Protocol of the Session on August 25, 2004

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.

(Zurufe)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vielleicht können Sie sich über die Umfragewerte anschließend draußen beim Kaffee unterhalten.

Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen! Erstens bin ich ausgesprochen glücklich darüber, dass ich in den letzten Jahren nicht beim Arzt sein musste, also mein Wissen nicht aus irgendwelchen Illustrierten aus Wartezimmern beziehen muss.

Zweites habe ich sehr viel Verständnis und Sympathie für den Kollegen Neugebauer. Denn es ist ja schon bitter, ansehen zu müssen, in welchen Summen sich die Konsequenzen rot-grüner Steuerpolitik auf Bundesebene niederschlagen.

(Beifall bei der FDP)

Lieber Kollege Neugebauer, insofern kann ich Sie gut verstehen.

Sie sind ganz in Ihrem Element - auch das haben Sie hier bewiesen -, Sie ziehen gegen das Großkapital zu Felde und Sie wollen all die kapitalistischen Erfüllungsgehilfen an den Pranger stellen. Ich will Ihnen nicht ungetrübte Sachkenntnis vorwerfen, lieber Kollege Neugebauer, das liegt mir fern beu einem so altgedienten Finanzpolitiker wie Ihnen, aber Sie sollten sich einmal überlegen, was Sie eigentlich tun. Sie wettern gegen die Manager der Vodafone AG, weil deren Arbeitgeber - dass sind nämlich die Eigentümer von Vodafone - völlig legal Steuern sparen wollen - wohlgemerkt: wollen. Ob das geht, haben die Finanzbehörden in Düsseldorf noch gar nicht entschieden. Die Manager von Vodafone erfüllen ihre gesetzliche Pflicht!

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Sie sind nach dem deutschen Aktienrecht verpflichtet, sorgsam mit dem Vermögen der Aktiengesellschaft umzugehen. Dazu gehört auch, nicht mehr

Steuern zu zahlen als rechtlich nötig. Täten Sie das nicht, begingen Sie eine Straftat, Sie machten sich der Untreue schuldig.

Lieber Herr Kollege Neugebauer, das verdrängen Sie. Ich habe aus Ihrer Sicht sogar irgendwie Verständnis dafür, aber das ändert nichts an der geltenden Rechtslage.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

Es kommt noch besser: Die angeprangerten Vorschriften sind von Rot-Grün bewusst im Steuerrecht belassen worden. Wahrscheinlich hat auch die alte rot-grüne Landesregierung im Bundesrat dafür gestimmt.

Trotzdem sprechen die Antragsteller von unmoralischen Steuerschlupflöchern, durch die Vodafone das deutsche Volk um dessen wohlverdiente Steuereinnahmen erleichtere. Tatsächlich geht es um Teilwertabschreibungen. Ein Unternehmen kann Wertverluste steuerlich geltend machen, seit 1999 nur noch dauerhafte. Diese Teilwertabschreibungen bei dauerhaften Wertverlusten wollte die rot-grüne Bundesregierung für das Jahr 2001 unbedingt im Steuerrecht belassen. Genau auf diese Vorschrift beruft sich Vodafone jetzt und die Finanzbehörden prüfen, ob die von Vodafone angegebene Wertminderung dauerhaft ist.

Wir erleben - lieber Kollege Neugebauer, darüber sollten Sie wirklich einmal gründlich nachdenken - im Moment ein Lehrstück des Rechtsstaates, eines Staates, dessen Regeln für alle Personen gleich angewendet werden, auf die diese Regeln zutreffen, ohne Ansehen der Person, sei es eine natürliche oder eine juristische Person. Das ist der Rechtsstaat, den die meisten Menschen auf dieser Welt leider nie kennen lernen, eine der sozialsten Erfindungen der Menschheit überhaupt.

Die Antragsteller schert das bedauerlicherweise überhaupt nicht. Jetzt bin ich doch kurz davor, Ihnen ungetrübte Sachkenntnis vorzuwerfen, lieber Kollege Neugebauer. Denn Sie werfen den Verantwortlichen bei Vodafone weiter vor, das deutsche Volk zu betrügen. Es geht noch weiter: Sie rufen nach sofortigen Gegenmaßnahmen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Wo habe ich das gesagt?)

