Protocol of the Session on October 19, 2001

Die Pattsituation, so wie sie bisher hier im Lande bestanden hat, darf sich aus meiner Sicht nicht wiederholen, insbesondere mit den Auswirkungen auf Patien

tinnen und Patienten. Sie dürfen nicht auch noch mit Rechnungen belastet werden.

(Beifall bei FDP, SPD, CDU und SSW)

Uns allen ist hautnah vorgeführt worden, das es trotz verschiedenster Vermittlungsversuche und Appelle nicht möglich war, die Parteien an einen Tisch beziehungsweise zu einer Lösung zu bringen. Ich will nicht mehr erleben - das sage ich ganz deutlich an alle Beteiligten -, dass wir im Sozialausschuss sitzen und die eine Seite sagt, sie unterbreite ein Angebot, und die andere Seite sagt: Das glauben wir aber nicht. Das ist keine Art, Lösungen zu suchen oder Kompromisse zu finden. Das ist gar keine Art, wie man den Bürgern draußen signalisiert, dass man Politik für sie macht.

(Beifall bei FDP, SPD und SSW und verein- zelt bei der CDU)

Da das sicherlich nicht einfach wird, haben wir vorgeschlagen, eine Schlichtungsstelle zu installieren. Denn wir sind der Auffassung, nur durch eine Schlichtungsstelle sind sowohl die Träger des Rettungsdienstes als auch die Krankenkassen gezwungen, miteinander zu reden, und zwar durch eine eingefügte Frist, das heißt innerhalb eines ganz bestimmten Zeitraumes. Die Schlichtungsstelle hat das Ziel, eine monatelange Diskussion, wie sie uns bislang beim Thema Fehlfahrten vorexerziert wurde, zu vermeiden.

Ich finde es in der Tat traurig, dass die Kommunen und die Krankenkassen bisher nicht in der Lage gewesen waren, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wenn Verhandlungen dermaßen festgefahren sind, dass sich letztlich der Gesetzgeber gezwungen fühlt - ich glaube, alle Fraktionen hier sahen sich gezwungen, endlich irgendetwas zu tun -, diesen Konflikt aufzubrechen, durch rechtliche Vorgaben einzugreifen und minuziöse Verfahrensregelungen vorzuschreiben, die wir - das sage ich insbesondere für meine Fraktion - gern vermieden hätten, dann ist das für gewöhnlich eine eher schlechte Basis für die Zukunft. Umso eindringlicher möchte ich mich den Appellen meiner Vorredner anschließen und an die Vertragsparteien appellieren, nicht nur die von uns vorgeschlagene Regelung zu akzeptieren, sondern baldmöglichst eine einvernehmliche vertragliche Regelung für die Vergangenheit zu finden; denn wir können keine Gesetze beschließen, die für die Vergangenheit wirken. Wir können nur appellieren, dass die Problematik, die aus der Vergangenheit rührt, am Verhandlungstisch gelöst wird.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Lieber Kollege Jahner, natürlich freue ich mich, dass sich die stärkere Einbindung der tatsächlichen Leistungserbringer zumindest in der Resolution niederge

(Dr. Heiner Garg)

schlagen hat. Sie wissen, wir hatten uns deutlich mehr vorgestellt und mehr gewünscht. Aber auch wir waren bereit, im Sinne einer Kompromisslösung zurückzustecken, weil wir dieses Problem endlich vom Tisch haben wollten. Normalerweise ist es nicht meine Art, mit einer Dankesorgie zu enden. Aber in diesem Fall möchte ich mich doch bei Frau Ministerin Moser und ihrem Staatssekretär für die ausgearbeitete Vorlage ganz herzlich bedanken. Ich glaube, wir haben einen ganz ordentlichen Vorschlag unterbreitet, für den ich jetzt um Ihre Zustimmung bitte.

(Beifall bei FDP, SPD und SSW und verein- zelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Angelika Birk.

Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Alles ist schon von allen gesagt fast. Eine kleine Anmerkung darf ich mir nicht verkneifen. Dieses Thema ist insofern ein Lehrstück für Demokratie, als alle Parteien und die Landesregierung ihren Beitrag geleistet haben. Wir waren es, die dieses Thema zum ersten Mal in den Landtag eingebracht haben. Die CDU hat mit einem schlichten Satz versucht, die Leerstelle zu füllen, die es für einen Gesetzesantrag braucht. Die FDP hat ihre Anregung nachgeschoben. Das hat die Koalitionsfraktionen, die sich mit der Behandlung des Themas sowieso schon unter Druck gesetzt haben, noch mehr unter Druck gesetzt. Die Einbringung Ihres Vorschlags in den Landtag, Herr Garg, hat mit dafür gesorgt, dass wir, die Koalitionsfraktionen, gut beraten waren, nicht noch ein weiteres Mal auf mahnende Worte der kommunalen Landesverbände zu hören, sondern endlich eine Entscheidung zu fällen. Insofern haben alle beigetragen, last but not least die Regierung mit einem sehr gut ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag.

Dies hier ist insofern ein Lehrstück in Sachen Demokratie, als es darauf verweist, dass wesentliche Dinge, die die Menschen in ihrem Dasein in einer Weise betreffen, wie das etwa bei einem Notruf der Fall ist, offensichtlich nicht mehr vom Parlament gemacht werden. Wir können hier zwar eine Gesetzesgrundlage für das Land schaffen. Aber diejenigen, die sich einigen müssen, das sind nach wie vor die kommunalen Landesverbände und die Krankenkassen. Zu diesem Einigungsprozess gehört letztendlich auch die ganze Gruppe derjenigen, die die Rettungsfahrten machen.

Warum haben die Grünen nicht dem Vorschlag der FDP Rechnung getragen und gesagt: „Diese müssen als Dritte mit an den Tisch“? Das haben wir uns gut überlegt. Wir haben lange gezögert und kamen schließlich zu dem Schluss, dass das falsch wäre. Denn diese scheinbar demokratische Beteiligung aller, die am Prozess mitmachen, hätte dazu geführt, dass die Krankenkassen zwei „Gegner“ gehabt hätten, die sie gegeneinander hätten ausspielen können, und die Kommunen wären von ihrer wirklich fundamentalen Verantwortung für den Rettungsdienst ein Stück weit entbunden worden.

Wir finden, es muss Klarheit sein. Die Kommunen sind für die Organisation des Rettungsdienstes verantwortlich. Ob sie das selber machen, ob sie das Dritten übertragen, ob sie damit eine private Firma beauftragen, das ist ihre Sache. Sie müssen aber dafür geradestehen, dass es funktioniert.

Ich bin sehr dankbar, dass wir in Schleswig-Holstein seitens des Ministeriums über die entsprechenden Richtlinien auch Qualitätsanforderungen haben, sodass die Kassen nicht ein beliebiges Druckmittel in der Hand haben, nun alles ganz billig zu machen, sondern dass die Qualität erhalten bleiben muss; die wird ja durch das Gesetz nicht tangiert. Diese Richtlinien werden nicht außer Kraft gesetzt; sie gelten weiterhin. Es ist mir wichtig, das noch einmal zu betonen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Das Zweite, was auch ein Licht auf die Auseinandersetzungen wirft, wie wir sie im Augenblick im gesamten Bereich der Gesundheitspolitik haben: Wir merken zunehmend, dass die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Selbstverwaltung offensichtlich so konfliktreich sind, dass sie sozusagen wieder ans Parlament zurückgegeben werden. Was vor Jahren einmal an die Selbstverwaltung weitergegeben worden ist, kommt jetzt wieder zu uns zurück, weil sich die Selbstverwaltung unter dem Druck der Kosten nicht einig wird. Dies sollte uns grundsätzlich darüber nachdenken lassen, wie das Konzert zwischen Selbstverwaltung, Parlament und Regierung auf Landes- und auf Bundesebene neu geordnet werden muss.

