Protocol of the Session on November 16, 2000

Nun könnte man denken, dass sich mit einer entfernungsabhängigen Maut für alle Fahrzeuge aus dem Inund Ausland mehr Gerechtigkeit erreichen ließe. Aber die Fakten - und dabei ist die Studie, die uns die IHK vorgelegt hat, eine gute Denkhilfe - zeigen, dass die Einführung der Maut die europäischen Wettbewerbsverzerrungen nicht beseitigt. Sie bleiben existent, nur auf einem höheren Niveau, aber unser Land, insbesondere die marktfernen Produktionsstätten an der Westküste und im Landesteil Schleswig sowie die Landwirtschaft, erfährt mit der Einführung der Maut eine Benachteiligung, die kompensiert werden müsste. Wir haben bisher kein Mittel dafür gesehen.

Die Studie der IHKs zeigt deutlich - übrigens von einem sozialdemokratischen Professor erstellt, deswegen müsste sie Ihnen ja nahe sein -, dass über 80 % der Waren, die hier produziert werden, frei Haus verkauft werden. Das heißt, dass zum Beispiel die Produkte eines Zuliefererbetriebes für die süddeutschen oder südwestdeutschen Kfz-Betriebe oder auch das Flensburger Bier, das ja auch in Bayern verkauft werden soll, so billig produziert werden müssten, dass bei einem Frei-Haus-Preis in der Produktion Kosten eingespart werden könnten gegenüber Betrieben, die in der Mitte Deutschlands liegen - also ein schwerer Nachteil für uns und auch die Baustoffindustrie.

Da die Landesregierung es in den letzten 12 Jahren tatenlos hat geschehen lassen, dass nicht nur Molkereien, sondern auch andere landwirtschaftliche Produkte verarbeitende Betriebe das Land aufgrund von Wettbewerbsverzerrungen anderer Art verlassen haben, kommen nun auf die Landwirte weitere Belastungen zu, denn sie erhalten für ihre landwirtschaftlichen Produkte nur noch um die Mehrfracht der Maut reduzierte Preise. Das können sie nicht mehr.

Da wir aber glauben, dass die Landesregierung ihre Investitionen in die Förderung und Ansiedlung von Unternehmen an der Westküste und im Landesteil Schleswig nicht dahingehen lassen will, wird sie bestimmt einen Weg suchen und da möchten wir von der Regierung gern einmal hören, was sie vorhat. Sind es zum Beispiel regionale Kfz-Steuervergünstigungen, gibt es weitere Standortsubventionierungen oder was hat man sich vorgestellt?

Es kann doch nicht sein, dass die heute beschäftigten Spediteure durch Fuhrunternehmer aus dem Ausland verdrängt werden oder - was wir gehört haben, was noch schlimmer ist und was selbst die Dänen und die Luxemburger fürchten - dass die deutsche Firma Betz in Reutlingen mit in Rumänien angemeldeten und mit rumänischen Fahrern besetzten LKWs Preise anbietet, mit denen wir nie mithalten können. Damit werden

(Uwe Eichelberg)

gerade die in den peripheren Bereichen angesiedelten Fuhrunternehmer in Schleswig-Holstein verdrängt beziehungsweise sie müssen schlichtweg aufgeben.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]

- Das ist ja gerade der Irrtum. Die kommen ja mit den Lohnkosten nicht hinterher; das ist ein viel größerer Posten als der des Benzins.

Der edle Gedanke zu glauben, mit der LKWBelastung könnte man mehr Fracht auf die Schiene bekommen, unterliegt einem ideologischen Irrtum. Das haben selbst Länder wie Dänemark und Schweden eingesehen und haben Konsequenzen ganz anderer Art gezogen.

Die Entwicklung muss hier - wie in diesen genannten Ländern auch - zu einem Umdenken führen.

Erstens. Selbst wenn die Bahn ihre Kapazität verdoppeln würde - das wissen wir alle -, wäre nach den Prognosen von Professor von Rohr, den Daten, die er erhoben und umgerechnet hat, bis zum Jahre 2010 die Mehrbelastung unserer Straßen mit 20.000 LKW anzusetzen - trotz der zusätzlichen 4.000 Züge, die notwendig wären und die nie zum Einsatz gebracht werden könnten. Das ist Utopie. Also bringt diese Maut nichts. Insbesondere belastet sie unsere Wirtschaft. Deshalb müssen wir dazu Alternativen haben.

Zweitens. Die wirtschaftliche Arbeitsteilung verlangt schlichtweg auch andere betriebswirtschaftliche Aspekte wie „just in time“ und ähnliche Dinge. Darum können wir uns nicht herumdrücken.

