesentlich gefördert wurde durch einen landesweiten Verband der Beschäftigungsinitiative, des Beschäftigungsverbandes „Arbeit für Alle“, der einzige Träger, der in Schleswig-Holstein in großem Maßstab arbeitswilligen, arbeitsuchenden Frauen und insbesondere Müttern den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht oder sinnvolle Beschäftigung auf dem zweiten Arbeitsmarkt geschaffen hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist richtig, an dieser Stelle an diesen Verband zu erinnern. Dieser erfolgreiche Verband droht angesichts der neuen Arbeitsmarktbedingungen, in schweres Fahrwasser zu geraten. Wir brauchen natürlich auch solche Unterstützungsinstrumente. Insofern ist es wichtig, dass die Sozialministerin bei diesem Projekt mit im Boot ist.

Sonst wird es uns nicht gelingen, das ehrgeizige Projekt einer Ganztagsbetreuung in Schleswig-Holstein landesweit zu realisieren.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte auf ein Zweites hinweisen. In Lübeck kostet ein Ganztagsbetreuungsplatz in der Kindertages

(Angelika Birk)

stätte derzeit bis zu 370 DM Elterngebühren und es ist in der Diskussion, diese Gebühren auf 450 DM anzuheben. Landesweit sind Elterngebühren bis zu 500 DM bekannt. Die großen Finanzierungs- und Qualitätsunterschiede zwischen einerseits Ganztagsoder Halbtagsbetreuung an Schulen und andererseits Hort- und Ganztagsbetreuung in der Kindertagesstätte stimmen schon nachdenklich.

Wir Grünen betrachten deshalb das öffentlich vorgestellte Konzept, das die drei Ministerinnen über die Berichte hinaus der Öffentlichkeit vorgestellt haben, als eine notwendige Grundsteinlegung für ein neues Haus der Ganztagsbetreuung in Schleswig-Holstein. Der Bauplan hierfür kann allerdings nur gelingen, wenn Hortbetreuung, erzieherische Einzelfallhilfe nach dem Jugendhilfegesetz und auch die Ganztagsbetreuungsangebote und die betreuten Grundschulangebote, die wir bisher haben, in einem gemeinsamen Gesamtkonzept noch einmal neu miteinander verknüpft werden.

Wir wissen, dass dies nicht innerhalb von wenigen Monaten, wie sie für den Bericht zur Verfügung standen, möglich ist, sondern dass hierzu natürlich ausführliche Verhandlungen auch seitens der Sozialministerin mit den Kommunen notwendig sind. Gerade weil man hier nichts zerstören darf, sondern alle positiven Kräfte bündeln muss, bedeuten diese Verhandlungen Geduld und ein großes Eingehen auch auf die Wohlfahrtsverbände, die ja diesbezüglich einen erheblichen Anteil leisten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Land Nordrhein-Westfalen verweisen, das interessante Modelle hierzu entwickelt hat. Entscheidend ist für uns, dass die Qualität und die Quantität ausgeweitet werden und nicht leiden. Wir verstehen dieses neue Konzept also nicht als ein Dumpingangebot, sondern als eine Quantitäts- und Qualitätsoffensive, und wir freuen uns, wenn die Landesregierung mit drei Ministerien diesen Gesamtauftrag des Landtages unterstützt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war gut!)

Eine Bemerkung vorweg. - Die ist auch gut.

(Heiterkeit)

Der dem Bericht zugrunde liegende Antrag war breit gefasst. Das geht auch aus den einleitenden Bemerkungen des Berichts hervor. Der Antrag geht von einem umfassenden Verständnis von Kooperation aus, und genau das spiegelt sich in dem wider, was wir vom Ministerium bekommen haben.

Wir begrüßen, dass wir mit dem Bericht einen Überblick über den aktuellen Sachstand erhalten haben. Damit haben wir auch ein gutes Hilfsmittel für die weitere Arbeit im Ausschuss an die Hand bekommen. Denn wenn es um Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe geht, stehen wir erst am Anfang.

Heute werde ich insbesondere auf einen bestimmten Aspekt eingehen, nämlich auf den Aspekt der Betreuung, was natürlich damit zusammenhängt, dass die Landesregierung kürzlich parallel zu diesen übergeordneten Bestrebungen, die in dem Bericht zum Ausdruck kommen, Richtlinien für die Einführung einer Ganztagsschule dargelegt hat. Ich denke, es ist richtig, darauf einzugehen. Alles andere werden wir sicherlich zur Genüge im Ausschuss debattieren.

Über einige Dinge besteht aber glücklicherweise weitgehend Einigkeit. Wir wollen, dass Schulen verstärkt auch außerhalb des Unterrichts für die Kinder da sind, und wir wollen, dass die Jugendhilfe auch in den Schulen stattfindet. Wir wollen, dass die Menschen aus beiden Bereichen mit ihren unterschiedlichen Zielsetzungen gemeinsam daran arbeiten, den Familien eine verlässliche Betreuung zu bieten, möglichst gute Startchancen in das Leben zu sichern und individuellen und sozialen Problemen vorzubeugen. Allerdings scheint uns noch einiges zu trennen, was den richtigen Weg dorthin und den erforderlichen Mitteleinsatz betrifft.

Sozusagen das Minimum ist die Möglichkeit der Betreuung für alle Kinder außerhalb des Schulunterrichts. Die Eltern müssen sich zumindest darauf verlassen können, dass ihre Kinder nicht auf der Straße stehen und sinnvoll beschäftigt werden. Dies ist bisher auch nicht flächendeckend gewährleistet. Aber die Landesregierung hat mit ihrer neuen Förderung von Ganztagsbetreuungsangeboten für Haupt-, Sonder- und Gesamtschulen zumindest - ich sagte es schon - einen weiteren Schritt in diese Richtung getan.

Allerdings meinen wir, dass mit 60.000 DM und der Mindestanforderung von zwei Nachmittagen pro Woche kaum ein ausreichendes pädagogisch sinnvolles Angebot gewährleistet werden kann. Solange dies die Standards für die Ganztagsbetreuung sind, bleiben reine Jugendhilfeangebote wie Kinderhorte und Häu

(Anke Spoorendonk)

ser der offenen Tür die bessere Alternative, weil sie pädagogisch ein besseres Niveau gewährleisten.

(Beifall beim SSW)

Die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe kann Großes leisten. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel, wenn es wirklich darum geht, die verschiedenen Zielsetzungen der beiden Bereiche in einem Konzept für die Kinder und Jugendlichen miteinander zu verbinden. Allerdings ist derjenige blauäugig, wer nicht erkennt, dass der Bereich der Jugendhilfe allein schon aufgrund der in diesem Bereich niedrigeren Gehälter und aufgrund der dort üblichen Praktiken wie Ehrenamt, geringfügige Beschäftigung und Honorarkräfte ein Vorwand für Kosteneinsparungen sein kann. - Ich sage nicht, dass dies die Intention ist, aber die Gefahr besteht.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Betreute Grundschule und Ganztagsschule sollen aber keine reine Aufbewahrung zum Billigtarif ohne ausreichend gesicherte pädagogische Qualität sein. Dann jedenfalls hätten sie die Überschrift, unter der wir sie heute diskutieren, nicht verdient. Das Ziel der Landesregierung - ich zitiere aus dem Bericht -, die präventive und entwicklungsfördernde Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu stärken, ist damit kaum zu erreichen.

Das gilt allerdings auch für die Vorstellungen der CDU von der Ganztagsschule. Auch das muss ich deutlich machen. Schule und Jugendhilfe sollen einander nicht ersetzen, sondern ergänzen. Damit lassen sich Aufgaben bewältigen, die beide, jeder für sich, nicht bewältigen können. Die erhofften Synergiewirkungen der Bereiche, die unterschiedlichen Sozialisationsleistungen von Schule und Jugendhilfe lassen sich nicht durch eine in den Nachmittag verlängerte Schulzeit ersetzen. Die Vorstellungen der CDU von ganztägiger Schule, so wie ich sie jedenfalls in den Debatten wahrgenommen habe, sind ja Vorstellungen nach französischem oder ähnlichem Strickmuster und zielen also auf eine Erweiterung der Schulzeit ab. Ich denke nicht, dass das ein Zukunftsmodell für unser Schulwesen sein kann. Denn die Ganztagsschule trägt eben nicht genug dazu bei, die Kinder und Jugendlichen durch die besonderen Vorteile der Jugendhilfe zu fördern. Die Angebote am Nachmittag sollen etwas anderes sein als die Bildungsvermittlung im schulischen Sinne. Sie vermitteln andere Erfahrungen, bieten den Kindern andere Chancen, verfolgen andere Ziele und bringen die Kinder mit Erwachsenen in anderen Räumen als der von Lehrern und Schülern zusammen.

Die optimale Lösung liegt also dazwischen, ist ein pädagogisch wertvolles Angebot, das den Kindern eine optimale Freizeitgestaltung gestattet und den Eltern die Berufstätigkeit ermöglicht. Denn auch das ist ja Ziel der Bestrebungen. Allerdings glaube ich nicht daran, dass sich solche Ziele mit den Förderrichtlinien der Landesregierung erreichen lassen. Auch das muss ich deutlich sagen. Das gilt noch mehr, wenn die Angebote zusätzlich mit der Hoffnung verbunden sind, bestimmten Gruppen bessere Lebenschancen zu vermitteln, zum Beispiel durch besondere Bemühungen um die Integration von Kindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilien. Gerade hier kann eine bessere Verzahnung und Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe etwas leisten. Aber solche präventiven Projekte erfordern einen wesentlich höheren Mitteleinsatz. Hierzu fehlen im Bericht deutlichere Aussagen der Landesregierung. Wie will man sich zu solchen ambitionierten Projekten verhalten, die hochwertige Integrationsarbeit leisten und im qualifizierten Dialog von Schule und Jugendhilfe Konflikte wie den problematischen Übergang von Schule in Berufsausbildung lösen wollen? Ich habe im Bericht keine verbindlichen Antworten gefunden.

