Protocol of the Session on May 10, 2001

Zweitens. Das Oberverwaltungsgericht bestätigt darüber hinaus, dass die Aufgabe des Rettungsdienstes umfassend zu sehen ist. Das bedeutet nach Ansicht des Gerichtes, dass - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - „eine gebührenpflichtige Inanspruchnahme des Rettungsdienstes nicht erst dann vorliegt, wenn eine Transportleistung erbracht wird, sondern schon, wenn Rettungsmittel zum Zwecke der Sicherstellung eines bedarfsgerechten Tätigwerdens des Rettungsdienstes in Gang gesetzt werden“, wenn also Einsatzfahrzeuge ausrücken.

Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass die entstandenen Kosten den Krankenkassen sehr wohl in Rechnung gestellt werden dürfen. Richtig ist, dass das Oberverwaltungsgericht die zugrunde gelegte Berechnungsgrundlage angegriffen hat. Im Urteil des Oberverwaltungsgerichts geht es also lediglich um die Kalkulationsgrundlage. Eine Mischkalkulation - und somit die Berechnungsgrundlage -, wie sie bisher praktiziert worden ist, wird als nichtig erklärt. Das Gericht hat somit ausdrücklich die Gebührensatzung für nichtig erklärt, nicht aber die eben aufgeführten Kriterien.

Der vorgelegte Gesetzentwurf wird, um die Krankenkassen in Anspruch nehmen zu können, deshalb diesbezüglich überhaupt nichts ändern. Fehleinsätze sind ansatzfähige Kosten. Dies hat das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt. Der erste Halbsatz Ihres Gesetzesentwurfes ist somit im Prinzip überflüssig. Der zweite Halbsatz allerdings - so wie Sie ihn festschreiben wollen - würde in letzter Konsequenz aber bedeuten, dass diejenigen, die den Rettungsdienst mutwillig falsch alarmieren, ebenfalls nicht mit den Kosten belastet werden könnten. Dies kann und dies wollen Sie vermutlich nicht so stehen lassen. Das wäre aber die logische Konsequenz aus der Formulierung. Wer wider besseren Wissens oder in besonders grob fahrlässiger Weise den Rettungsdienst in Anspruch nimmt, sollte natürlich auch - wie bisher - die Kosten dafür tragen. Die Schwierigkeiten, dass sich Krankenkassen weigern, die so genannten Fehlfahrten zu bezahlen, lassen sich bedauerlicherweise eben nicht mit

einer Änderung des Rettungsdienstgesetzes herbeiführen.

Um in bestimmten Fallkonstellationen, in denen sich eine konkrete Kasse nicht zuordnen lässt, dennoch zu einer Verpflichtung der Kostenübernahme seitens der Krankenkassen zu kommen, muss dies - das habe ich auch immer wieder gesagt, wie im Übrigen die meisten Kollegen im Sozialausschuss - in § 60 des SGB V geändert werden.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP], Holger Astrup [SPD] und Silke Hin- richsen [SSW])

Dort muss festgeschrieben werden, welche Verpflichtungen in diesem Fall in Zukunft beispielsweise auf die Krankenkassen zukommen. Denn auch das Rettungsdienstgesetz kann nicht mehr fordern, als im SGB V steht. Hier müssen wir also auf einer anderen Ebene ansetzen. Da schließe ich mich Ihnen, Herr de Jahner, an. Auch wenn die Bundesgesundheitsministerin im Moment die Initiative der schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerin ablehnend bescheidet, ist das für mich kein Grund zu sagen, dann lassen wir es dabei. Es muss vielmehr Grund sein, die Anstrengungen zu vergrößern, denn wir müssen eine Änderung des § 60 SGB V vornehmen. Sonst werden wir dieses Problem jedenfalls aus schleswig-holsteinischer Sicht, so wie wir es bewerten und beurteilen, nicht hinbekommen und damit auch keine Entlastung der Patienten erreichen.

(Beifall des Abgeordneten Arno Jahner [SPD])

Ich appelliere an alle, die Sozialministerin in diesem Fall zu unterstützen und am Ball zu bleiben, auch wenn Frau Schmidt im Moment - wie ich finde - eine andere, eine falsche Meinung in dieser Position einnimmt.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns einig: Fehlfahrten im Rettungsdienst dürfen nicht zulasten der Versicherten, der Kranken oder ihrer Angehörigen gehen. Das ist die Grundlage, über die wir uns schon seit einiger Zeit unterhalten. Ich darf vielleicht bescheiden darauf hinweisen, dass unsere Fraktion dieses Problem hier im Landtag auf die Agenda gesetzt hat.