Die Einführung der entfernungsabhängigen Maut belastet diese Räume und führt zu einer weiteren Konzentration der Wirtschaft in den Ballungsgebieten um Hamburg und Lübeck sowie in ähnlichen Bereichen und schafft die Kaufkraft aus den peripheren Räumen heraus.

Übrigens, meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht das, was Sie auch in Italien und in Frankreich erkennen können! Dort sieht man, wie viele LKWs dann das Nahverkehrsnetz belasten, weil sie von den Autobahnen ausweichen. Das bringt eine weitere Belastung und zerstört unsere Siedlungsstrukturen auf dem Land.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir über diese Themen im Wirtschaftsausschuss noch ausführlicher diskutieren können und auch hören werden, was die Landesregierung hier vorhat.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schröder das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den vergangenen Monaten haben wir in diesem Haus mehrfach über die Situation der Spediteure, der Unternehmen im Güterkraftverkehr diskutiert.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Und hat es etwas gebracht?)

- Bei Ihnen sicherlich nicht so viel!

Hierbei sind nicht nur das Thema Ökosteuer, sondern auch die Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen im europäischen Bereich erörtert worden. Ich darf daran erinnern, dass wir in der September-Tagung den Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen beschlossen haben. Mit diesem Antrag wurde die Landesregierung aufgefordert, sich im Bundesrat für die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen im Güterverkehr einzusetzen. Die Stichworte Angleichung der Benutzungsgebühren für Straße und Schiene, Harmonisierung der Energiepreise, Beendigung der verhängnisvollen Abwärtsspirale von Subvention und Steuersenkung, Einführung einer EU-Fahrerlizenz als Nachweis für legale Beschäftigung, Änderung des EU-Güterkraftverkehrsgesetzes, um graue und illegale Transporte zu verhindern, und auch Erhöhung des Bußgeldrahmens stellen den Rahmen unserer Forderungen dar.

Ich rufe diesen Antrag, der hier nach intensiver Debatte beschlossen worden ist, bewusst in Erinnerung. Es reicht also nicht aus, wenn die CDU-Fraktion jetzt im Rahmen der Einführung der entfernungsabhängigen Benutzungsgebühr für LKWs aus Wettbewerbsgründen für schleswig-holsteinische LKWs eine volle Kompensation für die zusätzlichen Belastungen fordert.

Die Einführung einer entfernungsabhängigen beziehungsweise streckenbezogenen Autobahnbenutzungsgebühr für LKWs ist in der Vergangenheit ja durchaus parteiübergreifend gefordert worden; sie war auch im Programm der alten Bundesregierung enthalten.

Es ist doch kein Geheimnis und wird auch in dem Bericht der Pällmann-Kommission gefordert, dass die wichtigen Zukunftsinvestitionen - und hier eben auch wichtige Zukunftsinvestitionen insbesondere für Schleswig-Holsteins Infrastruktur - in absehbarer Zeit nur durch zusätzliche Finanzierungsmittel zu realisieren sein werden. Auch hier hat es Mitte des Jahres

(Bernd Schröder)

noch einen parteiübergreifenden Konsens gegeben, dass zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur eine Benutzungsgebühr für LKW auf Bundesautobahnen dringend erforderlich ist.

Gleichzeitig wurde gefordert, dass diese Mittel zweckgebunden und ausschließlich für den Bau und die Unterhaltung dieser Infrastruktur Verwendung finden.

Der Vorteil einer derartigen Gebühr ist sicherlich nicht nur darin zu sehen, dass Finanzierungsmittel - wie eben geschildert - zusätzlich zur Verfügung stehen, sondern auch darin, dass gewollte Verlagerungseffekte entstehen, die nicht zuletzt dazu dienen sollen, den Wettbewerb zwischen Schiene und Bahn realistischer zu gestalten.

Schleswig-Holstein als Drehscheibe im Norden, aber auch als Transitland muss daran ein erhebliches Interesse haben; denn alle Verkehrsprogramme gehen von einer deutlichen Steigerung des Güterverkehrs in den nächsten zwanzig Jahren aus.

Die Einführung der entfernungsabhängigen Benutzungsgebühr für LKW auf Autobahnen ist dringend erforderlich. Sie bietet darüber hinaus die Chance für die Unternehmen, die Infrastruktur und für eine gewollte Verlagerung der Güter vom LKW auf die Schiene. Dazu ist es natürlich erforderlich, dass es ein realistisches Bahnkonzept gibt, das nicht nur auf Vorleistungen der Länder - siehe den Aufbau von Güterverteilungszentren - abstellt. Wir erwarten von der Bahn nach wie vor, dass sie ihre Dienstleistungen wie jeder gute Kaufmann - erweitert und nicht einstellt.

