Ich weise darauf hin, dass für die Wahl des Vizepräsidenten eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages, das heißt 60 Ja-Stimmen, erforderlich ist.
Wer dem insgesamt zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen. Herzlichen Glückwunsch!
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Notfallrettung und den Krankentransport (Rettungsdienstgesetz - RDG)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die vor gut einem Jahr begonnene Auseinandersetzung zum Thema Fehlfahrten im Rettungsdienst vor einem halben Jahr mit dem Appell im Landtag beendet, es möge eine Änderung des Sozialgesetzbuchs erreicht werden, damit die Bürgerinnen und Bürger nicht bezahlen müssten. Heute ist festzustellen, dass auf diesem Wege nichts erreicht worden ist, vielleicht auch nichts erreicht werden konnte. Eines jedenfalls muss klar sein: Die Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht dafür zur Kasse gebeten werden, dass sie im guten Glauben den Notarzt rufen. Sie dürfen ferner nicht dafür zur Kasse gebeten werden, dass sich die Versicherungs- und andere Kostenträger nicht einigen und dass ein Problem ständig geschoben und keiner Lösung zugeführt wird.
Die Übereinstimmung bezüglich des gemeinsam getragenen Appells war meiner Auffassung nach durchaus beachtlich. Die Sozialministerin hat sich an die Bundesgesundheitsministerin gewandt, die am 21. Februar Folgendes geantwortet hat:
„Mittlerweile liegt die Stellungnahme der Spitzenverbände der Krankenkassen vor. Diese stehen Ihrer Anregung ablehnend gegenüber und begründen dies insbesondere damit, dass das Problem vor allem durch eine Änderung des Landesrettungsdienstgesetzes in Schleswig-Holstein entstanden sei.“
„Wegen näherer Einzelheiten darf ich auf die beigefügte Stellungnahme der Spitzenverbände Bezug nehmen. Ich schließe mich im Ergebnis der Stellungnahme der Spitzenverbände an; denn bei Verwirklichung Ihres Vorschlages müssten die Krankenversicherungen
Kosten in einem Bereich übernehmen, der auch nach meiner Auffassung der allgemeinen öffentlichen Daseinsfürsorge zuzurechnen ist.“
Das heißt im Klartext, die Bundesgesundheitsministerin macht keine Hoffnungen, dass es eine Änderung des Sozialgesetzbuchs geben wird.
Die derzeitige Situation in Schleswig-Holstein sieht so aus, dass Bescheide bereits versandt werden. Deshalb hat sich die CDU-Fraktion entschlossen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, damit wir in Beratungen darüber eintreten können, wie dieses Problem gelöst werden kann.
Unsere Intention ist es, dass wir bezüglich der bisherigen Probleme einen Schnitt machen und künftig meinethalben zu einer hälftigen Kostenaufteilung zwischen Krankenkassen und Kommunen kommen. Eines ist nach allem, was wir wissen, klar: Der schwarze Peter darf nicht allein den Kassen zugeschoben werden. Frau Ministerin, Sie haben im Sozialausschuss klar gesagt, dass die Krankenkassen nach eigenen Angaben bezüglich der Verwendung der Mittel ihrer Versicherten keinen freien Spielraum hätten. Angesichts dessen halte ich den von uns vorgelegten Gesetzentwurf für einen guten Weg. Wir wissen, dass es sich um eine sehr komplizierte Materie handelt. Wir sind offen für Formulierungsvorschläge, die zu einer Verbesserung führen. Wenn sechs Juristen - Wissenschaftliche Dienste und andere - an einer Geschichte arbeiten, dann haben wir oftmals
sehr verschiedene Meinungen. Aber ich will Ihnen ausdrücklich signalisieren: Das, was wir vorgelegt haben, muss nicht das letzte Wort sein. Es können durchaus Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Aber das Ziel muss stimmen.
Ziel muss bleiben, dass unsere Bürgerinnen und Bürger nicht zur Kasse gebeten werden. Dafür treten wir ein.
Um dies zu erreichen, beantragen wir dieses parlamentarische Verfahren; denn es ist genug gesprochen worden und es ist genug Theorie angesammelt worden. Lassen Sie uns zu Ergebnissen kommen. Auch daran wird Politik gemessen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kalinka, wir haben mit ein bisschen Überraschung und zugegebenermaßen auch mit ein wenig Kopfschütteln zur Kenntnis genommen, dass Sie diesen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Das ist vom Verfahren her weder hilfreich noch sachgerecht. Ihnen ist doch bekannt, dass dieses Thema - ich sage einmal etwas überspitzt - Dauerthema im Sozialausschuss ist. Wir sollen uns damit befassen, bis wir eine einvernehmliche Regelung gefunden haben.
Ich meine, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, dass das einer Ihrer Schnellschüsse ist. Ich will nicht verhehlen, dass ich darin auch ein bisschen Populismus sehe.
- Lassen Sie mich das so sagen. Trotz aller Wertschätzung in Bezug auf sehr viele Bereiche sehe ich das an dieser Stelle so und sage es Ihnen ganz offen.
