Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wenn man dem Abgeordneten Maurus zuhört, dann besteht Schiffssicherheit in der Ostsee darin, dass ich allen Schleswig-Holsteinern ein Sandschäufelchen mit Eimerchen in die Hand drücke und sage: Wenn etwas los ist, dann kommt alle her und schaufelt mit. Herr Maurus, das ist schon ein bisschen komplizierter; das dürfen Sie mir gern glauben!
Das umfasst internationale Absprachen, Prävention und Absprachen mit den anderen Küstenländern. All dies unter einen Hut zu kriegen, dauert sehr lange. Ich weiß, wovon ich rede. Dennoch können wir mit Stolz feststellen, dass sich unser Engagement für eine koordinierte europäische Meerespolitik ausgezahlt hat. Die Landesregierung hat in diesem Frühjahr mit einer umfangreichen Studie und einem international besetzten Kongress die Initiative „Zukunft Meer“ gestartet. Ich stelle wieder einmal fest: Sie haben etwas gegen wissenschaftlich untermauerte Untersuchungen. Auch das halten wir für uns fest.
Die Initiative stieß auf ungeteiltes Echo. Am 13. August 2004 wurde erstmals bei der Neuaufstellung der EU-Kommission ein Kommissar für Fischerei und maritime Angelegenheiten berufen. Der Malteser Joseph Borg wird innerhalb der Europäischen Union die maritime Politik der Mitgliedstaaten koordinieren. Er übernimmt den Vorsitz einer ressortübergreifenden Task Force, einer Kommissionsarbeitsgruppe, die ein Grünbuch zur maritimen Politik entwickeln soll. Dies war ein Vorschlag von uns, der auch auf dieses Gutachten zurückgeht. Wir sind glücklich, dass uns das gelungen ist. Das ist der erste Schritt überhaupt, um zu einer koordinierten Umwelt- und Meerespolitik im Bereich der europäischen Politik zu kommen.
Das hatte sich bereits in einem Schreiben von Romano Prodi angedeutet, der gesagt hat: Dies wird auch für die zukünftige Kommission von größter Bedeutung sein. Wir freuen uns, dass wir so erfolgreich waren. Wir freuen uns auch darüber, dass der Erste Bürgermeister Hamburgs am 17. August in einem Schreiben dafür dankte, dass wir uns für eine koordinierte europäische Meerespolitik eingesetzt haben. Die Hansestadt Hamburg will sich hier unter Umständen anlehnen. Wir freuen uns darüber, dass der estnische Ministerpräsident seine Zusammenarbeit angekündigt hat. Ich werde meine Reise nach Stockholm dazu benutzen, um dem Ministerpräsidenten Göran Persson vorzustellen, was wir uns an dieser Stelle ausgedacht haben; zum Beispiel werde ich unsere 14 Punkte vorstellen.
Einer der wichtigsten Punkte überhaupt für eine vernünftige Ostseekooperation und eine vernünftige Ostseepolitik ist das Vermeiden von Unfällen, also Prävention. Dazu braucht man auch ein paar wissenschaftlich fundierte Gedanken darüber, was man wo
miteinander vernetzen muss, damit es zu dieser Prävention kommt und damit nicht jeder an irgendeiner Stellschraube nach dem Motto dreht: Es wird schon schief gehen, irgendwie wird es am Ende zusammenlaufen. So machen die Damen und Herren von der CDU momentan ihre Politik. Man merkt, was dabei herauskommt.
Das Binnenmeer Ostsee ist ökologisch besonders sensibel. Wenn hier einmal irgendetwas passiert, dann ist wirklich etwas passiert. Wir werden uns dann alle fragen, warum wir so unvernünftig waren, so spät mit der Diskussion anzufangen. Da sind die steigenden Verkehre, da sind aber auch die Schiffe, die aus Russland kommen, die nicht allen Sicherheitsstandards entsprechen.
Zu den Passagierschiffen! Der Passagierschiffverkehr auf der Ostsee boomt. Wir sehen im Sommerhalbjahr immer mehr Kreuzfahrer hier, deren Passagiere einen Einblick in die Schönheit und in die kulturelle und historische Vielfalt der Ostsee gewinnen wollen. Das bedeutet allerdings auch eine Belastung dieses Meeres.