(Angelika Birk)

Das Problem scheint sich offensichtlich - das sage ich etwas unparlamentarisch - vor allem an der Kontinuität in der Gesundheitsverwaltung des Bundes aufzuhängen und an der Kontinuität der Verwaltungen in Kommunen und Krankenkassen hier vor Ort. Denn anders kann ich es mir nicht erklären, dass man ernsthaft in Erwägung zieht - überhaupt nur in Erwägung zieht -, die Angehörigen oder die Patienten zur Kasse zu bitten bei einem Problem, das aus verwaltungslogistischen Gründen entstanden ist. Man muss es einmal so klar sagen.

Seit Monaten bemühen sich die hier Angesprochenen auf Landes- und Bundesebene um eine Lösung. Der zwischenzeitlich ausgehandelte Kompromiss zwischen Krankenkassen und Trägern, bei dem dankenswerterweise die Ministerin hier vor Ort eine Moderationsfunktion übernommen hatte, ist leider geplatzt. Er wäre so schön gewesen. Für zwei Jahre wären die Kosten für die Fehlfahrten im Rettungsdienst jeweils zur Hälfte von Kommunen und Kassen übernommen worden.

Nun haben offensichtlich auch die Bemühungen, auf die Gesundheitsministerin auf Bundesebene einzuwirken, um - wie Herr Garg richtig sagt - das SGB V zu verändern, keine klare Antwort gefunden, jedenfalls keine klare Antwort in unserem Sinne.

Sie sagt, eine Gesetzesänderung komme nicht infrage und es widerspreche dem Zweck der Versicherungsleistungen. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Ich weise auf die Kontinuität von Verwaltungsmenschen hin, die so etwas der Ministerin vorlegen. Es ist unzumutbar, dass wir uns in dieser Frage so lange streiten müssen. Es ist richtig, in dieser Frage auch die Parlamente anderer Länder einzubeziehen. Wir von den Grünen haben - ähnlich wie es Herr Jahner für die SPD geschildert hat - bereits Kontakte aufgenommen.

Der Hinweis von der CDU - auch wenn er zu Recht von Herrn Dr. Garg als noch unzureichend kritisiert wird - ist ein Anstoß. Wir müssen auf Landesebene etwas unternehmen. Insofern finde ich es richtig, dass wir den Antrag der CDU zunächst einmal zum Zwecke weiterer Beratungen an den Sozialausschuss überweisen, denn es geht noch um einen weiteren Punkt: Wenn es grundsätzlich zu einer anteiligen Finanzierung der Kosten zwischen den Kommunen und den Kassen kommen sollte, wenn das also ein Modell wäre, dem das SGB V seinen Segen gäbe, oder wenn es innerhalb der Kassen eine andere Verrechnungsmöglichkeit gäbe - wie Herr Dr. Garg angedeutet hat -, können es jedoch in keinem der Fälle die Kommunen sein, die die Kosten festsetzen und die Krankenkassen anteilig oder voll zahlen lassen.

Ich glaube, der richtige Weg besteht in einem Dialog zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern, um daraus ein offenes Aushandlungsgeschäft zu machen. So machen wir es auch bei anderen medizinischen Leistungen. Es muss genau überprüft werden, welchen Umfang eine Änderung des Rettungsgesetzes haben muss und inwieweit die Änderungen der kommunalen Abgabenordnung und der Gebührensatzung hiermit verknüpft werden müssen. Ein Verfahren zur Änderung eines Gesetzes im Schnellschuss - wie Herr Kalinka uns das wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit nahe legt - ist nicht der richtige Weg. Wir hoffen, für den Sozialausschuss weiteren juristischen Sachverstand akquirieren zu können. Sicherlich wäre es auch sinnvoll, wenn wir uns - gerade mit dem Problem der Kassenverrechnung - noch mit den Kassen auseinander setzten. Ich hoffe allerdings, dass wir uns nicht noch ein fünftes oder sechstes Mal mit diesem Thema befassen müssen, sondern dass es endlich zu einer sachgerechten Lösung kommt. Hierzu bitte ich alle beizutragen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider beschäftigt uns das Thema der so genannten Fehlfahrten weiterhin. Es ist sehr bedauerlich, dass es zu keiner Lösung gekommen ist, denn diese ist seitens der Ministerin auch mithilfe des Parlaments versucht worden. Zwischen den Kreisen und den Krankenkassen ist es aber nicht zu einer Einigung gekommen. Mit dem uns vorliegenden Vorschlag ist eine Lösung des Problems leider nicht möglich.

