„If you can’t beat them, join them.“ Das war ein bemerkenswerter Ausspruch; den haben Sie irgendwann einmal gemacht. Ich habe ihn mir gemerkt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin meinen Vorrednerinnen und Vorrednern dankbar, dass sie noch einmal den Blick in die anderen Bundesländer gelenkt haben. Denn unser Bildungsprovinzialismus - wenn ich das einmal so deuten darf - verhindert oft, dass wir sehen, was wenige hundert Kilometer von uns entfernt passiert. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass einerseits bedauerlicherweise die neuen Bundesländer sehr vorschnell unser dreigegliedertes Schulsystem übernommen haben, andererseits aber doch nicht vollständig. Das haben die Ausführungen der Kollegen Weber und Höppner deutlich gemacht. Ich frage mich, wie Sie
von der CDU mit Ihren Beiträgen im Landtag von Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen ankämen. Ich glaube, die Kollegen würden Sie überhaupt nicht verstehen. Deswegen haben Sie auch betreten geschwiegen, als diese Beispiele vorgetragen wurden.
Ich will trotzdem nicht sagen, dass wir uns mit dem zufrieden geben können, was wir in anderen CDUregierten Ländern vorfinden. Sehen wir uns einmal das viel zitierte Bayern an. In einer Analyse von Thomas Hinz, Frithjof Zerger und Jochen Groß wird das bayerische Ergebnis eingehend mit Statistiken belegt und nach PISA vertiefend ausgewertet. Man kommt zu dem Schluss, dass sich Bayern im Hinblick auf den Schulbesuch durch eine frühe Selektion im dreigliedrigen Schulsystem auszeichnet. Durchlässigkeit besteht im bayerischen Schulsystem nach unten. Der Schulbesuch verlagert sich von der 7. bis zur 9. Klasse zulasten der Gymnasien. Dies galt vor sechs Jahren und gilt auch heute noch. Früh verfehlte Chancen können kaum mehr wettgemacht werden. Es wird nachgewiesen, dass weit oberhalb des Bundesdurchschnitts gerade bei Mädchen und Jungen, deren Vater ohne Schulabschluss ist, auch die jeweiligen Söhne und Töchter - mehr als im Bundesdurchschnitt - in Bayern keinen Schulabschluss erreichen. Das spricht für sich. Diese Zementierung wollen wir nicht fortschreiben.
Wir können nicht sagen, dass unsere Schulergebnisse besser sind als die von Bayern. Aber wir sollten uns daran nicht ein Beispiel nehmen, sondern uns die Frage stellen - die stellt sich Rot-Grün -: Wie kommen wir zu besseren Ergebnissen? Diese Frage scheinen Sie nicht beantworten zu wollen.
Ich freue mich, dass Sie immerhin in den Dingen, die wir in dieser Legislaturperiode angeschoben haben, nämlich Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule, mehr Interesse und Aufmerksamkeit für den Bildungsauftrag in Kindergärten, mehr Investitionen, mehr Aufmerksamkeit, mehr Wertschätzung der Grundschule, insbesondere im Bereich der Ganztagsschule, einen Schritt nach vorn gemacht haben. Ohne unsere Anstöße wäre das hier im Parlament überhaupt nicht Thema geworden.
PISA hat uns Rückenwind gegeben. Bedauerlicherweise bedurfte es einer solchen internationalen Inspektion, bis man in Deutschland den Argumenten, die wir schon vor 20 Jahren vorgebracht haben, endlich Glauben schenkt.
Anstatt an dieser Stelle zu den ideologischen Grabenkämpfen der 70er-Jahre zurückzukehren und die Argumente von Ihrer Seite, die schon damals falsch waren, einfach nur zu wiederholen, gilt es nach vorn zu gucken und uns an denen zu orientieren,
die in den 70er-Jahren gelernt haben, die nicht nur eine Aussage hinsichtlich ihrer eigenen Schulbilanz gemacht haben, sondern Schritte nach vorn gemacht haben. - Ich sehe hier nur ein Blinken. Die Redezeit war hier überhaupt nicht eingeteilt.
Es blinkt hier schon seit einiger Zeit; es hat schon geblinkt, als ich begonnen habe. Das zur Technik hier.
Ich bin mit meinem Beitrag aber auch zu Ende. Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen, dass unsere Rechnungen ergeben haben, dass etwa ein Fünftel an Potenzial aufgrund der Demographie und aufgrund der Umorganisation, die wir vorgeschlagen haben, im Schulwesen frei wird, um es für die Förderaufgaben und die Verlagerung in die ersten Lebensjahre zur Verfügung zu stellen, wo es Not tut.
