Herr Kollege, auch wenn es zäh gewesen ist, sind wir der Meinung, dass es sich gelohnt hat, weil wir damit unsere Forderungen haben weitestgehend durchsetzen können.
Ich begrüße im rheinland-pfälzischen Landtag Gäste, und zwar Mitglieder und Gäste des SPD-Ortsvereins Bad Breisig/Brohl-Lützing. Herzlich willkommen in Mainz!
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als auf Bundesebene diskutiert wurde, eine Schuldenbremse einzuführen, waren sich alle drei Fraktionen hier im Hohen Hause einig – Herr Kollege Hartloff hat es schon dargestellt –, dass wir über die Tatsache einen gewissen Missmut verspürt haben, dass die Bundesebene und die Bundesgesetzgebungsorgane der Auffassung waren, sie könnten in das Haushaltsrecht der Länder und damit auch der Länderparlamente eingreifen.
Ob das Bundesverfassungsgericht jemals über diese Frage entscheiden wird, weiß ich nicht. Wir waren uns einig, wenn diese Schuldenbremse auf Bundesebene eingeführt wird – solange sie im Grundgesetz steht, gilt sie unmittelbar für uns –, dass wir unser Recht in der Weise geltend machen, dass wir aus eigener Souveränität heraus in unserer Landesverfassung eine solche Schuldenbremse verankern. Natürlich haben wir dabei die Interessenlagen eines Bundeslandes zu berücksichtigen. Wir haben uns deshalb nicht darauf beschränkt, nur das abzuschreiben, was auf Bundesebene drinstand. Ich gebe dem Bundespräsidenten recht, wenn man sich das anschaut, dann ist das nicht die hohe Kunst der Gesetzgebung, die in die Bundesverfassung hineingekommen ist. Aber, was soll’s.
Wir hatten es hier zu regeln. Wir haben die beiden Ausnahmetatbestände der Grundgesetzregelung übernommen, in denen von der Schuldenbremse, sprich vom Verbot der Nettoneukreditaufnahme ab 2020 abgewichen werden darf. Das war zwischen allen Fraktionen unstrittig.
Größeren Diskussionsbedarf hatten wir bei der dritten Ausnahme. Ich sage ganz offen, hier war ich dafür, diese dritte Ausnahme zuzulassen, nämlich für den Fall, dass das Land durch Entscheidungen, die anderswo getroffen werden, zu höheren Ausgaben verpflichtet wird
oder gegebenenfalls mit niedrigeren Einnahmen zu rechnen hat. Ich war immer der Auffassung, dass wir einen Zeitkorridor benötigen, damit sich das Land entsprechend anpassen kann.
Diesen Vorschlag habe ich nicht zuletzt aus den eigenen Erfahrungen heraus mitgetragen. Ich erinnere mich noch gut, wie die damalige Klausurtagung des Kabinetts war, als wir die Mindereinnahmen in der Folge der damals von Rot-Grün mit Zustimmung von Rheinland-Pfalz – das sage ich ausdrücklich dazu – beschlossenen Unternehmenssteuerreform zu verkraften hatten. Wir hatten Mühe, hohe Anstrengungen beim Sparen zu unternehmen. Der Steuerzahlerbund, der weiß Gott selten Regierungen lobt, hat bestätigt, dass wir damals tatsächlich gespart haben. Jedenfalls habe ich das in seinen Publikationen gelesen.
Die Erfahrung von damals hat mich darin bestätigt, dass es zu Situationen kommen kann, die das Land in einem Jahr nicht bewältigen kann. Solange wir unser System nicht auf das amerikanische umstellen, wo die Bundesstaaten, wenn sie kein Geld mehr haben, einfach ihr Personal nach Hause schicken, was keiner bei uns will – wer will die Polizei oder die Lehrer nach Hause schicken, zumal es rechtlich gar nicht geht –, benötigen wir eine solche Übergangsphase.
Herr Kollege Baldauf, Ihr Unbehagen habe ich in den Verhandlungen gespürt. Wenn man sich das genauer überlegt, konnte ich das irgendwie nachvollziehen. Es war nach der ursprünglichen Formulierung durchaus denkbar, dass man sagt, okay, es gibt diese Mindereinnahmen, wir machen von dieser Ausnahme Gebrauch, machen Schulden und strecken das Ganze über 30 Jahre. Ich räume Ihnen ein, damit wäre der Sinn und Zweck der Veranstaltung verfehlt gewesen.
Ich habe vorgeschlagen, lasst uns eine Frist von der Länge einer Legislaturperiode, von fünf Jahren nehmen. Sie kamen mit dem Vorschlag, vier Jahre zu nehmen. In Ordnung, wir machen vier. Damit ist klar, wir haben einen Spielraum von vier Jahren, um anzupassen. Das halte ich für einen vernünftigen Kompromiss und eine vernünftige Lösung.