Herr Kalinka, zu Ihrer Art der Einbringung des Antrages: Ihnen muss klar sein, wenn Sie das Rettungsdienstgesetz des Landes Schleswig-Holstein ändern wollen, bedeutet das automatisch eine Belastung der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Ich kann Ihnen deutlich sagen, das ist nicht das Ziel von uns Sozialdemokraten.
(Beifall bei der SPD - Klaus Schlie [CDU]: Welche Finanzierung bedeutet keine Bela- stung? - Heinz Maurus [CDU]: Kennen Sie den Gesetzentwurf? Haben Sie ihn gelesen?)
- Ja, ich kenne den Gesetzentwurf. Auch wenn Sie es mir nicht zutrauen, Herr Maurus, aber ich bin drin.
Unser erklärtes Ziel ist es nach wie vor - das sage ich hier ganz deutlich, ich bin ganz sicher, dass das auch die Unterstützung aller hier anwesenden Parteien finden wird -, dass die Menschen, die einen Rettungswagen rufen oder rufen lassen, dies ohne Scheu und Angst vor eventuell anfallenden Kosten für sie tun können, und zwar völlig unabhängig davon, ob Notarzt oder Patient zum späteren Zeitpunkt eine Bewertung dahin vornehmen muss, dass es sich um eine so genannte Fehlfahrt gehandelt hat. Unser Ziel ist es nach wie vor - jetzt kommt es, Herr Schlie -, bundesweit eine Regelung in dieser Sache festzuschreiben. Herr Kalinka, Sie haben ja Recht, dass der erste Versuch misslungen ist. Es geht aber kein Weg daran vorbei, dass man nicht gleich aufgeben muss und eine neue Gesetzeslage schaffen muss, die die Bürger belastet.
(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU] - Martin Kayenburg [CDU]: Sie ha- ben Angst vor der Verantwortung! Das ist Ihr Problem!)
Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Wir Sozialdemokraten haben in der letzten Woche alle gesundheitspolitischen Sprecher der Länder der Bundesrepublik Deutschland bei uns gehabt und sie gebeten, in den Gremien ihrer Landesparlamente dafür zu werben, dass das bundesweit im SGB V oder sonstwo festgeschrieben wird. Ich stelle Ihnen anheim, so eine Aktion in Ihren Gremien gleichfalls durchzuführen.
Sie kennen das Antwortschreiben der Bundesministerin an unsere Gesundheitsministerin. Mir ist egal, dass sie auch Sozialdemokratin ist. Ich sehe das anders und werde weiterhin dafür kämpfen, dass wir das richtig manifestieren.
Was Ihren Antrag anbelangt, Herr Kalinka, so wollen wir uns parlamentarisch fair verhalten. Wir werden Überweisung an den Sozialausschuss beantragen. Wir wollen bei dieser Gelegenheit gleichzeitig versuchen, durch Hinzuziehung von Experten und Juristen das Urteil des OVG noch einmal genau analysieren zu lassen. Daher wollen wir diese Sache ruhig und sachlich angehen, so, wie es sich geziemt, ohne Populismus und nur den Bürgerinnen und Bürgern dienlich. Sie dürfen gern lachen, Herr Kalinka, Sie wissen genau, dass ich Recht habe.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Jahner! Lieber Herr Kalinka! Selbstverständlich sind wir uns vermutlich darin einig, dass es in der anstehenden Lösung, die hoffentlich irgendwann kommen wird, darum gehen muss, die Patienten mit solchen so genannten Fehlfahrten nicht zu belasten. Aber der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes erscheint mir doch etwas undifferenziert und vor allem - und das ist meine große Sorge - habe ich ganz erhebliche Zweifel daran, dass er überhaupt zum Ziel führen wird.
Denn das von Ihnen skizzierte Problem zeigt, dass Urteile ganz besonders intensiv gelesen werden sollten. Zwei Punkte aus dem vom 23. Februar 2000 gefällten Urteil des Oberverwaltungsgerichts werden nämlich von den Krankenkassen gern vergessen:
Erstens. Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass die Aufwendungen für so genannte Fehleinsätze als betriebsbedingte Aufwendungen einen gebührenpflichtigen Aufwand darstellen. Das heißt aber auch, dass sie generell als Kosten in Rechnung gestellt werden können.
Zweitens. Das Oberverwaltungsgericht bestätigt darüber hinaus, dass die Aufgabe des Rettungsdienstes umfassend zu sehen ist. Das bedeutet nach Ansicht des Gerichtes, dass - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - „eine gebührenpflichtige Inanspruchnahme des Rettungsdienstes nicht erst dann vorliegt, wenn eine Transportleistung erbracht wird, sondern schon, wenn Rettungsmittel zum Zwecke der Sicherstellung eines bedarfsgerechten Tätigwerdens des Rettungsdienstes in Gang gesetzt werden“, wenn also Einsatzfahrzeuge ausrücken.