Protocol of the Session on September 29, 2000

Daher muss sich die Bundesregierung von mehr leiten lassen als nur von der reinen Wirtschaftlichkeit. Ansonsten sollten wir konsequenterweise die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland einem privaten Wachdienst übertragen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Wir stimmen dem CDU-Antrag in der Sache zu, sind aber gern bereit, den Antrag noch einmal im Ausschuss zu diskutieren.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nein!)

Vielleicht lässt sich dann die vom Kollegen Benker angesprochene gemeinsame Resolution noch auf den Weg bringen. Allerdings muss dies schnell geschehen.

(Beifall bei SSW und CDU sowie vereinzelt bei der SPD - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Auch Hay hat bei der Rede geklatscht!)

Auf der Tribüne begrüße ich jetzt Damen und Herren der Europäischen Akademie Sankelmark mit Gästen aus den neuen Bundesländern

(Beifall)

und Damen und Herren des Städteverbandes Schleswig-Holstein unter Leitung der Vorsitzenden, Frau Stadtpräsidentin Cathy Kietzer. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Innenminister Buß das Wort.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Jetzt aber klare Worte!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Wehrpflicht werde ich von dieser Stelle aus nichts sagen. Die meisten von Ihnen kennen möglicherweise meine Meinung. Wer sich näher interessiert, den lade ich herzlich zum 3. Oktober nach Neumünster ein zu der von Herrn Maurus erwähnten Panzerbrigade 18, bei der ich die hohe Ehre habe, die Vereidigungsrede zu halten.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Machen Sie da eine Reserveübung oder was?)

- Die würde auch Ihnen vielleicht einmal Not tun.

(Heiterkeit - Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Bundeswehr kann niemals Selbstzweck sein, deshalb ist es selbstverständlich, dass wir bei einer veränderten Situation in Europa, in der Welt über eine Reform nachdenken müssen. Das wird geschehen.

Ich glaube kaum, dass das hier der richtige Ort ist, großartig Verteidigungspolitik zu machen. Ich glaube, dafür sind wir alle keine Experten. Für uns muss es vielmehr darum gehen - so habe ich auch die Redebeiträge verstanden -, die negativen Folgen für unser

(Minister Klaus Buß)

Land zu kanalisieren und so gering wie möglich zu halten.

(Vereinzelter Beifall)

Einige Hinweise: Vor etwa zehn Jahren - auch das ist schon erwähnt worden; aber die Zahlen sind hochspannend, wenn man sie sich zu Gemüte führt - war das Problem der Truppenreduzierung der Bundeswehr schon einmal akut. Es mussten sehr schmerzliche Verluste hingenommen werden. Das Land musste zwischen 1990 und 1998 den Abbau von 35.000 - ich wiederhole: von 35.000 - zivilen und militärischen Stellen in den Standorten der Bundeswehr verkraften. Das entsprach einer Abbauquote von immerhin 41,6 %. Das muss man sich einmal „reinziehen“! Durch die BGS-Reform II - das muss in diesem Kontext gesagt werden, meine ich - gingen dem Land noch einmal zirka 750 Dienstposten verloren. Das sind Einschnitte, die für ein so kleines Land wie SchleswigHolstein weiß Gott nicht leicht zu verkraften sind.

Mit dem Eckpfeilerpapier „Die Bundeswehr - sicher ins 21. Jahrhundert“ hat der Bundesverteidigungsminister Scharping nun seine Vorstellungen für eine Erneuerung der Bundeswehr vorgelegt. Dabei bedeutet Erneuerung nicht unbedingt eine Verbesserung aus Sicht unseres Landes, sondern wir müssen ganz einfach damit rechnen - das wurde hier in den Beiträgen auch deutlich -, dass das Land Schleswig-Holstein bei der Reduzierung natürlich nicht ungeschoren davonkommen kann. Denn bei einer Reduzierung der Zahl der Soldaten um zwischen 50.000 und 70.000 - ich nenne einmal diese Zahlen - und einer Reduzierung des Zivilpersonals um rund ein Drittel - das sind zusammen genommen mehr als ein Korps -, kann das Land Schleswig-Holstein natürlich nicht ungeschoren davonkommen. Ich glaube, da sollten auch keine zu großen Hoffnungen geweckt werden, denn das wäre für die Verhandlungen nicht nützlich. Letztlich - weil nichts entschieden ist - steht alles auf dem Prüfstand.

