Protocol of the Session on May 31, 2001

Wir haben zum ersten Mal im Bundesverkehrswegeplan acht neue große Schienenvorhaben für SchleswigHolstein angekündigt. Vor fünf Jahren gab es ein einziges Schienenvorhaben, das Schleswig-Holstein überhaupt im Bundesverkehrswegeplan angemeldet hat. Das muss man wissen. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe großer Vorhaben. Das ist ein wichtiger Schritt.

Wir wollen regionale Schienenverkehre durch das Land übernehmen. Ich bin auch dafür, dass SchleswigHolstein die regionalen Strecken der Bundesbahn übernimmt, eine eigene Infrastrukturgesellschaft gründet und damit die Chance nutzt, die Nebenstreckenbetriebe effizient durch private Speditionen abwickeln zu lassen. Ich habe kein Problem damit, wenn sich die Bundesbahn aus der Fläche zurückzieht. Das sage ich ganz deutlich. Ich bin da völlig anderer Meinung, als es hier teilweise sowohl von Herrn Eichelberg als auch von Herrn Poppendiecker geäußert worden ist. Ich glaube, dass es gut ist, wenn sich die Bundesbahn aus der Fläche zurückzieht.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Das ist das Konzept, das in den USA zum Erfolg geführt hat. Die regionalen Strecken vor Ort müssen von regionalen Speditionen übernommen werden, die die Zuliefererbetriebe viel effizienter und wirtschaftlicher organisieren können, als es die Bundesbahn kann.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wer das nicht begreift und sagt, die Bundesbahn müsse alles weiter fahren, so sage ich dazu: Die Bundesbahn wird noch in zehn Jahren nicht in der Lage sein, regional effizient vor Ort alle Dinge vernünftig abzudecken. Die Speditionen in Schleswig-Holstein, die jetzt hauptsächlich auf den LKW setzen, werden das leisten können und auf die Schiene umsteigen. Wenn in drei Jahren die LKW-Maut kommt, dann werden sich auch die Preisrelationen ändern und wir werden eine ganz andere Situation in Schleswig-Holstein und bundesweit haben beim Umstieg von LKWs auf die Schiene.

Gestatten Sie mir, Herr Präsident, noch eine letzte Bemerkung zum Antrag der CDU-Fraktion. Ich glaube Folgendes: Wir brauchen ein Konzept. Das Konzept muss aber mehr enthalten, als Sie gesagt haben, Herr

(Karl-Martin Hentschel)

Eichelberg! Wir brauchen zunächst einmal eine neue Hochrechnung darüber, wie sich die Straßenmaut in Zukunft auf die Entwicklung der Schiene auswirken wird. Da wird es ganz entscheidende Verschiebungen geben. Wir brauchen zweitens die Bewertung des Verfahrens für den Bundesverkehrswegeplan. Auf dieser Grundlage sollte ein Konzept vom Wirtschaftsministerium entworfen werden, das darstellt, wie die Schieneninfrastruktur aussieht, die wir in den nächsten zehn bis 15 Jahren brauchen, wo wir investieren und wo wir ausbauen müssen und wie wir die Züge entwickeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Christel Aschmoneit-Lücke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt gesellschaftliche Entwicklungen, die sich auch über längere Zeiträume ziemlich sicher vorhersagen lassen. Die eine ist, dass der Verkehr in den nächsten Jahren erheblich wachsen wird. Die genaue Höhe dieses Wachstums wurde bisher selten treffsicher prognostiziert. Häufig wurde sie allerdings unterschätzt. Das bedeutet letztlich nichts anderes, als dass wir alle offensichtlich den Wunsch nach Mobilität haben und gleichzeitig den Umfang dieses Wunsches gemeinsam unterschätzen.

Mit dem Wachstum des Verkehrs kommen auf alle Verkehrsträger erhebliche zusätzliche Belastungen zu, insbesondere auf den landgestützten Verkehr auf Schiene und Straße. Diesen Entwicklungen muss vorausschauende Politik Rechnung tragen. ÖPNV und Schienenverkehr sind als wesentliche Teile unseres Verkehrssystems selbstverständlich mitbetroffen. Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage gibt Anhaltspunkte für eine erneute Diskussion. Noch mehr Diskussionsbedarf entsteht meiner Ansicht nach allerdings durch die manchmal verqueren Vorstellungen, die die Grünen aus dieser Antwort ableiten. Wir haben es eben von Herrn Hentschel gehört.

(Beifall bei der FDP)

Der Verkehrsminister ist grundsätzlich auf dem richtigen Weg. ÖPNV und Schienenverkehr werden den Herausforderungen der Zukunft besser gerecht werden, wenn im ÖPNV und auf der Schiene Wettbewerb herrschen. Wettbewerb heißt ja nichts anderes, als dass sich die Anbieter um die Gunst der Nachfrager um die Wette bewerben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So ist es!)

Das führt langfristig - entsprechend der Kundenwünsche - zu einer besseren und preiswerteren Versorgung, die ihren Preis wert ist.