Ich räume Ihnen beiden gerne ein, wenn jeder von uns alleine eine solche Bremse hätten stricken können, hätte sie wahrscheinlich anders ausgesehen. Verfassungsändernde Mehrheiten erfordern Kompromisse. Deswegen haben wir versucht, solche Kompromisse zu finden. Ich bin froh, dass es gelungen ist, diese Kompromisse zu finden. Ich sage das ausdrücklich, weil es damit gelingt, noch in dieser Legislaturperiode die Dinge auf den Weg zu bringen. Es wäre fatal gewesen, wenn wir nicht die Kraft gehabt hätten, hier zu einer Einigung zu kommen und der nächste Landtag hätte dann damit beginnen müssen. Wir hätten wertvolle Zeit verloren, zumal es nicht allein mit der Verfassungsänderung getan ist, sondern noch entsprechende Gesetze auf den Weg zu bringen sind.
Insofern war es gut und vernünftig, sich hier zu verständigen. Ich finde, der Kompromiss, den wir jetzt gefunden
Ein anderer Punkt, der zu Diskussionsbedarf geführt hat, war die Frage, wie die Sprünge bis 2020 sein sollen. Auch da konnte ich Ihre Befürchtung verstehen, weil es theoretisch sein könnte, dass bis zum Jahr 2019 nicht gespart wird und dann der Sprung im letzten Jahr zu schaffen ist, was natürlich schwierig ist. Die Hürde kann so nicht genommen werden. Sie haben Wert darauf gelegt, dass dies zum Ausdruck kommt. Wir haben deswegen die Formulierung gefunden, dass dies regelmäßig zu geschehen hat.
Ihre Befürchtung, dass das nicht schon für 2011 gelten soll, teile ich nicht. Das schreiben wir ausdrücklich in Artikel 2 des Gesetzes hinein, dass es schon 2011 gelten soll. Warten wir ab. Wir werden es sehen. Den Haushaltsentwurf habe ich noch nicht. Wir schreiben es hinein. Sollte der Haushaltsentwurf das nicht berücksichtigen, dann können wir bei der Verabschiedung im Dezember gegebenenfalls gemeinsam dafür sorgen, dass es berücksichtigt wird.
Aber vom Auftrag her, den der Landtag in diesem Gesetzentwurf erteilt, ist es aus meiner Sicht erfasst.
Sie hatten des Weiteren den Wunsch, dass auch deutlicher gemacht wird, dass die Kredite, die in Landesbetrieben aufgenommen werden, berücksichtigt werden. Hier sind allerdings differenzierte Lösungen geboten. Es muss möglich sein, dass Betriebe des Landes, die am Markt agieren, sich wie andere auch am Markt finanzieren.
Wenn zum Beispiel ein Betrieb des Landes ein neues Geschäftsfeld entdeckt und hierfür Investitionen tätigen muss und aus dem Landeshaushalt wegen der Schuldenbremse die Investition nicht getätigt werden kann, hätte dieses Unternehmen am Markt dann keine Chance mehr. Deswegen ist es vernünftig zu sagen, dieser Betrieb darf Schulden aufnehmen, aber solange er sie aus eigenen Gewinnen zurückzahlt, greift die Schuldenbremse nicht, sondern die Schuldenbremse greift erst, wenn der Landeshaushalt in Anspruch genommen wird. Mit dieser Präzisierung konnte ich mich dann einverstanden erklären, weil dann marktgerechtes Verhalten der Landesbetriebe noch möglich ist.
Deshalb ist es aus meiner Sicht summa summarum ein vernünftiger Kompromiss, der es ermöglicht, dass es in einer nicht unerheblichen Kraftanstrengung – das wird noch schwierig werden und wird auch noch zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen darüber führen, wo denn wie eingespart werden muss – dazu führen wird, dass diese Schuldenbegrenzung, die ab 2020 im Lande gilt, dann letztlich auch eingehalten wird.