Was heißt das alles? - Ich nenne Ihnen auch dazu noch ein paar Zahlen: Es geht um immerhin 62 Standorte. Wenn man sich dazu eine Karte von SchleswigHolstein anschaut, sieht man dass sie relativ gleichmäßig über das Land verteilt sind. Von den 62 Standorten - ich nehme mir mal die Zeit, Ihnen das zu sagen - sind 17 Standorte mit unter 50 Dienstposten, 20 mit 51 bis 500 Dienstposten, 13 mit 501 bis 1.000 und 12 über 1.000 Dienstposten. Wir haben insgesamt 28.295 Soldaten und 12.865 zivile Dienstposten. Das sind zusammen immerhin noch über 41.000 Dienstposten. Das ist eine gewaltige Zahl, über die wir hier reden. Und natürlich - das ist hier mehrfach angesprochen worden und ich sehe das auch mit als den wichtigsten Punkt an - ist gerade Kiel ein Zentrum des Geschehens

- wenn ich das einmal so formulieren darf. Wir haben hier das Wehrbereichskommando I Küste und wir haben die Wehrbereichsverwaltung. Wir alle wissen das ist angesprochen worden -, die in Deutschland vorhandenen jeweils sieben Wehrbereichskommandos und Wehrbereichsverwaltungen sollen auf jeweils vier reduziert werden. Da steht natürlich Kiel zur Disposition - das kann gar nicht anders sein -, denn unser größter Konkurrent Hannover würde ja im Falle eines Falles sein Wehrbereichskommando, seine Wehrbereichsverwaltung komplett verlieren. Das ist so leicht nicht zu machen; da wollen wir uns alle gemeinsam nichts vormachen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Die haben doch noch andere Standorte!)

- Ja, wir doch auch.

Herr Maurus, jedes Land kämpft vehement, so wie wir auch, um seine Standorte, um seine Soldaten und seine Zivilposten sowie seine Einrichtungen, die mit der Bundeswehr zusammenhängen. Bis heute ist nichts entschieden. Ich will nicht das Wort vom Kaffeesatzlesen wiederholen. Bis heute ist nichts entschieden. Natürlich wird nachgedacht; das ist doch alles klar. Das produziert Gerüchte, aber sicher keine Wahrheiten. Deshalb sollten wir uns alle hüten, mit vermeintlichen Wahrheiten oder mit Gerüchten ans Licht der Welt zu gehen. Das schafft Unsicherheit und erschwert die Verhandlungen. Das sage ich mit großem Ernst.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Verteidigungsminister hat gestern eine Presseerklärung herausgegeben, in der das noch einmal klargestellt wird, was ich bereits wusste, dass nämlich die großen Entscheidungen in der Grundstruktur Anfang Oktober fallen werden, Mitte Oktober gehen sie in die entsprechenden Gremien hinein und im Frühjahr des nächsten Jahres wird über die Einzelstandorte entschieden werden.

Ich sehe an der Lampe, dass ich hier mit meiner Rede eigentlich wieder aufhören muss. Das finde ich sehr bedauerlich.

(Heiterkeit im ganzen Haus - Beifall des Ab- geordneten Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte Ihnen nämlich noch gern sagen, was wir bisher getan haben. Vielleicht gestattet mir das Präsidium - auch im Interesse des Hauses -, hier eine Minute länger zu sprechen.

Ich stehe im ständigen Kontakt - dafür bin ich auch sehr dankbar - mit dem Präsidenten der Wehrbereichsverwaltung und dem Befehlshaber des Wehrbereichs

(Minister Klaus Buß)

kommandos I. Dafür habe ich mich bereits bei Admiral Feist ausdrücklich bedankt. Dieser Kontakt wird nach seiner Amtsübernahme mit Admiral Leder sofort wieder aufgenommen werden. Dadurch habe ich die Möglichkeit, immer die ersten Informationen zu haben und genau zu wissen, was läuft.

