Protocol of the Session on December 16, 2004

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Energiefrage ist für uns als Industrienation und Exportweltmeister von entscheidender Bedeutung. Die Energievorräte werden knapp, gleichzeitig steigt die weltweite Nachfrage. Mit 39 % Erdöl- und 24 % Erdgasverbrauch stellen diese Energieträger zwei Drittel der globalen Energie. Das weltweite Fördermaximum ist erreicht und ab 2015 werden die Fördermengen zurückgehen.

Weniger bekannt ist, dass auch Uran - darauf kommen wir heute später noch einmal genauer zurück - beim jetzigen Verbrauch nur noch für 40 Jahre reicht.

Nur Kohle ist von den endlichen Energiequellen noch für einen längeren Zeitraum verfügbar, wir dürfen sie jedoch nicht verbrennen wegen der bekannten Folgen für unser Klima, wegen des Treibhauseffektes.

Alles in allem wird deutlich: Wir brauchen die Energiewende, wir brauchen die drei „E“: Einsparung, Effizienz und erneuerbare Energien. Gerade in Schleswig-Holstein haben wir viel erreicht: Wir decken 25 % unseres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien, überwiegend aus Windenergie.

(Roswitha Strauß [CDU]: Und wenn der Wind nicht weht?)

Bei der Windenergie gilt für viele Bauern bereits: vom Landwirt zum Energiewirt. Das Mindeste sind Pachteinnahmen für die Bereitstellung von Flächen. Viele Bauern sind aber auch ins Investment gegangen und betreiben Windenergieanlagen allein oder als Beteiligung. Wir sind in Schleswig-Holstein stolz auf den hohen Anteil an Bürgerwindparks.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Unser Ziel heißt: 50 % erneuerbare Energien im Strombereich bis zum Jahr 2010, also am Ende der nächsten Legislaturperiode eine Verdoppelung. Dabei wird Biomasse eine zunehmende Rolle spielen.

Unser Ziel heißt: Steigerung des Stroms aus KraftWärme-Kopplung von 20 auf 30 %. Dabei wird Biomasse eine zunehmende Rolle spielen.

Unser Ziel heißt: Reduzierung der CO2-Emissionen von heute schon erreichten 10 % auf 15 % steigern. Dabei wird Biomasse eine zunehmende Rolle spielen.

Unser Ziel heißt: Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch ohne Verkehr von derzeit 6 auf 25 %.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dabei wird Biomasse eine zunehmende Rolle spielen.

Unser Ziel heißt: Zunehmender Einsatz von biogenen Energieträgern im Bereich mobiler Energien. Auch dabei wird Biomasse eine zentrale Rolle spielen. Bereits heute wird ein bedeutender Anteil von Raps als nachwachsender Rohstoff in Schleswig-Holstein angebaut.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Mein Auto zum Beispiel fährt mit nativem Rapsöl und spart richtig Geld.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei alledem wird klar: Die Landwirtschaft wird immer mehr auch in die Energieerzeugung eingebunden. Das ist nicht neu.

(Claus Ehlers [CDU]: Wir kennen das!)

Es gab Zeiten - das ist noch nicht lange her -, da waren 20 % der landwirtschaftlichen Fläche für Pferde reserviert. Da wurde ein großer Teil der Koch- und Heizenergie mit Holz aus dem Wald und dem Knick abgedeckt. Heute bauen wir ein zweites solares Zeitalter auf hohem technischen Niveau auf.

Ich habe vor einigen Wochen die Firma Haase mit circa 200 Beschäftigten in Neumünster besucht. Der Vorstand, Herr Martens, sagte mir, er könnte sofort 50 neue Leute beschäftigen, nur wegen der Biogasanlagen-Nachfrage.

In Brunsbüttel geht - wie schon erwähnt - eine neue Biodieselfabrik in Betrieb. In Holtsee haben sich zehn Bauern für eine Biogasanlage zusammengeschlossen und werden neben der Verstromung die Käserei Holtsee mit Kälte beliefern.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Pellworm!)

In Holtsee wird ein neues Verfahren eingesetzt, nämlich eine mechanische Feinstzerkleinerung der zugeführten Stoffe.

In Behlendorf wird von Bauer Hümme ein neues Verfahren entwickelt, nämlich eine Feststofffermentierungsanlage, eine Art Trockenvergasung. Es wird an Kombinationsverfahren gearbeitet. Enzymatischer Ganzpflanzenaufschluss von Zellulose oder Lignin mit dem Ziel der Ethanolerzeugung, Einsatz im mobilen Bereich und Einsatz der dann verbleibenden Schlempe aus der Alkoholgewinnung als Kofermente in Biogasanlagen.

Vom Landwirt zum Energiewirt auf der einen Seite, vom Maschinenbaustudenten an der FH Kiel zur Star

(Detlef Matthiessen)

tup-Firma für Verfahrenstechnik auf der anderen Seite. Stadt und Land Hand in Hand. Der Vorteil einer zukunftstauglichen Energiepolitik: Es werden viele Arbeitsplätze geschaffen, wir entwickeln die Technik von morgen, Umwelt und Klima werden geschont.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ein letzter Satz noch in Richtung Claus Ehlers und Herrn Hildbrand: Die dem zugrunde liegenden Gesetze, dass wir heute von einem Boom der Biomasse sprechen können, wurden sämtlich von der FDP und mit zwei Ausnahmen auch von der CDU abgelehnt. Wenn Sie sich heute brüsten, wie toll das alles sei, was da in der Landwirtschaft an positiven Effekten laufe, ausgelöst durch Biomassenutzung, ist Ihnen nicht zu helfen.