Aber vernünftig ist es, dass wir diesen Kompromiss jetzt finden, wir in den nächsten Wochen darüber noch einmal in den Ausschüssen beraten und dann – so hoffe ich – es im November endgültig verabschieden können, damit für die nächsten zehn Jahre klar ist, wie wir uns das vorstellen. Deshalb halte ich es für gut und richtig,
dass wir im Interesse zukünftiger Generationen diesen Kompromiss gefunden und auf den Weg gebracht haben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor mehr als einem Jahr wurde die neue Verschuldungsregel im Grundgesetz etabliert. Das war nicht nötig, weil da 40 Jahre lang etwas stand, was falsch oder unsinnig war, sondern das war nötig, weil die Regelung des Grundgesetzes, die sich so in den Landesverfassungen wiedergefunden hat, in den Freiheitsgraden, die ökonomisch sinnvoll und geboten waren, falsch gelebt wurde. Der Freiheitsgrad, den man hatte, um für sich zu definieren, ob man sich verschulden soll oder ob man, wenn man Bedarf hat, an einer anderen Stelle gegensparen soll oder ob man Steuern erhöhen soll, ist häufig so entschieden worden, dass man sich verschuldet. Das hat dazu geführt, dass die Verschuldung in allen Gebietskörperschaften extrem gestiegen ist, und mit der Verschuldung die Zinsausgaben und die Zinsbelastung.
Die Konsequenz, die daraus gezogen worden ist, ist, dass man eine sehr restriktive Verschuldungsregel im Grundgesetz etabliert hat, die im Grunde genommen Verschuldung verbietet und die auch ein Stück weit ökonomisch durchaus sinnvolle Flexibilität aufgibt.
Der Kollege Hartloff hat es angesprochen, wenn er gesagt hat, wir werden perspektivisch 2020 ff. darüber nachdenken, ob wir das so aufrechterhalten können. Aber die jetzige Verschuldungsregel – das ist richtig und gut so – ist daran orientiert, zunächst die Neuverschuldung abzubauen und die öffentlichen Haushalte wieder auf ein vernünftiges und ausgeglichenes Niveau zu bringen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es richtig, dass die Verschuldungsregel so streng ausgelegt ist.
Es ist auch richtig, dass sich die Fraktionen des Landtags entschieden haben, eine eigene Umsetzung in der Landesverfassung vorzunehmen. Es ist deswegen richtig, weil es notwendig ist, dass der Landtag deutlich macht, dass die Budgethoheit für Landeshaushalte hier im Land liegt und man sich durch eigene Vorschriften reglementiert und determinieren lässt.
Es ist zum Zweiten notwendig, weil die Verschuldungsregel, die man in der Landesverfassung abbildet, Gelegenheit gibt, sie auch angepasst an die unterschiedlichen Haushaltsstrukturen eines Bundeshaushaltes und eines Landeshaushaltes auszugestalten. Die Landesregierung begrüßt den Gesetzentwurf der drei Fraktionen. Wir sind dem Landtagspräsidenten dankbar, dass er uns Gelegenheit gegeben hat, an den Beratungen der Ar
beitsgruppe der Fraktionsvorsitzenden teilzunehmen. Diese neue Verfassungsregelung wird für uns klare Rahmenbedingungen für die Aufstellung zukünftiger Haushalte schaffen. Ich kann Ihnen heute sagen, dass sich der Haushalt, den wir am 24. August als Regierungsentwurf verabschiedet haben und der meines Wissens am 6. Oktober hier im Landtag eingebracht wird, auf dieser klaren Linie, die die neue Verfassungsregelung und der begleitend vorgelegte Entschließungsantrag vorgeben, bewegen wird.
Mit der Entschließung und mit der Etablierung in der Verfassung ergeht auch der Auftrag an die Landesregierung, eine einfachgesetzliche Regelung zu etablieren. Ich kann Ihnen zusagen, dass die Landesregierung in der Lage sein wird, dies zeitnah im Geiste dieser Verfassungsregelung zu tun.
Zwei Dinge sind meines Erachtens bei der Umsetzung in die Landesverfassung jetzt besonders hervorzuheben. Das eine ist die von allen Vorrednern bereits angesprochene Möglichkeit, sogenannte Strukturanpassungskredite zeitlich vorübergehend aufzunehmen, und zwar immer dann, wenn entweder Einnahmeausfälle oder Ausgabeverpflichtungen dem Land auferlegt werden, ohne dass das Land unmittelbar Einfluss darauf hat, weil es auf Gesetzgebung oder rechtliche Rahmenbedingungen beispielsweise des Bundes oder der Europäischen Union zurückgeht.
Lieber Herr Baldauf, ich hätte mir gewünscht, dass unsere Beratungen in der Arbeitsgruppe dazu beigetragen hätten, dass Sie heute nicht sagen, „Ich habe da eine Kröte schlucken müssen“, sondern dass Sie aus Überzeugung sagen, es ist vernünftig, dass wir das haben. Ich möchte es Ihnen deswegen noch einmal an zwei Beispielen erklären. Das eine ist meines Erachtens ein Beispiel, das mit dem Selbstverständnis dieses Parlaments zu tun hat. Es kann nicht sein, dass sich ein Landesparlament von einem Bundesparlament, von einer Bundesregierung oder von einer Europäischen Kommission auferlegen lässt, in welchem Zeitraum es bestimmte finanzielle Verpflichtungen aufzuarbeiten hat im Sinne von Konsolidierung. Deswegen ist es wichtig, dass Sie sich einen solchen Zeitraum geben.