Containerschiffe! Die Zahl der Überseecontainer wird immer größer. Die Zahl der Häfen, die von ihnen angelaufen werden können, nimmt allerdings ab. Das heißt, dass die so genannten Trailerverkehre eine größere Bedeutung bekommen werden und die Zu- und Abführungen aus den großen Überseehäfen - wie zum Beispiel Hamburg - aufzunehmen haben. Die Containerisierung der Ostsee steckt erst in ihren Kinderschuhen. Schon jetzt wissen wir uns, was mögliche Unfälle anbetrifft, im Grunde genommen nicht auf der ganz sicheren Seite.
Gefahrgutschiffe und Tanker! Ein Viertel aller transportierten Ladungen über See ist Gefahrgut. Dabei hat der Tankerverkehr eine besondere Bedeutung. Die Russische Föderation hat sich zum derzeit größten Erdölproduzenten weiterentwickelt. Trotz aller Unklarheiten über die Zukunft des Yukos-Konzerns wird Russland auf absehbare Zeit einer der größten Erölproduzenten bleiben und seine Erdölexporte zu einem riesigen Teil über die Ostsee abwickeln. Zum Teil geht es als raffiniertes Benzin auch wieder zurück.
Schon diese wenigen Schlagworte zeigen, wie schwierig es ist, Schiffssicherheit innerhalb eines wachsenden und sehr komplizierten und differenzierten Schiffsverkehrs sicherzustellen. Wenn die Vorstellung, die bei der EU zurzeit unter dem Stichwort „Motorways of the Seas“ entwickelt wird, nicht auch für die Ostsee umgesetzt wird, wird der Ostseeschiffsverkehr noch eine weitere Dimension erhalten,
und zwar in einem zum Teil besorgniserregend beengten und flachen Fahrwasser. Die Gefährdungspotenziale sind also enorm. Hinzu kommen noch Wetterbedingungen wie damals bei der „Estonia“. Man kann sich ausmalen, was passieren kann.
Das heißt also: Mit den einfachen Antworten der CDU ist es nicht getan. Hier muss man immer wieder dicke Bretter bohren und sich mit internationalen Partnern absprechen. Man muss sehen, dass das Thema auf internationale Tagesordnungen kommt. Ich bin Frau Abgeordneter Rodust dafür dankbar, dass sie dieses Thema auch in den Ausschuss der Regionen gebracht hat. Dieser Ausschuss wird sich nun ebenfalls damit beschäftigen.
Immerhin hat Europa mehr Küstenlinie als jedes andere Land in der Welt. Die Landesregierung hat Anfang Mai dieses Jahres die Internationale Ostseesicherheitskonferenz Baltic 2004 unter Beteiligung hochrangiger internationaler Experten abgehalten. Hierbei war auch der Generalsekretär der Weltschifffahrtsorganisation IMO anwesend. Herr Maurus, der ist nicht gekommen, weil er das Gefühl hatte, wir würden Quatsch vorlegen, sondern weil ihn das interessiert hat, was wir gemacht haben, und weil er dabei sein und mitreden wollte. Die daraus resultierenden 14 Kieler Vorschläge sind weit über SchleswigHolstein hinaus sehr positiv aufgenommen worden und sollen Bestandteil der weiteren Diskussion des Ostseerates werden.
Es geht also jetzt darum, dass wir das, was wir erfahren, und das, was wir gelernt haben, umsetzen, dass wir Katastrophenpläne miteinander absprechen. Wenn Sie glauben, man kann mal eben nach Dänemark gehen und sagen: Lassen Sie uns mal gemeinsam ein paar Katastrophenübungen machen, dann kann ich dazu nur sagen: Sie haben relativ wenig Ahnung. Das ist ein derart sensibles Gebiet, wenn beispielsweise die Bundeswehr in Dänemark einmarschieren würde, wobei es ganz normal ist, dass die Bundeswehr mithilft. Herr Maurus, beschäftigen Sie sich noch ein bisschen damit, dann kriegen Sie von mir vielleicht auch eine Vier minus dafür, was Sie hier abgeleistet haben!
Zum Schluss möchte ich noch einen Appell loswerden: Das Ganze kann nichts werden, wenn sich Russland weitgehend aus den Überlegungen und aus der Zusammenarbeit heraushält. Man kann sie nicht zwingen, wir müssen sie überzeugen. Allein das sind
noch eine ganze Menge schwieriger Gewichte, die wir zu heben haben. Ich danke, dass Sie die Landesregierung mit diesem Antrag unterstützen und auf Heide hören. Auf Heide hört ja sonst niemand. Sie beschweren sich sonst immer darüber, dass ich alles gefährden würde. Ich kann nun mit diesem Antrag sagen, dieses Projekt soll mit parlamentarischer Unterstützung durchgeführt werden.
Ich eröffne die Runde der Kurzbeiträge. Der Kollege Heinz Maurus hatte sich gemeldet. Nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung hat er das Wort.
Verehrte Frau Ministerpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir waren uns in der Situationsanalyse einig. Die Situation auf der Ostsee ist so, wie es die Vertreter aller Fraktionen - und auch die Ministerpräsidentin - hier dargestellt haben. Eines in allem Ernst: Schleswig-Holstein und seine Ministerpräsidentin sind doch nicht der Dreh- und Angelpunkt dieser Diskussion, sondern die Entscheidungen werden an ganz anderer Stelle getroffen. Sie werden in unserem nationalen und im Europäischen Parlament getroffen!
Wir wissen auch, wie schwierig es ist, in der IMO internationale Übereinstimmung zu bekommen, um tatsächlich etwas mehr Schiffssicherheit zu erreichen. Nur darauf sollten wir uns tatsächlich konzentrieren und das muss hier noch einmal deutlich gesagt werden.
Der Antrag, den Rot-Grün hier vorgelegt haben, ist die Zusammenstellung der Dinge, die aktuell diskutiert werden und zum Teil von uns und von meiner Bundestagsfraktion mit initiiert wurden. Von daher haben wir kein Problem, Ihrem Antrag zuzustimmen; das werden wir auch machen. Nur: Wir sollten uns bewusst sein, dass Schleswig-Holstein in dieser Frage nicht Dreh- und Angelpunkt ist. Entscheidungen werden nicht hier im Hause getroffen, sondern woanders.
Am Rande eine Bemerkung, die mir am Herzen lag und die ich kurz angesprochen habe: Wir haben hier im eigenen Land und in eigener Zuständigkeit eine Menge zu regeln. Vielleicht wäre es sinnvoll, dass wir uns auch über diese Dinge unterhalten. Insofern würde ich es begrüßen, wenn wir nicht in der Sache ab
stimmen würden. Wenn Sie das wollen, werden wir zwar zustimmen, aber ansonsten hätten wir dazu im Wirtschaftsausschuss eine ganze Menge beizutragen.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Wilhelm Malerius das Wort.
Herr Maurus, Sie haben unsere Ministerpräsidentin wohl nicht ganz verstanden. Denn sie sagte: Dieses Thema ist ein Thema, um dicke Bretter zu bohren. - Das ist der entscheidende Punkt und irgendeiner oder irgendeine - und das sind glücklicherweise wir - muss diese Bretter bohren und die Sache weiter vorantreiben.
Das ist der Punkt, auch wenn Teile der Vorschläge auf dem Tisch liegen. Aber wir müssen die Angelegenheit immer wieder vorantreiben. Das ist die entscheidende Phase. Daran sollten Sie als Opposition auch wirklich teilhaben und uns voll unterstützen.
(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben wieder einmal nicht zugehört, Herr Kollege!)
Dann darf ich über den Antrag „Zukunft Meer: Mehr Schiffssicherheit in der Ostsee“, Drucksache 15/3596, in der Sache abstimmen lassen. Wer diesem Antrag in der Sache seine Zustimmung geben möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig vom Hause so verabschiedet.
Für die Landesregierung darf ich zunächst dem Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Herrn Prof. Dr. Bernd Rohwer, das Wort erteilen.