Lassen Sie mich daher eingangs in die Helikopterperspektive gehen und die Landwirtschaft erst einmal verlassen. Braucht Wirtschaft Grenzen? Unter diesem Titel debattierten am Aschermittwoch in der Katholischen Akademie im Pesch Haus in Ludwigshafen Professor Heinemann vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und Gilles Untereiner von der französischen Handelskammer in Deutschland mit einer Anzahl von hochkarätigen Gästen. Da war Erstaunliches zu hören.
Herr Untereiner machte klar, dass die Harmonisierungsmanie der EU letztendlich europaweit gegen alle nationalen Interessen verstößt,
Herr Professor Heinemann machte klar, dass es nicht um mehr oder weniger Europa gehe, vielmehr müsse man sich auf den europäischen Mehrwert konzentrieren, also auf die Bereiche, wo nicht Dissens, sondern Einigkeit und gemeinsames Interesse vorherrsche, insbesondere auf dem Gebiet der Verteidigung, Außenpolitik und Entwicklungshilfe.
Die Agrarsubventionen benannte er übrigens als Negativbeispiel und begründete es damit, dass es wohl keinen Spanier oder Italiener gebe, der wirklich Interesse daran hat, was ein schleswig-holsteinischer Landwirt macht. Das wäre eine nationale Angelegenheit, und im Übrigen flösse mehr als jeder dritte Euro aus dem Europahaushalt in die Landwirtschaft. Das wäre angesichts der globalen Herausforderungen, denen Europa gegenüberstünde, auf Dauer nicht vertretbar.
Meine Damen und Herren, wir als Fachpolitiker für Landwirtschaft müssen also wahrnehmen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik von Ökonomen und Europapolitikern sehr kritisch beäugt wird. Auch wenn wir uns, wie die Agrarministerkonferenz, für eine Beibehaltung des aktuellen Agrarhaushaltes aussprechen, so kann nicht übersehen werden, dass zumindest mittelfristig mit einer Reduzierung des Agrarhaushalts gerechnet werden muss. Es ist sozusagen ein Rückzugsgefecht. Die Frage ist daher, wie lange dieser Rückzug dauern wird und wie wir ihn möglichst verlustarm für die Landwirte gestalten können.
Daher muss die Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik vor allem auch auf die Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Betriebe ausgerichtet werden, um diese in die Lage zu versetzen, langfristig eine Reduzierung der Subventionen zu verkraften.
Der Grundsatz 7 aus der Agrarministerkonferenz, also die Förderung der Beratung, Forschung und Digitalisierung, kann in dieser Hinsicht nicht hoch genug bewertet werden. Aus meiner Sicht klafft hier momentan die größte Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Aber auch weitere Argumente aus der Agrarministerkonferenz finden die besondere Zustimmung der AfD-Fraktion. „Die EU-weit geltenden umfangreichen und sehr engen Steuerungs- und Kontrollinstrumente sind kaum mehr beherrschbar und führen zu einem sehr hohen Verwaltungsaufwand.“
Wie wahr! Dabei sind Arbeit und Ärger der Landwirte noch gar nicht eingerechnet. Bereits am 23. August letzten Jahres hatte ich in meiner Rede zum Agrarbericht darauf hingewiesen, wie hoch der Verwaltungsaufwand ist. Er beträgt – nur zur Erinnerung – 8 % bis 40 % der Fördersumme, das heißt also, 8 bis 40 Eurocent pro eingeworbenem Fördereuro.
An dieser Stelle bin ich übrigens ganz bei Professor Heinemann. Das ist auf Dauer nicht vertretbar, meine Damen und Herren.
Somit können wir die Bundes- und die Landespolitik – Frau Klöckner und Herr Minister Dr. Wissing – nur dazu ermuntern, den Punkt 4 aus der Agrarministerkonferenz in Brüssel besonders vehement zu vertreten: Die Mitgliedstaaten und Regionen müssen mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung des Regelungs- und Umsetzungsrahmens zur GAP erhalten. – Holen Sie die Hoheit für die Agrarförderung in die Mitgliedstaaten zurück. Der Umweg über Brüssel ist viel zu bürokratisch und viel zu teuer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Landwirtschaft erbringt erhebliche Leistungen nicht nur als Produzent für Lebensmittel, sondern auch für unsere Gesellschaft und unsere Umwelt.
Unsere Landwirtschaft ist nicht einfach ein Wirtschaftssektor, den wir wie jeden anderen Wirtschaftssektor behandeln können, sondern sie produziert unsere Lebensmittel.
Wir investieren Jahr für Jahr Milliarden aus dem europäischen Haushalt, aus unseren Steuern, weil uns diese Leistungen etwas wert sein müssen. Mir wäre es lieber – Ihnen sicher auch –, wir würden diese Subventionen gar nicht erbringen müssen. Ich glaube, das wäre auch den Landwirtinnen und Landwirten lieber. Das würde nämlich bedeuten, dass sie auskömmliche Preise in der Landwirtschaft hätten. So ist es aber nicht.
Wir sind in einer Situation, in der der Markt die Preise nicht generiert. Deswegen führen wir diese Diskussion. Vielen Dank für das Thema, das die Kollegen gesetzt haben, nämlich die Diskussion über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2020; denn wir wollen weiterhin – in dem Punkt sind wir uns, glaube ich, zum großen Teil einig – eine bäuerlich geprägte Landwirtschaft hier in RheinlandPfalz, die gesunde Lebensmittel ohne oder mit möglichst wenig Auswirkungen auf die Umwelt produziert. Im Grunde genommen ist natürlich jeder Eingriff in die Umwelt und jede Art von Bebauung, auch von Ackerbau oder Viehzucht ein Eingriff. Daran muss man nicht deuteln.