Meine Damen und Herren, zum Zweiten möchte ich ein Beispiel bemühen, das vielleicht dem Kollegen Mertin relativ nahe ist. Ich hoffe sehr, dass es irgendwann einmal in ein paar Jahren, wenn wir diese Neuverschuldung von null erreicht haben, auch wieder möglich sein wird, über Steuersenkungen nachzudenken. Wenn wir über Steuersenkungen nachdenken, dann wissen wir immer, dass die Steuersenkungen im ersten Jahr stärkere Einnahmeausfälle zeitigen, als sie sich möglicherweise über Wachstumswirkungen refinanzieren lassen.
Wenn dem so ist, dann muss es doch die Möglichkeit geben, dass man sich als Land und als Landesgesetzgeber nicht in die Situation bringt, dass man sagt, „Können wir jetzt einer Steuerreform zustimmen?“, und im Gegenzug dafür – nehmen wir einmal eine Steuerreform, die dem Land im ersten Jahr 200 Millionen Euro
Mindereinnahmen bringt, das ist keine überraschende, das hatten wir in den letzten Jahren häufig, nach meinem Geschmack zu häufig, ein wichtiger Grund, warum unsere finanzielle Situation so schwierig ist – diese Entscheidung doch nicht davon abhängig sein kann, ob man es sich leisten kann, im nächsten Haushaltsjahr 4.000 Stellen aufzugeben – 2.000 Lehrer und 2.000 Polizisten –, sondern es muss eine Möglichkeit geben, dass man das Instrument Steuerpolitik auch langfristig in eine Strategie einpasst.
Herr Baldauf, wenn man die kompromisslose Lösung von Ihnen wählt, ist dies nicht möglich. Ich habe es jetzt einmal versucht, sozusagen an einem Beispiel zu illustrieren, das Ihnen vielleicht ideologisch näher ist, und vielleicht trägt es dazu bei, dass Sie sich zukünftig mental auch ein Stück weit mehr an dieser Stelle bewegen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der zweite Punkt ist der der Flexibilität, über den auch schon gesprochen worden ist. Jede Organisation und jedes Unternehmen, das einen schwierigen Restrukturierungsprozess zu bestehen hat, der mit dem Verlust von Einnahmen oder mit dem Abbau von finanziellen Verpflichtungen verbunden ist, wird einen Wunsch äußern: Wenn ich schon kein Geld habe, dann möchte ich wenigstens Flexibilität haben. –
Das ist etwas, das wir in der Wirtschaftspolitik allenthalben diskutieren. Im Übrigen geschieht dies häufig unter dem Stichwort der Deregulierung. Mehr Flexibilität schafft die Chance zu mehr Effizienz, verpflichtet aber umgekehrt diejenigen, denen man die Flexibilität gibt, dass sie verantwortlich damit umgehen. Aus Angst, dass man nicht verantwortungsvoll damit umgeht, sich Flexibilität nicht einzuräumen, wäre meiner Ansicht nach falsch und fatal.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb finde ich es richtig, dass die Arbeitsgruppe der Fraktionsvorsitzenden der Versuchung widerstanden hat, die Möglichkeit, die das Grundgesetz expressis verbis einräumt, zu nutzen, nämlich nicht in gleichen proportionalen Anteilen diesen Konsolidierungsprozess bis 2020 zu gestalten, sondern sich Flexibilität in den einzelnen Konsolidierungsschritten zu eröffnen. Die Arbeitsgruppe hat sich mit der Etablierung des Begriffs „regelmäßig“, der völlig vernünftig ist, diese Möglichkeit offengehalten, die eine sinnvolle und eine effizienzorientierte, flexible Konsolidierung zulässt.
Regelmäßig heißt, dass wir sofort damit beginnen müssen. Regelmäßig heißt, dass wir nicht einmal ein oder zwei Jahre pausieren dürfen. Das können wir im Übrigen angesichts der Gesamtaufgabe, die damit verbunden ist, auch gar nicht. Proportional und gleichmäßig hieße, Sie glauben an planwirtschaftliche Steuerungsvorstellungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was bedeutet die Schuldenbremse bis 2020, das heißt, der Abbau der Neuverschuldung bis 2020? Konsolidierung bedeutet zunächst Ausgaben senken und/oder Einnahmen erhöhen. Ich bin fest davon überzeugt, das „oder“ können wir uns schenken. Es muss beides sein. Ausgaben senken wird die vornehmste Aufgabe der Landespolitik sein, weil