Protocol of the Session on May 31, 2001

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ein großer Teil der Bewerber, die bei uns nachfragen, tut das vor dem Hintergrund eines Fachhochschuldiploms.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Abgesehen davon, dass wir damit einen akut bestehenden Bedarf decken wollen, bin ich übrigens auch der festen Überzeugung, dass die Lehrkräfte, die über einen Umweg in die Schule kommen, durch ihren besonderen Praxisbezug und ihren größeren Erfahrungshorizont viele Impulse geben können für eine Weiterentwicklung und Verbesserung der Schule, gerade der beruflichen Schulen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte mit aller Klarheit sagen: Ich betrachte diese Einstiegsmöglichkeit gerade im beruflichen Schulwesen nicht als einen Abstrich an der Qualität. Das ist wichtig festzustellen, weil es solche kritischen Bemerkungen in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit gegeben hat.

Dennoch brauchen wir natürlich den originären Berufsschullehrer und deshalb haben wir zum Wintersemester 1997/98 an der Universität Flensburg den Studiengang Lehramt an beruflichen Schulen, Diplomberufspädagogik, eingerichtet. Heute studieren in diesem im Aufbau begriffenen Studiengang immerhin schon 77 junge Leute, wobei durchaus noch Kapazitäten frei sind und wir natürlich weiterhin dafür werben, dass dieser Lehramtsstudiengang angenommen wird.

Was ich mit dieser Vorrede deutlich machen will: Das Problem der Nachwuchssicherung ist komplex und es ist nicht allein dadurch zu lösen, dass man ein bisschen mehr Geld in die Hand nimmt, zumal es bereits nach geltendem Recht für die Lehramtsanwärter die Möglichkeit gibt, ihre monatlichen Bezüge zu erhöhen. Zusätzlich zu den maximal elf Pflichtstunden, die sie im Rahmen des Referendariats an selbständigem Unterricht erteilen müssen, können sie einen Dienstvertrag abschließen. Auf diese Weise dürfen und können sie bis zu sechs Wochenstunden zusätzlich Unterricht erteilen, den sie entsprechend vergütet bekommen. Das bedeutet für einen Berufsschulreferendar, der sechs zusätzliche Wochenstunden gibt, zum Beispiel etwa zusätzlich 900 DM im Monat.

Dennoch möchte ich natürlich nicht leugnen, dass eine Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes hier helfen würde. Deswegen hat Schleswig-Holstein im Dezember 1999 die Frage des Lehrernachwuchses im berufbildenden Bereich auf die Tagesordnung der zuständigen Ministerkonferenz setzen lassen. Zu dem Maßnahmenbündel, auf das man sich dabei verständigt hat, gehörte auch die Frage der Verbesserung der finanziellen Situation der Referendare.

Auf einer der letzten Plenarsitzungen haben sich die Kultusminister auf ein Verfahren verständigt: Das

Präsidium der Kultusministerkonferenz sollte ein Gespräch mit dem Bundesinnenminister über diese Frage suchen mit dem Ziel, die Rücknahme der Absenkung der Anwärterbezüge zu erreichen und die Zahlung von Anwärtersonderzuschlägen und die Angleichung der Anwärterbezüge in den neuen Ländern an das Besoldungsniveau in den alten Bundesländern zu ermöglichen. Für diese Gespräche ist zunächst das Präsidium der KMK verantwortlich. Weitere Initiativen vonseiten der Bundesländer über den Bundesrat erfolgen darüber hinaus derzeit nicht.

