Protocol of the Session on August 25, 2004

Das zweite negative Ereignis im Zusammenhang mit der Mannesmann-Übernahme waren Presseberichte vor der Sommerpause über eine mögliche Teilabschreibung von Vodafone in Höhe von bis zu 20 Milliarden €. Es ist ein Skandal, dass die rein spekulativ bedingten Wertverluste durch die Übernahmeschlacht von Vodafone anscheinend künstlich erzeugt worden sind.

(Rainer Wiegard [CDU]: Wenn dies so wäre, würden sie nicht steuerbefreiend wirken!)

So konnte Vodafone die Kosten der Übernahme von Mannesmann und die Abfindungen an die Manager quasi vom deutschen Steuerzahler bezahlen lassen. Allerdings möchte ich auch betonen, dass sich der mögliche Skandal - wir wissen zurzeit noch nicht, ob das Finanzamt diese Teilabschreibung anerkennen wird - natürlich auch auf die Gesetzgebung bezieht, die so etwas zulässt. Man muss ganz klar sagen, dass es leider die rot-grüne Bundesregierung mit ihrer hoch gelobten Unternehmensteuerreform aus dem Jahre 2000 war, die die gesetzgeberischen Voraussetzungen für die Abschreibung von Aktienverlusten geschaffen hat.

(Beifall bei SSW und CDU)

Die Unternehmensteuerreform wurde damals frenetisch begrüßt, weil sie angeblich den Standort Deutschland stärkt und damit zu mehr Arbeitsplätzen

(Anke Spoorendonk)

führen wird. Der SSW hat diese Reform schon mehrmals kritisiert,

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Wiegard [CDU])

weil sie zum Beispiel - lieber Kollege Wiegard, vielleicht hören Sie zunächst einmal zu! - dazu geführt hat, dass die Einnahmen aus der wichtigen Körperschaftsteuer dramatisch gesunken sind. Das bisherige Fazit dieser Reform ist also ein massiver Einbruch bei den kommunalen Steuern und leider keine nennenswerte Verbesserung der Arbeitsplatzsituation. Das haben sowohl die Bundesregierung als auch die Opposition nicht zuletzt wegen des Drucks der kommunalen Verbände erkannt und sich im Dezember im Vermittlungsausschuss zumindest auf eine Verbesserung im Bereich der Körperschaftsteuer verständigt. Und das ist gut so.

Ich bezweifele aber, dass diese Maßnahmen ausreichen, und daher werden wir natürlich den vorliegenden Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen. Die Gestaltungsmöglichkeit bei der Gewinnermittlung der in Deutschland ansässigen Großunternehmen muss stärker eingeschränkt werden, denn gerade vor dem Hintergrund der Diskussion um Hartz IV brauchen wir eine Steuergesetzgebung, die eine gerechte steuerliche Belastung zwischen Konzernen, Mittelstand und den Bürgerinnen und Bürgern schafft.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Davon sind wir im Moment noch weit entfernt. Eine Umsetzung des vorliegenden Antrags wäre aber ein kleiner erster Schritt in die richtige Richtung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Günter Neugebauer.

(Zuruf: Zeig mal dein Handy!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist völlig egal, wo ich mein Handy erworben habe. Das spielt überhaupt keine Rolle. Hier geht es darum, beispielhaft an diesem Vorgang aufzuzeigen, was sich künftig nicht wiederholen darf. Wir begrü

ßen das, was die Kollegin Spoorendonk für den SSW gesagt hat, und freuen uns über die Unterstützung.

Eines, liebe Anke, möchte ich aber doch korrigieren. Es war die sozialdemokratisch-grüne Bundesregierung, die 1999 überhaupt erst durchgesetzt hat, dass Teilabschreibungen nur bei dauernder Wertminderung möglich sind. Wenn wir diese Gesetzgebung nicht gegen den massiven Widerstand von CDU und FDP durchgesetzt hätten, brauchte die Steuerverwaltung Nordrhein-Westfalen gar nicht erst zu prüfen, ob diese Teilwertabschreibung von Vodafone zulässig ist oder nicht. Nur dank des Vorgehens der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung hat die Regierung von Nordrhein-Westfalen überhaupt die Chance, diesen Antrag abzulehnen.

(Zurufe von der CDU)

Nun zur CDU und FDP. Wir haben - darauf hat die Kollegin Heinold schon hingewiesen - Ende Juni 2004 diesen Antrag in den Landtag als Dringlichkeitsantrag eingebracht. Wir haben damals gedacht, dass Sie nicht in der Lage waren, sich so schnell eine Meinung zu bilden, und ihn deshalb zurückgewiesen haben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Quatsch! So ein Unsinn! Erzählen Sie hier doch nicht so ei- nen Unsinn! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Wir haben das geglaubt. Was wir geglaubt haben, können Sie doch gar nicht beurteilen.

(Lachen bei der CDU)

Aber wir hätten doch zumindest erwartet, dass Sie ein Gespräch mit dem nun für das Schattenkabinett vorgesehenen Herrn Austermann geführt hätten.

(Zuruf von der SPD: Das wäre gut gewesen!)