Aber nicht nur in solchen Punkten scheint eine gewisse Lücke zwischen allgemeinen Zielsetzungen der Landesregierung und ihren praktischen Handlungsempfehlungen zu bestehen. Einen Widerspruch zum erklärten Ziel der Chancengleichheit sehe ich auch darin, dass Kinder in Schulen in freier Trägerschaft offensichtlich kein Recht auf gesicherte Betreuungszeiten und pädagogische Förderung außerhalb des Schulunterrichts haben.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist wirklich schwer zu verstehen, dass die Förderung von Ganztagsangeboten durch die Landesregierung ausschließlich für Schülerinnen und Schüler in den öffentlichen Schulen gelten soll. Sowohl die Kinder in den dänischen Schulen wie auch die in freier Trägerschaft werden hier schwer benachteiligt. Zur Begründung gibt es kein inhaltliches Argument, sondern lediglich die Nöte des Finanzministers.

(Beifall bei SSW und vereinzelt bei der CDU)

Aber die kann man bestimmt nicht auf dem Rücken der Kinder lösen. Damit schickt das Land leider abermals ein falsches Signal für diesen Bereich.

Die Zielsetzung aber ist richtig. Nur durch eine bessere Verzahnung von Schule und Jugendhilfe ist eine effektive Vorbeugung und Bearbeitung von Problemen möglich, sei es nun der Rechtsextremismus, das Schu

(Anke Spoorendonk)

leschwänzen oder die Probleme besonderer Gruppen, vor allem der Migrantenkinder. Nur wenn Schulpädagogen, Sozialpädagogen und andere kompetente Fachbereiche gemeinsam vorgehen, lassen sich bestimmte Probleme der Kinder und Jugendlichen Erfolg versprechend angehen. Dazu muss man dann allerdings auch die entsprechenden Mittel bereitstellen. Unsere Kinder sollten es uns wert sein.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erteile ich jetzt Frau Ministerin ErdsiekRave.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Bericht, den wir Ihnen heute vorgestellt haben, eines Tages als ein Meilenstein in der Jugend- und Bildungspolitik des Landes angesehen werden wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir haben diesen Bericht auch nicht deswegen gemacht, weil sich hier zwei Ministerinnen verschworen haben, wie ich neulich gesagt habe, oder weil sie sich gut verstehen und ihre Häuser besser zusammenarbeiten wollen. Vielmehr haben wir diesen Bericht erstellt und Dinge auf den Weg gebracht, weil es uns um die Jugendlichen und ihre Probleme und um die Probleme von Familien geht. Zwei getrennte Systeme sollen näher zueinander gebracht werden, weil sie mit denselben jungen Menschen arbeiten. Darum geht es nämlich. Wir haben uns in den letzten Monaten bemüht, dafür klare Strukturen zu schaffen und insbesondere bei der Finanzierung und Konzipierung von Ganztagsangeboten etwas gemeinsam auf den Weg zu bringen. Die Mittel sind zugegebenermaßen knapp, das verschweigt auch niemand. Ich kann aber nicht ein Wolkenkuckucksheim eines flächendeckenden Angebots der Ganztagsschulen ausbreiten und gleichzeitig nicht sagen, wie ich das überhaupt jemals finanzieren will.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Liebe Frau Kollegin Spoorendonk, Sie haben von den Finanznöten des Finanzministers gesprochen. Dies sind die Rahmenbedingungen, unter denen wir alle hier arbeiten und beschließen. Es ist nicht der Finanzminister, der Probleme hat, sondern es ist das Land, das trotz dieser knappen Mittel noch gestalten will. Ich

bin froh, dass wir diese Mittel für einen Einstieg in mehr Ganztagsangebote jetzt endlich zur Verfügung haben. Es ist zugegebenermaßen nur ein Einstieg.

Die Probleme, Herr de Jager, um die es eigentlich geht, und unsere Ganztagsangebote kamen in Ihrem sehr oberflächlichen und sehr verkürzten polemischen Redebeitrag überhaupt nicht zur Sprache. Diese Probleme sind aber wirklich vielfältig. Es geht um die Jugendlichen, es geht um die mangelnde Erziehungskraft der Eltern, die den Schulen immer mehr Verantwortung und immer mehr Schwierigkeiten aufbürden, mit denen sie alleine nicht mehr klarkommen. Deswegen ist der Ansatz, Schule und Jugendhilfe zusammenzubringen und die unterschiedlichen Fähigkeiten, die im Umgang und der Erziehung von Jugendlichen vorhanden sind, zu nutzen und gemeinsam ein geeignetes Angebot zur Problemlösung zu schaffen, sinnvoll.