Eine weitere ständige Gefahr in der Ostsee und insbesondere in der Kadetrinne ist der ständige Schiffsverkehr mit Einhüllentankern. Das Gefahrenpotential dieser alten Schiffe ist sehr hoch. Die genaue Zahl, wie viele dieser Tanker monatlich die Ostsee und die Kadetrinne passieren, ist bis heute unklar. Diese Daten werden wir erst verbindlich haben, wenn das im Aufbau befindliche automatische Identifizierungssystem, kurz AIS, wirklich für alle Schiffe eingeführt worden ist. Dennoch hat beispielsweise Greenpeace im Zeitraum von Dezember 2002 bis Januar 2003 allein 26 Einhüllentanker mit einer Tragfähigkeit zwischen 4.000 und 102.000 t bei ihrer Passage durch die engen Gewässer der Kadetrinne gezählt. 26 Einhüllentanker im Monat, das macht geschätzt über 300 Passagen im Jahr aus, alles tickende Zeitbomben. Es reicht für uns nicht aus, dass diese meist Schweröl transportierenden Tanker seit dem 21. Oktober vergangenen Jahres keinen Hafen der EU mehr anlaufen dürfen. Wir müssen endlich darauf drängen, dass diese Schiffe in der Ostsee nichts mehr zu suchen haben. Bis 2010 soll dies der Fall sein. Früher wäre uns lieber.
Ob es bis zum Jahre 2010 wirklich gelingt, bleibt abzuwarten. Darüber hinaus muss das automatische Identifizierungssystem für alle Schiffe so früh wie möglich eingeführt werden. Diese Forderung im Antrag unterstützen wir ausdrücklich.
Ein bemerkenswerter Punkt wurde auf der 14. Ostseesicherheitskonferenz herausgearbeitet, und zwar die bisher oftmals unterschätzte Rolle des menschlichen Faktors bei Schiffshavarien. Dabei ging es nicht nur um Alkohol am Ruder von Schiffen. Professor Karl Laubstein, der Präsident der World Maritime University, stellte in seinem Beitrag klar, dass eine gute Aus- und Fortbildung, lebenslanges Lernen, Wiederholungslehrgänge, ständiges Üben sowie bessere Arbeits- und Lebensbedingungen auf Schiffen die wichtigsten Schlüssel zu mehr Schiffssicherheit sind. Eine hohe Qualität der Ausbildung sichert einen hohen Standard bei der Schiffssicherheit.
Dass wir hier international einen hohen Standard erreichen, muss eine zentrale Forderung eines Parlaments eines Ostseeanrainerstaates sein. Insofern unterstützen wir auch diese Forderung.
Darüber, ob für die Schiffssicherheit in der Ostsee dieses großflächig nun als PSSA-Gebiet ausgewiesen werden muss, wird trefflich gestritten. Der Umweltausschuss der International Maritime Organisation - IMO - hat diese Forderung bereits im April grundsätzlich aufgenommen. Nun werden konkrete Maßnahmen und Vorschläge der Staaten erwartet.
Widerspruch gegen die großräumige Ausweisung der Ostsee als PSSA-Gebiet gibt es dagegen aus Kreisen der Schifffahrt und der Häfen.
Im Interesse eines fairen Ausgleichs zwischen den Interessen des Natur- und Umweltschutzes und den ökonomischen Interessen der Reeder und Hafenbetreiber sollten wir uns diesem Punkt im Ausschuss noch einmal genauer widmen.
Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Behm, mir wurde berichtet, dass es schon ein großer Fortschritt wäre - die genannten Fortbildungslehrgänge natürlich in Ehren -, wenn sich die Schiffsführer ein wenig auf Englisch verständigen könnten. Ich denke, Sie haben hier ein ganz wichtiges Thema angesprochen.
Meine Fraktion teilt die Auffassung der Landesregierung, dass die maritime Wirtschaft für SchleswigHolstein große Chancen bietet. Die 3. Nationale Maritime Konferenz in Lübeck hat dies ebenso unterstrichen wie die InWaterTech-Messe und -Konferenz in Kiel, wie das neu entstandene Leibniz-Institut für Meeresforschung, wie die geplanten Windparks in Nord- und Ostsee und so weiter und wie die gesamte Ostseekooperation insgesamt. Nicht zuletzt auch die Beschäftigung mit der Ausschreibung eines ScienceCenters - ob es nun realisiert wird oder nicht - führt uns vor Augen, wie bedeutend das Potenzial einer maritimen Wirtschaft in Schleswig-Holstein bereits ist und wie wichtig eine darauf ausgerichtete wirtschaftspolitische Strategie sein wird. Darauf weist unser Wirtschaftsminister immer hin. Er richtet die Aktivitäten seines Hauses darauf aus. Und das ist gut so.
