Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Schleswig-Holstein gibt es insgesamt 94 ÖPNV-Unternehmen. Bisher sind alle mehr oder weniger regional eingebunden. In Zukunft wird es so sein, dass diese Unternehmen auf einem geöffneten Markt konkurrieren werden, und zwar nicht nur untereinander, sondern auch auf europäischer Ebene. Zurzeit gibt es nur wenige ausländische Betreiber und Investoren in diesem Bereich. Es werden aber mit Sicherheit in Zukunft mehr werden. Wenn man die 94 hier tätigen Unternehmen in Relation zu den 5.644 Beschäftigten in diesem Bereich setzt, kommt man auf eine durchschnittliche Unternehmensgröße von rund 60 Beschäftigten. Hierdurch wird deutlich, dass es sich bei unseren Unternehmen nicht um Großkonzerne, sondern oftmals um kleine und mittlere Unternehmen handelt.
In der großen Ausschreibungswelle, die über den ÖPNV-Sektor - und hier vor allem über den Busverkehr - hineinbrechen wird, werden möglicherweise viele dieser kleinen und mittleren Betriebe in ihrer Existenz gefährdet werden. Dies wird aus der Antwort auf die Große Anfrage der Grünen nicht so deutlich,
Natürlich zahlen alle Unternehmen einen bestimmten Lohntarif, aber schon innerhalb Schleswig-Holsteins und innerhalb einzelner Regionen werden von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedliche Tarife gezahlt. Denkt man nun an einen europaweiten Wettbewerb, so ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass noch weitere Lohntarife hinzukommen werden. Wie die Antwort auf die Große Anfrage deutlich macht, ist schon jetzt mit einem erheblichen Preisdruck - und damit auch mit einem erheblichen Druck auf die Lohntarife - zu rechnen.
Öffentliche Verkehrsbetriebe haben schon mit Lohnsenkungen reagiert, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Und wie man auf Seite 24 lesen kann, schlägt das Land in seinen Ausschreibungsempfehlungen vor, den Tarifvertrag für das private Omnibusgewerbe als Untergrenze vorzusehen, wenn es um Ausschreibungen geht. Nebenbei bemerkt möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass dieser Tarif nicht gerade als der fortschrittlichste in der Branche gilt und selbst große Unternehmen aufgrund der Tatsache, dass viele Beschäftigte wegen dieses Tarifs abwandern, diesen Tarif nicht mehr anwenden, sondern bessere Tarife gewähren. Trotzdem, der Druck bleibt.
Die Landesregierung zieht durchaus die richtige Schlussfolgerung, dass ein fester Lohn- und Manteltarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt werden muss. Dies ist in der Praxis leider gegenwärtig nicht der Fall. Die Lösung wäre, einen vor Ort gültigen Lohntarif festzuschreiben, auf dessen Basis alle Bewerber konkurrieren. Dies würde nicht nur den sozialen Standard der Beschäftigten im ÖPNV vor Ort absichern, sondern auch den betroffenen Unternehmen und Verkehrsgemeinschaften die Möglichkeit eröffnen, zu gleichen Bedingungen am Markt zu konkurrieren.
Dies ist auch die Zielrichtung, die wir mit unserem Gesetzentwurf für ein Landesvergabegesetz verfolgen, den wir heute Nachmittag behandeln werden. Insofern sind wir dankbar, dass die Große Anfrage noch einmal deutlich macht, wie wichtig und notwendig schnelle Maßnahmen in diesem Bereich sind.
die Verbände der Verkehrsunternehmen fordern, die Vergabe von Aufträgen im Rahmen von Ausschreibungen an die Tariftreue und an andere Ziele zu koppeln. Das ist also nicht eine SSW-Idee, sondern sie kommt von der Basis und auch aus der Unternehmerschaft.
Auch der Vorschlag der EU-Kommission zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungen im Personenverkehr, auf den in der Großen Anfrage ausführlich eingegangen wird, basiert auf diesen Forderungen. Ob die Verordnung nun wortgleich in der aktuellen Fassung umgesetzt wird oder ob noch Änderungen vorgenommen werden, wie es der Bundesrat wünscht - der Tenor wird gleich bleiben. Es besteht das Ziel, einen kontrollierten Wettbewerb zu erhalten, in dem die Tariftreue festgeschrieben ist und andere wirtschaftliche und soziale Standards gesichert sind. Genau das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf erreichen, aber mehr dazu heute Nachmittag.
Es geht ja in der Großen Anfrage nicht nur um die einzelnen Verkehrsunternehmen, sondern auch, wenn auch nur recht kurz, um die für die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs notwendigen Infrastrukturmaßnahmen. Straßenbaumaßnahmen bergen natürlich auch immer den Effekt, dass auch der Individualverkehr hiervon profitiert und so eine Stärkung des ÖPNV nicht so einfach nachweisbar ist. Trotzdem glaube ich, dass sich manch ein qualitativer Ausbau des Straßennetzes auch positiv auf den ÖPNV auswirkt.
Deutlicher werden die Verbindungen zwischen ÖPNV und Infrastrukturmaßnahmen aber vor allem bei der Verbesserung der Schienenanbindung. Ich gehe ebenso wie Herr Hentschel davon aus, dass wir es wirklich schaffen, in den nächsten Jahren, vielleicht schon 2002/2003, einen integrierten Taktfahrplan für Schleswig-Holstein bei der Bahn einzuführen.