(Glocke des Präsidenten)

Ändern Sie Ihre Energiepolitik und helfen Sie mit, die Landwirtschaft vorwärts zu bringen!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich bitte, bei der Bildung des letzten Satzes die übliche Interpunktion zu beachten. Ich darf jetzt für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Bericht zur Bioenergie wird einmal mehr sehr deutlich, wie sehr sich die Landwirtschaft in einem Prozess des Wandels befindet. Die Landwirtschaft muss sich darauf einstellen, dass sie neben der Produktion von Nahrungsmitteln künftig weitere wirtschaftliche Standbeine bekommen wird. Hierbei wird insbesondere der Bereich der Energiegewinnung eine größere Rolle spielen als bisher. Auch wenn wir uns in diesem Sektor noch am Anfang befinden - das kann durchaus ein Vorteil sein, weil das auch eine Perspektive für uns ist -, lässt sich doch feststellen, dass viele Landwirte diese Chance bereits erkannt haben und zusätzlich auf die Energieerzeugung aus Biomasse setzen. Herr Kollege Ehlers hat das eben durchklingen lassen. Das ist etwas Positives.

Die rechtlichen Voraussetzungen für diesen Wandel gibt es bereits. Die Biomasseverordnung, das EEG und nicht zuletzt die Änderung der landwirtschaftlichen Förderkulisse machen es den Landwirten künftig möglich, sich weitere wirtschaftliche Standbeine zu schaffen. Es ist in der Tat richtig, dass die meisten

dieser Gesetze entweder von Rot-Grün oder von der EU kommen. Das ist in meinen Augen durchaus bemerkenswert.

Diese Entwicklung unterstützt natürlich auch der SSW. Wir sind der Auffassung, dass die bisherige Landwirtschaft mit einer produktionsgebundenen Förderkulisse am Markt vorbei produziert. Aber damit wird künftig Schluss sein. Daher ist es nur folgerichtig, dass unseren Landwirten neue Möglichkeiten angeboten werden. Biomasse bietet insbesondere für ein landwirtschaftlich geprägtes Land wie SchleswigHolstein eine große Chance, weil wir hier das notwendige Potenzial haben, das andere nicht haben.

Wer sich näher mit dem Thema energetische Biomassenutzung auseinander setzt, wird feststellen, dass man sich hier auf ein umfangreiches Feld begibt. Dies konnten wir auch dem Bericht des Ministers entnehmen. Das breite Spektrum der Möglichkeiten von der Strom- und Wärmeerzeugung bis hin zur Gewinnung alternativer Kraftstoffe macht das deutlich. Was notwendig ist, sind innovative Unternehmen, die diese Potenziale dann auch abrufen. Das ist eine Aufgabe, die wir hier in Schleswig-Holstein noch haben.

Dem Energiebericht der Landesregierung konnten wir seinerzeit entnehmen, dass die energetische Nutzung der Biomasse nur einen Anteil von circa 1 % am Energiebedarf in Schleswig-Holstein darstellt. Ich sagte es bereits: Wir stehen hier noch am Anfang und das gibt auch Chancen. Daher ist es notwendig, dass das Land weiterhin seinen Anteil leistet, um diesen Bereich zu fördern und die Chancen für unser Land auszunutzen. Daher begrüßen wir ausdrücklich die Förderinitiative „Biomasse und Energie“ der Landesregierung. Darüber hinaus werden bis 2006 gemeinsam von Land und EU Fördermittel zur Nutzung von Biomasse bereitgestellt. Bislang wurden 21 Biomasse-Energieprojekte mit einem Fördervolumen von 7,6 Millionen € gefördert. Dadurch wurden Gesamtinvestitionen von rund 28 Millionen € ausgelöst. Wir können also feststellen, dass unsere Landwirte und die Kommunen mit der Landesregierung durchaus einen kooperativen Partner an ihrer Seite haben. Das ist auch gut so.

Wenn wir nun wissen, dass innovative Unternehmen notwendig sind, können derartige Projektumsetzungen nur funktionieren, wenn diese in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung durchgeführt werden. Dabei möchte ich auf ein durchaus umfangreiches Projekt in Nordfriesland hinweisen, nämlich die Wiedingharder Energiegesellschaft, wo ein gesamtes Amt ein Gesamtkonzept erarbeitet hat, das auf energetischer und touristischer Nutzung basiert. Die Idee, die hinter

(Lars Harms)

dem Konzept steht, ist, die Nutzung rundum erneuerbarer Energien und Energieeinsparungen für Touristen und Einheimische erlebbar zu machen. So wird ein nachhaltiges Verständnis von Energieerzeugung und Energieverbrauch vermittelt, das zur Nachahmung anspornt. Letztendlich soll mit dem Projekt aber auch eine rechnerisch autarke regenerative Energieversorgung der gesamten Wiedingharde erreicht werden. In der Wiedingharde hat man sich das Bioenergiedorf Jünde in Niedersachsen als Vorbild genommen. Dort zielt das Projekt darauf ab, die Wärme- und Stromversorgung aus erneuerbaren Energien für ein ganzes Dorf zu gewährleisten. Das Projekt der Wiedingharde ist sehr komplex und womöglich noch komplexer als das in Jünde. Ich denke, dass die Idee es verdient, dass die Landesregierung das Projekt positiv begleitet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn dort soll etwas Einmaliges entstehen, was es in dieser Form bisher noch nicht gibt. So etwas kann seinen natürlichen Platz eigentlich nur hier bei uns in Schleswig-Holstein haben.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich jetzt dem Abgeordneten Claus Ehlers.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Erfolg hat immer viele Väter. Wenn einer der Pflanzenölbasis zur Markteinführung verholfen hat, dann ist es unser ehemaliger Präsident Karl Eigen.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD)