Protocol of the Session on March 23, 2001

Ich glaube, wir brauchen eine Regionalisierung. Dafür sollten wir uns einsetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für den SSW im Landtag erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Behm, ich bin sicher, dass wir uns bei Gelegenheit über Ihren Traum unterhalten können über eine Tasse Kaffee allemal. Ansonsten bedanke auch ich mich bei der Frau Ministerpräsidentin für den Bericht.

Natürlich ist es etwas verfrüht, schon jetzt Ergebnisse irgendwelcher Länderarbeitsgruppen einzufordern. Der Europäische Rat von Nizza liegt erst etwas über drei Monate zurück und der Zeitplan sieht vor, dass zunächst einmal eine öffentliche Diskussion stattfinden soll. In diesem Sinn fasse ich den CDU-Antrag auf, dass er die öffentliche Diskussion über dieses wichtige Thema fördern will; denn Wunder erwarten wir von der Regierung trotz allem nicht.

(Holger Astrup [SPD]: Na ja!)

Der Föderalismus ist nicht das, was er einmal war. Die Bundesländer haben in den letzten Jahren immer mehr

(Anke Spoorendonk)

Kompetenzen abgeben müssen, weil sie dafür vom Bund Geld bekamen, weil der Bund die Aufgaben an sich nahm oder weil die europäische Integration ihren Tribut forderte.

Im Moment steht die politische Kompetenzverteilung zwischen Kommunen, Regionen, Staaten und EU erneut zur Debatte. Deshalb ist es auch für unser Land lebenswichtig, dass jetzt die Interessen der Länder stark wahrgenommen werden. Wir haben einen Arbeitskreis unter dem Vorsitz des Landtagspräsidenten „Föderalismus“ eingerichtet.

Ich greife bewusst diesen Aspekt der Diskussion auf, denn ich denke, allgemeine Aussagen zum Post-NizzaProzess, zum EU-Prozess werden wir auch in anderen Zusammenhängen debattieren können. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dies hier einmal auf den Punkt zu bringen. In der Bestandsaufnahme sind wir uns alle wohl einig. Die deutschen Länder haben zu wenig Einfluss auf Bundes- und EU-Ebene.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Ursula Kähler [SPD])

Die einzige Möglichkeit für uns, auf EUEntscheidungen Einfluss zu nehmen, ist, wenn der Landtag die Landesregierung auffordert, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass sich die Bundesregierung in Brüssel für etwas einsetzen soll. Das ist der einzige Weg.

Es wäre allerdings ein Fehlschluss, daraus abzuleiten, dass mehr direkte Mitbestimmung der Länder in Brüssel die Lösung wäre. Selbstverständlich müssen wir unsere Meinung in der EU artikulieren - sei es nun mit den anderen norddeutschen Ländern durch unser Hanse-Office oder mit den anderen Regionen über den Ausschuss der Regionen.

Die Einrichtung eines formalisierten Gremiums, eines „europäischen Bundesrates“ ist nicht die Lösung des grundlegenden Problems.

(Beifall bei SPD und CDU - Holger Astrup [SPD]: Nein!)

Eine formalisierte Mitbestimmung der europäischen Regionen macht keinen Sinn, nicht einmal, wenn man sich einen föderal organisierten Bundesstaat Europa wünscht. Ein „europäischer Bundesrat“, in dem Hunderte von Regionsvertretern sitzen müssten, würde nicht effektiv und effizient arbeiten können.

Außerdem würde ein solches Gremium allein deshalb nicht funktionieren, weil Regionen in anderen Staaten etwas ganz anderes sind als in Deutschland die Bundesländer. Gesetzgeberische Kompetenzen, Steuerhoheit und andere zentrale Zuständigkeiten sind in diesen Gebietskörperschaften in unterschiedlichem Maß vor

handen. Ein Rat, der auf der gleichwertigen Mitbestimmung ungleichwertiger Regionen fußt, kann nicht funktionieren.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Außerdem darf wohl bezweifelt werden, dass man in anderen Ländern überhaupt ein Interesse daran hat, eine derart grundlegende Reform der Kompetenzverteilung durchzuführen. In diesem Sinn haben wir es wohl mit einer sehr deutschen Diskussion zu tun.

Wer es mit dem demokratischen Europa ernst meint, wird letztlich ohnehin die Kompetenzen nah am Bürger halten und nicht weiter zentralisieren. Bürgernahe Politik und Subsidiarität bedeuten eben nicht, dass wir in Brüssel eine neue Kammer der Regionen fordern, sondern dass die Politik so viel wie überhaupt möglich in den Regionen stattfindet.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Die mangelhafte Mitbestimmung der Länder ist ein Problem des deutschen Föderalismus, das nur auf nationaler Ebene gelöst werden kann.

(Lars Harms [SSW]: Das ist es!)

Deshalb ist nicht mehr Mitbestimmung der Regionen in der EU, sondern mehr Mitbestimmung der Länder im Bund die Lösung.

(Lars Harms [SSW]: Ja!)

Wir fordern daher, dass Gesetzkompetenzen innerhalb Deutschlands wieder vom Bund nach unten verlagert werden, und zwar so, dass das Landesparlament die Macht zurückerhält.

