Protocol of the Session on November 15, 2000

Sechstens. Bei aller nüchternen Betrachtung: Ich empfinde es als unverfroren, Herr Minister Möller, wenn Sie den Eingriff des Landes in die kommunalen Kassen in Ihrer gestrigen Pressemitteilung zur Nachschiebeliste als - so wörtlich - „Entlastung für die Kommunen“ bezeichnen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wie weit weg sind Sie von der politischen Wirklichkeit in diesem Lande, Herr Möller? Wie weit sind Sie eigentlich davon weg?

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Zuruf des Ab- geordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wissen Sie, man kann sich ja im Zuge des politischen Überlebenskampfes selbst belügen, aber man darf nicht Tausende von ehrenamtlich tätigen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern verhöhnen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und F.D.P. - Holger Astrup [SPD]: 12.000!)

Es ist eine Verhöhnung und eine Verdummung sondergleichen, wenn Sie schreiben, dass die Umsetzung Ihrer Vernebelungsmaßnahmen dazu führen wird, dass die Finanzausgleichsmasse 2001 um 9,7 Millionen DM steigen und danach wieder übliche Steigerungsraten aufweisen werde.

(Holger Astrup [SPD]: Das stimmt alles!)

Ein wenig tun Sie mir auch Leid, Herr Möller, dass Sie als derjenige, der ja irgendwo einmal - vielleicht haben Sie es vergessen - im Kommunalbereich für Finanzen zuständig war, so etwas sagen müssen, um Ihr politisches Gesicht nur noch ein bisschen zu wahren.

Siebtens. Die Ministerpräsidentin ist nun endgültig demontiert; ich weiß nicht, ob sie deswegen schon hinausgegangen ist. Frau Simonis,

(Holger Astrup [SPD]: Die hat bestimmt Angst vor Ihnen!)

Sie sind handlungsunfähig. Ihre politische Zeit läuft ab.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Achtens. Der angeblich neue Star der Sozialdemokraten im Land, der SPD-Fraktionsvorsitzende Lothar Hay - damit ist es mir wirklich ernst -, trägt die Verantwortung für alle diese Maßnahmen mit. Sie, Herr

(Klaus Schlie)

Hay - wäre er denn hier, würde ich ihn direkt ansprechen -,

(Holger Astrup [SPD]: Er sitzt dort! Aber er will nicht mit Ihnen sprechen!)

sichern doch mit der SPD-Fraktion hier mit Landtag die Politik dieser Landesregierung ab. Sie sind in dieser Angelegenheit nicht unbeteiligter Moderator, Sie sind verantwortlich Handelnder, voll verantwortlich Handelnder, obwohl offensichtlich unwissend Handelnder. Wie kann man es sonst nachvollziehen, dass nach einem Besuch des Lübecker Bürgermeisters Saxe (SPD) heute in der Zeitung steht - ich zitiere wörtlich -: „Hay erklärte, zum ersten Mal hat er in dieser Form von den riesigen Lübecker Haushaltsproblemen erfahren.“?

(Martin Kayenburg [CDU]: Hört, hört!)

Vielleicht ist das das Problem Ihrer ganzen Politik gegenüber den Kommunen, dass Sie gar nicht wissen, was dort los ist.

(Lebhafter Beifall bei CDU und F.D.P.)

Bevor ich weiter das Wort erteile, will ich Gäste begrüßen. Auf der Tribüne begrüße ich Gäste der Grundund Hauptschule Wacken sowie des Fördervereins der Diabetes-Selbsthilfegruppe Dithmarschen/Eiderstedt, Meldorf. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Jetzt erteile ich Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Vorlage des heutigen Gesetzentwurfs zeigen die Regierungsfraktionen erneut, was ihre eigenen Vorsätze wert sind. - Nichts!

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wie oft wurde im Selbstlob gebadet: Teilhabe, Transparenz und - last, but not least - Nachhaltigkeit! Alle diese schönen, wunderbaren Dinge wurden nur - und nur - durch die Regierungsfraktionen geleistet.

Ich kann nur sagen: leere Phrasen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen! Frei nach Adenauer verfahren Sie nach dem schönen Grundsatz: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist das!)