Ich will mit aller Deutlichkeit sagen: Es wäre gut, wenn es zu einvernehmlichen und übereinstimmenden Regelungen in den Bundesländern käme, damit nicht eine neue Konkurrenzsituation entsteht. Der Bildungsausschuss hat sich dafür ausgesprochen, eine landeseigene Lösung zu prüfen, die die finanzielle Situation der Berufsschulreferendare verbessern soll. Diese Prüfung werden wir vornehmen, insbesondere auch in ihren Auswirkungen auf die Unterrichtssituation an den Schulen. Über diese Prüfung werden wir dem Bildungsausschuss berichten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat Frau Abgeordnete Sylvia Eisenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer wenn die Opposition konkrete Anträge stellt - so geschehen am 21. Februar dieses Jahres -, fordern die Regierungsfraktionen erst einmal einen Bericht der Landesregierung, um dieser die Gelegenheit zu geben, sich möglichst positiv darzustellen, was aber, wie Sie gleich feststellen werden, meistens nicht gelingt.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das!)

Der jetzt vorgelegte Bericht, der nur noch neun Seiten umfasst - im Unterschied zum letzten Bericht mit 14 Seiten -, ist quantitativ etwas geschrumpft; aber das soll nicht stören, denn entscheidend soll ja die Qualität sein.

Aber, was in diesem Bericht den Anschein von Qualität wecken soll, lässt sich mit den kurzen Worten umschreiben: Wer nicht weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis.

(Zurufe von der CDU: Sehr gut!)

Bereits seit 1996 nämlich befassen sich die Kultusministerien der norddeutschen Länder mit den Vorschlägen für den Einstellungs- und Ersatzbedarf zunächst

(Sylvia Eisenberg)

für Lehrerinnen und Lehrer an berufsbildenden Schulen. Ergebnis: Nach drei Jahren ist im Herbst 1999 eine Broschüre erschienen.

(Frauke Tengler [CDU]: Toll!)

Hier hat offensichtlich ein Berg mit viel Getöse gekreißt und ein Mäuschen ist herausgekommen.

Ebenfalls seit 1999 befasst sich die KMK mit dem Problem; wir haben es eben gehört. Ergebnis im Februar 2001: Länderübergreifende Arbeitskreise mit verschiedenen Themen wurden eingesetzt, um ein Maßnahmenbündel zu realisieren, das zum Teil durchaus gute Ansätze zeigt, so zum Beispiel die Öffnung für qualifizierte Quereinsteiger mit berufsbegleitender pädagogischer Qualifikation, wie sie die CDU bereits im Februar für die Einstellung von Fachlehrern gefordert hat, oder die Prüfung vorgezogener Einstellungsangebote und die Verkürzung von Wartezeiten für angehende Berufsschullehrer, bevor diese in den lukrativeren Bereich der Wirtschaft abwandern.

Dieses Maßnahmenbündel der KMK finden Sie im vorliegenden Bericht der Landesregierung beschrieben. Faktisch aber ist in Schleswig-Holstein außer der Erstellung eines Flyer seit 1996 nichts geschehen.

(Jürgen Weber [SPD]: So ein Blödsinn!)

Notwendig sind unserer Meinung nach unter anderem natürlich auch flexible Einstellungstermine, um angebots- und nachfragegerecht auch aus der Sicht der Schulen schneller Entscheidungen treffen zu können. Für diese von mir genannten Themenkomplexe ist allerdings das Land Schleswig-Holstein allein zuständig.

Frau Erdsiek-Rave, in diesem Bereich sind nicht nur Worte und Pläne und Arbeitskreise gefragt, sondern eben auch Taten. Andere Bundesländer wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, Hessen und auch Niedersachsen haben bereits mit der Umsetzung der KMKVorschläge begonnen. Darauf zu warten, dass vielleicht Berufsschullehrer aus den neuen Bundesländern den Ersatzbedarf gerade des Landes SchleswigHolstein decken könnten, ist kein Argument für die nahe Zukunft. Falls diese Lehrkräfte nämlich Ihr Interview, Frau Erdsiek-Rave, in der „SchleswigHolsteinischen Landeszeitung“ vom 22. März 2001 gelesen haben, werden diese Lehrkräfte das Land Schleswig-Holstein scheuen wie der Teufel das Weihwasser und in andere Bundesländer abwandern, die angehenden Lehrern bessere Rahmenbedingungen und Zukunftschancen bieten können und wollen.