Herr Austermann sprach von einem „steuerpolitischen Beutezug durch den Vodafone-Konzern“ und forderte eine rückwirkende Änderung der Steuergesetze. - Mal abgesehen von der fehlenden Kompetenz dieses für das Schattenkabinett vorgesehenen Austermanns und der Tatsache, dass man Steuergesetze nicht rückwirkend ändern kann, muss ich doch sagen,

(Zurufe von der CDU)

dass wir hier einmal mehr einen sehr interessanten Gegensatz zwischen der CDU-Fraktion und dem künftig für das Finanzressort vorgesehenen Minister erkennen konnten. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich nicht einmal in solchen wichtigen Fragen

(Günter Neugebauer)

einig sind, kann man Ihnen das Land wirklich nicht überlassen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich jetzt dem zuständigen Finanzminister, Herrn Dr. Stegner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Vorgang bei Vodafone zeigt, dass wir mit unserem Steuerkonzept auf der richtigen Linie liegen. Es darf einfach nicht sein, dass wir es zulassen, dass erst mit künstlich aufgeblähten Aktienkursen Geschäfte gemacht, dann millionenschwere Abfindungen an Manager gezahlt werden und dann die Arbeitnehmer als Steuerzahler das sozusagen auch noch bezahlen sollen - und das für eine Fusion, die offenkundig nicht gerade zum Vorteil der Arbeitnehmer gewesen ist.

Es stehen Steuereinsparungen des Konzerns in Höhe von 20 Milliarden € im Raum. Dafür müssten fast 750.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Jahr lang arbeiten. Das ist ein Skandal. Und ich sage ganz eindeutig - Herr Dr. Garg, wie immer Sie das auch bezeichnen möchten -: Ich bin ganz froh, dass solche Vorgänge, die ich unmoralisch finde - ich sage das ganz deutlich - durch die Unternehmensteuerreform der rot-grünen Bundesregierung nicht mehr möglich sind.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Wiegard, ich bestreite gar nicht, dass die Unternehmensteuerreform insgesamt mit der Körperschaftsteuer nicht der Weisheit letzter Schluss war, das bestreite ich nicht. Aber Sie sind der Letzte, der dazu etwas sagen darf, denn das, was ich eben gerade gesagt habe, ist gegen den heftigen Widerstand von Union und FDP durchgesetzt worden, sehr verehrter Herr Wiegard.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Ansinnen von Vodafone ist im Grunde genommen ein Schlag in das Gesicht der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Und, lieber Herr Dr. Garg, nicht alles, was legal ist, ist auch legitim, wenn ich das hier einmal so deutlich sagen darf.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Solidarität ist in unserer Gesellschaft unerlässlich. Aber wer so denkt, kommt dann auch zu solchen Vorstellungen wie Herr Merz, der sagt: Lasst uns doch den Kündigungsschutz abschaffen. Das ist Manchester-Kapitalismus; das wollen wir nicht. Nicht alles, was legal ist, ist legitim! Im Übrigen müssen Unternehmen - das ist Teil unseres Konzeptes, darin unterscheiden wir uns von Ihnen - auch ihren Beitrag zu den Staatsfinanzen leisten.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Wiegard [CDU])

Sie haben übrigens in Deutschland einen akzeptablen Beitrag zu den Staatsfinanzen zu leisten. Schauen Sie sich die Steuerquote an: Die ist in Deutschland heute niedriger als in den Vereinigten Staaten von Amerika, die bekanntlich kein sozialistisches Land sind, Herr Wiegard. Also, wir sind, was die Steuerquote angeht, durchaus konkurrenzfähiger. Wenn Sie uns Slowenien und Estland vorhalten, möchte ich Ihnen gern sagen: Die haben eine ähnlich hohe Steuerquote wie wir, die haben nur nicht die ganzen Ausnahmen. Und da müssen wir auch über die Subventionen reden. Sie zahlen keinen Euro für die Landwirtschaft dazu. Wenn wir über solche Ausnahmen reden, sagen Sie öffentlich: Wir machen mit. Und beim nächsten Mal hinter den Türen des Vermittlungsausschusses ist die Union plötzlich nicht mehr dabei. So ist das immer bei Ihnen.

(Zurufe von der CDU)

Das heißt also, die Steuerquote und die Belastung der Unternehmen ist durchaus in Ordnung.

Die rot-grüne Regierung in Berlin hat seit 1999 die Steuergerechtigkeit umfassend verbessert. Sie hat fast immer die Beseitigung von unsachgemäßen Abschreibungsmöglichkeiten gegen Ihren Widerstand durchgesetzt.

Erstens: Seit 1999 ist eine Teilwertabschreibung erst bei dauernder Wertminderung zulässig. Das hat Herr Neugebauer schon gesagt. Vor 1999 übrigens - da haben Ihre Freunde regiert - war das anders.

(Zurufe von der CDU)

Seit 2002 dürfen hohe Verluste auf inländische Beteiligungen steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden. Ab 2004 ist die Möglichkeit des Verlustvorteils eingeschränkt worden. Eine fairere Regelung ist übri

(Minister Dr. Ralf Stegner)

gens auch da an der Unionsblockade im Bundesrat gescheitert.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD])