Protocol of the Session on December 16, 2004

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Keine Hausarbeiten gemacht?)

- Das ist nicht zu kommentieren, Herr Kollege Arp.

Ich eröffne die Aussprache. Zunächst darf ich für die

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Fraktion der CDU dem Abgeordneten Claus Ehlers das Wort erteilen.

(Unruhe)

- Kollege Hildebrand!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zweifellos hat die Produktion von Biomasse in der Landwirtschaft eine viel versprechende Zukunft. Schon heute ist Deutschland bei der Biomasseproduktion in Europa führend. Es gibt jedoch keine Veranlassung, die Hände in den Schoß zu legen.

Wir haben in Schleswig-Holstein über 2.600 Windkraftanlagen, aber nur knapp 50 Biogasanlagen. Biogasanlagen produzieren auch dann Strom, wenn Windkraftanlagen wegen zu wenig oder zu viel Windes stillstehen. Die Verteilung zeigt den Nachholbedarf der Biomasseanlagen auf, die nicht nur Gas erzeugen, sondern auch Wärme, die künftig besser zu nutzen ist.

Die Entscheidung der Europäischen Union, bei Kraftstoffen eine Beimischung aus nachwachsenden Rohstoffen zuzulassen, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Antwort auf eine Kleine Anfrage vor zwei Jahren hat ergeben, dass von den damals über 2.400 Dienstfahrzeugen des Landes kein einziges mit Kraft- oder Schmierstoffen auf Rapsölbasis betrieben wurde. Nicht einmal Wasserfahrzeuge, die im umweltsensiblen Wattenmeer eingesetzt werden, wurden mit umweltfreundlichen Kraft- und Schmierstoffen betrieben.

(Zurufe von der SPD)

Eine Vorbildfunktion kann man dieser Landregierung in dieser Frage wirklich nicht bestätigen. Sie haben aber dazugelernt.

Herr Minister, der Anbau von Energiepflanzen wird vermutlich durch gentechnisch veränderte Pflanzen eine völlig neue Dimension erhalten. Ob die Regionen, in denen der Anbau solcher Pflanzen strikt abgelehnt wird, dann noch mithalten können, wage ich allerdings zu bezweifeln. Wenn die Gentechnik auf diesem Gebiet deutliche Fortschritte erzielt, wird sich unsere Landwirtschaft nach dem Willen der rotgrünen Politik vom Energiepflanzenanbau verabschieden müssen. Für viele Landwirte ist der Energiepflanzenanbau möglicherweise die einzige Alternative. Nachdem die Landesregierung Beschlüsse

gefasst hat, die zu einer Absenkung der Prämien um ein Drittel führen, bleibt für den Ackerbau auf der Geest nur noch der Anbau nachwachsender Rohstoffe. Zu kostendeckenden Preisen lässt sich zwischen Flensburg und Pinneberg kein Getreide mehr erzeugen.

Es spricht allerdings einiges dafür, dass aus ideologischen Gründen selbst dies infrage zu stellen ist. Der Energiepflanzenanbau und die Biomassenutzung auf den Höfen hat Zukunft. Das Schwergewicht der Energiepolitik muss künftig zugunsten dieser Richtung verschoben werden. Es ist auch erforderlich, die Weiterentwicklung zu unterstützen und dort, wo es möglich und richtig ist, selbst voranzugehen. Hier hat die Landesregierung noch Nachholbedarf. Das werden wir begleiten. Daher beantrage ich Überweisung an den Ausschuss.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Wilhelm Malerius das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ehlers, in einem Punkt sind Sie nicht richtig davor. Bevor ich in diesen Landtag gekommen bin, habe ich oft mit der Landesregierung auch in Bezug auf Wattenfahrzeuge und so weiter zusammenarbeiten müssen. Schmierstoffe aus biogenen Pflanzen sind schon längst eingesetzt worden. Sie hätten sich besser informieren müssen, dann wüssten Sie, was eigentlich los ist.

(Claus Ehlers [CDU]: Das hat eine Kleine Anfrage ergeben! - Zuruf von der SPD: Vor zwei Jahren!)

Der Landwirt als Energiewirt, damit wird einem deutschen Sprichwort nahezu unverhofft zu sprichwörtlicher Wahrheit verholfen. Ich bitte, den volkstümlichen Charakter der Sprachwahl zu entschuldigen, aber hier trifft es den Nagel auf den Kopf. Damit kann man in der Tat „Scheiße zu Gold“ machen.

(Heiterkeit)

Die Umwandlung von Biomasse in Energie ist ein neuer und nicht zu unterschätzender Ertragszweig für Landwirte. Er beschränkt sich natürlich nicht nur auf Fäkalien. Im Vergleich der erneuerbaren Energieträger gilt die Biomasse als der Energieträger mit den höchsten und den bisher am wenigsten ausgeschöpften Potenzialen. In Schleswig-Holstein kann Biomasse gemäß aktuellen Schätzungen der technisch

(Wilhelm-Karl Malerius)

wirtschaftlichen Potenziale bis zu 13 % des Energieverbrauchs decken.