Die SPD-Fraktion verkennt nicht die außerordentlich schwierige Lage der Spediteure und Güterkraftverkehrsunternehmer in Schleswig-Holstein. Wir wollen aber nicht einem CDU-Antrag zustimmen, der sich mit der vollen Kompensation der zusätzlichen Belastungen ausschließlich aus Wettbewerbsgründen beschäftigt.

Wir fordern - das sollten wir dann gemeinsam machen - unseren Minister auf, in die Verhandlungen zur Ausgestaltung der Benutzungsgebühr die besondere Situation Schleswig-Holsteins als Flächenland einzubringen. Dazu sollten wir den von mir in Erinnerung gerufenen Antrag zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen um diese Forderung ergänzen. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie SSW und F.D.P. in der September-Tagung beschlossen. Die CDU hatte sich damals enthalten. Vielleicht können wir uns heute auf diese Vorgehensweise verständigen.

Den jetzigen CDU Antrag lehnen wir - wie geschildert - ab. Zum Berichtsantrag der Fraktion der F.D.P.

schlage ich vor, dass wir diesen Bericht dann, wenn ihn der Minister gehalten hat, gemeinsam im Wirtschaftsausschuss diskutieren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich erteile Frau Abgeordneter Aschmoneit-Lücke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem, was der Herr Kollege Schröder ausgeführt hat, kann ich nur sagen, dass wir unseren Antrag offensichtlich genau richtig gestellt haben. Wir haben weder die volle Kompensation gefordert noch haben wir die Nichteinführung der LKW-Maut gefordert, sondern wir wollen mit unserem Antrag ausdrücklich auf die Probleme hinweisen, die sich für die schleswig-holsteinische Transportwirtschaft auf der einen Seite, aber selbstverständlich auch für die gesamte andere Wirtschaft, die hier im Land vorhanden ist, stellen. Dieses Thema muss rechtzeitig aufgegriffen werden. Die Landesregierung muss sich und wir müssen uns damit beschäftigen, welche Probleme auf uns zukommen und welche Möglichkeiten wir dann haben, wenn diese LKW-Maut eingeführt wird, um darauf zu reagieren.

(Beifall bei der F.D.P.)

Wir müssen natürlich damit rechnen, wenn diese LKW-Maut eingeführt wird, dass es nicht nur erhebliche Nachteile für die schleswig-holsteinische Wirtschaft gibt, sondern wir müssen auch damit rechnen, dass es ein verkehrspolitisches Problem ist, dass möglicherweise der LKW-Verkehr von der Autobahn verdrängt wird, das heißt, sich von der Autobahn entfernt. Dann stehen die LKWs statt im Stau auf der Autobahn im Stau in den Orten. Auch das können wir selbstverständlich nicht wollen. Auch mit diesem Problem werden wir uns zu beschäftigen haben.

Dann stellt sich natürlich die Frage, inwieweit sich letztlich der Gütertransport auf die Schiene verlagert. Wenn wir dies alles schon in der Vergangenheit gefordert haben und dies vielleicht auch heute nachdrücklich fordern, müssen wir uns angesichts der Schrekkensmeldungen, die uns in den letzten Wochen und auch heute wieder von der Bahn überbracht wurden und werden, fragen, ob dies dann überhaupt noch eine realistische Alternative sein wird.

(Zuruf der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Denn es ist wirklich kaum noch zu glauben, dass wir in weitem Umfang überhaupt Gütertransporte auf die Schiene verlagern können.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Wir als F.D.P. haben hier ja auch in der Vergangenheit schon immer unsere Fragezeichen gehabt und im Übrigen ist es - so glaube ich - inzwischen auch parteiübergreifend völlig klar, dass die Gütertransporte nur dann wirklich auf die Schiene verlagert werden, wenn es sich um Langstreckentransporte handelt,

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Jawohl!)

während gerade in einem Land wie SchleswigHolstein nur Kurzstreckentransporte angesagt sind, also alle Transporte bis zu 200 km oder auch bis zu 300 km ohnehin über den LKW abgewickelt werden müssen.

(Beifall bei der F.D.P. und der Abgeordneten Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich auch so - der Wirtschaftsminister hat ja in der vergangenen Woche über die Verdienste und auch über die Erfolge der Außenwirtschaftspolitik in der Presse berichtet; wir werden das hier heute Nachmittag oder morgen auch noch einmal besprechen -, dass auch die Exportwirtschaft gerade vom Transport abhängig ist; denn Export bedeutet Transport. Auch insoweit haben wir ein massives Interesse daran, uns rechtzeitig mit den anstehenden und den auf uns zukommenden Problemen zu beschäftigen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, damit ist zu dieser Problematik eigentlich alles gesagt.