Lieber Herr Kollege, an dieser Stelle blamieren Sie sich gründlich. Denn im Sommer 2004 fordern Sie, was die rot-grüne Bundesregierung schon lange erfüllt hat. Mit Sicherheit hat auch diese Landesregierung im Bundesrat genau dafür gestimmt. Seit 2002 können Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen

(Dr. Heiner Garg)

steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden. Seit diesem Jahr gibt es eine Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne: Tatsächliche Verluste können nur noch zu 60 % vorgetragen und steuerlich geltend gemacht werden.

Hans Eichel hat schon vor Jahren erledigt, was Kollege Neugebauer und seine Gefährten heute fordern. Auch deshalb ist Deutschland für Unternehmen ein Hochsteuerland, in dem die effektiven durchschnittlichen und marginalen Steuersätze bei 37 % beziehungsweise 31 % liegen. Dies sind die höchsten in Europa. Diese angebliche soziale Gerechtigkeit ist Rot-Grün sehr viel wert. Sie kostet jeden Tag 4.500 Arbeitsplätze bundesweit.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Lieber Herr Kollege Neugebauer, liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem klar ist, dass Vodafone rechtmäßig handelt, und nachdem auch klar ist, dass die moralisch begründeten Forderungen von RotGrün zwar beschäftigungsfeindlich, aber schon lange erfüllt sind, bleibt nur noch eine Frage offen: Was soll um Himmels willen dieser völlig unsinnige Antrag? Die Antwort ist eindeutig: Es geht Herrn Neugebauer und den Mitunterzeichnern nur um den kläglichen Versuch, den Anschein eines irgendwie gearteten roten Fadens zu wahren - Rechtsstaat hin, Arbeitsplätze her!

Abschließend hoffe ich, lieber Kollege Wiegard, dass alle Abgeordneten der antragstellenden Fraktionen wenigstens konsequent sind. Es wäre peinlich, erwischte man Sie irgendwann noch einmal mit einem Handyvertrag von Vodafone.

Ich bitte Sie schlicht und ergreifend, diesen Antrag zurückzuziehen, damit Ihnen eine weitere Blamage erspart bleibt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

(Zuruf von der CDU: Zeigt her eure Han- dys!)

Mein Handy ist natürlich aus und nicht im Raum. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unseren ursprünglichen Antrag wollten wir als Dringlichkeitsantrag noch vor der Sommerpause im Landtag disku

tieren und auch verabschieden. Die CDU hat das damals gemeinsam mit der FDP blockiert. Das ist für uns völlig unverständlich, hatte sich doch die CDU, als der Steuerausfall in Höhe von 50 Milliarden € durch die Medien ging, an die Spitze der Bewegung gestellt. Ihr Kompetenzteam-Mann Austermann zog wie Robin Hood durch die Gegend und sagte, Papierverluste in diesem Umfang zu sozialisieren, sei gemeinwohlschädlich. Er schlug, was uns wunderte, sogar vor, das Steuerrecht rückwirkend zu ändern. - So viel zu Ihrem Kompetenzteam!

Heute bieten wir FDP und CDU noch einmal die Möglichkeit, gemeinsam mit uns über ein gerechtes Steuerrecht und über eventuelle Defizite zu diskutieren, brauchen wir doch im Bundesrat die Gemeinsamkeit vor allem der großen Parteien, wenn es darum geht, Steuerschlupflöcher weiter zu schließen und Subventionen abzubauen.

Zu Recht war die Empörung groß, als im Juni bekannt wurde, dass die Firma Vodafone versucht, vier Jahre nach der feindlichen Übernahme des großen Mannesmann-Konzerns im Jahre 2000 in der Steuererklärung 2001 einen Buchverlust von 50 Milliarden € abzuschreiben. Damit würde der Konzern für Jahre keine Steuern zahlen, auch wenn er Gewinne macht, und dem Staat gingen 20 Milliarden € verloren. Das werden Sie nicht bestreiten.

Es kann nicht Aufgabe der Steuerzahler sein, Verluste aus Übernahmeschlachten auszugleichen. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie dazu Stellung genommen hätten, wenn wir uns zumindest darüber einig wären, zumal - das ist bekannt und kann nicht abgestritten werden - nur einige wenige an diesen Schlachten erheblich verdienen, während die Lasten dieser Steuerausfälle von den Bürgerinnen und Bürgern bezahlt werden. So soll ein Hongkong-Investor alleine bei dieser Schlacht einen Gewinn von 20 Milliarden € gemacht haben. Den Kurs hochzutreiben ist leicht. Hinterher fällt er aber wieder ab. Hohe Abfindungen an Manager, Buchverluste sind und waren die Folge.