Selbstverständlich werden dann auch die Busfahrpläne und somit der ÖPNV auf dieses Taktverfahren ausgerichtet werden. Gerade dann kommt den Infrastrukturmaßnahmen bei der Bahn eine erhebliche Bedeutung zu. Nur wenn das Angebot der Bahn attraktiv genug ist, wird man auch den mit der Bahn verbundenen ÖPNV optimal nutzen können und wollen. Deshalb sind Verbesserungen der Bahninfrastruktur dringend erforderlich.
Ich nenne als Beispiele den Ausbau der Verbindung von Niebüll nach Tondern, aber auch die Beseitigung der derzeitigen Langsamfahrstrecken auf der Rendsburger Hochbrücke und auf der Hochdonner Hoch
Ein anderes Brückenprojekt kann, Herr Kollege Poppendiecker und Herr Kollege Eichelberg, demgegenüber in der Tat erst einmal warten. - Jetzt sind wir schon drei!
Nun zu etwas völlig anderem: Unter Frage 18 wird auf die Finanzierung des Schülerverkehrs eingegangen. Es wird festgestellt, dass die Schülerbeförderung laut Schulgesetz zu zwei Dritteln von den Kreisen und zu einem Drittel von den Schulträgern und damit von den Kommunen getragen wird. Was fehlt, ist eine Aussage zur Finanzierung des dänischen Schülerverkehrs im Landesteil Schleswig. De facto ist es so, dass die Kreise für den gesamten Schülerverkehr der dänischen Schüler nicht die vollen zwei Drittel zahlen und dass sich auch die Gemeinden zu einem erheblichen Teil nicht an den Kosten beteiligen, wie sie es ansonsten bei den öffentlichen Schulen über die Schulverbände tun. Hier besteht beim Landesgesetzgeber immer noch Handlungsbedarf. Ich finde, es hätte der Landesregierung gut angestanden, im Rahmen der Großen Anfrage kurz auf diese Finanzierungsproblematik einzugehen,
zumal sich gerade der Dänische Schulverein in der Vergangenheit sehr darum bemüht hat, seine Schülerverkehre in den Linienverkehr zu integrieren und so den ÖPNV zu stärken, was bestimmt nicht immer leicht war und womit andere viel, viel größere Schwierigkeiten haben.
Letztlich ist es aber so, dass all unsere Maßnahmen in Bezug auf ÖPNV und vor allen Dingen auch auf Bahnverkehr, auf die Vernetzung unserer Bahnverkehre mit dem ÖPNV immer davon abhängen werden, wie wir die politischen Zielsetzungen, die wir haben, auch wirklich umsetzen können. Ich habe das Gefühl, dass wir nicht daran vorbeikommen, schnell eine Lösung zu finden, wie man das Streckennetz der DB AG wieder dorthin zurückführen kann, wo es hingehört entweder in Bundeshände oder, wie Herr Hentschel in meinen Augen richtig sagt, in Landeshände, sodass wir selbst steuern können, was wir über die Ausschreibungen erreichen wollen. Ansonsten haben wir eine Monopolstellung, die dem Wettbewerb in keinem Falle dienlich ist.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit schließen wir die Beratung und treten in die Abstimmung zunächst zu Tagesordnungspunkt 8 ein. Ein Antrag ist nicht gestellt. Wie soll verfahren werden?
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich beantrage, den Antrag der CDU dem Wirtschaftsausschuss und die Gro- ße Anfrage zur abschließenden Beratung dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen!)
- Gut. Wer so verfahren möchte, dass wir die Antwort auf die Große Anfrage dem zuständigen Wirtschaftsausschuss des Landtages zur abschließenden Beratung überweisen, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig. Damit wird so verfahren.
Der Antrag der CDU soll zur weiteren Behandlung dem zuständigen Wirtschaftsausschuss überwiesen werden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das ebenfalls einstimmig so beschlossen. Damit sind die Tagesordnungspunkte 8 und 21 erledigt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 32 zur gemeinsamen Beratung auf:
Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Bildungsausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. von Hielmcrone, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Februar-Tagung des Landtages habe ich das Konzept der Landesregierung zur Lehrernachwuchssicherung vorgelegt und der nachfolgende Tagesordnungsbericht befasst sich erneut mit diesem Thema. Auch die Frage der Referendarbezüge für Lehramtsanwärter an beruflichen Schulen hängt unmittelbar damit zusammen.
Um eines vorwegzunehmen: Im länderweiten Wettbewerb um Nachwuchslehrkräfte sieht SchleswigHolstein nicht schlecht aus. Das wird auch in diesem Jahr so sein. Es war in den vergangenen Jahren so, dass über 40 % der Bewerber um einen Arbeitsplatz in unseren Schulen aus anderen Bundesländern kamen. Dass die beruflichen Schulen mit ihrer zum Teil hervorragenden Ausstattung und oft vorbildlichen Entwicklung gerade im Schulmanagement ein attraktiver Arbeitsplatz sind, zeigt sich auch an der Reaktion auf unseren Bewerbungslotsen. Von den 1.027 Meldungen, die inzwischen bei uns eingegangen sind, sind immerhin rund 430 an einem Einstieg in die beruflichen Schulen interessiert. Das heißt, 40 % aller Nachfragen bei uns hatten Interesse an einem Einstieg in den Dienst an den beruflichen Schulen.
Dabei haben gerade die beruflichen Schulen den Vorteil, dass sie Quereinsteigern gute Perspektiven eröffnen können. So sind in dieser Schulart Lehrkräfte, die statt des ersten Examens ein Diplom vorweisen können, schon jetzt keine Seltenheit mehr. Das heißt, wir haben da schon eine Öffnung. Zurzeit wird an einer Änderung der Lehrerlaufbahnverordnung gearbeitet, die es auch Fachhochschulabsolventen eröffnen und gestatten könnte, in den Schuldienst einzusteigen.