(Beifall bei SSW, SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Peter Lehnert.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es ist eine spannende Debatte, die wir, wenn möglich, Herr Vorsitzender des Europaausschusses, Anfang April im Europaausschuss aufnehmen und fortsetzen sollten. Wir sind in dieser Debatte auf eine wichtige Frage gestoßen: Wie sieht es im jetzigen System mit unserem Einfluss aus?

Ich glaube schon, dass die Länder im jetzigen System auf den Bund einen gewissen Einfluss haben - beispielsweise durch mitbestimmungspflichtige Gesetze -, der durch die Feder des Grundgesetzes in dem reali

(Peter Lehnert)

sierten Maß eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Das aber alles ist Regierungshandeln. Da sitzt die Bundesregierung zusammen mit den Landesregierungen und das Bundesparlament und die Landesparlamente sind weitgehend ausgeschaltet.

(Beifall bei CDU, F.D.P. und SSW)

Das ist eine spannende Frage, die wir klären müssen. Es geht nicht nur um das Verhältnis vom Bund zu den Ländern. Die Regierungen haben eine gute Position. Sie schalten aber zunehmend die Parlamente aus. Das ist ein großes Problem. Darüber müssen wir mit Sicherheit diskutieren.

Das Wichtigste ist nach wie vor die Frage der Kompetenzabgrenzung. Wenn es uns gelingt, eigenständige Kompetenzen zu erhalten, brauchen wir auf den Bund oder die EU keinen so starken Einfluss auszuüben; dann können wir diese Entscheidungen selber treffen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

Nun zu der Anregung vom Kollegen Steenblock bezüglich des Ausschusses der Regionen! Ich fand die Anregung zum AdR gut. Ich halte es für absolut unbefriedigend, welche Stellung der AdR im Augenblick hat. Ich bin allerdings der Meinung, wir sollten uns erst über die Kompetenzverteilung unterhalten und wissen, wie die Aufgaben verteilt sind, dann über die Strukturen, innerhalb derer wir das parlamentarisch begleiten wollen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass der AdR die wichtige Aufgabe einer Kontrollkammer übernimmt.

Wir haben das Subsidiaritätsprinzip angesprochen. Wenn wir die Kompetenzverteilung neu regeln, sollte der AdR die Funktion haben, Kontrolle ausüben, ob Subsidiarität auch stattfindet.

Machen wir uns nichts vor: Selbst wenn wir eine bessere, klare Kompetenzabgrenzung mit der EU hinbekommen, wird der Drang der EU oder auch des Bundes da sein, weiterhin Einfluss zu nehmen. Es wird Auslegungsschwierigkeiten geben. Da brauchen wir den AdR als Kontrollkammer und unsere Interessenvertretung, die aufpasst, dass nicht wieder eine schleichende Verlagerung der Kompetenzen zurück erfolgt.

(Beifall bei CDU, F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Rolf Fischer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch einmal sehr deutlich dafür werben, dass wir uns gegen eine Ablehnung von Nizza aussprechen, dass wir auf den parlamentarischen Ebenen für Nizza werben, auf denen wir Einfluss haben.

Ich möchte ganz deutlich Folgendes sagen. Der Ratifizierungsprozess wird zwei Jahre, bis etwa 2002, in den verschiedenen Bundes- und Landesparlamenten sowie im Europaparlament laufen. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Ablehnung von Nizza ein so fatales Signal insbesondere an die neuen Mitglieder Europas wäre, dass wir diesen Prozess völlig durcheinander wirbelten. Dieses Risiko sollten wir bei aller berechtigten Kritik an Nizza nicht eingehen. Deshalb bitte ich Sie, insbesondere auf Ihre Europaabgeordneten einzuwirken und dafür zu sorgen oder zu werben, dass wir Nizza auch in Europa annehmen.

Lassen Sie mich einen zweiten Punkt hinzufügen. Die Ministerpräsidentin hat völlig zu Recht auf den engen Zeitplan hingewiesen, den wir berücksichtigen müssen. Ich bitte nochmals zu beachten, dass wir bis 2002 den Vertrag von Nizza ratifizieren wollen, dass wir bis 2004 die Kompetenzvorbereitung durchführen, dass wir bis 2006 die Förderphase zu berücksichtigen haben, dass wir in den nächsten Jahren Volksabstimmungen zu Europa, Europawahlen haben und wahrscheinlich eine Reihe von wichtigen Entscheidungen in diesen Prozess einbinden müssen.

Unser Problem ist, dass auf europäischer Ebene sehr viel parallel läuft. Das auseinander zu bringen und gleichzeitig zusammenzuführen, wird eine große und sehr schwierige europäische Aufgabe sein. In diesem Prozess haben wir als Landesparlamente eine ganz wichtige Aufgabe und Rolle. Ich hätte mir gewünscht, dass gerade dieser Debatte ein wenig mehr Aufmerksamkeit gewidmet worden wäre und dass ein paar mehr Kollegen hier im Saal gesessen hätten.

(Beifall im ganzen Haus)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt erledigt. Ich frage jetzt, ob dieser Tagesordnungspunkt durch den gegebenen Bericht erledigt ist oder ob noch eine weiterführende Debatte im Ausschuss erfolgen soll. Nach übereinstimmender Meinung des Hauses ist dieser Tagesordnungspunkt durch den gegebenen Bericht erledigt.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 19 aufrufe, möchte ich mitteilen, dass ich seitens der Geschäftsführer dahin gehend informiert worden bin, dass der vorgesehene

(Vizepräsident Thomas Stritzl)