Das SGB V schreibt vor, was Krankentransporte sind und was - nach dem Rettungsdienstgesetz - nur Nebenleistungen sind. Die so genannten Fehlfahrten sind Nebenleistungen im Sinne dieses Gesetzes, was dazu führt, dass eine Gebührenerhebung nach dem schleswig-holsteinischen Kommunalabgabengesetz in dieser Form nicht möglich ist. Der Kollege Garg sagte richtigerweise, dass es die Berechnungsgrundlagen sind.

Durch den Vorschlag wird ein Thema des Rettungsdienstgesetzes eröffnet, das eigentlich begraben sein sollte. Herr Kalinka, ich weiß nicht, ob Sie sich damit beschäftigt haben. Es betraf den weiteren Absatz, nämlich § 8 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz. Dort ist eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes vorgenommen worden. Ein bestimmter Abschnitt dieses Gesetzes wurde davon ausgenommen. Dort war nämlich die

(Silke Hinrichsen)

so genannte öffentliche Interessenquote enthalten. Das war durch das neue Rettungsdienstgesetz herausgenommen worden. Sie fangen jetzt an, selber an diesem Gesetz herumzudoktern. Das ist sehr gefährlich. Es kann dazu führen, dass andere Forderungen aufgenommen werden, von denen wir dachten, sie wären abgeschafft. Darüber hinaus denke ich beim Lesen dieses Absatzes, er wäre auch unter anderen Gesichtspunkten zu überprüfen. Juristisch gesehen ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, was Sie wollen. Wie gesagt, das Kommunalabgabengesetz ist Grundlage der Berechnungen der Kosten, nicht das Rettungsdienstgesetz.

Trotz allem sind wir uns in dem Ziel einig, dass Fehlfahrten nicht von den Patientinnen und Patienten bezahlt werden sollen. Sie sagen nun, dass Sie durch diesen Gesetzentwurf auf eine Lösung in die Vergangenheit hoffen. Es ist korrekt, dass die Bescheide jetzt herausgegangen sind. Der Gesetzentwurf nützt dieser Tatsache jedoch überhaupt nicht. Es ist einfach so, dass diese aufgrund der Rechtslage und dadurch, dass sich die Kreise und Kommunen bislang nicht haben einigen können, so schnell keine Lösung für die Vergangenheit erreicht werden. Diejenigen, die am Verhandlungstisch zu sitzen haben, sind nämlich die Kreise - denn sie sind Kostenträger - und die Krankenkassen. Da sitzen wir und die Ministerin sozusagen als Moderatoren am Tisch. Das Problem kriegen wir durch diesen Gesetzentwurf leider nicht zu fassen. Es ist die erste Lesung dieses Gesetzes. Es wird an den Sozialausschuss überwiesen. Ich sage für mich, dass wir diesen Gesetzentwurf in der vorliegenden Form auf keinen Fall mittragen.

(Beifall beim SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kalinka das Wort zu einem Kurzbeitrag.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon putzig, wie hier manches beurteilt wird. Hier ist von Herrn Dr. Garg gesagt worden, dass „für den Moment ablehnend“ beschieden worden ist. Im Juli vergangenen Jahres hat sich die Sozialministerin des Landes an die damalige Bundesgesundheitsministerin Frau Fischer gewandt und noch nicht einmal eine Antwort bekommen. Jetzt hat sie sich an die jetzige Gesundheitsministerin gewandt, die ja Ihrer Partei angehört. Diese Bundesgesundheitsministerin sagt: „Ändert das Rettungsdienstgesetz in Schleswig-Holstein. Auf Bundesebene machen wir nichts.“ Was machen wir also als normale Abgeordnete? Wir starten

eine entsprechende Initiative. Was kommt von Ihnen? Diesmal glauben Sie noch nicht einmal Ihrer eigenen Ministerin in Berlin. Ich finde das nicht sehr überzeugend.

(Arno Jahner [SPD]: Herr Kalinka! - Lars Harms [SSW]: Das ist richtig populistisch!)

- Was ist daran populistisch? Sie lösen das Problem nicht, indem Sie es weiter aussitzen. Sie sitzen das Problem seit über einem halben Jahr aus. Sie machen doch nichts in diesem Land!

