Protocol of the Session on January 22, 2004

Das lässt den Schluss zu, dass es sich um ein wichtiges, notwendiges und auch modernes Instrument der Minderheitenpolitik handelt. Wir sollten es im Sinne der Friesen, die den Sorben als autochthone Gruppe vergleichbar sind, prüfen und gegebenenfalls positiv beraten.

Und doch - das will ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen - gibt es eine ganze Reihe von Fragen, die wir in den Ausschussberatungen diskutieren müssen. Der von Lars Harms angesprochene Finanzaspekt ist dabei natürlich ein wichtiger. Ein solches Gesetz darf nicht dazu führen, dass auf das Land und/oder die Kommunen neue und hohe Kosten zukommen. Das wäre - so glaube ich - den Bürgern kaum zu vermitteln.

(Beifall)

Ich betone diesen Aspekt auch deshalb, weil die anderen Minderheiten in unserem Land offenbar ein solches Gesetz für sich nicht wollen. Das ist sicherlich mit der jeweils spezifischen Situation zu begründen, aber ich denke, eine gesetzliche Regelung darf auch nicht den Eindruck einer finanziellen oder ideellen Bevorzugung einer Minderheit erwecken.

Es gibt zweitens eine Reihe von verfassungsrechtlichen Fragen, die wir klären müssen; ich meine zum

(Rolf Fischer)

Beispiel solche, die die Rolle der Kommunen betreffen: „Konnexität“.

Drittens gibt es Fragen, die sich auf die mögliche konkrete Umsetzung beziehen. Ich will hier sagen, wir müssen auch die Wechselwirkungen mit anderen Gesetzen ins Auge fassen. Ich erinnere an den Schulstreit der Sorben in Sachsen vor einiger Zeit - ich glaube, es war vor zwei Jahren -, in dem diese Frage eine besondere Rolle spielte. Das sei hier nur einmal erwähnt.

Insofern ist genügend Material für die Beratungen im Ausschuss vorhanden.

Ich möchte aber abschließend noch einmal betonen: Unser Land muss vor dem Hintergrund einer Vielzahl europäischer Forderungen seine Minderheitenpolitik weiterentwickeln, und zwar nachprüfbar. Wir haben die Umsetzung der Sprachen-Charta und der Rahmenkonvention zum Schutz von Minderheiten beschlossen. Wir diskutieren den Minderheitenschutz in den Beitrittsländern und im Rahmen einer neuen europäischen Verfassung. Wir müssen schließlich auch unser Staatsziel Minderheitenschutz in der Landesverfassung weiter mit Leben erfüllen. Nach über zehn Jahren der Existenz dieser Reform der Verfassung mit dem neuen Minderheitenartikel könnte jetzt auch die Zeit für ein neues Instrument gekommen sein.

Deshalb schlage ich vor, dass wir innerhalb der Ausschussberatungen eine entsprechende Anhörung durchführen - natürlich in Nordfriesland mit allen Betroffenen an einem Tisch.

Lassen Sie mich mit dem Satz schließen: Minderheitenpolitik gehört zu den Kernkompetenzen unseres Landes. Deswegen freue ich mich sehr auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Bevor ich für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Maurus das Wort gebe, möchte ich zunächst die Gelegenheit nutzen, um auf der Tribüne weitere Gäste zu begrüßen: Dem Thema angemessen freue ich mich besonders, dass wir hohen Besuch aus dem Kreis Schleswig-Flensburg haben, und zwar den Herrn Kreispräsidenten, Herrn Johannes Petersen, und den Landrat, Herrn Jörg-Dietrich Kamischke. - Ihnen beiden ein herzliches Willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag!

(Beifall)

Darüber hinaus haben wir Schülerinnen und Schüler der Max-Planck-Schule in Kiel mit ihren Lehrerinnen und Lehrern zu Besuch sowie von der HansBrüggemann-Schule, Bordesholm. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen!

(Beifall)

Nun hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Heinz Maurus das Wort.

Ik grööt di Präsident. Lef Wüfhaur en Karming jir ön Sool! Ik frügi mi, dat ik deling Söl’ring snaki ken. Lars Harms heer en Gesets iinbraacht, en diaraur forhaneli wü deling. Didiar Gesets starket di friisk Spraak - en diarme uk dit Söl’ring.

(Beifall)

Man nü gair’t fiirer üp Hoogdütsk. Dieser Gesetzentwurf entspricht der Intention der EU-Sprachen-Charta und basiert nicht zuletzt auf unserer Landesverfassung. Dort heißt es in Artikel 5 Abs. 2:

„Die nationale dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf Schutz und Förderung.“

Dieses Verfassungsgebot müssen wir uns immer wieder vor Augen führen. Es muss für uns alle ständige Herausforderung sein. Daher sind alle Initiativen grundsätzlich begrüßenswert, wenn sie einen Beitrag zur Förderung des Friesischen und damit zur Erfüllung dieses Verfassungsgebotes leisten.