Hier, Frau Moser, möchte ich Sie ganz deutlich ermutigen: Halten Sie an der Bundesratsinitiative fest. Wir sind hier in der Pflicht, dafür auch die notwendigen Mehrheiten mit organisieren zu helfen. Wenn das vielleicht nicht im ersten Anlauf klappt, so muss es doch irgendwann einmal klappen; denn es kann nicht sein, dass dadurch, dass Unklarheiten in der Bundesgesetzgebung sind, diese Konflikte in der Selbstverwaltung weiter wuchern.

(Angelika Birk)

Wir werden noch weitere Konflikte auf uns zukommen sehen. Auch Sie haben das ja sicherlich in den Medien verfolgt, dass es einen neuen Konflikt zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kliniken in der Frage gibt, was in der Klinik behandelt werden darf und was niedergelassene Ärzte tun müssen. Auch hier droht das zulasten der Patientinnen und Patienten ausgetragen zu werden.

Ich möchte auch hier diejenigen, die an diesem Streit beteiligt sind, nachdrücklich davor warnen, die Bürgerinnen und Bürger, die ihre Steuern zahlen und die gleichzeitig als Krankenversicherte ihren Versicherungsbeitrag zahlen, zwischen alle Stühle zu setzen und sie weder als Steuerzahlerinnen und -zahler noch als Versicherte zu ihrem Recht kommen zu lassen. Es darf nicht sein, dass sie um beide Rechte betrogen werden. Insofern sind wir als Parlamentarier gut beraten, diesen Prozess aufmerksam zu verfolgen und rechtzeitig einzugreifen.

Ich hoffe, dass dieses Zur-Kasse-gebeten-werden der Patienten ein Lehrstück ist, das sich nicht wiederholt, sondern dass es uns davor warnt, Prozesse leichtfertig laufen zu lassen. Wir müssen rechtzeitig eingreifen und dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger und die Patientinnen und Patienten in beiden Rollen zu ihrem Recht kommen. Das ist unsere Verantwortung als Parlamentarier; sie ist uns hiermit zuzückgegeben und ich denke, wir haben dieser Aufgabe ganz gut Rechnung getragen. Deshalb danke auch ich allen Beteiligten dafür, dass dies möglich gewesen ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Für den SSW hat jetzt Herr Landtagsabgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir eine parteiübergreifende Lösung für das Problem der so genannten Fehlfahrten für den Rettungsdienst gefunden haben, ist wirklich sehr zu begrüßen. Für etwas anderes hätte der Bürger auch kein Verständnis gehabt. Die Bürgerinnen und Bürger haben eine erhebliche rechtliche Unsicherheit gehabt, was die Übernahme der Kosten für diese Fehlfahrten betraf. Nun haben wir endlich einen Gesetzentwurf, der ausschließt, dass ihnen die Kosten für Fehlfahrten in Rechnung gestellt werden können.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Zumindest hoffen wir das, Herr Kollege.

Der Gesetzentwurf sieht eine Vereinbarung zwischen de Kostenträgern auf der einen Seite und den Trägern des Rettungsdienstes auf der anderen Seite vor. Darüber hinaus ist eine Schiedsstelle einzurichten, die in strittigen Fragen tätig wird. Auf jeden Fall sollen die Kosten für Fahrten, bei denen sich im Nachhinein herausstellt, dass es Fehlfahrten sind, den Bürgerinnen und Bürgern nicht in Rechnung gestellt werden. Das ist die Hauptsache.

In unseren Augen ist es auch gut, dass man weiterhin dabei bleibt, dass es sich im Rettungsdienst um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe handelt, die den Kreisen beziehungsweise den kreisfreien Städten obliegt und die sie gemeinschaftlich mit den Krankenkassen zu tragen haben. Es handelt sich hier um eine klassische Aufgabe der Daseinsvorsorge für die Menschen. Deshalb muss die Verantwortung für diese Aufgabe beim Staat bleiben. Die Durchführung dieser Aufgabe kann an Private übertragen werden; die Verantwortung kann die Politik aber nicht abgeben.