(Beifall bei der FDP)

Dabei stehen die Anbieter des ÖPNV selbstverständlich nicht nur untereinander im Wettbewerb. Der wesentliche Wettbewerb findet zwischen den Verkehrssystemen statt. Der Hauptkonkurrent des ÖPNV ist der motorisierte Individualverkehr, auf den der größte Teil des Verkehrswachstums fallen wird, ob wir das wollen oder nicht.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Auch dieser Entwicklung muss die Verkehrspolitik selbstverständlich Rechnung tragen, denn individuelle Mobilität entspricht den Wünschen der Menschen und ist keineswegs ein zu bekämpfendes Übel.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Inwieweit der ÖPNV seinen Anteil am Verkehrsaufkommen halten oder ausbauen kann, hängt davon ab, wie groß die relativen Vorteile sind, die der ÖPNV den Bürgerinnen und Bürgern im Vergleich zum Individualverkehr bietet. Je dichter die Verbindung, je größer die Pünktlichkeit, je besser der Service, desto höher ist die Attraktivität des ÖPNV auf Schiene und Straße. Die Weiterentwicklung des ÖPNV auf Straße und Schiene in Schleswig-Holstein unter dem Motto: „Ein Tarif, ein Fahrschein, ein Fahrplan“, weist in die richtige Richtung. Ich glaube, da kann es keinen Zweifel geben. Es gibt in diesem Hause dazu auch keine unterschiedlichen Meinungen.

Ein integrierter Fahrplan und ein einheitliches Tarifsystem senken die Transaktionskosten für die Kunden und erhöhen so die relativen Vorteile des ÖPNV. An dieser Stelle sage ich ein Wort zum Hamburger Verkehrsverbund. Es ist richtig, dass wir mit Hamburg zusammenarbeiten. Wir dürfen dabei aber mit Sicherheit nicht die Gefahr übersehen, dass der Verkehr in Schleswig-Holstein nördlich des Kanals möglicherweise abgekoppelt wird. Dies zu verhindern, wird eine große Aufgabe der kommenden Monate dieses Jahres sein.

(Beifall bei FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ÖPNV-Angebot gehört zur Daseinsvorsorge. Deshalb hat der Staat dieses Angebot sicherzustellen. Das heißt natürlich nicht, dass der Staat diese Leistungen selbst produzieren sollte. Es geht um die Entschei

(Christel Aschmoneit-Lücke)

dung: make or buy. Grundsätzlich sollte der Staat immer dort die Entscheidung zugunsten des Einkaufs von Dienstleistungen fällen, wo nichtstaatliche Anbieter diese Dienstleistungen im gewünschten Umfang zu vertretbaren Preisen erbringen können.

Im schienengebundenen Personennahverkehr hat der Einkauf von Dienstleistungen schon erhebliche finanzielle Entlastungen der öffentlichen Hand bei gleichzeitig besserer Versorgung gebracht. Die Vergabe von sechs SPNV-Strecken per Ausschreibung hat zur Einsparung von 13 Millionen DM geführt und die Landesregierung spricht von erheblichen Qualitätssteigerungen. Selbst wenn es keine Einsparungen gegeben hätte, die Qualität aber gesteigert worden wäre, wäre das schon ein voller Erfolg. Diesen Erfolg möchte ich an dieser Stelle betonen und begrüßen und allen, die daran beteiligt waren, herzlich dazu gratulieren.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

Angesichts der prekären Haushaltslage des Landes sollte uns dieses Ergebnis zu größeren Anstrengungen bei der Ausschreibung antreiben. Herr Minister, ich glaube, auch da renne ich offene Türen ein. Ich weiß, dass Sie sich für weitere Ausschreibungen und den Wettbewerb aussprechen. Um diesen Wettbewerbsdruck aufzubauen und zu erhalten, dürfen die Laufzeiten der Konzessionen nicht zu lang bemessen sein. Dies würde die jeweiligen Betreiber zu sehr vor der Konkurrenz schützen und der mangelnde Wettbewerbsdruck würde sich - wie üblich - negativ auf den Kundenservice auswirken.

Vermutlich werden wir noch heute über einen Antrag des SSW auf Gesetzesänderung sprechen, in dem es auch um Wettbewerb und die Ausschaltung von Wettbewerb geht. Ich bin der Auffassung, dass dies der absolut falsche Weg ist, zumal der SSW sagte, er wolle dies auf den ÖPNV ausweiten. Was er in diesem Fall für die Bauwirtschaft in Schleswig-Holstein erreichen will, ist aus unserer Sicht der absolut falsche Weg.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Es liegt im Ermessen der jeweiligen Aufgabenträger, Anforderungsprofile für potenzielle Bewerber aufzustellen. Sollte sich dabei herausstellen, dass bei relativ kurzen Laufzeiten nicht genügend angemessene Angebote für Konzessionen eingehen, kann man die Laufzeiten immer noch verlängern. Auf jeden Fall sollten potenzielle Betreiber nicht vor dem Wettbewerb geschützt werden. Es kann auch nicht das Ziel der ÖPNV-Politik sein, eine bestimmte Anbieterstruktur

heranzuzüchten. Die Vorteile des Wettbewerbs liegen ja gerade darin, dass es ein offenes Verfahren ist, in dem sich die zweckmäßigste Lösung durchsetzt.