Das Finanzamt muss nun prüfen, ob es sich um einen Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten handelt. In diese Prüfung können und wollen wir uns als Politik nicht einmischen. Hier gilt natürlich der Rechtsstaat, Herr Garg. In jedem Fall macht der Fall Vodafone aber deutlich, wie undurchschaubar die Steuergesetzgebung in Deutschland noch immer ist.

(Christel Aschmoneit-Lücke [FDP]: Da ist etwas dran! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Und dass sie immer undurchsichtiger wird!)

Finanzämter, Gerichte und Steuerberater haben immer mehr zu tun, da sich die Konzerne trotz hoher

(Monika Heinold)

Gewinne immer geschickter künstlich arm rechnen. Unter der Folge, dass Bund, Länder und Gemeinden selbst ihre dringendsten Aufgaben nicht mehr erfüllen können, leiden vor allem diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die sich ihren solidarischen monatlichen Steuerzahlungen überhaupt nicht entziehen können. Im Jahre 1970 kamen noch 27 % des Steueraufkommens aus der Besteuerung von Gewinnen und Vermögen, heute sind es nur noch 14 %.

Nun muss das Finanzamt Düsseldorf prüfen, ob es sich bei Vodafone nachweisbar um eine Wertminderung von kurzer Dauer handelt, welche dank der rotgrünen Bundesregierung - CDU und FDP haben das lobend erwähnt - seit 1999 nicht mehr geltend gemacht werden kann.

Ich erkenne ausdrücklich an, dass die Bundesregierung mit dieser Einschränkung der Wertminderung für mehr Gerechtigkeit im Steuerrecht gesorgt hat.

Eine weitere Verschärfung für die Verlustverrechung aus Beteiligungen erfolgte 2002, weshalb Vodafone versucht, den Verlust komplett für 2001 geltend zu machen. Auch gibt es seit 2004 eine Art Mindestbesteuerung. Nur noch 60 % des Gewinnes dürfen mit Verlusten verrechnet werden. Wenn wir heute über weitere Steuerrechtsänderungen diskutieren, so können wir uns beispielsweise vorstellen, die Anteile jeweils auf 50 % zu setzen, sodass ein Gewinn von 1 Million € mit einer Mindesbesteuerung von 50 % versteuert werden müsste.

Mit dem heutigen Antrag unterstützen wir die Initiative der Landesregierung im Bundesrat für eine gerechtere Besteuerung und für den Abbau weiterer steuerlicher Subventionen. Wir hätten uns eine konstruktivere Debatte gewünscht, geht es hier doch nicht um Peanuts, sondern um erhebliche Beträge.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich seiner Sprecherin, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Ereignisse aus dem Frühsommer haben die feindliche Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone im Jahr 2001 noch einmal in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Damit meine ich insbesondere das Gerichtsverfahren gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden der Mannesmann AG,

Herrn Esser, und den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Ackermann, seines Zeichens auch Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Auch wenn es keine juristische Straftat zu beanstanden gab, ist doch zumindest das moralische Verhalten dieser führenden Industriellen stark zu verurteilen.

(Beifall bei SSW und SPD)

Denn während die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mannesmann AG nach der Übernahme durch Vodafone um ihren Arbeitsplatz bangen mussten, wurden führende Mannesmann-Manager mit hohen Abfindungen „vergoldet“. Da muss man schon in der Welt von Herrn Ackermann sein, um an diesen hohen Summen keinerlei Anstößiges zu finden. Es ist das negative Gesicht der Globalisierung, wenn in diesem Zusammenhang dreist darauf verwiesen wird, dass solche Abfindungen und Gehälter in den USA und anderswo ganz normal sind. Solche Aussagen untergraben die moralische Legitimität unseres Wirtschaftssystems. Denn mit unternehmerischer Leistung haben solche Abfindungen überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei SSW und SPD)

Das zweite negative Ereignis im Zusammenhang mit der Mannesmann-Übernahme waren Presseberichte vor der Sommerpause über eine mögliche Teilabschreibung von Vodafone in Höhe von bis zu 20 Milliarden €. Es ist ein Skandal, dass die rein spekulativ bedingten Wertverluste durch die Übernahmeschlacht von Vodafone anscheinend künstlich erzeugt worden sind.