(Beifall bei der CDU)

Wir sind durchaus bereit, über einzelne Formulierungen zu sprechen. Mehr kann man doch nicht anbieten. Ich finde es jedoch besser, eine Initiative zu starten, die eine Lösung ermöglicht, statt hier zu sitzen, nach Berlin zu weisen

(Beifall bei der CDU)

und zugleich wie selbstverständlich hinzunehmen, dass die Bürger die Bescheide bekommen. Ich denke, Sie sind immer bürgerfreundlich. Dann müssen Sie sich doch auch auf die Seite der Bürger stellen, wenn in dieser Angelegenheit nichts geschieht.

(Beifall bei der CDU - Arno Jahner [SPD]: Das ist eine Frechheit!)

Ich verwahre mich dagegen, hier etwas von Schnellschuss und Populismus zu hören. Wir haben als Opposition Ihre Initiativen hingenommen, obwohl Sie vier Formulierungsanträge genommen hatten, weil alles nicht stimmig war. Zu allem haben wir geschwiegen und hier im Parlament unsere Zustimmung gegeben. Wir haben uns absolut loyal verhalten und gesagt: Wir unterstützen die Initiative, wenn es denn hilft. Dann stellen wir fest: Es hilft leider nicht! Wenn wir dies feststellen, dann ist es unser Recht und unsere Pflicht, dieses Parlament in die Verpflichtung zu nehmen, eine konkrete Entscheidung zu treffen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Frau Ministerin Moser das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kalinka, die Bundesgesundheitsministerin erlässt uns gegenüber keine Bescheide, sie teilt uns eine Meinung mit. Die teilen wir nicht und deshalb arbeiten wir politisch in eine andere Richtung.

(Beifall beim SSW)

(Ministerin Heide Moser)

Wir sind uns im Ziel noch immer einig. Wir wollen nicht, dass bei unvermeidbaren Fehleinsätzen die Versicherten bezahlen müssen. Wir waren uns bisher auch im Weg einig. Wir wollten eine Kompromisslösung, die leider nicht zustande gekommen ist. Ich sehe einmal von Bewertungen und Schuldzuweisungen ab. Bis zu einer Klarstellung der von uns vertretenen Rechtsauffassung, dass auch dies in den Leistungskatalog der Krankenkassen gehört, wollten wir einen Kompromiss. Diese rechtliche Klarstellung im SGB V ist und bleibt der einzig richtige und systematische Weg und ich bedanke mich für die bisherige Unterstützung dieses Parlaments, diesen Weg zu gehen. Ich denke, wir müssen ihn weitergehen.

Wir bereiten eine Entschließung der Gesundheitsministerkonferenz vor. Ich weiß, dass die Betroffenheit in Bezug auf dieses Thema noch nicht in allen Ländern gleich groß ist, aber es bahnt sich an. Das Problembewusstsein steigt und mit dem steigenden Problembewusstsein in den Ländern könnte durchaus auch das Problembewusstsein des Bundesgesundheitsministeriums ansteigen. Wir jedenfalls wollen ihm dazu verhelfen.

In einer solchen Situation ist es ein falsches Signal, wenn der Landtag beschließen würde, das schleswigholsteinische Rettungsdienstgesetz ändern zu wollen, wie es die Bundesgesundheitsministerin von uns erwartet.

Sehr geehrter Herr Kalinka, meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie wenigstens wüssten, was Sie regeln wollen! Sie wissen ja nur, was Sie nicht wollen: Sie wollen nicht - darin sind wir uns einig -, dass die Bürgerinnen und Bürger bezahlen; aber in Ihrem Gesetzentwurf steht leider nicht, wer denn bezahlen soll, und das ist doch die Gretchenfrage.

(Martin Kayenburg [CDU]: Schon mal etwas von Konnexität gehört, Frau Moser?)

Wir können im Rettungsdienstgesetz ausschließlich regeln, dass irgendjemand in diesem Lande bezahlt, und das wären nach der Systematik in diesem Fall die Kommunen. Frau Hinrichsen hat auf den gestrichenen Satz im Rettungsdienstgesetz hingewiesen. Herr Kayenburg, das stimmt nur dann, wenn Sie fordern sollten, diese paar Millionen solle das Land tragen.

(Klaus Schlie [CDU]: Sie müssen einmal Ar- tikel 49 Abs. 2 unserer Landesverfassung le- sen!)