Es ist aber natürlich die Frage, inwieweit man diese Eingriffe so macht, dass die Umwelt möglichst nicht geschädigt wird.
Damit wollen wir auch den lebenswerten ländlichen Raum weiterhin erhalten. Wir müssen aber feststellen, die Landwirtschaft, wie wir sie einmal kannten, gibt es nicht mehr. Es wurde eben schon erwähnt, die Zahl der Betriebe ist in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen. Ich habe hier eine Zahl zur Verfügung. 1971 gab es noch 106.000 Betriebe in Rheinland-Pfalz. Heute gibt es noch 17.000. Die Kollegen haben es schon gesagt, die Tendenz ist eher so, dass sich die Einkommenssituation und die Eigenkapitalsituation der Betriebe weiterhin verschlechtern wird.
Es wird weiterhin dazu kommen, dass es größere Betriebe mit mehr Flächen geben wird. Das kann nicht unser Ziel in Rheinland-Pfalz sein. Ich glaube, wir können sehr froh sein – das macht auch einen Teil des Charmes von Rheinland-Pfalz aus –, dass wir noch eine weitgehend gute bäuerliche Landwirtschaft haben und nicht Agrarfabriken wie in anderen Teilen von Deutschland.
Danke. An der Stelle ist mir noch einmal wichtig zu betonen, dass erfreulicherweise tatsächlich eine jüngere Generation herangewachsen ist, nicht nur bei den Landwirtinnen und Landwirten, sondern auch bei den Winzerinnen und Winzern.
Auch bei den Weintrinkern und Weintrinkerinnen. Es ist eine Generation, die tatsächlich diesen Beruf mit ganzem Herzen wählt und nicht, weil sie unbedingt den Betrieb des Vaters übernehmen muss.
Es gibt eine zweite Entwicklung in diesem Bereich. Immer mehr Menschen fragen nach Lebensmitteln, die hohe ökologische Standards erfüllen sollen. Immer mehr Studien zeigen, dass die Landwirtschaft auch eine Rolle dabei spielt, wie sich unsere Artenvielfalt in Deutschland entwickelt. Aus eben diesem beschriebenen Kostendruck heraus werden die Betriebe immer größer. Immer mehr Monokulturen und immer mehr intensivere Landwirtschaft setzen unser ökologisches System unter Druck. Auch dieser Entwicklung müssen wir entgegenwirken; denn unsere Artenvielfalt zu erhalten, ist eine Voraussetzung dafür, dass auch noch unsere Kinder und Enkelkinder gutes Essen bekommen können.
Frau Präsidentin, besten Dank! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Europäische Union befindet sich in einer Phase der zukunftsorientierten Neuausrichtung. Nach den Krisenjahren ist es nun an der Zeit, Europas Zukunft zu gestalten, sich als Global Player aufzustellen und sich als handlungsfähig gegenüber den großen Herausforderungen zu positionieren.
Das setzt voraus, dass Einigkeit über wichtige Fragen erzielt wird, insbesondere in der Migrations- und Flüchtlingspolitik, der Zusammenarbeit bei der äußeren und inneren Sicherheit, der Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion, der Bewältigung des Brexit, beim Klima- und Umweltschutz, der Belebung des Binnenmarkts, aber auch der kurzfristigen Ernährungssicherung, und vor allen Dingen muss auch über die Finanzierung all dieser Vorhaben Einigkeit bestehen.
Die Ministerpräsidentenkonferenz hat im Herbst des vergangenen Jahres die große Bedeutung eines starken Unionshaushalts als Ausdruck und Instrument für die Verteidigung der europäischen Werte sowie für die Zukunft der Europäischen Union betont. Die Ministerpräsidentenkonferenz erwartet, dass die Europäische Kommission einen ambitionierten Vorschlag für einen neuen mehrjährigen
Finanzrahmen von 2021 bis 2027 vorlegt, der weiterhin an politischen Langfriststrategien und den damit verbundenen europäischen Zielen ausgerichtet ist.
Die Ministerpräsidentenkonferenz will es nicht bei bloßen Appellen belassen, sondern sich im März aktiv für einen starken mehrjährigen Finanzrahmen in Brüssel einsetzen, damit zentrale EU-Politikbereiche angemessen mit Finanzmitteln ausgestattet und ihrer zentralen Rolle gerecht werden können.
Meine Damen und Herren, dazu gehört ganz ohne Zweifel die Gemeinsame Agrarpolitik, die unsere Ernährung sichert, unsere ländlichen Räume mit ihren vielfältigen Funktionen stärkt und unsere natürlichen Lebensgrundlagen und vielfältigen Kulturlandschaften flächendeckend bewahrt.
Meine Damen und Herren, die Gemeinsame Agrarpolitik ist nicht weniger als eines der tragenden Fundamente der europäischen Integration. Wir hätten die Europäische Union heute nicht, hätten unsere Väter nicht mit der Gemeinsamen Agrarpolitik begonnen.
aus der Gemeinsamen Agrarpolitik auszusteigen. Das wäre gleichbedeutend mit einem Ausstieg aus der europäischen Integration.