Wir begrüßen die Initiative der Ministerpräsidentin für eine koordinierte europäische Meerespolitik, die sich in die Gesamtstrategie „Zukunft Meer“ einreiht. Wir alle kennen die sich immer stärker entwickelnden Verkehrszahlen im Baltikum. Insbesondere werden zunehmend große Mengen Güterverkehr abzuwickeln sein. Dabei spielt gerade aus grüner Sicht die Strategie „from road to sea“, also die Verlagerung von Verkehrsströmen von der Straße auf die See, eine zentrale Rolle. Hintergrund dieser zwingend erforderlichen Strategie sind nicht nur Überlegungen hinsichtlich Energie und Ökologie, sondern auch massive ökonomische Zwänge, weil diese erwarteten Verkehre und Transporte nicht mehr über die Straße abzuwickeln sind. Es ist unabhängig davon, wie entschlossen man die Strategie „from road to sea“ verfolgt, damit zu rechnen, dass die Schiffsverkehre zunehmen werden.
Meine Damen und Herren, aus Gründen der Friedenssicherung, des kulturellen Austausches und vor allem auch der wirtschaftlichen Entwicklung und der ökonomischen Chancen, die das Mare Baltikum gerade für Schleswig-Holstein bietet, besteht hier im hohen Hause über alle Fraktionsgrenzen hinweg eine große Einigkeit in der Befürwortung der Ostseekooperationen. Daher ist die ökologische Intaktheit der Ostsee von überragender Wichtigkeit. Die See ist das Grundmedium der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Verkehre nehmen zu, die Ostsee ist fast ein Binnensee. Sie ist flach und kann Unfallereignisse weitaus schlechter kompensieren als andere Meere.
Die Ministerpräsidentin und die Landesregierung haben hier in Kiel die Ostseesicherheitskonferenz Maritime Safety Conference Baltic 2004 ausgerichtet, auf der gute und richtungweisende Beschlüsse gefasst wurden. Es gilt diese umzusetzen. Dazu wollen wir mit unserem Antrag einen Beitrag leisten.
Wir wissen aus schleswig-holsteinischer Sicht nur zu gut, dass das Thema Schiffssicherheit sehr hoch im Kurs steht, wenn das öffentliche Licht auf Unfälle oder Beinahe-Unfälle, sei es vor der dänischen Küste oder vor Spanien, geworfen wird. Wir wissen leider aber auch, wie schnell das Interesse in den NichtKüstenländern und auch bei uns wieder abnimmt. Das ist wie mit der Gesundheit: Man nimmt sie als selbstverständlich hin. Erst dann, wenn sie abhanden kommt, macht man sich ihren Wert klar.
In diesem Sinne soll unser Antrag dazu beitragen, das Thema Schiffssicherheit nicht zu vergessen, sondern kontinuierlich und mit Energie weiterzuentwickeln.
Wie bei einem Schiffsmotor darf hier nicht mit gedrosselter Fahrt, sondern muss mit mittlerer Drehzahl - wie ein gutes Kümo - sehr lange in die richtige Richtung gefahren werden, um das Ziel zu erreichen.
Kollege Behm, Sie erwähnten die verbindliche Lotsenpflicht. Ihre Ausführungen dazu teilen wir voll und ganz. Wir haben uns jetzt darauf beschränkt, die bestehende Beschlusslage aufzugreifen und noch einmal in den Fokus zu bringen, damit daraus auch entsprechende Umsetzungen erfolgen.
Schleswig-Holstein ist nicht nur Motor der Ostseekooperationen, sondern damit verbunden auch Motor beim Thema Schiffssicherheit. Wir freuen uns, dass wir unsere Landesregierung hier an der Spitze wissen. Die landespolitischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Veronika Kolb [FDP]: Das ma- chen wir im nächsten Jahr!)
Das Wort für den SSW im Landtag SchleswigHolstein erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag von Rot-Grün liest sich im ersten Moment wie ein Wunschzettel an den Weihnachtsmann.
Ich habe auf Anhieb keinen Punkt gefunden, den der SSW so nicht mittragen kann. Bei den anderen Kollegen war dies ja auch nicht der Fall. Die Erfahrungen haben uns aber gelehrt, dass wir bei derartigen Wunschzetteln einen sehr langen Atem haben müssen. Zum Wohle der Natur und der Menschen sollten wir diesen langen Atem aber aufbringen.