(Jürgen Weber [SPD]: Was soll das denn heißen?)

Frau Erdsiek-Rave, Ihr Interview mit der Androhung der Verlängerung der Arbeitszeit, der Einschränkung der Teilzeitarbeit und der Rücknahme der Altersteilzeit für Lehrer hat Ihre Werbekampagne für mehr Lehrer für dieses Land ad absurdum geführt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich bezweifle auch, dass sich fertige DiplomMathematiker oder Diplom-Informatiker oder Elektrotechniker unter diesen Rahmenbedingungen für die Schulen werben lassen.

Auch - das betone ich wiederum - die niedrigen Anwärterbezüge, die zum Teil unterhalb des Gehalts eines Lehrlings im dritten Lehrjahr liegen, lassen keinen Diplom-Mathematiker vor Freude aufschreien.

(Beifall bei der CDU)

Wir fordern Sie daher nochmals dringend auf, auf die Erhöhung der Anwärterbezüge - vor allen Dingen auch für Berufsschullehrer - hinzuwirken.

Unseren Antrag hat der Landtag zwar am 21. Februar 2001 abgelehnt, aber das wird uns nicht daran hindern, das weiter zu fordern.

Wir fordern auch, aktiv das Problem der Anwärtersonderzuschläge anzugehen.

(Jürgen Weber [SPD]: Worüber reden Sie ei- gentlich?)

Wenn Sie, Frau Erdsiek-Rave, den föderalen Wettbewerb im Bildungswesen für wünschenswert halten, wie man aus dem Bericht entnehmen kann, dann setzen Sie sich, bitte schön, doch an die Spitze der Bewegung. Das 35-Millionen-DM-Loch haben schließlich nicht die Lehrer an den Schulen, sondern das Bildungsministerium verschuldet.

Erst wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wird auch die Werbung um neue und notwendige und vor allen Dingen qualifizierte Lehrkräfte an unseren Schulen Erfolg haben. Wenn Sie der Bildung und Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen den hohen Wert einräumen

(Glocke des Präsidenten)

- ich komme zum Schluss, Herr Präsident -, von dem Sie, Frau Erdsiek-Rave, immer reden, ist auch ein finanzieller Einsatz erforderlich. Setzen Sie sich beim Bund und bei Ihrem Finanzminister durch. Dann werden Sie von uns die Zustimmung bekommen. Daran werden Sie gemessen werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich darf neue Gäste begrüßen. Auf der Tribüne haben Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer der beruflichen Schulen am Schützenpark, Kiel, der Beruflichen Schulen Ravensberg, Kiel, und der Schule Rotenhof, Rendsburg, Platz genommen. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt Herr Abgeordneter Jacobs das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn dieser Tagesordnungspunkt mit dem Wort „Referendarbezüge“ überschrieben ist, geht es in dem vorgelegten Bericht um Maßnahmen zur Lehrernachwuchssicherung. Der Bericht gibt einen Überblick über die Anstrengungen des Landes in den letzten Jahren, den Lehrernachwuchs zu sichern und den Lehrerberuf wieder attraktiv zu machen.

(Sylvia Eisenberg [CDU]: Das hätte ich er- wartet!)

Das KLAUS-Konzept von 1996 brachte mit 450 neuen Stellen, aber auch mit unangenehmen Maßnahmen wie Arbeitszeiterhöhung und Wegfall von Ermäßigungs- und Ausgleichsstunden insgesamt einen Gegenwert von rund 1.600 Stellen für den Unterricht. Mit den 1.000 neuen Stellen, die wir bis 2005 schaffen, und dem Ersatz durch Pensionierungen frei werdenden Stellen müssen bis 2005 4.700 Lehrerstellen neu besetzt werden. Das ist mit den zu erwartenden Absolventen der Hochschulen des Landes nicht zu machen.