Die Rahmenbedingungen für die energetische Biomassenutzung wurden erheblich verbessert. Die erste Biomasseinitiative dieser Landesregierung lief von 1996 bis 2000. Es wurden damals mit circa 13,2 Millionen DM Holz-, Stroh- und Biogasprojekte mit insgesamt circa 23 MW thermischer Leistung gefördert. Die Bundesregierung hat mit dem Marktanreizprogramm und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ein breites Maßnahmenbündel für die Förderung der erneuerbaren Energien auf den Weg gebracht. Zum anderen hat die Landesregierung mit EU-Kofinanzierung das Förderprogramm Biomasse und Energie für den Zeitraum 2001 bis 2006 aufgelegt. Durch das Zusammenwirken dieser Instrumente wird die Wirtschaftlichkeit der energetischen Biomassenutzung für die Anlagenbetreiber deutlich verbessert.

Finanzielle Vorteile aus der Biomassenutzung ergeben sich für die Landwirtschaft entweder durch direkte Erlöse oder in Form von Kostenersparnissen. Direkte Einkünfte werden bei der Brennstoffversorgung durch die Einbindung von landwirtschaftlichen Roh- und Reststoffen erzielt. Eine weitere Einnahmequelle stellt die Kapitalbeteilung von Landwirten an Betreibergesellschaften für Biomasseenergieanlagen dar. Bestes Beispiel dafür ist die in Bau befindliche RME-Anlage der Marina Biodiesel GmbH in Brunsbüttel. Die Anlage hat eine Kapazität von 140.000 t pro Jahr und wurde initiiert und getragen von den Maschinenringen und Landwirten des Landes Schleswig-Holstein. Circa 700 Gesellschafter aus dem Agrarsektor haben dafür ein Eigenkapital von rund 5,5 Millionen € aufgebracht.

Die erneuerbaren Energien sind bereits heute ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der weiter ausgebaut werden kann und aufgrund seines Potenzials auch weiter ausgebaut werden muss. Als Pionier im Bereich der erneuerbaren Energien wird Deutschland, wird Schleswig-Holstein zudem zum Schaufenster für andere Länder und erwirbt sich hervorragende Exportmöglichkeiten. Das Potenzial für neue Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien ist enorm. Bis zum Jahr 2020 können 500.000 Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien beschäftigt werden. Die dezentrale Struktur der erneuerbaren Energien bewirkt ferner eine breite regionale Verteilung dieser Arbeitsplätze, die insbesondere den strukturschwachen Regionen zugute kommt.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Das erhebliche Potenzial der Bioenergie ist erst zu einem geringen Teil ausgeschöpft. Neben der Produktion von Strom bietet insbesondere die Erzeugung von Wärme und Biotreibstoffen eine hervorragende Chance für die Entwicklung der ländlichen Räume. Hier gilt es zudem, im Bereich der Forschung und Entwicklung in Zusammenarbeit mit unseren Universitäten verfeinerte Methoden zur Gewinnung und Verwertung zu erarbeiten, die den Effizienzgrad nochmals fördern.

Die Nutzung von Biomasse zur Erzeugung von Strom und Wärme ist eine besonders unter Klimagesichtspunkten attraktive Form der Energieumwandlung. Biomasse ist weitgehend CO2-neutral und trägt dadurch zum Klimaschutz bei. Biomasse liefert Energie, die für jede Endnutzungform geeignet ist. Durch die Speicherbarkeit kann die zeitliche Nutzung gesteuert werden. Die energetische Biomassenutzung verringert die Importabhängigkeit von fossilen Energierohstoffen. Biomasse ist ein heimischer erneuerbarer Energieträger.

Die Bioenergie zeichnet sich durch einen geschlossenen CO2-Kreislauf aus und bietet eine ideale Lösung für eine nachhaltige Energie- und Kreislaufwirtschaft. Zudem setzt die Bioenergie entscheidende Akzente für eine innovative Wirtschaftspolitik. Gerade für mittelständische Unternehmen und den ländlichen Raum, insbesondere für die Land- und Forstwirtschaft, bietet die energetische Biomassenutzung neue Einkommens- und Beschäftigungschancen. Die erneuerbaren Energien zeichnen sich durch eine Vielfalt von Akteuren aus. Ob Produzent, Anlagenbauer, Investor - in allen Bereichen bestehen gerade für den Klein- und Mittelständler, für den Privatinvestor oder für den Landwirt die Chancen, an der Entwicklung der erneuerbaren Energien zu partizipieren. Das sind mehr als nur gute Argumente, sich diesem Zweig intensiv zuzuwenden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Malerius, das Präsidium weiß sich mit Ihnen darin einig, dass die Bezeichnung des Reststoffes, aus dem Sie meinen, dass man aus ihm Gold gewinnen kann, auch einer anderen Betitelung zugänglich ist, als Sie sie gewählt haben. Wir bitten, dieses Wissen bei Ihrem nächsten Beitrag zu berücksichtigen.

