Protocol of the Session on January 22, 2004

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das sollte man nicht unterschätzen. Es freut mich sehr, dass jetzt auch der Bundestag von diesem Instrument Gebrauch macht.

Wer nach der Geschichte der Friesen und ihrer Herkunft fragt, stößt auf viele Fragezeichen. Vermutlich brachten sie Kenntnisse und Erfahrungen im Deichbau aus der Gegend vom Niederrhein mit und haben das, was dort schon üblich war, nämlich die Eindeichung von Flüssen, auf den von ihnen in Besitz genommenen fruchtbaren Küstenstreifen angewendet. Zur Sicherung dieser lebensnotwendigen Deichbauarbeit gaben sie sich Strukturen und zum Teil äußerst drakonische, um nicht zu sagen brutale Gesetze. Von Dänemark her übernahmen sie wohl das System der Harden und lebten relativ unangefochten unter der Herrschaft der dänischen Könige.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr freiheitsliebend!)

Es ist deshalb vielleicht auch kein Zufall, dass heute ein Vertreter der dänischen Minderheit, der gleichwohl selber Friese ist, hier das Friesisch-Gesetz eingebracht hat.

In einem Café in Husum habe ich ein wunderschönes und sehr lesenswertes Buch von Paul Barz gefunden. Er schreibt in seinem Buch „Der wahre Schimmelreiter - Die Geschichte einer Landschaft und ihres Dichters Theodor Storm“: „Das ohnehin nicht große Areal der Marschen und Inseln zergliedert sich noch einmal in wenigstens 13 voneinander unabhängige politische

(Irene Fröhlich)

Gebilde.“ Das sind die von mir bereits erwähnten Harden. „Das mag dem Individualismus der Nordfriesen, ihrem Stolz und Freiheitsdrang dienlich sein.“ Ich mildere dies etwas ab und sage: Das hat natürlich auch seine Kehrseite. Wenn jemand auf Individualismus und Freiheit oder eine Aussage wie „Gott schuf das Meer, die Friesen schufen das Land“ setzt, muss man - das ist die Kehrseite - auch mit einem gewissen Maß an Sturheit rechnen.

Mit unserer Forderung wollen wir dazu beitragen, das Friesische als einen Teil unseres geistigen und kulturellen Erbes in Schleswig-Holstein zu sichern und den Friesen im Kreis Nordfriesland Möglichkeiten der Identifizierung und des Wiedererkennens zu geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Mir liegt dabei auch daran, dass Menschen auf diesen Reichtum aufmerksam werden, dass sie nachfragen, wenn sie unter dem Ortseingangsschild von Bredstedt zum Beispiel das friesische Bräist finden.

Minderheitenkultur und die entsprechende Förderpolitik des Landes sind etwas, was allen Menschen in Schleswig-Holstein zugute kommen sollte. Insofern ist es zu begrüßen, dass alle friesischen Institutionen hinter dem vom SSW vorgelegten Gesetzentwurf stehen und dass er heute offenbar auch hier im Landtag eine breite Unterstützung erfährt. Das Gesetz soll sicherstellen, dass in den Verwaltungen von Nordfriesland, wie dies für alle Nationalsprachen der Welt gilt, auch auf Friesisch, das allerdings keine Nationalsprache ist, verhandelt werden darf, wenn nicht Dritte dadurch beeinträchtigt werden. Außerdem stellt es den Gemeinden frei, Beschilderungen und Briefköpfe auch auf Friesisch zu erstellen und die Ortstafeln entsprechend zu beschriften, was, wie ich bereits erwähnt habe, längst passiert. Auf dem Anrufbeantworter des Kreises Nordfriesland ist zu hören, dass auch dort das Friesische gesprochen wird.

Ich möchte eine Schlussbemerkung machen, die ich sehr wichtig finde. Im Unterschied zur dänischen Minderheit, die ihre Belange quasi in einem Staatsvertrag geregelt hat, gibt es für das Friesische eine solche Möglichkeit nicht. Es gibt aber die Möglichkeit, mit einem Gesetz zu reagieren. Ich glaube, dass sich eine solche Möglichkeit für die dänische Minderheit und auch für die deutsche Minderheit jenseits der dänischen Grenze nicht eröffnet. Aus meiner Sicht - diese Auffassung werde ich auch in meiner Fraktion vertreten - gibt es genügend Sicherheiten, um die Belange der grenzüberschreitenden nationalen Minderheiten in einem Staatsvertrag und nicht in einem Gesetz zu regeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Da die angemeldeten Redezeiten der Fraktionen ausgeschöpft sind, treten wir jetzt in die Runde der Kurzbeiträge nach § 56 Abs. 4 ein. Zunächst hat sich der Herr Abgeordnete Dr. Ulf von Hielmcrone gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Abgeordneter aus Nordfriesland begrüße ich die Idee eines Gesetzentwurfes für das Friesische ausdrücklich. Das Friesische stellt eine Besonderheit in unserem Lande dar. Es ist ein Beleg dafür, dass wir auch hier bei uns einen farbigen Teppich autochthoner Minderheiten mit ihren eigenen Traditionen haben. Bei den Friesen sind dies im Übrigen auch durchaus freiheitliche Traditionen, auf die man im 19. Jahrhundert besonders hingewiesen hat. So sollte die Schleswig-Holsteinische Geschichtsgesellschaft beispielsweise eine Friesische Geschichtsgesellschaft sein, weil man auch die Friesen für den deutschen Freiheitskampf vereinnahmen wollte.

Das Gesetz ermöglicht deutliche Hinweise auf das Friesische, was auch für die Gäste in unserem Lande - viele Menschen verbringen ihren Urlaub in Nordfriesland - außerordentlich wichtig ist. Das eigentlich Entscheidende ist aber - das wird daran deutlich, dass wir eine Regelung im Rahmen eines Gesetzes treffen -, dass die Friesen keine nationale Minderheit sind. Sie sind vielmehr eine Volksgruppe innerhalb des deutschen Staatsverbandes, innerhalb des Landes Schleswig-Holstein. Das dürfen wir nicht vergessen. Einen Schutz dieser Volksgruppe können wir in der Tat nur durch ein Gesetz gewährleisten. Es fehlt die weitere Komponente eines Mutterstaates - oder wie immer man es ausdrücken will -, der sich für die Interessen einer solchen Volksgruppe einsetzen könnte. Es ist eben durchaus ein Unterschied, ob wir es mit den Friesen oder mit der dänischen Gruppe zu tun haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dies ist auch durchaus von Wert. Wir müssen deutlich sehen, dass es so ist, damit wir hier nicht zu Verschiebungen kommen. Insofern liegt die Verantwortung für das Friesische - das ist in diesem Hause sicherlich auch nicht immer sehr deutlich gesagt worden - ausschließlich bei uns. Dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden, ihr müssen wir uns stel

(Dr. Ulf von Hielmcrone)

len. Deswegen begrüße ich den Gesetzentwurf ausdrücklich.

Der Gesetzentwurf ermöglicht im Übrigen Weiteres. Er lässt erkennen, dass wir in Schleswig-Holstein nicht nur eine baltische Komponente, sondern auch eine Nordseekomponente haben. Die Friesen kamen über die Nordsee hierher. Es wird in Zukunft auch eine Aufgabe dieses Hauses sein, sich diese Nordseekomponente zu vergegenwärtigen und den Blick auch einmal nach Westen zu richten. Wie gesagt, die Tatsache, dass wir für die Regelung die Form eines Gesetzes wählen, macht deutlich, dass die Verantwortung ausschließlich hier bei uns liegt. Die Friesen sind keine nationale Minderheit im Sinne einer eigenen Nation, sondern eine Volksgruppe, deren Belange wir vertreten müssen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Uwe Greve das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Argumentation mit zwei grundlegenden Anmerkungen vertiefen. Im Zeitalter der Globalisierung ist es so, dass über kleine Sprachen oft gelächelt und gesagt wird, es handele sich um sterbende Elemente. Dieser Prozess kann selbst größere Sprachen erfassen. Es gibt im Moment 2.800 Sprachen in Wort und Schrift auf der Welt, die wir als kleine Sprachen bezeichnen können. Darüber hinaus sind 2.200 Sprachen registriert, die nur gesprochen werden.

Jede Sprache - dies gilt auch für kleine Sprachen - spiegelt eine Sicht des Lebens, eine Sicht der eigenen Umwelt und eine Weltsicht aus der jeweiligen regionalen Perspektive wider. Verschwindet eine Sprache, dann verschwindet auch eine Lebenssicht und eine Weltsicht - und sei es nur eine Weltsicht aus regionaler Perspektive. Das sollten wir immer im Auge behalten, wenn wir über solche Probleme reden.

Jede Sprache ist wie eine Pflanze. Sie hat ihren Eigenwert. Goethe sprach davon, dass jede Differenzierung auch eine Bereicherung darstellt. Dies sollten wir gerade auch in Bezug auf die Sprachen im eigenen Lande so sehen.

Ich möchte auch den Wert der Sprache für die Gemeinschaftsbildung betonen. Im Zeitalter der Globalisierung bilden die kleinen Gemeinschaften Zellen, die

die Menschen davor bewahren, wurzellose Spreu im Winde des Globalismus zu sein.

Schon Aristoteles hat uns den Wert der Sprache für die Gemeinschaftsbildung dargestellt. Die friesische Sprache ist auch einer dieser kleinen Bausteine der Gemeinschaft. Die großen Sprachen bieten den Zugang zu den Kulturen der Welt. Die kleinen Sprachen eröffnen uns den Zugang zu regionaler und lokaler Kultur. Beides widerspricht sich nicht, sondern ergänzt sich und muss von uns gepflegt werden.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Sorgen wir also dafür, dass die friesische Sprache in möglichst noch vielen Generationen weiterlebt. Die im Grunde bescheidenen Finanzmittel, die der Erhaltung und Förderung des Friesischen dienen, sind jedenfalls gut eingesetzt. Aber wir sollten auch wissen, dass da, wo aufgrund der Situation des Landeshaushalts keine zusätzlichen Mittel eingesetzt werden können, zum Erhalt der Sprache auch die idealistische Eigeninitiative der Friesen selbst gefragt ist. Diese sollten wir mit allen Mitteln stärken und fördern.

(Beifall im ganzen Haus)

Ebenfalls für einen Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 erteile ich jetzt Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen des SSW bedanke ich mich ganz herzlich bei euch allen für die sehr konstruktive und positive Debatte zu unserem Gesetzentwurf. Wir freuen uns auch auf die Ausschussberatung.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung, nicht zuletzt in Anlehnung an das, was der Kollege Klug gesagt hat. Wir alle wissen - das behaupte ich einfach einmal -, dass Minderheitenpolitik nicht statisch ist. Das ist unsere Erfahrung. Das ist auch eine Erfahrung, die wir vor dem Hintergrund der Entwicklung in Europa gemacht haben. In Bezug auf das deutsch-dänische Grenzland in Schleswig-Holstein wird heute nicht mehr von Grenzlandpolitik, sondern von Minderheitenpolitik gesprochen. Auch das macht deutlich, dass nichts statisch ist.

Im Landtag haben wir uns mehrfach mit der Forde

(Anke Spoorendonk)

rung auch des SSW auseinander gesetzt, Sinti und Roma in die Landesverfassung mit aufzunehmen.

(Beifall des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Auch das macht deutlich, dass wir heute über Minderheitenpolitik und nicht mehr über Grenzlandpolitik reden.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Gleichwohl ist es natürlich so, dass die Geschichte des deutsch-dänischen Grenzlandes eine konfliktträchtige und schwierige gewesen ist. Wir im Landtag haben maßgeblich zur Befriedung dieses Grenzlandes und, historisch betrachtet, zur Entspannung im Verhältnis zwischen Dänemark und Deutschland beigetragen.

Unser Gesetzentwurf bezieht sich auf die Situation der Friesen in Schleswig-Holstein. Ich will die Einzelheiten, die der Kollege Harms genannt hat, jetzt nicht noch einmal aufzählen. Einen Aspekt aber will ich doch aufgreifen. Für uns ist es wichtig, dass mit diesem Gesetzentwurf eine Anerkennung zum Ausdruck kommt, eine Anerkennung, die - wenn man so will - für die dänische Minderheit mit den Bonn/Kopenhagener Erklärungen bereits da ist, die aber von uns jeden Tag immer wieder gelebt wird und gelebt werden muss. Die Bonn/Kopenhagener Erklärungen, liebe Kollegin Fröhlich, sind kein Staatsvertrag. Das sind Erklärungen und Erklärungen sind nur so gut, wie sie gelebt werden. Unser Gesetzentwurf ist auch nur so gut wie das, was wir daraus machen werden.

Darum hat die Einführung zweisprachiger Ortstafeln für die dänische Minderheit bisher keine Priorität gehabt. Wir sind davon überzeugt, dass es immer noch zu einer Debatte kommen könnte, die dazu führt, dass sowohl die Minderheit nördlich als auch die Minderheit südlich der Grenze zu Verlierern werden. Aber auch diesbezüglich sehen wir, dass nichts statisch ist. In Flensburg diskutiert man über die Einführung zweisprachiger Straßenschilder. Das tut man auch in anderen Kommunen. Für die dänische Minderheit ist es allemal wichtig, zweisprachige Hinweistafeln überall dort zu bekommen, wo es möglich und notwendig ist. Für uns hat nicht die sprachliche, sondern die kulturelle Anerkennung Priorität. Wir alle zusammen sind Teil der Kulturlandschaft SchleswigHolstein.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich sage nochmals herzlichen Dank für die Debatte. Im Ausschuss werden wir auf weitere Einzelheiten eingehen können.

(Beifall bei SSW, SPD, CDU und FDP)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich jetzt Frau Ministerpräsidentin Simonis.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Teile der Beiträge der Abgeordneten Harms und Maurus haben nicht nur unseren so bewährten Stenographischen Dienst, sondern auch mich teilweise außer Gefecht gesetzt. Da wir aber ahnten, was sie gesagt haben, denke ich einmal und es recht hübsch klang, war es nicht ganz so schlimm. Aber ich muss schon sagen: Es war eine herbe Herausforderung.

Am 25. September des Vorjahres hat die Landesregierung dem Landtag den Bericht zur Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vorgelegt, die ausführlich diskutiert worden ist.