(Vereinzelter Beifall)

Dies tut auch der vorliegende Gesetzentwurf zur Förderung des Friesischen im öffentlichen Raum. Dennoch muss man sagen: Der Gesetzesentwurf ist sehr weit formuliert, lässt den öffentlichen Verwaltungen Gestaltungsspielraum, setzt auf Freiwilligkeit und bringt letztlich die nahezu rechtliche Gleichstellung des Friesischen mit dem Niederdeutschen - ich verweise auf die EU-Sprachen-Charta - und der Minderheitensprachen generell mit den Fremdsprachen.

Dieser Gesetzentwurf ist eine Referenz an das Friesische, ist eine Referenz an die Friesen. Es wird der gute Wille des Parlaments deutlich - mehr aber nicht. Das müssen wir hier alle wissen und das müssen auch die Friesen wissen. Eine nahezu rechtliche Gleichstellung ist nun einmal keine vollkommene Gleichstellung. Bei bindenden Verpflichtungen im Gesetz wäre es nicht mehr kostenneutral, würde manche Verfahren komplizieren und würde auf wenig Verständnis, selbst in den Verwaltungen und im öffentlichen Raum in Nordfriesland, stoßen.

(Heinz Maurus)

Denn wenn wir uns die Verwaltungen/den öffentlichen Raum im Kreis Nordfriesland ansehen, stellen wir sehr schnell fest, dass auch dort nicht mehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die friesische Sprache beherrschen, geschweige denn friesisch schreiben können und dies orthographisch richtig. Dies ist in Nordfriesland regional unterschiedlich. Ich habe mich einmal auf Sylt umgesehen. In den sieben Bürgermeisterbüros haben wir keine friesisch sprechenden Mitarbeiter mehr. Im Amt Landschaft Sylt sprechen von 40 Mitarbeitern gerade noch zwei friesisch, zwei Halbtagskräfte. Dies mag nur einen kleinen Einblick gewähren.

Daher bleibt neben dem hier vorliegenden Gesetzentwurf noch viel zu tun, um dem Verfassungsgebot tatsächlich Rechnung zu tragen, vor allem in den Kindergärten, in den Schulen und in der Erwachsenenbildung, um unsere friesische Sprache als Kulturgut und Teil der Identität der Friesen zu erhalten, zu pflegen und fortzuentwickeln.

(Beifall)

Wir freuen uns auf die weitere Beratung im Ausschuss, wir freuen uns auf die Anhörung. Wir werden den Gesetzentwurf positiv begleiten.

(Beifall)

Für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Artikel 5 unserer Landesverfassung haben die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe in Schleswig-Holstein Anspruch auf Schutz und Förderung. Das Land wird dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe auf vielfältige Art und Weise gerecht, materiell beispielsweise durch Förderinstrumentarien über den Landeshaushalt im Bereich der Schulen, im Bereich der Kulturförderung, in rechtlicher Hinsicht zum Beispiel auch im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen, die bestimmte Verpflichtungen definiert, die das Land zum Schutz dieser Sprachen eingegangen ist.

Ob darüber hinaus zur Förderung des Friesischen ein spezielles Landesgesetz ein sinnvolles Instrument darstellt, muss nach Auffassung der FDP-Fraktion im Rahmen der Ausschussberatung in einzelnen Punkten geklärt werden. Das eine oder andere ist schon angesprochen worden. Klärungsbedürftig ist aus unserer Sicht insbesondere die Frage, inwieweit ein solches

Gesetz materiell tatsächlich über die heute bereits gegebene Rechtslage hinausgehen würde und in welchem Umfang.

Missverständliche Deutungen wie etwa die in den „Lübecker Nachrichten“ am 15. Januar in einem Artikel enthaltene Aussage, Friesisch solle nun in unserem Land Amtssprache werden, könnten der breiten Zustimmung zur Minderheitenpolitik in SchleswigHolstein eher schaden als nützen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Torsten Geerdts [CDU])

Des Weiteren ist natürlich auch zu prüfen, ob ein solches Gesetz mit Folgekosten verbunden wäre, wenn ja, in welchem Umfang, und inwieweit es mit anderen rechtlichen Vorgaben kollidiert. Das Gerichtsverfassungsgesetz schreibt zum Beispiel für Gerichtsverfahren Deutsch als Gerichtssprache vor. Wenn Verwaltungsakte auch in Friesisch formuliert werden könnten, würde das bei Verwaltungsgerichtsstreitigkeiten einen Übersetzungsbedarf nach sich ziehen.

Nach unserer Auffassung muss außerdem Folgendes bedacht werden. Auch das ist schon angesprochen worden. Nach unserer Kenntnis wünscht die dänische Minderheit ausdrücklich kein ähnliches Landesgesetz dieser Art, und zwar - das muss man offen ansprechen - vor allem wohl auch aus Rücksicht darauf, dass sonst nördlich der Grenze eine Diskussion über einen komplementären Anspruch der deutschen Minderheit in Dänemark entstünde. Es ist aber andererseits - wie ich finde - nicht ganz unproblematisch, wenn die beiden in unserer Landesverfassung besonders privilegierten nationalen Minderheiten - die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe - in der Gesetzgebung des Landes unterschiedlich behandelt würden, wenn es also ein Gesetz zur Förderung des Friesischen gäbe, aber nicht ein Gesetz zur Förderung des Dänischen. Das wäre eine ganz eigenartige Ungleichgewichtigkeit in der rechtlichen Absicherung der beiden Minderheiten. Auch dieses Problem muss diskutiert werden.

In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Minderheitenpolitik auch heute noch ein schwieriges Gelände ist, auf dem man sich im Gestrüpp unterschiedlicher Rücksichten, Interessen und Folgewirkungen unter Umständen verheddern kann. Schleswig-Holstein ist dabei im europäischen Vergleich sicherlich ein harmloser Fall. Gerade in jüngster Zeit ist ja deutlich geworden, etwa bei unseren Nachbarn im Ostseeraum, welche Probleme dort im Verhältnis zu nationalen Minderheiten zu bewältigen sind. In

(Dr. Ekkehard Klug)

Lettland ist kurz vor Weihnachten die Initiative einer der dortigen Regierungsparteien bekannt geworden, für Lehrer und Schulleiter in Lettland die lettische Staatsbürgerschaft vorzuschreiben. Jeder weiß, gegen wen das gerichtet ist, nämlich gegen die russische Minderheit dort. Der russische Präsident, Vladimir Putin, hat in einer Ansprache wenige Tage vor Weihnachten im russischen Fernsehen für die russischen Minderheiten in den baltischen Staaten eine Quotenregelung für den öffentlichen Dienst gefordert und diese Forderung nicht ganz ungeschickt mit entsprechenden Forderungen der OSZE zugunsten der albanischen Minderheit in Mazedonien begründet. Man spürt, auf welchem Glatteis man sich hier sehr schnell bewegt.

Ich erinnere zum Schluss an die Folgen der letzten Volkszählung im vergangenen Jahr in Polen, erstmals eine Volkszählung, bei der die Bürger in Polen auch nach ihrer Volkszugehörigkeit befragt worden sind. Die Ergebnisse haben teilweise überrascht, teilweise haben sie zu erheblichen Diskussionen geführt, mit der jetzt statistisch untermauerten Präsenz von gut einem Dutzend nationalen Minderheiten in Polen, von den Schlesiern mit 173.000, den Deutschen mit 152.000 bis hin zu kleinen nationalen Gruppen wie den Kaschuben mit 5.100 Mitgliedern, die sich dieser nationalen Volksgruppe zurechnen.

Wenn in der polnischen Presse in diesem Zusammenhang, zum Beispiel im „Dziennik Baltycki“, eine Diskussion aufgekommen ist, dass eine gerade Linie von den friedlichen Kaschuben hin zur baskischen ETA gezogen wurde und auf einmal nationalistische Aufgeregtheiten die öffentliche Diskussion bestimmen, weiß man, was uns als Nachbarn hier an Diskussionen und Problemen gerade im Zuge der Osterweiterung bevorsteht. Denn all dies wird künftig, nach dem Beitritt der Nachbarstaaten im Ostseeraum, europäische Innenpolitik sein. Insoweit wird es uns mehr als bisher betreffen.

Wenn man dies einbezieht - das soll mein letzter Satz sein, Herr Präsident -, muss man schon feststellen, dass alle Punkte, die wir hierzulande beim Thema Minderheiten debattieren, im Vergleich dazu doch recht undramatisch sind, wenn man - wie gesagt - bedenkt, was sich anderswo abspielt.

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Friesen - das will ich gleich im Anschluss an die Rede von Herrn Dr. Klug sagen - sind eine Volksgruppe in Schleswig-Holstein, keine nationale Minderheit. Sie haben eine eigene Sprache, die sich allerdings in sieben bis neun Dialekte untergliedert. Sie werden vertreten von zwei Vereinen, die bis vor kurzer Zeit noch eher Kontrahenten waren. Diese zwei Vereine und ein Institut sorgen heute dafür, dass die Sprache lebendig in Kindergärten, Schulen und Hochschulen erhalten werden kann. Selbstverständlich tun und taten sie das auch in der Vergangenheit mit Mitteln und im Rahmen staatlicher Organisationen sowohl des Landes als auch des Bundes.

Wir haben gestern oder vorgestern, als der Minderheitenbeauftragte der Bundesregierung hier war, gehört, dass jetzt auch der Bundestag ein Gremium einrichtet, wie wir es hier im Landtag für die friesische Minderheit haben. Das ist, wie wir wissen, ein sehr wichtiges Instrument der Minderheitenförderung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)