(Heiterkeit)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jede Medaille hat zwei Seiten und ich habe lange überlegt, welche der beiden ich heute zuerst betrachte. Mit Blick auf die Presse der vergangenen Woche habe ich mich zunächst für die positive Seite entschieden. Das bestätigt mal wieder den enormen Einfluss der Journalie.

So berichteten beispielsweise die „Lübecker Nachrichten“ bereits sehr ausführlich, dass Deutschlands Landwirtschaft in der Produktion von Biomasse spitze sei. Weiter heißt es: Aus der boomenden Energieversorgung aus nachwachsenden Rohstoffen ergäben sich gute Chancen für mehr Investitionen und neue Arbeitsplätze. Gut so! Auch wir unterstützen diese Entwicklung ausdrücklich. Sowohl aus Gründen des Klimaschutzes als auch wegen der knapper werdenden fossilen Energieträger führt heute kein Weg mehr daran vorbei, dass wir uns auf die Suche nach umweltverträglichen Alternativen machen müssen.

Die Produktion von Biogas aus landwirtschaftlichen Roh- und Reststoffen kann dabei ohne Frage einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung leisten. Entsprechend müssen die damit verbundenen Potenziale genutzt und auch angemessen unterstützt werden. Das umso mehr, als die Bioenergie der Landwirtschaft gleichzeitig auch ein neues Einkommensfeld öffnet, das zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum beiträgt.

Professor Weiland von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig hat beide Komponenten bereits in Band 1 des Forschungsreports 2004, der Zeitschrift des Senats der Bundesforschungsanstalten, sehr eindrucksvoll, aber auch kritisch beschrieben. So fand ich beispielsweise seinen Hinweis bemerkenswert, dass von dem technisch erschließbaren Biogaspotenzial in Deutschland derzeit nur circa 5 % genutzt werden, insbesondere da er damit die Erfolgsmeldungen aus dem rot-grünen Bundeslandwirtschaftsministerium in ein anderes Licht rückt, das sich in der Regel darauf beschränkt, auf die führende Position Deutschlands bei der Produktion von Biomasse zu verweisen. Ich will diese Position gar nicht schmälern, aber es macht deutlich, dass dieses Potenzial wirklich noch besser genutzt werden kann.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit komme ich auch gleich zur negativen Seite der Medaille, der Medaille Landwirtschaft: Bei aller Freude darüber, dass die Energie künftig vom Acker kommt, bei aller Begeisterung, dass ein Landwirt

künftig seine unternehmerischen Fähigkeiten auch als Energiewirt nutzen kann, bei aller Anerkennung, dass die innovativen Entwicklungen bei der Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen deutliche Impulse für Investitionen und neue Arbeitsplätze setzen - über eines helfen alle diese Aspekte nicht hinweg, nämlich über ist die schlechte wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft insgesamt.

(Claus Ehlers [CDU]: So ist das!)

Der Situationsbericht 2005, den Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, letzte Woche vorgestellt hat, ist insoweit wirklich ernüchternd. Das Highlight Bioenergie ist da gleichsam nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Machen wir uns nichts vor: Die wirtschaftliche Lage der landwirtschaftlichen Betriebe ist schlecht, in Schleswig-Holstein vielleicht nicht ganz so schlecht wie anderswo, aber immer noch im deutlichen Abstand zur gewerblichen Wirtschaft. Diese Entwicklung wird durch die verfehlte rot-grüne Politik sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene verschärft.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Alleingänge hier wie dort verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit. Ich erwähne nur die bürokratischen Auflagen, die Erhöhungen bei Agrardiesel und Sozialbeträgen oder - jüngstes Beispiel im Land - die geplante Umverteilung von Zahlungsansprüchen zugunsten des Dauergrünlandes und zulasten des Ackerlandes. Wir lehnen diese Vorgehensweise ab, bei der die Förderung einer Gruppe von Betrieben nur durch weitere Belastungen anderer Betriebe finanziert wird.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Unser Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Agrar- und Ernährungswirtschaft insgesamt durch marktwirtschaftliche Reformen zu stärken. Nur so lassen sich die Chancen nutzen, die sich aus der EU-Osterweiterung und der Globalisierung ergeben. Innovationen, wie sie sich bei nachwachsenden Rohstoffen oder grüner Gentechnik ergeben, gehören dabei ohne Frage mit zum Kanon für mehr Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft. Für einen Wohlklang in der Landwirtschaft reicht das aber noch nicht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)