Ich verhehle nicht, dass wir sogar eine Übertragung der Durchführung an Private immer noch als problematisch einstufen. Nach unserer Auffassung lässt sich die für ein Unternehmen notwendige Gewinnerzielungsabsicht nur schwer mit den Zielen der Daseinsvorsorge in Einklang bringen.

Da wir aber nun einmal die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen haben, die für die kommunale Seite die Aufgabe des Rettungsdienstes ganz oder teilweise übernehmen, müssen wir selbstverständlich auch die Privaten angemessen beteiligen. Dies ist im Ausschuss auch von allen entsprechend betont worden. Daher bitten wir alle gemeinsam die Kommunen und die Kostenträger, dass sie die privaten Leistungserbringer am Gesamtverfahren, das heißt an den Verhandlungen, angemessen beteiligen mögen. Ich glaube, das ist ein transparentes Verfahren, mit dem alle Beteiligten leben können.

Das neue Rettungsdienstgesetz gilt nicht rückwirkend. Trotzdem wäre es das einzig Vernünftige, wenn die Kommunen für Fehlfahrten-Altfälle keine Gebühren in Rechnung stellten. In der Vergangenheit haben die Kreise und kreisfreien Städte doch eher versucht, die Kosten von den Bürgerinnen und Bürgern fern zu halten. An diesem Verfahren sollte die kommunale Seite in der jetzigen Übergangsphase festhalten und möglichst keine Gebühren für diese Fälle in Rechnung stellen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Lars Harms)

Alles in allem erhalten wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf endlich Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen in Zukunft keine Angst vor finanziellen Nachteilen zu haben, wenn ein Rettungswagen gerufen wird.

Im Rahmen der derzeitigen gesetzlichen Lage ist der vorliegende Gesetzentwurf ein guter Kompromiss, den wir mittragen können, und wir möchten uns ausdrücklich für die Einigungs- und Kompromissbereitschaft bezüglich des Rettungsdienstgesetzes hier im Hause bedanken.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der SPD)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Harms, ich wollte Sie nicht mit einer Zwischenfrage unterbrechen. Ich möchte nur noch einmal, weil Sie das offensichtlich auch im Ausschuss missverstanden haben, Folgendes klarstellen.

(Lachen der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Es geht uns nicht um die Vergabe des Rettungsdienstes ausschließlich an Private. Sie wissen doch selber, das sind die Organisationen, die nach § 6 Abs. 3 RDG gemeint sind - so wie sie auch in der Resolution stehen -, beispielsweise der ASB, das DRK oder auch der Malteser Hilfsdienst. Es geht nicht darum, den Rettungsdienst zu privatisieren, sondern es geht darum, die originären Leistungserbringer - das können selbstverständlich auch Private sein - stärker als bisher mit einzubinden, insbesondere dann, wenn für sie verhandelt wird. Das war die Absicht, das war die Intention, die wir gern noch weiter verfolgt hätten.

Dann ein letzter Satz dazu! Ich bin fest davon überzeugt, dass sich Daseinsvorsorge und deren privatwirtschaftliche Erbringung in Form einer Leistung auch nicht gegenseitig ausschließen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Für die Landesregierung hat jetzt Frau Gesundheitsministerin Moser das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Anmerkung zu dem Thema, das Frau Birk zusätzlich zum Rettungsdienst angesprochen hat, nämlich zum Streit zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Spezialambulanzen der Universitätskliniken. Hier, Frau Birk, haben wir eine gute Lösung, die auch rückwirkend greifen kann.

Ich gehe davon aus, dass noch am selben Tag, an dem ich das in die Welt gesetzt habe, die Kassen einen Vertrag mit den Kliniken ausgearbeitet haben - oder dabei sind -, um ihrerseits ohne KV die ambulanten Leistungen, die dort erbracht werden, zu finanzieren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist in Arbeit und wird dazu führen, dass dann, wenn die Kliniken auch flexibel genug sind, Patientinnen und Patienten eben nicht vor der Tür stehen oder selbst bezahlen müssen.