Die Enquetekommission dümpelt seit Wochen, ja seit Monaten - genau genommen von Anfang an - so vor sich hin. Endlose Verfahrensdebatten ersetzen die inhaltliche Arbeit. Jetzt ist auch klar, warum. Die Enquete war nur das Alibi für schon lange beschlossene Vorhaben und steht in der unseligen Tradition des Sonderausschusses „Kommunales“.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Warum sonst fand sich schon in der Beschlussempfehlung des Sonderausschusses „Kommunales“ die Bitte an die Landesregierung, zum Beispiel Vorschläge zu einer Sonderausschüttung des KIF oder der Einführung der differenzierten Kreisumlage vorzulegen, obwohl diese Themen in den Sitzungen des Sonderausschusses noch nicht einmal in Ansätzen diskutiert worden waren? Aber noch nicht einmal den Bericht der Landesregierung haben die Mehrheitsfraktionen abgewartet. Ratzfatz haben Sie plötzlich einen Gesetzentwurf mit Ihren Änderungen eingebracht. Was ist das für ein Verfahren!

Vor einem knappen Jahr, noch in der letzten Legislaturperiode, hatten sich alle Fraktionen darauf verständigt, eine Enquetekommission einzurichten, die sich mit einer grundlegenden und vor allen Dingen systematischen Neuordnung der kommunalen Finanzen beschäftigen sollte, um Schluss zu machen mit den vielen Einzeländerungen, die den Finanzausgleich immer unübersichtlicher werden ließen. Formell haben die Regierungsfraktionen ihre Versprechen eingehalten, materiell wird die Enquetekommission immer mehr zur Farce.

Am vergangenen Montag wurde ein Gutachten vergeben, in dessen Auftrag unter Punkt 4 folgende Frage gestellt wird: „Empfiehlt sich die Einbeziehung außerhalb des FAG geregelter Finanzierungssysteme (zum Beispiel Sozialhilfe, Jugendhilfe) in das Finanzausgleichsgesetz des Landes?...“

Der heute zu beratende Gesetzentwurf macht einen Teil des Gutachtenauftrages überflüssig.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

Vielleicht wollten die Regierungsfraktionen der Landeskasse ein paar Mark für die Erstellung des Gutachtens ersparen, aber im Ernst: Es kann nicht angehen, dass wir für viel Geld Gutachten vergeben, von denen schon bei der Auftragserteilung klar ist, dass die Ergebnisse sowieso nicht berücksichtigt werden, weil die Regierungsfraktionen zwischenzeitlich Fakten geschaffen haben.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

(Günther Hildebrand)

Die Enquete soll grundsätzliche, also langfristige Regelungen vorbereiten. Die Koalition entlarvt sich selbst. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf sollen offensichtlich nur kurzfristige Ziele erreicht werden. Die Gemeinden, Städte und Kreise brauchen aber langfristige Planungssicherheit und keine kurzfristige Flickschusterei.

Formell ist selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden, dass die Regierungsfraktionen einen Gesetzentwurf zur Änderung des FAG einbringen und ihn mit ihrer Mehrheit auch verabschieden. Dafür besitzen sie schließlich die Mehrheit. Aber Sie können nicht erwarten, dass wir Ihnen auch nur in Ansätzen abnehmen, dass Sie sich um eine systematische, plausible Veränderung des FAG unter Beteiligung der kommunalen Familie bemühen wollen. Tun Sie, was Sie tun zu müssen glauben, aber hören Sie auf, von Beteiligung und etwas Ähnlichem zu sprechen!

Sie sind zum wiederholten Mal unter der von Ihnen selbst so hoch gelegten Latte der moralischen Ansprüche hindurchgesprungen,

(Beifall bei der F.D.P. sowie der Abgeordne- ten Reinhard Sager [CDU] und Klaus Schlie [CDU])

haben die Latte dabei noch nicht einmal berührt, geschweige denn gerissen.

Die Regierungsfraktionen leisten mit ihrem Gesetzentwurf der Unübersichtlichkeit und Intransparenz des FAG weiter Vorschub.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Ich bin bisher davon ausgegangen, es sei Konsens in diesem Haus, dass Vorwegabzüge nicht aus-, sondern vielmehr abgebaut werden müssen.

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

Offensichtlich habe ich mich getäuscht. Als elfter - ich sage „als elfter“ - Vorwegabzug nach § 7 Abs. 1 werden die Zuweisungen für Jugendhilfekosten in das FAG aufgenommen. Welch einen Sinn macht eine Aufnahme der Jugendhilfekosten in das FAG wirklich? Wir haben es hier auch mit einem typischen Fall des Auseinanderfallens der Kompetenzen zur Definition der Leistung und deren Erbringung zu tun.

Die Kreise und die kreisfreien Städte haben keinen direkten Einfluss auf den Leistungskatalog in der Kinder- und Jugendhilfe und damit auch keinen auf die Entwicklung der Kosten. Ihnen bleibt also als Anpassungmechanismus nur die in Schleswig-Holstein zu trauriger Berühmtheit gelangte suboptimale Gesetzeserfüllung.

(Beifall des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU] - Holger Astrup [SPD]: Das sehen die Kommunen ganz anders! Aber was soll’s!)