Wir wissen, dass das Thema Schiffssicherheit in der Ostsee nicht nur hier bei uns im Landtag debattiert wird, sondern auch in den Parlamenten rund um die Ostsee. Überall ist man sich einig, dass für die Schiffssicherheit mehr getan werden muss. Also fragt
man sich doch, warum dann so wenig passiert oder warum von dem, was letztendlich doch alle wollen, so wenig umgesetzt wird.
Dass auch wirklich alle diesen Gedanken verfolgen, zeigt uns unter anderem die Ostseeparlamentarierkonferenz von 2002. Das zweite Standbein der Konferenz war das Thema ökologische und Umweltherausforderungen in der Ostseeregion. Dabei ging es unter anderem um den Abschlussbericht einer Arbeitsgruppe zur Schiffssicherheit in der Ostsee. Dies macht deutlich, dass der ökologische Wert der Ostsee schon seit langem auf vielen politischen Ebenen erkannt wurde.
Wir müssen aber doch unmittelbar feststellen, dass es bisher kaum Fortschritte gegeben hat; denn ansonsten wäre der Antrag nicht in diesem Umfang gestellt worden. Dass wir uns beim Thema Schiffssicherheit nicht in einem einfachen Fahrwasser bewegen, wissen wir alle. Das ist unter anderem eine Lehre, die wir aus dem Ergebnis der Konferenz der norddeutschen Innenminister gezogen haben.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat sich parteiübergreifend für die Einrichtung einer Einheitlichen Deutschen Küstenwache ausgesprochen. Genauso parteiübergreifend wurde unser gemeinsamer Vorstoß von den anderen Innenministern vorerst aber auf den Boden des Meeres versenkt. In der Diskussion um die Einheitliche Deutsche Küstenwache hat der SSW immer wieder auf die vielen bestehenden Strukturen hingewiesen. Es geht hierbei nicht um die Fachkompetenz oder die Motivation der Beteiligten, es geht uns hierbei um die Abschaffung des Kompetenzwirrwarrs. Daher ist es zu begrüßen, dass genau dieser Punkt in dem Antrag wieder zu finden ist.
Folgende politische Forderung sehen wir unter Punkt 6 der Kieler Erklärung: Dort wird „die Einrichtung klarer Entscheidungsstrukturen für das Unfall/Desaster-Management in Verbindung mit der Zugriffsmöglichkeit auf Einsatz- und Bekämpfungsmittel“ gefordert. Wenn diese Forderung im Raum steht, dann muss das im Umkehrschluss bedeuten, dass diese klaren Entscheidungsstrukturen derzeit fehlen. Also müssen wir uns weiterhin um eine Einheitliche Deutsche Küstenwache bemühen.
Was die Lotsenpflicht in schwierigen und engen Fahrwassern angeht, so wird auch hier deutlich, dass diese Forderung bereits seit langem besteht. Der Bericht der Landesregierung zur Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee hat die Problematik aufgezeigt. Leider ist es so, dass sich die Lotsenannahmepflicht nicht ohne weiteres umsetzen lässt. Wir können sie nicht selbstständig einführen. Wenn wir
ehrlich sind, dann brauchen wir hierbei nicht auf Freiwilligkeit zu hoffen. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass sich die Landesregierung bei der IMO nachdrücklich für eine Lotsenpflicht für stark befahrene enge Gewässer, wie zum Beispiel die Kadetrinne, einsetzt. Dem Bericht ist aber auch zu entnehmen, dass die Einführung der Lotsenpflicht länger dauern kann. Deshalb ist der Antrag auch in diesem Bereich sehr hilfreich.
Dies sind nur zwei Punkte aus einer Reihe von vielen, die uns zeigen, dass im Bereich Schiffssicherheit noch viel politische Arbeit geleistet werden muss. Wir können mit diesem Antrag aber ein Zeichen in die Richtung der anderen Ostseeanrainerstaaten setzen.
Wir unterstützen den Antrag von Rot-Grün und wir gehen davon aus, dass wir den geforderten Bericht noch in dieser Legislaturperiode bekommen werden, um ihn noch behandeln zu können. Dann werden wir die Möglichkeit haben, diesen Bericht mit dem Bericht von 2001 zu vergleichen, um uns ein genaues Bild davon machen zu können, welche Veränderungen - und insbesondere welche Verbesserungen - es im Bereich der Schiffssicherheit in der Ostsee in diesem Zeitraum gegeben hat. Das wiederum muss für uns dann Anlass sein, uns im Rahmen einer der nächsten Ostseeparlamentarierkonferenzen genau für diesen Bereich einzusetzen. In diesem Sinne verstehe ich den Antrag und in diesem Sinne unterstützen wir den Antrag.