Ich möchte von Ihrer Seite, von der CDU, endlich einmal einen Beweis haben, wie Sie Ihr Konzept finanzieren wollen, wie Sie Ihre Stellen finanzieren wollen. Diesen Beweis sind Sie uns bisher schuldig geblieben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich nach dem Beitrag des Kollegen Höppner noch einmal kurz gemeldet, weil ich gern zu einem Punkt noch etwas sagen möchte. Ich bitte Sie eindringlich: Handeln Sie nicht nach zweierlei Maß!
Wenn Verbände und Organisationen, die Ihren bildungspolitischen Vorstellungen nahe stehen, eine Fülle von Veranstaltungen machen, sich auch öffentlich äußern, sich auch Schulleiter öffentlich äußern, sind Sie begeistert. Das kann ich politisch noch nachvollziehen. Wenn sich Lehrerverbände wie der Realschullehrerverband oder der Philologenverband schulpolitisch in einer Weise äußern, die Ihnen nicht schmeckt, kommen Sie mit der Keule des Beamtenstatus. Das ist der sozialdemokratische Obrigkeitsstaat.
Wenn die als Angehörige des öffentlichen Dienstes, die nicht Ihrer Meinung sind, nach dem Motto gewarnt werden: „Ihr seid Beamte, haltet euch mal zurück, muckt nicht auf!“, und wenn man sich über die anderen freut, ist das die Zweigleisigkeit, die die Staatspartei SPD zunehmend beschreitet. Davor hüten Sie sich bitte, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle mich ausdrücklich vor die Meinungsfreiheit der Verbandsvertreter. Die politische Äußerung von Herrn Höppner ist trotzdem nachvollziehbar. Sie haben sich nicht bildungspolitisch geäußert, sondern ausdrücklich parteipolitisch. Aber sollen sie das doch tun.
- Natürlich, Sie haben zur Wahl der Parteien aufgerufen, die das dreigliedrige Schulsystem unterstützen. Was ist das denn sonst, meine Damen und Herren? Nun bleiben wir einmal ehrlich.
Aber ich sage ganz deutlich, dass Sie das tun können. Die GEW tut das nicht. Die GEW äußert sich bildungspolitisch.
Ich habe noch nie gehört, dass die GEW zur Wahl der SPD aufgerufen hätte. Das wäre einmal etwas Neues.
Lassen Sie mich zum Schluss der Debatte noch einmal eine ebenso gelassene Bemerkung machen. Herr Wagner, ich nehme das, was aus Ihrem Beitrag herausklang, durchaus ernst. Ich weiß, dass diese Bedenken und Fragen bei vielen Eltern auch da sind: Wie schaffen wir es, dass wir sowohl den sehr guten Schülern als auch den sehr schwachen Schülern in einem solchen System langfristig gerecht werden? Hier ist vieles über die Veränderung von Schulen und Unterricht gesagt worden, was man sich dabei mit vorstellen muss. Ich bin gern bereit, Ihnen das einmal - weil das wirklich in diesen kurzen Beiträgen nicht möglich ist - anhand der Beispiele anderer Länder darzulegen, die anders unterrichten und ganz anders arbeiten; sie differenzieren natürlich auch so viel wie möglich, um allen Leistungsmöglichkeiten gerecht zu werden. Das will ich Ihnen gern einmal erklären.
Noch einmal: Ein bisschen mehr Gelassenheit in der Debatte! Wir reden über die Sekundarstufe I, wir reden über fünf Jahre in der Bildungsbiografie eines Kindes. Wir haben Probleme in diesen fünf Jahren. Das bescheinigen uns alle Bildungsforscher, das bescheinigen uns alle internationalen Vergleiche. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir diese fünf Jahre anders und besser gestalten. Die Begabungspotentiale, die wir gerade bei den Kindern aus den sozial schwachen Schichten haben besser auszunutzen, das muss unser aller gemeinsames Anliegen sein. Lassen Sie uns doch bitte in Zukunft gemeinsam etwas sachlicher vernünftige neue Wege suchen.
Den Fraktionen stehen wieder jeweils fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich habe ich natürlich den Wunsch, dass alle Lehrerverbände zur Wahl der Grünen aufrufen. Ich hoffe, dafür haben Sie alle Verständnis.
- Warten Sie einmal ab. Die Frage von Herrn Abgeordneten Wagner war: Was passiert, wenn ein Handwerkerkind und ein Akademikerkind zusammen auf der Schulbank sitzen? Wird das eine dann nicht benachteiligt, weil das andere zu dumm ist? Das ist doch die Frage, die Sie gestellt haben.
Ich möchte Ihnen sagen, es gab eine Zeit, in der das der Fall war: das war die Zeit der einklassigen Volksschule, das war die Zeit der einklassigen Schulen auf dem Land, in den Dörfern. Da war es häufig so - in den kleinen Dörfern -, dass bis zu vier Klassen, teilweise sogar acht Klassen, zusammen in einem Raum saßen.