Entscheidend für die Anbieterstruktur, die sich im Wettbewerb herausbildet, sollte die Effizienz der Anbieter bei der Versorgung der Kunden sein, nicht die Betriebsgrößenvorstellung bestimmter politischer Gruppen. Unternehmen werden auch im ÖPNV für die Leistung gezahlt, die sie erbringen, nicht für die Betriebsgröße.

Gleiches gilt für das Lohnniveau bei den Beschäftigten im ÖPNV. Allgemeinverbindliche Tarifverträge schützen zwar die Inhaber von Arbeitsplätzen, sie grenzen aber auch die Arbeitslosen aus. Diese gesetzlich verordnete Inflexibilität ist eines der größten Problem des deutschen Arbeitsmarktes. Die politisch festgeschriebene Ergebnisgleichheit führt zu hoher Sockelarbeitslosigkeit. Die Zweifler können sich die Ergebnisse jedes Jahr in unseren Berichten ansehen. Wir sollten jede Chance nutzen, diese beschäftigungsfeindlichen Regelungen zu verhindern und nicht zu zementieren - auch nicht im ÖPNV. Deshalb lehnen wir die Forderung der Grünen ab, einheitliche Lohntarife per Gesetz durchzusetzen, denn wir sind für mehr Beschäftigung und nicht für mehr Tarifkartelle.

Ähnliches gilt für den Schülerverkehr. Die Grünen fordern eine Entzerrung der Verkehre, um zu volle Schulbusse zu vermeiden. Am liebsten würden sie wohl alle Stundenpläne durch ministeriellen Erlass an ÖPNV-Fahrplänen ausrichten. Wir sollten darauf achten, dass aus der Integration der einzelnen Bereiche des ÖPNV kein Monument sozialistischer Zentralverwaltung wird, indem sich alle gesellschaftlichen Prozesse nach den Abfahrtzeiten der Regionalbusse richten müssen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Bei dem, was Herr Hentschel hier vorträgt, habe ich manchmal den Eindruck, dass der öffentliche Personennahverkehr eigentlich das zentrale Instrument der gesamten Politik ist und dass sich alles danach richten soll. Ich glaube, das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP)

Die Lösung eventueller Probleme des Schülerverkehrs können wir getrost den örtlich Verantwortlichen überlassen. Das Subsidiaritätsprinzip kann hier seine volle Wirkung entfalten, denn Schülerverkehr ist auch im ländlichen Bereich eine regional begrenzte Aufgabe.

(Beifall bei der FDP)

Die Schulträger, die jeweiligen Aufgabenträger des ÖPNV und die Betreiber können dieses Problem in

(Christel Aschmoneit-Lücke)

ihrem Bereich am besten lösen, denn sie wissen am besten über die örtlichen Verhältnisse Bescheid.

Herr Kollege Eichelberg, wir begrüßen den Antrag der CDU. Die Entwicklungen bei der DB AG haben merkliche Auswirkungen auf Schleswig-Holstein. Streckenstreichungen im Personen- und Güterverkehr beeinträchtigen die Verkehrsanbindung und damit die Standortqualität Schleswig-Holsteins. Wir müssen darauf achten, dass Schleswig-Holstein im Zuge der Neuorientierung der Streckenpolitik der DB AG nicht zu sehr vom überregionalen Schienenverkehr abgehängt wird. Auch da besteht große Einigkeit.

Der Verkehrsminister hat immer wieder Ankündigungen gemacht, wie er den Rückzug der DB AG kompensieren will. Wir wünschen ihm aus vollem Herzen und ganz ernsthaft viel Erfolg bei der Umsetzung für unser Land Schleswig-Holstein und unsere Bürgerinnen und Bürger. Herr Minister, nachdem Sie die Goldene Schiene schon bekommen haben, sind Sie auch da auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei FDP und CDU sowie der Abge- ordneten Jutta Schümann [SPD])

Für den SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Schleswig-Holstein gibt es insgesamt 94 ÖPNV-Unternehmen. Bisher sind alle mehr oder weniger regional eingebunden. In Zukunft wird es so sein, dass diese Unternehmen auf einem geöffneten Markt konkurrieren werden, und zwar nicht nur untereinander, sondern auch auf europäischer Ebene. Zurzeit gibt es nur wenige ausländische Betreiber und Investoren in diesem Bereich. Es werden aber mit Sicherheit in Zukunft mehr werden. Wenn man die 94 hier tätigen Unternehmen in Relation zu den 5.644 Beschäftigten in diesem Bereich setzt, kommt man auf eine durchschnittliche Unternehmensgröße von rund 60 Beschäftigten. Hierdurch wird deutlich, dass es sich bei unseren Unternehmen nicht um Großkonzerne, sondern oftmals um kleine und mittlere Unternehmen handelt.