Noch während der Kieler Woche hatte Heide Simonis mit dem Verteidigungsminister Scharping gesprochen. Ich war dabei. Das war ein sehr konstruktives Gespräch, bei dem vor allem hier im Nordverbund - das ist in erster Linie angesprochen worden - die Verbindung Mecklenburg-Vorpommerns mit SchleswigHolstein angesprochen worden ist. Da haben wir zusammen wirklich Punkte machen können.

Ich stehe natürlich im engen Kontakt mit Oberbürgermeister Gansel, der mit Kiel besonders betroffen ist. Wir tauschen uns ständig aus. Ich habe im Juli 2000 die Vertreter aller Fraktionen eingeladen, um sie über den Stand und die Möglichkeiten zu unterrichten. Es stehen Gespräche an, jetzt am Samstag mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Schulte und wenig später - ich sage einmal kein genaues Datum, aber genau punktiert auf die Zeit, zu der die Vorlagen im Verteidigungsministerium bei ihm sind, aber noch nicht unterschrieben - mit Staatssekretär Biederbick. Ich glaube, diese Gespräche sind genau „getimed“. Ich werde die Fraktionen nach den Gesprächen wieder unterrichten, so wie ich das zugesagt habe.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns in dieser schwierigen Situation für unser Land an einem Strang ziehen, dann haben wir zumindest eine nicht ganz unerhebliche Chance, das Schlimmste für SchleswigHolstein abzuwenden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, F.D.P. und SSW)

Meine Damen und Herren, neben den schon begrüßten Vertreterinnen und Vertretern des Städteverbandes Schleswig-Holstein haben wir auch die Freude, Damen und Herren des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages sowie Vertreterinnen und Vertreter des Landkreistages begrüßen zu dürfen. Herzlichen Dank und herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Unter den Damen und Herren des Landkreistages begrüße ich auch Herrn Kreispräsidenten Zylka aus Segeberg. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir fahren mit der Beratung fort. Das Wort zu einem Drei-Minuten-Beitrag hat Herr Abgeordneter Heinz Maurus.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben ausgeführt: Bundeswehr kann nicht Selbstzweck sein. Sie haben uns eingeladen, hier an einem Strang zu ziehen. Dazu sind wir selbstverständlich bereit.

Ich mache noch einmal darauf aufmerksam: Wir haben im Moment zwei Verfahren laufen. Der Berichtsantrag, der zurzeit läuft, zielt darauf ab, Auswirkungen in den Griff zu bekommen. Da ist es auch wichtig, dass der Wirtschaftsminister die Federführung hat. Unser Antrag zielt darauf, dann, wenn das Grobkonzept da ist - und ich beziehe mich jetzt nicht auf die „Financial Times“ oder Pressemitteilungen, sondern ich beziehe mich hier auf die Weisungen des Generalinspekteurs zur Ausplanung der Streitkräfte, in denen die Terminlage sehr konkret vorgegeben ist -, vorbeugend tätig zu werden.

Dort ist nachzulesen, dass am 30. August die Grobplanung für die Zivilverwaltung abgeschlossen worden ist. Daraus ist zu entnehmen, dass zum 30. September die Grobplanung für die Teilstreitkräfte und die Streitkräftebasis vorliegt. Dem ist ebenfalls zu entnehmen, dass nach dem 1. April 2001 die Umorganisation mit ersten Schritten fortgesetzt werden soll. Von daher ist es doch richtig und wichtig, dass wir alle gemeinsam noch einmal versuchen, auf die zu treffenden Standortentscheidungen Einfluss zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Kollege Benker, ich nehme Ihren Antrag sehr gern auf. Wir sind bereit, uns im Innen- und Rechtsausschuss den halte ich für den federführenden, in der ersten Phase auch für den zuständigen Ausschuss; wenn wir dann anschließend über Auswirkungen und Konversion reden müssen, ist mit Sicherheit der Wirtschaftsminister der Ansprechpartner - gemeinsam und mit der Regierung mit den Argumenten auseinander zu setzen, die wir ins Feld führen können, um den starken Bundeswehrstandort Schleswig-Holstein so gut wie möglich zu halten.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW] Vizepräsident Thomas Stritzl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir treten in die Abstimmung ein. Es ist die Überweisung federfüh- rend an den Innen- und Rechtsausschuss, mitberatend (Vizepräsident Thomas Stritzl)